Limeswächter

Neues Mitglied
Hallo,

ich versuche gerade unsere Ortsgeschichte etwas auf Vordermann zu bringen.

In unserer Ortsgemarkung wurden insgesamt 4 Viergöttersteine gefunden.
Diese Angabe ist jedoch nicht genau.

Sicher ist, daß es 3 waren. Einen fand man zuletzt bei Renovierungsarbeiten im Kirchenaltar verbaut. Deshalb wird angenommen, daß die Kirche auf den Grundmauern der villa rustica gebaut wurde.

Wie sicher ist das ?

Vieviele Viergöttersteine waren in einer villa rustica verbaut ?
(Ich möchte wissen, ob sich eine oderer mehrere villa rusticae im Ort, oder in der näheren Umgebung befanden. Wenn pro villa rustica ein Viergötterstein stand, dann hieße das, daß wir 3 römische Villen hatten)

Die Viergöttersteine waren die Sockel auf denen die Jupitersäulen standen, richtig ?
 
Vieviele Viergöttersteine waren in einer villa rustica verbaut ?
Eigentlich waren in einer Villa Rustica gar keine Viergöttersteine verbaut. Die Jupitersäulen oder Jupitergigantensäulen sind frei stehende Monumente. Hier einmal ein sehr gut erhaltenes Exemplar
http://www.museum-heidelberg.de/servlet/PB/show/1459607/KdM Februar 2011.pdf

Das Heidelberger Stück wurde wohl abgebaut, weil der Standort für eine militärische Einrichtung benötigt wurde. Die Steine verbaute man nicht, sondern wurden in einen aufgelassenen Brunnenschacht sorgfältig deponiert. Die krönende Jupiterfigur wurde nicht mit in den Brunnenschacht deponiert. Die Ausgräber vermuten, dass diese an einen heiligen Ort vergraben oder vom Stifter mitgenommen wurde.

Viergöttersteine als Spolien verbaut hat man sicherlich nach der Christianisierung unserer hiesigen Provinzen. Da bewegen wir uns aber schon im beginnenden 4. Jahrhundert uZ. Zur früheren Zeit hätte man meines Erachtens durch solche Zweitverwendung die religiösen Gefühle vieler Menschen verletzt.

Der Limes ist wohl 259 oder 260 uZ aufgegeben worden. Auf rechtsrheinischem Gebiet sind aus römischer Zeit meiner Kenntnis nach kaum christliche Funde gemacht worden. Nach dem Fall des Limes wurden die rechtsrheinischen Gebiete weitgehend aufgegeben. Nur wenige Plätze blieben besiedelt. Ich glaube das heutige Wiesbaden = Aquae Mattiacorium war so ein Fall. Auch für das römische Stettfeld gibt es archäologische Hinweise, dass dort noch mindestens bis 290 uZ Römer ansässig waren. Für linksrheinische Gebiete (zum Beispiel das Treverergebiet um Trier) könnte ich mir eher vorstellen, dass dort bei Neuerrichtung von Villa Rusticae Spolien verbaut wurden, welche aus paganen Tempeln oder sonstigen paganen Monumenten stammten. Grundsätzlich ist eine Jupitersäule für die Zweitverwendung nicht gerade das geeignetste Material. Zumindest der Viergötterstein wäre brauchbares Baumaterial gewesen. Wobei auf dem Grundstück einer vorchristlichen Villa Rustica ja auch nicht viele dieser Jupitersäulen herum stammten. Ich kenne zumindest keine Villa, bei denen mehr als Reste von zweien dieser Monumente gefunden worden wären.

"Christliche Kirchen" wurden gerne auf römische Fundamente errichtet. Die römische Baukunst garantierte für einen stabilen Unterbau der Kirchen. Wobei besonders die römischen Thermen die Fundamente für die Kirchen lieferten. Eine Therme wurde wegen der dort vorhandenen Schwimmbecken mit besonders qualitativen und starken Fundamenten errichtet. Deshalb boten sich deren Ruinen als Standplatz für Kirchen an. Bei einer Villa Rustica wäre ich mir als geeigneter Kirchenstandort nicht so sicher. Entgegen der Vicus-Thermen lagen die Villa Rusticae ja außerhalb der römischen Siedlung - bevorzugt in Halbhöhenlagen. Eine Kirche wiederum hatte ja eine zentrale Funktion für die frühmittelalterlichen Siedlungen. Deshalb boten sich - bei einer Neubesiedelung römischer Vici eher städtische Ruinen als Bauplatz für Kirchen an.
 
Ja, El Quijote. Wo diese Viergöttersteine herkommen, weiß niemand so genau. Es wird nur in der allgemeinen Ortschronik so beschrieben.

Die nächsten wissentschaftlich nachgewiesenen Villa rusticae sind.

Haselburgverein
Archäologisches Spessartprojekt e.V. - Kulturwege - Bachgau 3
Wamboltsches Schlösschen ? Wikipedia

Wir sind ein kleine Ortschaft ca. 900 Einwohner. Die Kirche liegt so auf 170m. Ringsum haben wir Hügel, die 250-300m hoch sind. Also eher warscheinlicher, daß, wenn überhaupt, hier eine Villa anzunehmen ist. Wäre die Villa unter der Kirche zu vermuten, dann wäre die Lage nicht so optimal, da zwar vor der Kirche ein leichter Abhang ist, jedoch hinter der Kirche geht es innerhalb von 1,5km sanft ansteigend auf 230m hoch.
Also strategisch unsinnig.
 
Limeswächter schrieb:
Wir sind ein kleine Ortschaft ca. 900 Einwohner. Die Kirche liegt so auf 170m. Ringsum haben wir Hügel, die 250-300m hoch sind. Also eher warscheinlicher, daß, wenn überhaupt, hier eine Villa anzunehmen ist. Wäre die Villa unter der Kirche zu vermuten, dann wäre die Lage nicht so optimal, da zwar vor der Kirche ein leichter Abhang ist, jedoch hinter der Kirche geht es innerhalb von 1,5km sanft ansteigend auf 230m hoch.
Also strategisch unsinnig.
Den Zusammenhang bezüglich "strategisch" verstehe ich jetzt nicht. Eine Villa Rustica hatte keine strategische Funktion. Sie war einfach ein (meist) landwirtschaftliches Produktionszentrum, vergleichbar mit unseren heutigen Aussiedlerhöfen. Diese Gebäudekomplexe wurden bevorzugt in Halbhöhenlagen errichtet. Ein naher Bachlauf war für die Platzwahl auch vom Vorteil.

Auf Höhen oder Bergsporne errichtete man in anderen Epochen zum Beispiel die Fürstensitze der Hallstattzeit oder süddeutsche Burgen im hohen Mittelalter. Die Römer hatten ein anderes Verteidigungskonzept. Selbst ihre Kastelle in der frühen oder mittleren Kaiserzeit lagen häufig in der Ebene und waren weniger Festungen als Kasernen.

Auch die Kirchen des Mittelalters hatten üblicherweise keine militärische Funktion. Die Wehrkirchen sind hierbei Ausnahmen. Wenn man den Platz Eurer Kirche deshalb gewählt hat, weil sich dort die Reste einer römischen Villa Rustica befanden, dann hatte dies sicherlich andere als militärische Gründe. Zum einen fand man an einem solchen Platz behauene Steine, welche man bequem zweitverwenden konnte. Zum anderen konnte man dann für die Kirche eventuell die vorhandenen Fundamente wiederverwenden. Wenn also diese Vorteile dem Bauherren attraktiv erschienen, wurden also die Vorlieben der Römer bei der Wahl ihrer Bauplätze zwangsläufig übernommen.
 
Ja, El Quijote. Wo diese Viergöttersteine herkommen, weiß niemand so genau. Es wird nur in der allgemeinen Ortschronik so beschrieben.

Die nächsten wissentschaftlich nachgewiesenen Villa rusticae sind.

Haselburgverein
Archäologisches Spessartprojekt e.V. - Kulturwege - Bachgau 3
Wamboltsches Schlösschen ? Wikipedia

Wir sind ein kleine Ortschaft ca. 900 Einwohner. Die Kirche liegt so auf 170m. Ringsum haben wir Hügel, die 250-300m hoch sind. Also eher warscheinlicher, daß, wenn überhaupt, hier eine Villa anzunehmen ist. Wäre die Villa unter der Kirche zu vermuten, dann wäre die Lage nicht so optimal, da zwar vor der Kirche ein leichter Abhang ist, jedoch hinter der Kirche geht es innerhalb von 1,5km sanft ansteigend auf 230m hoch.
Also strategisch unsinnig.

Bei euch in der Nähe in Groß-Umstadt habt ihr doch bereits ein Beispiel für eine Kirche, die auf dem Hauptgebäude eines römischen Gutshofes steht. Könnte also durchaus auch in Radheim so sein. Die Höhe spricht nicht dagegen. Die römischen Villen lagen zumindest in unseren Breiten selten auf den Kuppen, sondern meist am Südhang.
Als Gegenargument kann man wiederum einwenden, dass in deutschen Kirchen allgemein viele Spolien, d.h. Architekturteile aus der Römerzeit, verbaut wurden. Gewissheit gäbe also nur eine Untersuchung im Kirchenschiff, was aus naheliegenden Gründen nur alle Jahrzehnte mal möglich ist, wenn der Fußboden restauriert wird.
 
Den Zusammenhang bezüglich "strategisch" verstehe ich jetzt nicht. Eine Villa Rustica hatte keine strategische Funktion. Sie war einfach ein (meist) landwirtschaftliches Produktionszentrum, vergleichbar mit unseren heutigen Aussiedlerhöfen. Diese Gebäudekomplexe wurden bevorzugt in Halbhöhenlagen errichtet. Ein naher Bachlauf war für die Platzwahl auch vom Vorteil.

Auf Höhen oder Bergsporne errichtete man in anderen Epochen zum Beispiel die Fürstensitze der Hallstattzeit oder süddeutsche Burgen im hohen Mittelalter. Die Römer hatten ein anderes Verteidigungskonzept. Selbst ihre Kastelle in der frühen oder mittleren Kaiserzeit lagen häufig in der Ebene und waren weniger Festungen als Kasernen.

Auch die Kirchen des Mittelalters hatten üblicherweise keine militärische Funktion. Die Wehrkirchen sind hierbei Ausnahmen. Wenn man den Platz Eurer Kirche deshalb gewählt hat, weil sich dort die Reste einer römischen Villa Rustica befanden, dann hatte dies sicherlich andere als militärische Gründe. Zum einen fand man an einem solchen Platz behauene Steine, welche man bequem zweitverwenden konnte. Zum anderen konnte man dann für die Kirche eventuell die vorhandenen Fundamente wiederverwenden. Wenn also diese Vorteile dem Bauherren attraktiv erschienen, wurden also die Vorlieben der Römer bei der Wahl ihrer Bauplätze zwangsläufig übernommen.

Ja sorry, war vielleicht nicht gut erklärt.
Ich meinte strategisch in dem Sinne, daß die Römer meist Höhenzüge einer Landschaft benutzen um vom A nach B zu reisen. Deshalb dachte ich auch, daß so eine villa rustica nicht im "Tal" liegen kann, sondern auf einer Anhöhe, wo Sie besser zu ereichen ist.
 
Ja sorry, war vielleicht nicht gut erklärt.
Ich meinte strategisch in dem Sinne, daß die Römer meist Höhenzüge einer Landschaft benutzen um vom A nach B zu reisen. Deshalb dachte ich auch, daß so eine villa rustica nicht im "Tal" liegen kann, sondern auf einer Anhöhe, wo Sie besser zu ereichen ist.

Da ist was mißverständlich, die Villa rustica mag auf einer Anhöhe gelegen haben, wegen der besseren Aussicht oder um sicher über einem periodischen Vernässungsgebiet zu liegen.
Dass die Römer den anstrengenderen Weg direkt über die Berge gewählt haben sollen, wäre für mich überraschend.
 
Die Gegend um Groß-Umstadt liegt ja noch am Odenwaldrand und war auch damals noch relativ fruchtbar. Man vermutet (siehe "Die Römer in Hessen"), dass die Villen dieser Region in Verbindung mit dem römischen Vicus in Dieburg in Verbindung standen, einer der wenigen größeren "städtischen" Ansiedlungen in diesem Teil des Limesgebiets.
Im Odenwald selber gab es dann nur noch wenig Besiedlung, die bekannten Villen konzentrierten sich im Mümling-Tal und dem Nordabschnitt, wo der Limes an den Main stößt. Ansonsten gab es über weite Strecken nur die Kastelle und Wachtürme.

Hier eine sehr schöne Karte aus der Wikipedia dazu:
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/7/71/Odenwaldlimes.svg
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich meinte strategisch in dem Sinne, daß die Römer meist Höhenzüge einer Landschaft benutzen um vom A nach B zu reisen. Deshalb dachte ich auch, daß so eine villa rustica nicht im "Tal" liegen kann, sondern auf einer Anhöhe, wo Sie besser zu ereichen ist.

Eigentlich nicht. Im Rhein-Main-Gebiet benutzten die Römer Verkehrswege, die auch heute noch, wenn nicht 1:1, doch in ähnlicher Form existieren. Die zentrale Hauptroute in dieser Region war die Bergstraße - denn so, wie heute immer noch, gab es zwischen Mainz und Heidelberg keine Rheinbrücke.
 
Zurück
Oben