Völkermord an den Armeniern

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http://www.juedisches-archiv-chfrank.de/kehilot/turkei/armenia/genozid-leugnung.htm

Frankerich und die Schweiz haben ja den Genozid bereits anerkannt.



@Schini:
Seit wann liegt "Die vierzig Tage des Musa Dagh" ungelesen auf meinem Nachtkastel???

Weiß ich ehrlich keine Antwort. Ich dementiere hiermit ausdrücklich dein Nachtkastel jemals gesehen zu haben. Auch habe ich besagtes Buch weder gelesen noch gesehen und dementiere auch hier jegliche Verbindung ;)
Aber gute Signatur hast du da....
 
Auch wenn ich die Frage als rhetorisch gestellt betrachte, danke ich dir für deine Aussagen. Ich werde sie meinen sachdienlichen Ermittlungen als Aktenvermerk (FW-AV-LB1) anfügen.

Merci... :D
 
vor fast genau 90 jahren begann im schatten des ersten weltkriegs der erste völkermord des 20. jahrhunderts, an den armeniern im osmanischen reich.

die armenier siedelten seit der antike hauptsächlich im östlichen teil der heutigen türkei bis zum südlichen kaukausus, dem, was wir heute unter Armenien verstehen.

im osmanischen reich bildeten die armenier zusammen mit den anatolischen griechen eine art mittelschicht und waren häufig auch als händler tätig. mit erstarken der "jungtürkischen bewegung" ende des 19. jhdts., die eine ethnisch reine türkei wollten, begannen die repressalien. bereits zwischen 1894 und 1896 fielen zwischen 100.000 und 200.000 armenier einer progromwelle zum opfer. während der jungtürkischen revolution 1909 wurden nochmals bis zu 30.000 armenier getötet.

im ersten weltkrieg schoben die an die macht gekommenen jungtürken unter Enver Pascha das scheitern der türkischen offensive gegen Russland den armeniern in die schuhe. die armenischen soldaten wurden zunächst entwaffnet, in arbeitskolonnen zusammengeschlossen und letztendlich ermordet.

am 24. april begann man mit der verhaftung und ermordung der armenischen führungsschicht istanbuls. bis juli wurden die armenier in 7 orten des osmanischen reichs zusammengetrieben und entweder sofort ermordet oder auf todesmärschen durch die wüste nach Aleppo gezwungen.

100.000 armenier überlebten, weil sie sich zwangsturkisieren ließen, ungefähr 500.000 gelang die flucht. über die opferzahlen der todesmärsche gibt es nur schätzungen, zwischen 600.000 bis zu 1,5 millionen.

selbst nach dem waffenstillstand und dem frieden von Sèvres, der den Armeniern einen eigenen Staat in ostanatolien zugestand, versuchte das türkische militär, die im krieg begonnene ausrottung der armenier zu vollenden. den massakern fielen über 200.000 armenier zum opfer.
(quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/V%C3%)

das deutsche reich war im ersten weltkrieg verbündeter der türken, drei der 5 osmanischen armeen hatten deutsche oberbefehlshaber, in praktisch jeder größeren einheit waren deutsche verbidnungsoffiziere vorhanden. die verbrechen fanden also unter den augen des deutschen militärs statt. sie griffen aber niemals ein, auch wenn sich einzelne offiziere bei ihren osmanischen waffenbrüdern oder bei der deutschen botschaft beschwert haben.

dem pfarrer Johannes Lepsius ist es zu verdanken, dass die welt überhaupt über den völkermord erfahren hat. bereits vor dem krieg war er es, der sich für die belange der armenischen minderheit einsetzte. mitten im krieg erschien 1916 sein "Bericht über die Lage des Armenischen Volkes in der Türkei", die er über die protestantsichen pfarrhäuser unter umgehung der militärzensur verteilen ließ.

die deutschen quellen stellen immer noch die hauptgrundlage für die erforschung des völkermords dar, auch wenn etliche davon nachträglich manipuliert bzw. verschwunden sind. unter http://www.armenocide.net/ kann man sich diese ansehen.

bsi heute weigert sich die Türkei den völkermord als solchen anzuerkennen. etliche europäische staaten (Frankreich, Schweden Belgein, Italien u.a.), der Europarat und Kanada haben den völkermord anerkannt. vielfach versuchte die türkische regierung diese beschlüsse mit diplomatischem druck zu verhindern. der deutsche bundestag konnte sich bislang nicht zu einer entsprechenden resolution durchringen, ebensowenig die USA.

die weigerung der Türkei, den völkermord anzuerkennen, wird von einigen als eines der hindernisse für den beitritt der Türkei zur EU angesehen.
 
collo schrieb:
um dem vorwurf der einseitigkeit zu entgehen, hier ein link zu einer offiziellen seite der türkischen regierung (in deutsch), die die türkische sicht wiedergibt:

http://www.kulturturizm.gov.tr/portal/tarih_de.asp?belgeno=1027
http://www.ermenisorunu.gen.tr/deutsch/einleitung/index.html



Das mit der Objektivität in allen Ehren, aber in dem Link les ich praktisch die hochoffizielle Lesart der Türkei. Ich les von armenischen Terroristen und von armenischen Massakern (von Armeniern begangen wohlgemerkt) und die Krönung kommt dann unter "Umsiedelung" (wirklich ein niedlicher Euphemismus):

Dass gegenüber den armenischen Aufständen und Massakern, denen Tausende von Türken zum Opfer fielen, die osmanische Regierung eine ruhige und vernünftige Haltung einnahm, ist aufgrund der Dokumente erwiesen. Allerdings sah sich die Regierung aufgrund der nicht aufzuhaltenden terroristischen Bewegungen gezwungen, die in verschiedenen Regionen lebenden Armenier aus dem Kriegsgebiet zu entfernen und in weit entfernten Gebieten anzusiedeln. Die Umsiedelung der Armenier aus den Gebieten, die die Sicherheitslinie der Front zum Kaukasus, dem İran und Sinai darstellten, verfolgte nicht das Ziel, die Armenier zu vernichten, sondern die Staatssicherheit zu sichern und die Armenier zu schützen. Diese Aktion stellte die erfolgreichste Umsiedelung der Welt dar.

Nun gut....andere nennens Vertreibung und Mord.
 
Es kommt halt leider immernoch darauf an, auf welcher Seite der Gleise man steht.
Ich denke mal aus den beiden Seiten kann man schon halbwegs logisch schließen wie die Geschichte verlaufen ist. Ich denke einfach es war auch eine der damaligen Zeit entsprechende Handlungsweise, ohne jedoch das getane zu mildern oder schönen zu wollen.

Verantwortungsloser ist dagegen die heutige Politik, solche Ereignisse nicht ordentlich aufzuarbeiten, wobei wir damit ja ins politische kommen.
 
Leopold Bloom schrieb:
Das mit der Objektivität in allen Ehren, aber in dem Link les ich praktisch die hochoffizielle Lesart der Türkei. ...

Nun gut....andere nennens Vertreibung und Mord.

du liest nicht nur praktisch die hochoffizielle lesart der türkischen regierung, das IST die hochoffizielle lesart, die seite ist die des türkischen kulturministeriums!

ich habe sie dennoch gebracht, weil sie für das verständnis des türkisch-armenischen verhältnisses wichtig ist.
 
Ich finde es immer wieder faszinierend, wie ein und dasselbe Geschehen von zwei Seiten durch verschiedene Wortwahl und Umschreibung in völlig unterschiedlichen Lichtern erscheint. Deswegen lese ich gern Berichte aus gegensätzlichen Quellen. Die Wahrheit liegt meist irgendwo dazwischen oder im "Extrakt" der Darstellungen.

Ich finde es prima, daß Collo hier - uns extrem unterschiedlich erscheinende - Quellen anbietet.
 
Aber um mal ein paar weitere Aspekte reinzubringen:

Die Leugnung eines Genozids durch die türkische Regierung begann erst später. Anfangs hat man das noch relativ freimütig eingeräumt und auf britischen Druck hin einige der Täter auch verhaftet. Gegen ein paar geflohene Jungtürken hat man dann eine Art "symbolisches Todesurteil" ausgesprochen...

Auch die Rolle des deutschen Reichs sei mal nicht unerwähnt. Zwar hat man nicht aktiv teilgenommen, aber man hatte sehr detaillierte Kenntnis über die Vorgänge des Bündnispartners.



vor fast genau 90 jahren begann im schatten des ersten weltkriegs der erste völkermord des 20. jahrhunderts, an den armeniern im osmanischen reich.

Der erste?
 
Ich wollt nicht wechseln....(aber du liegst ziemlich richtig mit der Kolonialgeschichte)....bleiben wir bei den Armeniern. War nur ne Rückfrage :grübel: :winke:
 
Leopold hat recht, man sollte auch beim abschreiben eine gewisse distanz wahren, nennen wir ihn den ersten völkermord im europäischen umfeld...
 
Weil die Türken auf ihrer Seite die vielleicht beste Rezension bringen, die man sich denken kann:
[font=Verdana, Arial, Helvetica, sans-serif]1934[/font]
[font=Verdana, Arial, Helvetica, sans-serif]Franz Werfels Roman "Vierzig Tage auf dem Moses- Berg" erscheint in englischer Übersetzung in den USA.[/font]

[font=Verdana, Arial, Helvetica, sans-serif]1935[/font]

[font=Verdana, Arial, Helvetica, sans-serif]Eine Gruppe Armenier, die sich in der armenischen Kirche versammeln, verbrennen am 15. Dezember öffentlich Franz Wefels Buch " Vierzig Tage auf dem Moses- Berg ", weil es " voll ist mit Verleumdungen das türkische Volk.[/font]

[font=Verdana, Arial, Helvetica, sans-serif]1936[/font]

[font=Verdana, Arial, Helvetica, sans-serif]Nach dem das Buch von Franz Werfel " Vierzig Tage auf dem Moses- Berg" auch in Frankreich veröffentlich wurde, gab die türkische Medien ein Gegenreaktion ab.[/font]

[font=Verdana, Arial, Helvetica, sans-serif]1937[/font]

[font=Verdana, Arial, Helvetica, sans-serif]Cevat Rifat Atilhan veröffentlichte sein Buch " Moses- Berg" als Gegenreaktion zu dem Roman von Franz Wefel.[/font]

[font=Verdana, Arial, Helvetica, sans-serif]Die Verfilmung des Romans " Vierzig Tage auf dem Moses- Berg " wurde gehindert.[/font]

Deswegen empfehle ich nachdrücklich den Roman von Franz Werfel "Die vierzig Tage des Musa-Dagh" zu dieser Thematik. :yes:
 
ein bisschen was zur vorgeschichte:

die Armenier sind eines der ältesten christlichen völker überhaupt und hatten bis ins mittelalter einen eigenen staat. dieser ging dann durch die eroberungen der osmanen und perser unter. und damit auch der kontakt zur restlichen christlichen welt.

erst nachdem das russische reich den kaukasus zu erobern begann, traten die armenier wieder aus dem schatten der geschichte heraus. russland gelang es, ost-armeinien mit der haupstadt Jerewan (besser bekannt als Eriwan) zu erobern. im türkisch-russischen krieg von 1878, der zur berliner konferenz führte, eroberten sie gebiete des anatolischen westarmeniens. auf druck der Briten, mussten die Russen aber auch diese eroberung fallenlassen. immerhin wurde den armenieren so etwas wie autonomie zugestanden und damit erstmals von den europäischen mächten anerkannt.

dieser eingriff in die osmanische souveränität war es, die den hass der jungtürkischen bewegung auf die Armenier wohl ausgelöst hat. die armenier wiederum haben die russen als ihren natürlichen verbündeten angesehen. so gesehen ist es nicht ganz so verwunderlich, warum es im weltkrieg zu den verbrechen an den Armeniern kam.
 
bereits gegen ende des 19. jahrhunderts gab es armenische auswanderer, aber erst die ereignisse von 1915 und danach führten zu einem regelrechten exodus. ziel der meisten war der russisch/sowjetische teil Armeniens, aber auch ins westliche ausland gelangten viele. hier einige berühmte Armenier, bzw. armenischstämmige persönlichkeiten:

- Aram Chatschaturian, armenischer komponist (Säbeltanz)
- Charles Aznavour
- Cher (Cherilyn Sarkissian)
- Youri Djorkaeff, fussballer
- Gari Kasparow, ehem. schachweltmeister
- Artem Mikoyan, flugzeugbauer (das Mi von MiG)
- Rick Kavanian, dt. schauspieler (Schuh des Manitu)

(Quelle: wikipedia)
 
1920 erhieletn die armenier im friedensvertrag von Sèvres einen eigenen staat, der die nordostecke der heutige türkei umfasste. neben dem selbständigen armenien wurden das gebiet um Izmir, damals Smyrna, Griechenland zugesprochen, die arabischen gebiete zwischen Frankreich und England aufgeteilt bzw. das heutige Saudi-Arabien selbständig und sogar den Kurden gab man weitgehende autonomie.

da dieser vertrag aber zwischen dem osmanischem reich und der entente abgeschlossen worden ist, hielt sich die türkische republik daran nicht gebunden. es kam zu einem kurzen und heftigen krieg zwischen Griechenland und der Türkei, den die Türken für sich entschieden.

Armenien wurden quasi nebenbei wieder einverleibt und die alte grenze zu russland bzw. dann der Sowjetunion wiederhergestellt. Im friedensvertrag von Lausanne von 1923 war dann von einem selbständigen Armenien keine rede mehr, und obwohl die türkische regierung die achtung der minderheiten versprach, wurde die vertreibungspolitik fortgesetzt.
 

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