Vogtland im Mittelalter, slawische Sprache?

Dackelhasser

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Hallo liebes Forum,
weiß jemand, wie lange im Vogtland nach der Eroberung durch die Vögte und der beginnenden Besiedelung durch deutsche Kolonisten noch slawisch gesprochen wurde.
Wie lange dauerte es, bis die Reste der Slawen vollständig germanisiert wurden waren?
 
Das ging aber sehr schnell. Dann dürften dort vorher nicht sehr viele Slawen gesiedelt haben, oder?
 
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Ich nehme mal an, es wird Ihnen bekannt sein das 1348 in diesem Gebiet slawisch als Gerichtssprache abgeschafft worden ist.

Hier zu einen Bericht des Herrn Dr. H.- J. Beyer, Werdau.
Diesen Bericht hielt er in der Gaststätte Reichenfels am 17.12.2005 vor dem Vogtländischen Altertumsforschenden Vereins Hohenleuben.
„Die Besiedlungsgeschichte unseres nördlichen Vogtlandes ist ein recht komplexes Thema“.

https://vavh-geschichtsverein-hohenleuben.de/die-slawische-besiedlung/
 
Ich nehme mal an, es wird Ihnen bekannt sein das 1348 in diesem Gebiet slawisch als Gerichtssprache abgeschafft worden ist.
Äh nein, deshalb frage ich ja. Aber vielen Dank für den Link. Mir geht es in erster Linie um das heute sächsische Vogtland, d.h. die Gegend rund um Plauen. Da gab es zuvor auch recht viele slawische Ortsgründungen. Die Menschen können ja nicht spurlos verschwunden sein. Aber bei so schneller Integration müssen die deutschsprachigen Siedler doch in der Mehrheit gewesen sein, anders als z.B. in der Lausitz. Gibt es dazu Zahlenmaterial?

Aber Moment mal, 1348 war doch auch ungefähr der Zeitraum, wo die Vögte ihre Eigenständigkeit verloren hatten. Hängt das vielleicht damit zusammen?
 
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Äh nein, deshalb frage ich ja. Aber vielen Dank für den Link. Mir geht es in erster Linie um das heute sächsische Vogtland, d.h. die Gegend rund um Plauen. Da gab es zuvor auch recht viele slawische Ortsgründungen. Die Menschen können ja nicht spurlos verschwunden sein. Aber bei so schneller Integration müssen die deutschsprachigen Siedler doch in der Mehrheit gewesen sein, anders als z.B. in der Lausitz. Gibt es dazu Zahlenmaterial?

Aber Moment mal, 1348 war doch auch ungefähr der Zeitraum, wo die Vögte ihre Eigenständigkeit verloren hatten. Hängt das vielleicht damit zusammen?


Zu der konkreten Situation im Vogtland habe ich keine Kenntnisse. Aber bei der Übernahme von Sprache kann man zwischen Immigration und Assimilation unterscheiden und natürlich Kombinationsformen von beiden. Eine Sprachübernahme setzt nicht unbedingt voraus, dass zahlenmäßig überlegene Neusiedler ihre Sprache der Altbevölkerung aufgezwungen haben. Möglich wäre auch, dass die Eliten, wie Adel, zum Deutschen gewechselt sind, und der Sprachwechsel "von oben nach unten" erfolgte. In diesem Falle käme man sogar ohne Immigration von Siedlern aus.

Bei Ortnamen gibt es auch vierschiedene Möglichkeiten: so kann eine alter slawischer Siedlungsname oder auch nur Flurname übernommen worden sein, und es siedelten dort nur Neukolonisten. Andererseits kann eine Siedlung auch unter einem deutschen Namen gegründet worden sein und es lebten dort nur Einheimische.

Deutsch als Gerichtssprache heißt zunächst einmal, dass dies die offizielle Sprache bei Gericht war, aber nicht, dass jeder Bauer ab dieser Zeit nur Deutsch sprach.

Irgendwo haben wir auch einen Thread zur Übernahme von Sprachen.

ah, hier ist er: Übernahme von Sprachen, Widerstand, Macht
 
Im Vogtland wird heute nur noch deutsch gesprochen (ich weiß, in einem grauenhaften Dialekt ;)), in der Lausitz zusätzlich noch sorbisch, zugegeben mit starker staatlicher Förderung, sonst wäre die Sprache wohl im 20. Jhdt. verschwunden. Mich interessiert der Zeitpunkt, ab dem man mit slawisch (welche konkrete Sprache auch immer das gewesen war) nicht mehr weiterkam und dies vollständig verschwunden ist. Ich habe mal, wie oben angeregt, bei dem Verein für vogtländische Geschichte nachgefragt. Mal schauen, was dabei rumkommt. Früher hatten wir eine interessante Zeitschrift, die sich nur mit regionaler Geschichte befasst hat, aber vor wenigen Jahren eingestellt wurde. Leider.

Die Eliten, sprich die Vögte, waren Deutsche. Die mussten deshalb ihre Sprache nicht wechseln.
 
Die Eliten, sprich die Vögte, waren Deutsche. Die mussten deshalb ihre Sprache nicht wechseln.

Die Vögte waren sozusagen das Top-Management, aber darunter waren wohl als mittleres Management lokale Eliten, die dann zunächst slawischsprachig, dann zweisprachig und dann letztenlich nur einsprachig deutsch wurden.

Vielleicht gibt es in der zeitgenössischen Literatur noch Hinweise auf Örtlichkeiten, in denen noch Slawisch gesprochen wurde. Z. B. hatte Martin Luther m. W. irgendwann erwähnt, dass in bestimmten Gegenden noch Slawisch gesprochen wurde.


Möglicherweise käme man über Personennamen weiter. Bis wann sind slawische Namen verbreitet gewesen. Zum einen natürlich Vornamen, aber auch nach Einführung von Nachnamen könnten diese Nachnamen auf die damals gebräuchliche Sprache Hinweise geben. Wenn z. B. ein Schmied den Nachnamen Schmidt o. ä. annimmt, wird er zu dem Zeitpunkt vermutlich deutsch gesprochen haben. Sollte er dann das slawischen Gegenstück zu Schmied als Nachname annehmen, wird er vermutlich slawisch gesprochen haben.
 
Möglicherweise käme man über Personennamen weiter. Bis wann sind slawische Namen verbreitet gewesen. Zum einen natürlich Vornamen, aber auch nach Einführung von Nachnamen könnten diese Nachnamen auf die damals gebräuchliche Sprache Hinweise geben. Wenn z. B. ein Schmied den Nachnamen Schmidt o. ä. annimmt, wird er zu dem Zeitpunkt vermutlich deutsch gesprochen haben. Sollte er dann das slawischen Gegenstück zu Schmied als Nachname annehmen, wird er vermutlich slawisch gesprochen haben.

Hier ist noch etwas zu dem Thema:

Ist dein Nachname sorbisch? | Sorbisch? Na klar.
 
Wenn z. B. ein Schmied den Nachnamen Schmidt o. ä. annimmt, wird er zu dem Zeitpunkt vermutlich deutsch gesprochen haben. Sollte er dann das slawischen Gegenstück zu Schmied als Nachname annehmen, wird er vermutlich slawisch gesprochen haben.

Was allerdings voraussetzt, dass er hier frei wählen konnte.
 
Dann dürften dort vorher nicht sehr viele Slawen gesiedelt haben, oder?

Die Besiedlung war eher dünn, jedenfalls im Vergleich zum deutschen Landesausbau.

Nicht jeder slawische Ortsname geht auf eine slawische Siedlung zurück; Greiz ist nach dem archäologischen Befund eine deutsche Siedlung, die von den benachbarten Slawen einfach "Burg" (altsobisch *grod'c) genannt wurde.
https://ul.qucosa.de/api/qucosa:12533/attachment/ATT-0/

Eine ähnliche Namengebung ist für Sommeritz zu vermuten:
https://ul.qucosa.de/api/qucosa:12547/attachment/ATT-0/


Möglicherweise käme man über Personennamen weiter.
Siehe dazu die Bemerkung zu Sommeritz:
"Offensichtlich erfolgte die Besetzung der kleinen Befestigung von Anfang an mit einem Gefolgsmann (vgl. den urkundlichen Erstbeleg von 1204). Ob es sich dabei um einen slaw. oder einen dt. Dienstmann handelte, ist trotz des dt. PN im Beleg von 1204 nicht mehr mit Sicherheit zu klären, denn zu jener Zeit hatten auch slaw. Dienstleute bereits dt. PN angenommen.
 
Wenn ich mir mal erlauben darf...

Das Vogtland, ich meine jetzt mal den sächsischen Teil, ist ja auch ein Mittelpunkt der Erde.

Genauer ein kleiner Ort namens: PAUSA.

Pausa die Stadt im Vogtlandkreis im Freistaat Sachsen. Es liegt 13 km östlich von Schleiz und 14 km nordwestlich von Plauen.

Da gibt es eine:

"Erdachsendeckelscharnierschmiernippelkommission zu Pausa e.V.".

In Pausa ragt die Achse aus dem Boden, um die sich die Erde dreht.

Der Globus mit der Aufschrift „Pausa-Mittelpunkt der Erde“ (Durchmesser von 3 m und ein Gewicht von 1200 kg) ist das Wahrzeichen von Pausa.
 
Siehe dazu die Bemerkung zu Sommeritz:
"Offensichtlich erfolgte die Besetzung der kleinen Befestigung von Anfang an mit einem Gefolgsmann (vgl. den urkundlichen Erstbeleg von 1204). Ob es sich dabei um einen slaw. oder einen dt. Dienstmann handelte, ist trotz des dt. PN im Beleg von 1204 nicht mehr mit Sicherheit zu klären, denn zu jener Zeit hatten auch slaw. Dienstleute bereits dt. PN angenommen.

Das Muster wiederholt sich ja häufiger in der Geschichte. Das gab es auch in dcr ersten Phase der römischen Okkupationszeit in Germanien oder auch bei der Eroberung Amerikas durch die Spanier.

Desweiteren wird es wohl auch Namen in verschiedenen Versionen gegeben haben. Karl, Charles, Karol, Carlos oder Peter, Petrus, Pierre, Pedro sind auch die gleichen Namen in verschiedenen Sprachen.
 
Mich interessiert der Zeitpunkt, ab dem man mit slawisch (welche konkrete Sprache auch immer das gewesen war)

Ich habe Hinweise gefunden, dass im frühen Mittelalter im Vogtland Sorbisch gesprochen wurde: "Ein etwa 400jähriges selbständiges Leben der Sorben in unserer Gegend begann." heisst es auf der Homepage von Bösenbrunn.
"Hier liessen sich die Sorbenwenden nieder." schrieb Pfarrer Goldhammer 1913 zur kirchlichen Entwicklung im Vogtland.

Diese Aussagen sind natürlich nicht gerade aktuell und dazu noch unbelegt, daher weiß ich nicht, ob sie so zutreffen. Der Tenor von Goldhammers Aufsatz, dass die slawische Sprache im Vogtland mit zunehmender Christianisierung verschwand, erscheint mir aber relativ nachvollziehbar. Dabei frage ich mich allerdings, wie die Sorben in der Lausitz - anders als im Vogtland - christianisiert wurden und dennoch über Jahrhunderte ihre Sprache behalten haben.
 
Der Tenor von Goldhammers Aufsatz, dass die slawische Sprache im Vogtland mit zunehmender Christianisierung verschwand, erscheint mir aber relativ nachvollziehbar. Dabei frage ich mich allerdings, wie die Sorben in der Lausitz - anders als im Vogtland - christianisiert wurden und dennoch über Jahrhunderte ihre Sprache behalten haben.

Auch andere Völker haben mit der Christianisierung ihre Sprache bewahrt, jedoch haben diese ihre politische Eigenständigkeit bewahrt.

Ich habe Hinweise gefunden, dass im frühen Mittelalter im Vogtland Sorbisch gesprochen wurde:

Die Aussage ist aber auch richtig, frühes MA sind wir ja schon ab 500 n. Chr. Die slawischen Landnahme wird ab 600 datiert, bis zur Ablösung durch Deutsch wure dann mehrere Jahrhunderte eine slawische Sprache gesprochen.
 
In einem youtube Beitrag (darf ich hier leider nicht verlinken) zum Thema Slawen in Ostdeutschland heißt es, dass es viele, verschiedene Stämme gegeben hat, die in mehreren Wellen das weitestgehend leerstehende Land besiedelt haben. Sorbisch war dann nur ein Teil davon oder es hat sich nachträglich eingebürgert, die Völker allesamt als Sorben zu bezeichnen. Ob das so stimmt?
 
Auch andere Völker haben mit der Christianisierung ihre Sprache bewahrt, jedoch haben diese ihre politische Eigenständigkeit bewahrt.
Dort wurden aber auch eigene Bistümer und Landeskirchen gegründet, wie Posen und Gnesen in Polen oder Gran (Esztergom) in Ungarn.

Die Aussage ist aber auch richtig, frühes MA sind wir ja schon ab 500 n. Chr. Die slawischen Landnahme wird ab 600 datiert, bis zur Ablösung durch Deutsch wure dann mehrere Jahrhunderte eine slawische Sprache gesprochen.
Das hat auch gar keiner bezweifelt. Die Frage von Dackelhasser, war nur welche slawische Sprache gesprochen wurde - und dabei bin ich auf Sorbisch gestossen.

Sorbisch war dann nur ein Teil davon oder es hat sich nachträglich eingebürgert, die Völker allesamt als Sorben zu bezeichnen. Ob das so stimmt?
Weiter nördlich liegende westslawische Sprachen in Mc-Vorpomm, Brandenburg, Holstein und Niedersachsen bezeichnet man eher als Polabisch und nicht als Sorbisch.
 
Der Tenor von Goldhammers Aufsatz, dass die slawische Sprache im Vogtland mit zunehmender Christianisierung verschwand, erscheint mir aber relativ nachvollziehbar. Dabei frage ich mich allerdings, wie die Sorben in der Lausitz - anders als im Vogtland - christianisiert wurden und dennoch über Jahrhunderte ihre Sprache behalten haben.

Die Sorben in der Lausitz werden wohl genauso christianisiert worden sein wie die Sorben im Vogtland: Durch slawisch sprechende Missionare.

https://ul.qucosa.de/api/qucosa:13558/attachment/ATT-0/

In einem youtube Beitrag (darf ich hier leider nicht verlinken) zum Thema Slawen in Ostdeutschland heißt es, dass es viele, verschiedene Stämme gegeben hat, die in mehreren Wellen das weitestgehend leerstehende Land besiedelt haben. Sorbisch war dann nur ein Teil davon oder es hat sich nachträglich eingebürgert, die Völker allesamt als Sorben zu bezeichnen. Ob das so stimmt?

"Sorbisch" und "Polabisch" sind linguistische Begriffe, es handelt sich um zwei verschiedene slawische Sprachen (bzw. Dialekte - im Mittelalter waren die Unterschiede tatsächlich noch gering).

Ebenso wie "Bairisch" und "Alemannisch" - der Tiroler Dialekt wird ebenso wie der Wiener Dialekt zum Bairischen gerechnet, die (deutschen) Dialekte der Schweiz und des Elsass zum Alemannischen - unabhängig davon, ob sich Tiroler und Wiener als "Baiern" oder Schweizer und Elsässer als "Alemannen" sehen...
 
Ich nehme mal an, es wird Ihnen bekannt sein das 1348 in diesem Gebiet slawisch als Gerichtssprache abgeschafft worden ist.

Das wäre nun interessant, zu erfahren, für welchen Gerichtsort das war und welche Belege wir dafür haben.

Das würde nämlich bedeuten, dass zu diesem Zeitpunkt noch mit slawischsprachigen Bevölkerungsteilen zu rechnen ist.
Eine Sprache, die sowieso niemand spricht, muss nicht eigens für unzulässig erklärt werden.
 
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