Wachdienst in der legion

M. P. Calvus

Neues Mitglied
Da dies mein erster Post ist vorab erst mal einen Gruß an alle, die hier mit großem Sachverstand und Engagement schreiben!
Zu meiner Frage:
Ich suche nach Informationen zum Wachdienst in der römischen Legion. Mein Schwerpunkt liegt dabei auf der Kaiserzeit (1. und 2. Jhdt.), soweit übertragbar auch früher.
Bisher habe ich verstanden, dass es Tages und Nachwachen gab, der Tag war wohl in zwei Wachen und die Nacht in vier Wachen unterteilt. Die Wachen waren auf verschiedene Posten im und ggf. auch außerhalb des Lager verteilt. Zudem gab es wohl eine Art Ehrenwache „ad signa“, die die Feldzeichen bewachte. Als Chef der Wache fungierte wohl ein Centurio, ich vermute mal nicht immer derselbe sondern abwechselnd. Zudem habe ich gelesen, dass 20 bis 25 % der Soldaten durch Wachtätigkeiten gebunden waren. Die Stärke der einzelnen Posten scheint vier oder ein Mehrfaches von vier betragen zu haben. Der tesserarius, ein principales in jeder centurie, war wohl der Überbringer der täglichen Parole und eine Art Schriftführer, der die Einteilung der Wachen vorgenommen oder zumindest dokumentiert hat.
Was mich interessiert ist:
- Gibt es konkrete Hinweise zur Stärke der römischen Wache (z.B. für eine Cohorte oder eine Legion)?
- Gibt es Unterschiede zwischen einem festen Lager und einem Marschlager?
- Gab es eine feste Einteilung welche Einheit welche Wache zu stellen hatte?
- Wer war der Kommandant der Wache und welche Aufgaben hatte er?
- Was war die genaue Aufgabe des tesserarius?
- Wer hat die Wachen kontrolliert?
- Dauerte der Dienst den ganzen Tag oder nur die jeweilige "Schicht"?

:confused::confused::confused:

Über Antworten (am besten mit Quellenangabe) oder Korrekturen zu dem von mir geschriebenen würde ich mich freuen.
 
Hmm hier zu genaue Quellenangaben zubekommen dürfte schwierig werden.
Denn was Du im prinzip suchst ist so was wie eine moderne Dienstvorschrift.
Wenn Du auf die Seite des Britisch Museums schaust da ist ein button "research" über das kann man sich alle Exponate die, die haben, sich an schauen. Darunter sind erhaltene Wachstafeln, wo man noch lesen kann was geschrieben wurde weil die Schreiber etwas zu kräftig geschrieben haben und das Holz gleich mit geritzt haben. Da meine ich mal was gelesen zu haben über den alltäglichen Dienst. Aber dürfte bei weiten nicht so ausführlich sein wie eine moderne Dienstvorschrift bei der Bundeswehr.
Andereseits aus rein praktischer herangehensweise denke ich wird die einteilung nicht viel anders sein als eine heutige Wacheinteilung. Als ich beim Bund war in den achziger Jahren war es vier Stunden Wache, vier Stunden Dienstfrei, vier Stunden Wache, und das über einen Zeitraum von zwei Tage bis zur Ablösung.
Ich fürchte bei vieler Deiner Fragen wird man einfach pragmatisch ran gehen müßen weil leider kaum was erhalten ist, das detailierteren Aufschluß geben könnte, und je früher das Zeitlich angesiedelt ist, desto schlimmer wird es, vor Flavische-Zeit sieht extrem mau aus da kaum was publiziert ist, außer die bekannten Feldzüge. Aber Fragen zur Ausrüstung und sonstige Gegenstände fast null. Geht man nach dem was publiziert ist, könnte man fast meinen das römische Reich fing mit den Flaviern an.
Figuren wie Cäsar und Augustus oder gar aus Republikanischer Zeit sind eher Mythos....leider.
 
Also ganz spontan fällt mir jetzt zunächst ein, daß der Wachdienst und insbesondere die Nachtwache (natürlich) nicht sonderlich beliebt waren. Kein Wunder, wenn man unter Umständen den ganzen Tag mit nahezu 50 kg am Körper marschiert ist und dann anschließend auch noch ein Marschlager schanzen mußte. Und dann auch noch Nachtwache? Muß nicht angenehm gewesen sein. Daher versuchten die Legionäre sich wohl so weit wie möglich von solchen Diensten "freizukaufen". Oder anders ausgedrückt: Es wurde eine Art Schmiergeld an den Centurio gezahlt.

Zwischen festen Lagern und Marschlagern gab es einen wesentlichen Unterschied. Marschlager wurden nur kurze Zeit genutzt (evt. nur eine Nacht oder auch wenige Tage oder Wochen). Die äußere Umwehrung bestand aus Spitzgraben und Erdwall. Im inneren des Lagers wurden Zelte aufgestellt. Feste Lager bzw. Standlager wurden längere Zeit genutzt. Neben dem Spitzgraben gab es meist eine Mauer aus Holz und Erde. Oft gab es auch eine feste Innenbebauung.
 
Also ich zitiere hier mal aus dem Roman "Tod eines Centurio" von John Maddox Roberts. Für Genauigkeit und Richtigkeit kann ich nicht garantieren.

"Die Kontrolle der Wachposten war eine Pflicht, die traditionell an die Kavallerie delegiert wurde, vermutlich weil die Offiziere der Infanterie wichtiger waren und ihren Schlaf brauchten."
S.74/75


"Die erste Kohorte hat stets die Ehre, den zum Feind hin gelegenen Wall und die rechte Flanke der Gefechtsformation zu verteidigen."

S.76 (dazu muss gesagt werden das die erste Kohorte im Buch auch die Wache an dieser Wallseite schieben muss)

"Theoretisch hat jeder Soldat jede dritte Nacht Wachdienst..."
S.77 (im Buch werden die Wachen verdoppelt und zur Strafe wird für manche Soldaten zusätzlicher Wachdienst angeordnet.)

"Vier Stunden Wache, vier Stunden Pause, so läuft das in dieser Legion. Die erste Nachtwache beginnt eine Stunde vor Sonnenuntergang, die letzte wird eine Stunde nach Sonnenaufgang abgelöst."

S.83

"Aulus Vehilius" stellte er sich vor. "Optio der ersten Kohorte und Kommandant der Wachablösung"
S.87

"Bei der Porta praetoria begann Vehilius die Wachposten entlang des Walls abzulösen. Vor jedem Posten wurde auf Zuruf die Parole genannt, bevor der Optio den Bericht des ranghöheren Legionärs entgegennahm. Dann übernahmen die beiden ersten Männer der Kolonne die Stellung der beiden Wachen, die sich ihrerseits hinten anschlossen."

S.87

Vielleicht hilft dir das ja weiter.
 
Die Frage ist doch, ob und was die einschlägigen Quellen dazu schreiben, Caesar, Frontinus, Ammianus.
 
O.K. erst einmal vielen Dank für die Anregungen!
Der Hinweis auf die Überreste der römischen „Wehrbürokratie“ hat mich auf ein Buch mit Auswertungen und Interpretationen römischer Papyri gebracht, das ich mir gestern ausgeliehen habe. Viele Seiten in fragmentarischem Latein, beschrieben und interpretiert auf Englisch - mal sehen was sich daraus ableiten lässt.
@ salvus:
Danke für Deine Beschreibung des Marschlagers. Ich frage mich, ob die unterschiedliche Gestaltung der Lagerformen andere Arten der Bewachung und andere Wachstärken nach sich ziehen. Einerseits spricht die Ähnlichkeit des Aufbaus für einen ähnlichen Wachdienst, andererseits ermöglicht ein festes Lager sowohl geringere Wachstärken, da die Abwehranlagen besser ausgebaut sind. Auch ergeben sich in einem Standlagen andere organisatorische Möglichkeiten, (z.B. Wachunterkünfte) die es in einem Marschlager wohl nicht gegeben hat. Letztlich hing die Wachstärke sicher auch vom Grand der Gefährdung ab, egal in welchem Lagertyp.
@ Marcus Trebius:
John Maddox Roberts ist jetzt nicht ganz die Quelle, auf die ich gehofft hatte - obwohl ich die SPQR-Bücher klasse finde. Zumeist sind diese auch ganz gut recherchiert, aber ein Romanautor muss natürlich die Wissenslücken (seine oder allgemeine) mit seiner Fantasie ausfüllen und der Leser weis natürlich nicht, wann er improvisiert.
Zu den zitierten Stellen:
Ich meine Polybius schreibt, die Kontrolle der Wachen sei Aufgabe der eques, also der Reiter. Ob dies aber auf die späte Republik oder die Kaiserzeit übertragbar ist weiß ich nicht.
Die Rolle der ersten Kohorte an der gefährlichsten Stelle des Walles klingt interessant, aber bisher habe ich sonst nirgendwo einen Hinweis darauf gefunden.
Die Angabe normalerweise „jede dritte Nacht“ Wache schieben zu müssen deckt sich etwa mit der Angabe der 20 bis 25% einer Einheit pro Nacht, zumindest wenn man noch eine reduzierte Tageswache mit einbezieht.
Der zitierte Wachrhythmus von vier Stunden deckt sich nicht mit der Beschreibung von Vegetius, der vier Nachtschichten von drei Stunden (deren Länge aber Jahreszeitlich variiert) beschreibt.
Einen Optio als Vorgesetzten einer kleineren Wachabteilung hat es wohl tatsächlich gegeben, zumindest ist ein optio custodiarum als solcher überliefert.

Insgesamt bleiben wohl noch viele Fragen offen, falls noch jemand etwas einfällt würde ich mich über Feedback freuen.
 
Also das Standlager wohl eine geringere Wachstärke hatten ist zu erwarten. Geht man beispielsweise von den Lagern an der Lippe aus, so waren die Spitzgräben tw. 6m breit und 2-3m tief. Die anschließende Holz/Erde Mauer war meistens 3m hoch und 3m breit. Zusätzlich wurden in die Holz/Erde Mauer ca. alle 25 Meter ein Wachturm integriert. Da hatte man sicherlich einen guten Überblick auf die Umgebung. Wachhäuschen oder spezielle Wachunterkünfte sind meines Wissens allerdings nicht nachgewioesen.

Bezügl. Quellenangaben tue ich mich schwer. Über Schmiergeldzahlungen (um z.B. unpopulären Wachdiensten aus dem Wege zu gehen) habe ich bereits gepostet. Wie verhasst zumindest z.T die Centurionen bei den einfachen Legionären waren, berichtet der Tacitus im Zusammenhang mit der Meuterei der Rheinlegionen 14 n.Chr.:

In einer plötzlichen Raserei stürzten sie sich mit gezückten Schwertern auf die Centurionen. Ihnen galten ja seit Urzeiten die Hassgefühle der Mannschaften und sie waren auch das erste Ziel ihres Wutausbruches.Die Rasenden warfen die Centurionen auf den Boden und verprügelten sie, je sechzig einen einzigen, um die Anzahl der Centurionen mit der ihrigen in Einklang zu bringen. Dann schleiften sie die Centurionen umher und warfen sie, zerfleischt und zum Teil leblos, vor den Wall oder in den Rhein.
Tacitus, ann.I,32
 
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Guten Tag,

Eventuell finden sich Hinweise zum Wachdienst einer Auxiliareinheit der Römischen Armee bei den Ausgegrabenen Texttafeln von „Vindolanda“ (heute Chesterholm, Großbritannien). Immerhin sind Stärkemeldungen, Urlaubsanträge, Dienstpläne und vieles weitere so erhalten geblieben. Hier einige Hinweise...:

Imperium in der Krise

Bier für die Landser

Bis in den Norden der britischen Insel stießen römische Legionen vor - und hinterließen reiche Spuren ihres Alltagslebens. Selbst Einladungen und Mannschaftslisten haben sich im feuchten Boden erhalten.

Spiegel Wissenschaft.


Und hier geht es zur Seite mit allen bisherigen Fundstücken...:

Vindolanda Tabletts Online.



Eine gute Studie mit vielen übersetzten Täfelchen findet man hier...:

Wirtschaft an der Grenze. Studien zum Wirtschaftsleben in den römischen Militärlagern im Norden Britanniens

Onken, Björn, Kassel 2003

Ich hoffe das sie hier Hinweise die ihnen nützlich sind finden werden.

mfg,

M. V. Celerinus

Ein Text eines Täfelchens...:

18. Mai: Ist-Stärke der I. Kohorte der Tungrer unter dem Präfekten Iulius Verecundus: 752 Mann, davon 6 Centurionen. Davon abwesend:



  • [*] Als Wache für den Statthalter: 46.



  • [*]Im Amt des [Iulius] Ferox in Coria [Corbridge]: 337, davon 2 Centurionen.



  • [*]In Londinium [London]: 1 Centurio ...

Summe der Abwesenden: 456, davon 5 Centurionen, Summe der Anwesenden: 296, davon 1 Centurio. Von diesen aber: krank: 15; verwundet: 6; mit Augenbeschwerden: 10. Summe: 31.

Rest, also Einsatzfähige: 265, davon 1 Centurio.
 
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Allgemein dürfte Flavius Josephus " Geschichte des judäischen Krieges" für dich interessant sein. Zumindest Buch 2 Kapitel 5 "Das römische Heer- und Lagerwesen".

In Anmerkung 245 heist es:
"Die Morgenwache war die letzte der 4 Wachen, in die die Nacht eingeteilt war. Sie stand also von 3 bis 6 Uhr Morgens."
 
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