Wagenräder in der Bronzezeit

Dido

Mitglied
Ich war heute im Museum und war doch etwas irritiert von der Darstellung von Wagenrädern aus der Bronzezeit. Ich habe jemandem vom Museum gefragt und dort wurde mir gesagt dass die späte Bronzezeit Wagen und damit auch Wagenräder im kultischen Bereich hatte, aber dass Wagenräder da gerade erst "anfingen" und wohl nicht damit gefahren wurde.

Mich wundert das ein bisschen, warum wurden Wagen/Räder denn nicht direkt für die Vereinfachung des Lebens genutzt?
Kann mir jemand genaueres zur Entstehung und Nutzung von Rad und Wagen schreiben bzw verlinken (bitte nicht Wikipedia)
 
"Seit seiner Erfindung fand das Scheibenrad in Mitteleuropa an schweren,von Rindern gezogenen Fahrzeugen
- entweder zweirädrigen Karren oder vierrädrigen Wagen -Verwendung (KÖNINGER u. a.2002).Bei diesen Wagen handelte es sich um ausgesprochene Nutzfahrzeuge, die in der Landwirtschaft zum Einsatz kamen.
(...) Der Wagen fand vielfältige Verwendung, nicht nur im bäuerlichen Alltag, sondern auch im religiösen Bereich."

aus
"Rad und Wagen -
Der Ursprung einer Innovation
Wagen im Vorderen Orient und Europa" , eine Begleitschrift zu einer Sonderausstellung im Landesmuseum für Mensch und Natur in Oldenburg aus dem Jahr 2004.

Ich bin leider nicht angemeldet und konnte nur Teile lesen. Das pdf sollte aber mit kostenloser Anmeldung komplett gratis lesbar sein.
 
Ich war heute im Museum und war doch etwas irritiert von der Darstellung von Wagenrädern aus der Bronzezeit. Ich habe jemandem vom Museum gefragt und dort wurde mir gesagt dass die späte Bronzezeit Wagen und damit auch Wagenräder im kultischen Bereich hatte, aber dass Wagenräder da gerade erst "anfingen" und wohl nicht damit gefahren wurde.

Mich wundert das ein bisschen, warum wurden Wagen/Räder denn nicht direkt für die Vereinfachung des Lebens genutzt?
Ich fang mal hinten an.
Für Räder benötigst du Infrastruktur, sonst bringen dir Räder zur Vereinfachung des Lebens nichts. Diese Infrastruktur gab es aber in etwa seit dem späten Neolithikum bzw. dem Chalkolithikum (Kupfersteinzeit), z.B. in Form von Bohlwegen. Und damals gab es auch schon Ochsenkarren. Sowohl als Realien, als auch als bildliche Darstellungen können wir Wagen bis ins Chalkolithikum zurückverfolgen. Insofern verwundert die Auskunft des Museumsmitarbeiters, dass Wagenräder erst in der Spätbronze anfingen. (Oder hat der Mitarbeiter evtl. Kupfersteinzeit gesagt?)
Natürlich stammen die besten erhaltenen Zeugnisse aus kultischem Bereichen. Der Sonnenwagen von Trundholm z.B., der aus Bronze besteht. Und Holz ist ja nur unter besonderen Bedingungen erhalten: Moorfunde. Bei solchen Moorfunden muss man davon ausgehen, dass hier kein Unglück geschah, sondern dass hier ein kultischer Zusammenhang bestand.
 
Insofern verwundert die Auskunft des Museumsmitarbeiters, dass Wagenräder erst in der Spätbronze anfingen. (Oder hat der Mitarbeiter evtl. Kupfersteinzeit gesagt?)
Nein. Es war definitiv späte Bronze. Mich hatte nämlich die kultische Verzierung auf manchen Objekten aus der Bronzezeit verwirrt. Die perfekte Darstellung von Wagenrädern als Ziermuster um genau zu sein. Ich muss aber sagen, dass ich über diese Zeit so gut wie nichts weiß, deshalb habe ich nachgefragt.

Was mich nach wie vor stört:
Du schreibst von fehlender Infrastruktur, was einleuchtet. Aber könnte man daraus nicht doch schließen, dass Moorfunde in der Tat Unfällen zuzuordnen sind? Was für Erkenntnisse legt man zugrunde um die Kultthese zu untermauern?
Ich meine wir gehen jetzt von Infrastruktur à la Europa aus, aber es gibt viele Orte mit schlechten Straßen und trotzdem fahren dort Fahrräder, Ochsenkarren, Rikshas (und natürlich moderne Fahrzeuge, aber um die soll es ja hier nicht gehen) Dann ist aber auch klar, dass schlechte Straßen zu mehr Unfällen führen...
 
Du schreibst von fehlender Infrastruktur, was einleuchtet.
[...]
Ich meine wir gehen jetzt von Infrastruktur à la Europa aus, aber es gibt viele Orte mit schlechten Straßen und trotzdem fahren dort Fahrräder, Ochsenkarren, Rikshas (und natürlich moderne Fahrzeuge, aber um die soll es ja hier nicht gehen) Dann ist aber auch klar, dass schlechte Straßen zu mehr Unfällen führen...
Vorsicht, du musst Theorie (hier im umgangssprachlichen Sinne) und Praxis unterscheiden.

Die Theorie: Um einen Ochsenkarren sinnvoll einsetzen zu können, brauchst du das entsprechende Wegenetz: Die Wege müssen Ursprungs- und Zielort miteinander verbinden, sie müssen breit genug sein und für den Ochsenkarren gangbar (Läufer können Bäume, Felsen, Verschlammungen leicht umgehen oder überwinden, ein Ochsenkarren dagegen nicht.)

Die Praxis: Solche Wege sind seit dem Neolithikum nachgewiesen. Bohlenwege, teilweise mit einer Auflage aus Reisig oder Lehm.

Der Vergleich zu heute: So schlecht eine Straße heute auch immer sein mag: es ist eine Straße. Und heute haben eigentlich fast alle Fahrzeuge Gummibereifung, selbst Eselskarren. Das hat auch einen Einfluss auf die Häufigkeit von Rad- oder Achsbrüchen.

Aber könnte man daraus nicht doch schließen, dass Moorfunde in der Tat Unfällen zuzuordnen sind? Was für Erkenntnisse legt man zugrunde um die Kultthese zu untermauern?
Dass die Funde Abseits der Wege gemacht wurden. Oder direkt in Gräbern.
 
Ich war heute im Museum und war doch etwas irritiert von der Darstellung von Wagenrädern aus der Bronzezeit. Ich habe jemandem vom Museum gefragt und dort wurde mir gesagt dass die späte Bronzezeit Wagen und damit auch Wagenräder im kultischen Bereich hatte, aber dass Wagenräder da gerade erst "anfingen" und wohl nicht damit gefahren wurde.

Mich wundert das ein bisschen, warum wurden Wagen/Räder denn nicht direkt für die Vereinfachung des Lebens genutzt?
Kann mir jemand genaueres zur Entstehung und Nutzung von Rad und Wagen schreiben bzw verlinken (bitte nicht Wikipedia)

Oswald Spengler (Der Untergang des Abendlandes) war der Ansicht, dass der Streitwagen die Kriegskunst mehr revolutioniert hat, als selbst die Feuerwaffen.

Für kultische Fahrzeuge, für Wagen benötigte man planierte Wege-für Streitwagen benötigte man dagegen bloß einigermaßen ebenes, offenes, trockenes Gelände.

Für Wagen benutzte man Ochsen oder Esel, für Streitwagen Pferde. Für Wagen genügten Scheibenräder, für Streitwagen benötigte man gut gebaute Wagenräder mit einer Nabe und vier, später sechs oder acht Speichen.

Für die Entwicklung des Streitwagens, war die Domestizierung des Pferdes Voraussetzung. Wildpferde wurden jahrhundertelang nur wegen des Fleisches gejagt, bis schließlich jemand auf die Idee kam, Pferde vor einen Wagen zu spannen.

Ich habe versucht, den Aufsatz von Spengler hochzuladen, was leider scheiterte.

Du müsstest den Aufsatz aber noch finden unter zeno.org Oswald Spengler
 
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