Wagner- und Verdijahr 2013

Die Uraufführung der Symphonie fantastique – Episode de la vie d’un artiste (op.14) von Hector Berlioz am 5. Dezember 1830 in Paris kann als musik- und ästhetikgeschichtlicher Wendepunkt bezeichnet werden: der wohl kulturhistorisch wichtigste Rezensent der Uraufführung - Heinrich Heine (sic!) - attestierte, dass die Kunst nun plötzlich um die neue Dimension des Hässlichen (und auch des Bösen, des Vulgären etc.) erweitert sei. Anlaß für diese korrekte Beobachtung waren:
- die Integration des "vulgären" Konzertwalzers in die Sinfonik
- der brutale Vulgärmarsch "Gang zum Richtplatz"
- die parodistische musikalische schwarze Messe ("Traum eines Hexensabbath") mit dem gräßlich verbogenen dies irae Motiv

Hinzu kommt noch, u.a. von Franz Liszt formuliert, das Novum der Dramatisierung der Sinfonik, was man als Keimzelle/Ansatz der so genannten Programmmusik bezeichnen kann.

...und nicht zu vergessen, dass dieses Monstrum einer Sinfonie über Nacht den gewaltigen spätromantischen Orchesterapparat etablierte: Berlioz´ Lehrbuch zur Instrumentation wurde quasi eine Art Bibel sämtlicher nachfolgenden Komponisten - auch Wagner, Verdi, Liszt, Brahms, Bruckner, Tschaikowski, Grieg bis Sibelius, R. Strauß, Skrjabin, Mahler zehrten von dieser Orchestrationslehre!

Aber kulturhistorisch am folgenreichsten dieses monströsen Orchesterwerks rabenschwarzer Romantik ist seine ästhetische Dimension bzw. seine von Heine erstmals erkannte Erweiterung des Ästhetischen.

Hier findet sich nun auch ein Bezug zum ungemein raffiniert und tückisch strukturierenden Opernkomponisten Guiseppe Verdi: die Integration des Häßlichen in die Ästhetik (Berlioz) regte Verdi zu einem totalen in-Frage-stellen ästhetischer Gewohnheiten an, ja sogar zu einer totalen Umwertung gewohnter Muster und Erwartungshaltungen!

was kann man sich darunter vorstellen?
Verkürzt gesagt setzten die im ersten Drittel des 19. Jh. Furore machenden italienischen belcanto Opern von Donizetti, Bellini, auch Rossini (als Vertreter der komischen Oper) und der "grand opera" von Meyerbeer, Halevy, Auber usw. überall, gleichgültig was Text und Handlung betraf, schöne ebenmäßig strukturierte und vor allem effektvolle Gesangspartien ein, vornehmlich da capo Arien. Ob auf der Bühne gerade aufrichtig-ernste Inhalte oder satirisch-komisches, tragisches oder heiteres mitgeteilt wurde: die Musik dazu war in jeder Situation mehr oder weniger gleich - effektvoll, gekonnt, dazu auf Wirkung a priori angelegt, kurzum die typische strophige da capo Arie.

Im Vordergrund der musikalischen Gestaltung der belcanto-Ära waren also effektvolle virtuose, dabei überschaubar strukturierte Arien; selbst den sehr gelungenen belcanto Arien dieser Art, z.B. die berühmte casta diva Arie oder die Wahnsinnsarie aus Lucia di Lammermoor sind entwicklungslose, aber perfekt organisierte/proportionierte Glanznummern -- ob nun geliebt, gestorben oder das Schicksal bejammert wurde: man tat dies sängerisch auf der Bühne in ebenmäßiger, virtuoser Schönheit.

Wie Wagner, so misstraute Verdi ebenfalls der Gattung Nummernoper und ihrer wesentlichen Bestandteile wie da capo Arie und dem Wechsel von Solo- und Massenszenen (pezzo concertato) -- allerdings, wie übrigens Wagner auch, lernte Verdi es, diese Strukturen anzuwenden und zu übertreffen: so finden sich die sängerisch virtuosesten und schwierigsten belcanto-Partien verblüffenderweise in den Frühwerken, in den Werken der "Galeerenjahre" beider Komponisten - zu nennen wären da Senta´s Ballade aus dem fliegenden Holländer von Wagner oder die Wahnsinnsarie der Lady Macbeth *) von Verdi.

Beide, Wagner und Verdi, kannten und konnten nicht nur die Nummernoper, sie verfügten auch, weil sie es gelernt hatten, über die neuen Instrumentationstechniken von Berlioz UND sie kannten und verfügten über die neuen musikalischen Strukturen der Programmmusik. Sie waren also beide in der Lage, die vorhandenen musikalisch-ästhetischen Gepflogenheiten nicht nur zu erfüllen, sondern auch zu übertreffen (!)

Und hier, vor dem Hintergrund des Könnens, des Verfügens - was übrigens ein absolut geniales melodisches Talent **) voraussetzt - setzt Verdis geniale Umwertung des gewohnten ein: die schlicht strukturierte, aber effektvoll virtuose belcanto-Arie wird bei Verdi zur Chiffre der Lüge!
man kann es sich gar nicht genüßlich genug auf der Zunge zergehen lassen: das perfekte ebenmäßig proportionierte "Schöne" wird zur Chiffre der Verlogenheit, der Lüge, der Unwahrheit!

berühmte Beispiele:
- das arioso bella figlia de l´amore des Duca aus Rigoletto
- die vordergründig schöne-sentimentale Arie di provenza il mar il suol des Vater Germont aus La Traviata
beide, Duca und Germont, lügen - aber sie lügen in perfektem belcanto --- für den Hörer ist diese geradezu unerträglich "schöne" Musik zunächst nicht als verlogen erkenntlich (dazu muss man den Text kennen, was eigentlich Voraussetzung für das rezipieren einer Oper ist)

man könnte fragen: ist das vielleicht niur Zufall? Nein! Vergleicht man die Strukturen der psychologisch angelegten aufrichtigen Arien (z.B. Violettas gewaltige e strano Arie, Aidas Nilarie, König Phillips herzzerreißendes ella giammai m´amo) mit den belcanto-Lügenarien, so stellt man fest, dass die Lügenarien allesamt in der typischen belcanto-da-capo-Manier strukturiert sind, wohingegen die aufrichtigen Arien komplexer "musikdramatischer" strukturiert sind.

die gewohnte und erwartete Schönheit in traditioneller Form ist bei Verdi die Chiffre der Lüge - ganz offensichtlich teilte Verdi Wagners Kritik an Nummernoper und grand Opera!

und dass die gewohnte Schönheit brüchig wird, das ist Verdis folgenreiche Innovation - die vermeintlichen "Leierkastenmelodien" (Strawinski) erweisen sich als bewußte und gezielte ästhetische Umwertung

...vielleicht regt das, weil wir ja das Wagner- und Verdijahr haben, dazu an, die Musik beider Komponisten aufmerksamer und vielleicht anders zu hören --- und vielleicht, bei gutem Willen, merkt man, dass Opern mehr sind als nur passives ästhetisches Wohlgefallen


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*) jede Sopranistin, die für derart mörderische Partien überhaupt in Frage kommt, macht einen größeren Bogen um Verdis Lady Macbeth als um die berühmten Partien der Norma oder Lucia...!!!
**) hier kann man nur bewundernd konstatieren, dass Wagner und Verdi wie Schubert, Mozart und Puccini, zu den allergrößten Melodikern der Musikgeschichte zählen
 
zu den beiden erwähnten Verdi-Opern seiner mittleren Schaffensperiode:
Rigoletto wurde 1851 uraufgeführt
La Traviata 1853
(erstaunlich: Trovatore, Rigoletto und La Traviata waren von Verdi als Operntrilogie konzipiert - aber eine zyklische Aufführung wurde im 19. Jh. nicht ausprobiert (dergleichen gelang mit dem Ring des Nibelungen erst Wagner in seinem eigenen Opernhaus...))

die zuvor angesprochene Umwertung innerhalb der kompositorischen Konzeption von Verdi fand also etliche Jahre vor der harmonisch epochalen Tristanmusik statt.
 
weiter mit Verdi

die zuvor angesprochene Umwertung innerhalb der kompositorischen Konzeption von Verdi fand also etliche Jahre vor der harmonisch epochalen Tristanmusik statt.
wobei dies nicht die einzigen Neuerungen sind, die Verdi in die Opernmusik brachte: sehr eigentümlich, weil lange Zeit (besonders im deutschsprachigen Raum trotz maßstabsetzender Aufführungen) unbemerkt, ist die ganz spezielle Eigenart der vollendeten Meisterwerke aus Verdis mittlerer und später Schaffensperiode, eine jeweils eigene werkspezifische Klangfarbe zu erarbeiten.
Zwar ist der Klangapparat (spätromantisches Orchester nach Berlioz) derselbe, aber jede Oper hat ihre eigene Klangfarbe! Dass einzelne Szenen klanglich speziell gefärbt waren, ist eine etablierte Technik gewesen ("tinta musicale") - neu aber ist, das dieses Spezifikum auf komplette, gesamte Werke angewendet wurde. Von hier zur Klangfarbenmelodik des frühen 20. Jh. ist es kein weiter Schritt mehr, wie es auch von Wagners "Waldweben" und Verdis "Nilmusik" (Orchestereinleitung dritter Akt Aida) zum musikalischen Impressionismus kein weiter Schritt ist: das sind die Vorbilder und Anregungen für die genannten späteren musikalischen Epochen.

zwar sehr knapp, aber besser als nüscht (zumal noch weitere, freilich musikspezifische Innovationen erwähnt werden) Geschichte der Musik: ein Studien- und Nachschlagebuch - Karl Heinrich Wörner, Lenz Meierott - Google Books

verblüffend also: es gibt einen eigenen unverwechselbaren Aidaklang, einen Falstafklang, einen Otelloklang, einen DonCarlosklang - im Orchester! Einen eigenen Tristanklang, der sich von einem eigenen Walküreklang unterscheidet, gibt es nicht.
 
Einen eigenen Tristanklang, der sich von einem eigenen Walküreklang unterscheidet, gibt es nicht.
Nunja, lese hier schon eine Weile mit, hatte es allerdings bisher vorgezogen, nix hierzu zu schreiben.
Ich bin zwar kein Musiktheoretiker, oder Musikwissenschaftler, aber ich frage mich (ohne den von Dir verlinkten u. doch sehr langen Beitrag durchgelesen zu haben), wie das mit einem eigenen Tristanklang, etc., gemeint sein soll?
Ich meine, jede Oper oder jede Sinfonie hat doch ihren eigentlichen Klang, ihre eigene Dynamik, ihre eigene Kompositionsweise, etc.

Ich frage das deshalb, weil ich mich Jahrelang mit Komposition beschäftigt habe und selber grosse Partituren verfasst habe (Beispielsfoto: Erste Seite einer meiner handgeschriebenen Partituren von Anfang der 80er Jahre)?



Saludos!
 
Ich meine, jede Oper oder jede Sinfonie hat doch ihren eigentlichen Klang, ihre eigene Dynamik, ihre eigene Kompositionsweise, etc.
primär sind natürlich Themen, Melodien unverwechselbar: das ist bei allen Opern oder Sinfonien so. Und natürlich haben diese Melodien und Themen ihre spezifischen eigenen Stimmungsgehalt.
Was ich aber zu den Neuerungen Verdis geschrieben habe, betrifft das durchhalten einer charakteristischen unverwechselbaren Klangfärbung durch ein komplettes monumentales Werk hindurch: so klingen z.B. deprimierte Abschnitte des Don Carlos anders als deprimierte Abschnitte der Aida (und das betrifft eben nicht nur die selbstverständlich erschiedenen Melodien). Das betrifft die Klangmischungen (sensible Zusammenstellung und Gewichtung der Instrumentengruppen) in der Verwendung des großen Orchesterapparats. Etwa bei Wagner klingt eine triumphierende Stelle in den Meistersingern nicht anders als in Tristan oder Götterdämmerung - das aber ist bei Verdi eben anders (die "tinta musicale" der Orchestrierung wird für ein gesamtes Werk charakteristisch).
 
Es mag für eine etwaige Fortführung der Debatte interessieren, daß der erwähnte Jens Malte Fischer gerade eben ein neues Buch veröffentlicht hat "Richard Wagner und seine Wirkung", in dem er die hier behandelten Fragen sicher auch erörtern wird. Um aus der Vorschau zu zitieren: "Mit der festen und unumstößlichen Ansicht, daß Spuren der zentralen ideologischen Besessenheit Wagners auch in seinen Werken aufzuspüren sind, befindet sich der Autor, wie er immer wieder merkt, in einer Minderheitenposition, aber keineswegs allein. [...] Weiners Buch wurde heftig kritisiert, dennoch ist der Autor der Meinung, daß Weiner weitgehend recht hat, auch wenn er in einigen Punkten zu Übertreibungen neigt, unnötige Zuspitzungen bevorzugt, auch über sein Ziel hinausschießt." Weiteres ist in der Vorschau bei amazon zu finden.
 
Wagneriana-Ausstellung in Eisenach

Die Wagnerschau im Stadtschloss
  • zu sehen ab 18. Mai bis 3. November 2013 im Thüringer Museum
  • Teil 1, im Marstall:Werner Weirich: Ein Eisenacher Fotograf bei den Bayreuther Festspielen zwischen 1930 und 1944
  • Teil 2, im Südflügel, zweites Obergeschoss und im Rokokosaal des Nordflügels: Die Sammlungen zu Leben und Werk Richard Wagners von Nicolaus Oesterlein und Rüdiger Pohl
Bilderschatz soll Wagner-Verehrer nach Eisenach locken – Eisenach | Thüringer Allgemeine
 
Nunja, lese hier schon eine Weile mit, hatte es allerdings bisher vorgezogen, nix hierzu zu schreiben.
Ich bin zwar kein Musiktheoretiker, oder Musikwissenschaftler, aber ich frage mich (ohne den von Dir verlinkten u. doch sehr langen Beitrag durchgelesen zu haben), wie das mit einem eigenen Tristanklang, etc., gemeint sein soll?
Ich meine, jede Oper oder jede Sinfonie hat doch ihren eigentlichen Klang, ihre eigene Dynamik, ihre eigene Kompositionsweise, etc.

Ich frage das deshalb, weil ich mich Jahrelang mit Komposition beschäftigt habe und selber grosse Partituren verfasst habe (Beispielsfoto: Erste Seite einer meiner handgeschriebenen Partituren von Anfang der 80er Jahre)?



Saludos!
Da gehe ich mit Dir absolut d'accord.

Das Problem bei vielen Musikfreunden ist nunmal das der Übertreibung.

Ich habe auch schon gelesen, dass Mozarts "Nozze de Figaro" angeblich die Welt der Oper revolutioniert habe, weil er den Rollen Individualität verliehen habe. Wenn man über den Tellerrand hinweg schaut, muss man das natürlich revidieren, weil das nunmal mit der Ablösung der Opera seria längst geschehen war (auch wenn für Otto-Normal-Musikkonsument, der nur Mozart aus dem Zeitschnitt kennt, vielleicht unbekannt).

Sooft wie angeblich dieses oder jenes Werk angeblich die Musikwelt revolutioniert haben soll, geht für mein Gefühl auf keine Kuhhaut. Deswegen bin ich bei all diesen Einschätzungen regelmäßig zurückhaltend. Das Einzige, was greifbar ist, ist m.E. Erfolg (in nachweislich ausverkauften Aufführungen u. Anzahl der Aufführungen in der Entstehungszeit) und Rezeption von Zeitgenossen in Briefen, Zeitungen, Journalen etc..

Jede Oper ist für mich individuell und hat seinen eigenen Charakter, ja selbst wenn der Komponist ausschließlich auf bereits vorhandenes Notenmaterial zurückgriff und dieses bloß neu arrangierte (ich glaube, Händel hat sowas bisweilen praktiziert).

Dieser Geniekult - der mir daher zu kommen scheint, dass schlichtweg jeder "Fan" seinen Lieblingskomponisten für einzigartig hinstellt - scheint zumindest schon uralt. Auseinandersetzungen im Zuge des Buffonistenstreites im 18.Jh. wurden schon von Zeitgenossen mit einem Augenzwinkern quittiert. Hier ging es ja u.a. um die Frage, welche Form der Oper, die einzig wahre sei. In der Regel waren zumindest die meisten Komponisten von ihrer Einzigartigkeit weniger als ihre Anhänger überzeugt. So konnte bspw. Bach einigen seiner Verwandten, die heute fast in Vergessenheit geraten sind, einiges abgewinnen und bei näherem Hinhören fällt auch eine musikalische Nähe zu ihnen auf, die J.S.Bach selber wahrscheinlich nichtmal geleugnet hätte (z.B. Johann Bernhard Bach der Ältere).
 
Hätte mal eine Frage in die Runde...<?xml:namespace prefix = o ns = "urn:schemas-microsoft-com:eek:ffice:eek:ffice" /><o:p></o:p>
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Lässt sich Wagner in einem Wort beschreiben?“.<o:p></o:p>
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Zur Erläuterung:<o:p></o:p>
Letztens als ich wieder die Newsletter (Ausgabe Januar) der Wiener Staatsoper bekam, stellte man obige Frage.<o:p></o:p>
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Und weiter heißt es: „Wohl kaum! Aber dennoch: Was ist das erste Wort, dass Ihnen, liebe Besucherinnen und Besucher der Wiener Staatsoper, assoziativ zu Wagner einfällt?“<o:p></o:p>
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Da ich ein Fan dieses Opernhauses bin, habe ich geantwortet:<o:p></o:p>
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„Ja, was verbindet man mit R. Wagner?
Da könnte man einige nennen.
Ich persönlich favoritisiere da das „Siegfried-Idyll“.
Jenes Werk von R. Wagner was sein heimlichtes, häuslichstes und menschlichtes Werk war. Entstanden in seinem Heim auf der Halbinsel Triebschen am Vierwaldstättersee.“<o:p></o:p>

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Und habe noch ein paar Fotos vom morgendlichen Sonnenaufgang, so wie ich diesen erlebe wenn die Sonne früh über die Hörselberge/Eisenach aufgeht, beigefügt.<o:p></o:p>
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Hier eins davon:
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Sonnenaufgang 16-09-2012 Hörselberge bei Eisenach von meiner Terrasse aus fotografiert.jpg
 
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Sooft wie angeblich dieses oder jenes Werk angeblich die Musikwelt revolutioniert haben soll, geht für mein Gefühl auf keine Kuhhaut. Deswegen bin ich bei all diesen Einschätzungen regelmäßig zurückhaltend. Das Einzige, was greifbar ist, ist m.E. Erfolg (in nachweislich ausverkauften Aufführungen u. Anzahl der Aufführungen in der Entstehungszeit) und Rezeption von Zeitgenossen in Briefen, Zeitungen, Journalen etc.
trifft letzteres nicht auf die Harmonik des Tristan zu?
 
die zuvor angesprochene Umwertung innerhalb der kompositorischen Konzeption von Verdi fand also etliche Jahre vor der harmonisch epochalen Tristanmusik statt.
anzumerken wäre noch, dass Verdis ästhetische Neuerungen nicht unbemerkt geblieben waren:
Liszt verarbeitete das Quartett aus Rigoletto zu einer Opernparaphrase, wobei er die instrumentale pianistische Virtuosität exakt so einsetzte und wertete, wie Verdi die belcanto-Arie umgewertet hatte - das Ergebnis ist die oft als nur glanzvoll virtuose Spielerei mißdeutete Rigolettoparaphrase, die tatsächlich ein Meisterwerk im Sinne von Musik über Musik ist
später setzte Puccini übrigens Verdis innovative Verwendung der belcanto-Strukturen ebenfalls ein, beispielsweise in Mademe Butterfly in der Rolle des Pinkerton
 
Hätte mal eine Frage in die Runde...<?xml:namespace prefix = o ns = "urn:schemas-microsoft-com:eek:ffice:eek:ffice" /><o:p></o:p>
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Lässt sich Wagner in einem Wort beschreiben?“.<o:p></o:p>
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Zur Erläuterung:<o:p></o:p>
Letztens als ich wieder die Newsletter (Ausgabe Januar) der Wiener Staatsoper bekam, stellte man obige Frage.<o:p></o:p>
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Und weiter heißt es: „Wohl kaum! Aber dennoch: Was ist das erste Wort, dass Ihnen, liebe Besucherinnen und Besucher der Wiener Staatsoper, assoziativ zu Wagner einfällt?“<o:p></o:p>
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Laut.

:rofl:

Die Idee ist aber ganz gut.
So eine Einwort-Assoziation hat den Vorteil, dass da eigentlich keine Bewertung hinein fließt (außer einem fällt vielleicht nur "schlecht" oder "stumpf" ein).

Wäre interessant, was da im Händel-Jahr bei rausgekommen wäre.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das greift aber sicher zu kurz. Das Siegfried Idyll ist beispielsweise weit davon entfernt laut zu sein.
Das ging nur um eine Assoziation, man soll schreiben, was einem als erstes einfällt. Da fiel mir ne Karikatur aus dem 19.Jh. ein, wo es darum ging, dass die Musik von Wagner als ohrenbetäubend empfunden wurde. Durch das geistige Bild kam ich zu dem Wort "laut". Es ist also nicht wertend gemeint.

Wenn ich weiter über Wagner nachdenke, fällt mir nur auf, dass ich dabei wunderbar immer wieder einschlafen konnte. Den einen spricht die Musik offensichtlich emotional an (Dich, dekumatland und Dieter z.B.) und den anderen langweilt sie.

Ich kann noch nichtmal sagen, dass es mir nicht gefällt. Es interessiert mich einfach nicht. Was einem nicht gefällt, hat immerhin die Auszeichnung erhalten, dass man sich darüber Gedanken gemacht hat.
 
Laut ist Wagner meistens. Aber Verdi auch - nur eben anders. Ersterer geht mir einfach nur auf die Nerven, letzterer berührt mich.

Zu Händel ein einziges Wort.... fällt mir jetzt nur in Englisch ein: bliss :wolke:
 
Den einen spricht die Musik offensichtlich emotional an (Dich, dekumatland und Dieter z.B.) und den anderen langweilt sie.

So ist das eben. Ich schlafe z.B. bei der von dir so geschätzten Barockmusik ein, wobei mir besonders die Kammermusik ein Graus ist. Aber - über Geschmack lässt sich nicht streiten! :winke:

Dass die Musik Wagners "laut" ist, kann angesichts eines auf mindestens 100-130 Musiker aufgestockten Orchesters nicht verwundern, während ein Barock-Orchester durchaus mit rund 25-30 Musikern auskommt. Aber natürlich ist Wagner nicht nur "laut", sondern daneben auch differenziert, ausdrucksstark, spannungsreich und leidenschaftlich; zudem gibt es vielfach lyrische Partien, was im Tannhäuser, Lohengrin und besonders in "Tristan und Isolde" zum tragen kommt.

Vor allem drückt Wagners Musik etwas aus, was der Barockmusik völlig fremd ist: Die Enthüllung seelischer Vorgänge, die auf der Bühne durch Wort oder Gebärdensprache nicht wiedergegeben werden können.
 
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