Wahl des Fürstbischofs

Louis le Grand

Aktives Mitglied
Verständnisfrage !

Für die Jahrhunderte nach dem Investiturstreit, wer wählte eigentlich einen Fürstbischof oder wie wurde man das ? Hochadel etc. ist klar. Aber ich lese immer wieder, dass sich Domkapitel, Kaiser und Papst mächtig um die Neubesetzung vakanter Posten gestritten haben.

Die heutige Situation ist mir bekannt: das Domkapitel macht dem Papst Vorschläge, der kann, muss diese aber nicht annehmen. Er kann einsetzen wen er für fähig hält. Aber wie wurde denn nun im HRR entschieden ? Da ging es bei Fürstbischöfen mit Kurwürde um richtig viel Einfluss. Der Wahlvorgang ist mir nicht klar. :grübel:
 
Domkapitel

Seit dem Laterankonzil von 1215 hatten die Domkapitulare das alleinige Recht zur Bischofswahl. Dadurch verstärkte sich das politische Gewicht der Domherren: so musste der neuzuwählende Erzbischof gegenüber dem Kapitel vorher bestimmte Versprechen ablegen (sog. Wahlkapitulationen). Das Domkapitel sicherte sich damit einen großen Einfluss auf die geistliche und weltliche Regierung im Erzbistum und Kurfürstentum Mainz. Gleichzeitig schützten die Wahlkapitulationen den Klerus und die Bevölkerung vor allzu großen Belastungen oder Willkür durch den Kurfürst-Erzbischofs.


Seine Vollmachten nahm der jeweilige Erzbischof regelmäßig nur nach Beratung oder mit Zustimmung anderer Personen wahr. Seit dem 13. Jahrhundert nahm diese Mitwirkung formell nur noch das Domkapitel wahr.
Papst Alexander III. bestimmte, dass der Bischof bei allen Handlungen den Rat des Kapitels einzuholen hatte.

http://www.bistummainz.de/bm/dcms/sites/bistum/bistum/domkapitel/geschichte.html
 
Nur noch ergänzend zu Merci.

Nach dem Investititurstreit und gemäß Wormser Konkordat vom 23.9.1122 verzichtete der Kaiser auf die Investitur der Bischöfe und Reichsäbte mit Stab und Ring und erlaubte freie kanonische Wahl und Weihe. Die erfolgte und erfolgt bis heute durch das Domkapitel bzw. das Mönchs- bzw. Stiftskapitel.

Der Papst gestattete dem Kaiser jedoch im Deutschen Reich bei Wahlen anwesend zu sein (presentia regis) und zwiespältige Wahlen zugunsten der von den Metropoliten und dessen Suffraganen als "sanior pars" bezeichneten Partei zu entscheiden.
 
Aha, vielen Dank. Also war das Domkapitel der Entscheidungsträger, im Gegensatz zur heutigen Lage. Klar ist mir aber immer noch nicht, wie Kaiser und Papst dann gegen den Willen des Domkapitels Kandidaten aufzwingen konnten. Beispielhaft sei Joseph Clemens von Bayern genannt: http://de.wikipedia.org/wiki/Joseph_Clemens_von_Bayern


Nein, auch heute noch ist allein das Domkapitel zuständig für die Wahl eines Bischofs. Allerdings gibt es davon Ausnahmen. So lehnte z.B. das Kölner Domkapitel Kardinal Meißner als neuen Erzbischof ab, da er dem Kapitel zu konservativ war. Papst Johannes Paul II. hingegen wollte Meißner unbedingt inthronisieren und setzte mit seinem Votum die Entscheidung des Kölner Domkapitels außer kraft.

Seither ist also ist Kardinal Meißner, der zuvor Bischof in Berlin war, der Kölner Oberhirte und nach wie vor wegen seiner ultrakonservativen Ansichten wenig geschätzt.


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Nein, auch heute noch ist allein das Domkapitel zuständig für die Wahl eines Bischofs.


Also ich muss zugeben, dass ich das immer etwas anders verstanden habe. So wie das auch auf Mercy's Seite beschrieben wird:

"Eine herausragende Bedeutung bekommt das Domkapitel bei der Bestellung eines neuen Bischofs:

Nach den Statuten des Domkapitels geht bei Tod oder dem Ausscheiden eines Bischofs aus dem Amt (Sedisvakanz) die Leitungsbefugnis für das Bistum zunächst unmittelbar auf den dienstältesten Weihbischof über.

Innerhalb von acht Tagen nach Beginn der Sedisvakanz wählt das Domkapitel einen Diözesanadministrator, der dann weitgehend die Amtsbefugnisse des Bischof ausübt bis ein neuer Bischof ernannt ist.

Das Domkapitel reicht außerdem eine Vorschlagsliste mit geeigneten Nachfolgekandidaten beim Vatikan ein. Aus dieser Liste und anderen Vorschlägen benennt Rom drei Kandidaten. Das Domkapitel wiederum wählt einen von diesen drei Kandidaten in geheimer Abstimmung zum Bischof. Daraufhin ernennt der Papst den Gewählten. Als Besonderheit sehen das Badische Konkordat und das Reichskonkordat vor, dass von den drei vom Vatikan benannten Kandidaten mindestens ein Priester aus dem Bistum Mainz sein muss."


Meine Unkenntnis beschränkt sich eigentlich eher auf die Zeit des HRR, als es noch keine Konkordate gab. ;)

Da die Domkapitel damals noch sehr viel unabhängiger von der römischen Kurie waren, wie konnten dann Papst und Kaiser Druck auf das Domkapitel ausüben, um ihre Kandidaten gegen den Willen des Domkapitels durchzusetzen ? Politische und militärische Erpressung ?
 
Zuletzt bearbeitet:
Im LThK ist angegeben, daß Joseph Clemens ein Jahr vor der Bistumsübernahme bereits Koadjutor mit dem Recht der Nachfolge wurde. Als Literatur wird "Der Gatz" (Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches 1648 bis 1803. Ein biographisches Lexikon. Autor: Gatz, Erwin (Hrsg.) unter Mitwirkung von Stephan M. Janker, 1990) genannt. Liegt mir nicht vor.
Der "Bautz" ist wenig ergiebig
http://www.bautz.de/bbkl/j/Joseph_kle.shtml

... als es dem bayerischen Kurfürsten Max Emanuel mit tatkräftiger Unterstützung von Kaiser und Papst gelang, die Wahl seines 17jährigen Bruders zum Kurfürsten und Erzbischof von Köln in hartem Ringen gegen den vom Domkapitel favorisierten, französisch gesinnten Kandidaten Wilhelm Egon von Fürstenberg durchzusetzen und damit dem Hause Wittelsbach die seit 1583 innegehabte kölnische Kurwürde auch weiterhin für die »Sekundogenitur« zu sichern.

Zu beachten ist natürlich, daß die Besetzung eines Domkapitels auch abhängig vom jeweiligen Bischof ist, und da hatten die Wittelsbacher gut vorgearbeitet.
 
Die Bedingungen im Kölner Domkapitel verlangten eine Zweidrittelmehrheit. Darüber hinaus ging es politisch recht heftig zu:


In den 1680er Jahren erhob sich von allen Seiten Widerstand gegen Frankreich. Durch den Sieg über die Türken (1683) konnte sich Wien jetzt wieder auf die Auseinandersetzung mit Frankreich konzentrieren. Österreich verband sich mit den süddeutschen Fürsten zur Augsburger Allianz (1686), Verbündete fand es auch in den protestantischen Mächten Brandenburg und Schweden, die wegen der Aufhebung des Ediktes von Nantes gegen Frankreich aufgebracht waren. Trotz dieser Situation erhob Ludwig XIV. für seine Schwägerin Elisabeth Charlotte Erbansprüche auf die Pfalz.
Darüber hinaus verlangte er die Anerkennung Wilhelm Egon von Fürstenbergs als neuen Kölner Kurfürsten. Dieser hatte sich nach dem Tode Max Heinrichs 1688 zur Wahl gestellt, jedoch nicht die notwendige Zweidrittelmehrheit erringen können, so daß sein Gegenkandidat, Joseph Clemens von Bayern (1671-1723) von Papst Innozenz XI. anerkannt wurde. Da die französischen
Forderungen nicht akzeptiert wurden, kam es erneut zu kriegerischen Auseinandersetzungen.

http://hss.ulb.uni-bonn.de/ulb_bonn/diss_online/phil_fak/2001/stoverock_helga/teil2.pdf
 
Die vom Wormser Konkordat geforderte kanonische Wahl der Bischöfe durch Klerus und Volk wurde auf dem IV. Laterankonzil unter Innozenz III. endgültig auf das Domkapitel eingeschränkt.

Dem Papsttum gelang es jedoch immer mehr, direkten Einfluss auf die Bischofswahlen auszuüben. Aus dem Bestätigungsrecht bei strittigen Wahlen erwuchs der Anspruch auf päpstliche Reservationen und es wurde schließlich seit Urban IV. 1363 zu Generalreservationen über alle vakanten Patriarchate, Erzbistümer und Bistümer ausgeweitet.

Erst im Wiener Konkordat von 1448 anerkannte das Papsttum wieder ein beschränktes Wahlrecht der Domkapitel an. Danach erfolgte bei Metropolitan- und Kathedralkirchen - d.h. bei Erzbistümern u. Bistümern - freie kanonische Wahl durch die Domkapitel, die aber einer päpstlichen Bestätigung unterlagen. Konnte das Domkapitel keine Eingung erzielen, stand dem Papst der Entscheid zu. Dieses "Wiener Konkordat" blieb bis zum Ende des Reiches 1803/06 in Geltung.

Informationen nach "Lexikon des MA", Stuttgart/Weimar, 1999
 
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