Wahrheitsgehalt des "De bello gallico" ?

kathi222

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Hallo alle miteinander,
ich schreib grad an einer Arbeit, in der ich darauf eingehn möchte, in wie fern Cäsar bestimmte Ereignisse im Bellum Gallicum bewusst verfälscht, verzerrt oder übertrieben darstellt, um seine Person hervorzuheben. Ich hab mich darauf spezialisiert, inwieweit er
a) Wege, die versch. Leute machen z.b. Rheinbrücke, Helvetierfeldzug, beschrieben werden, und dies mit welcher Wirkung
b) er Tatsachen verfälscht, vor allem Entfernungsangaben, Quantitäten, ...

So, bis jetzt hab ich leider noch nicht viel gefunden, drum brauch ich eure Hilfe! Tipps oder Stichpunkte würden mir vollkommen reichen

Und noch etwas, falls jmd. was, wo man eine deutsche Übersetzung von Michel Rambaud herbekommt, auch dann bitte melden ;)
vielen vielen dank schon jetzt
 
Zuletzt bearbeitet:
Bei der Lektüre der "Commentarii de Bello Gallico" muss man beachten:

Es handelt sich dabei nicht um ein Geschichtswerk im eigentlichen Sinne, sondern um eine Rechtfertigungsschrift. Caesar wollte erklären und begründen, wieso er diesen Krieg führen MUSSTE. Die von ihm angegebenen Gründe, warum die Kriege gegen die Helvetier und Ariovist notwendig waren, sind aber hanebüchen. Außerdem wollte er natürlich schildern, was er in den 7 Jahren in Gallien gemacht und erreicht hatte.
Dabei hielt er sich aber weitgehend an die Fakten und gab auch Misserfolge (z. B. bei Gergovia) zu. Es gab viel zu viele Zeugen, als dass er mit groben Manipulationen des Geschehensablaufs durchgekommen wäre.

Davon ist aber die Frage nach den Stärkeangaben zu unterscheiden. Wenn er behauptete, ein feindliches Heer war 300.000 Mann stark, wie soll man das überprüfen? Selbst die Augenzeugen konnten es nicht abzählen. Das war eine riesige Menschenmenge. Wenn man so einen riesigen Haufen siehst, kann man beim besten Willen nicht sagen, ob das jetzt 100.000 oder 300.000 sind. Oft wurde von Feldherren sogar die zahlenmäßige Stärke des eigenen Heeres überschätzt, z. B. von den Spaniern in der Schlacht bei Las Navas de Tolosa 1212. Ich halte es also für möglich, dass Caesar die Zahlenangaben nicht einmal bewusst verfälschte. Außerdem war es in der antiken Literatur allgemein üblich, die Stärke des Gegners zu übertreiben, um den eigenen Sieg umso strahlender zu machen. Das war schon bei Herodot so, das war bei Livius so, und das war eben auch bei Caesar so. Hätte er realistische Angaben gemacht und geschrieben, dass das feindliche Heer "nur" so groß wie sein eigenes war, hätte er sich doch geradezu lächerlich gemacht, weil der belesene Leser davon ausging, dass feindliche Heere zahlenmäßig immer haushoch überlegen sind.

Man kann diese Angaben aber auf ihre Plausibilität überprüfen, wenn man erstens die Möglichkeiten der damaligen Logistik bedenkt und zweitens die Bevölkerungsgrößen:
Logistik bedeutet: Ein wie großes Heer konnte man mit den damaligen Möglichkeiten wochenlang auf einem Fleck versorgen? Wenn man 300.000 Mann aushebt, dann muss man sie schließlich auch ernähren. Schließlich mussten die Lebensmittel dem Heer entweder nachtransportiert oder vor Ort besorgt werden. Beidem waren damals Grenzen gesetzt. Wenn jeder Mann pro Tag nur ein halbes Kilo Brot und einen Liter Bier erhalten soll, dann muss man für jeden Tag 150.000 kg Brot und 300.000 Liter Bier heranschaffen. Und das in einem Land ohne vernünftige Straßen!
Bevölkerungsgröße bedeutet: Wenn man weiß, wie sich die Menschen damals ernährten, wie intensiv sie Landwirtschaft, Viehzucht, Jagd oder Fischerei betrieben, wenn man aus archäologischen Funden weiß, wie dicht ein Gebiet besiedelt war, dann kann man überschlagen, wie viele Menschen dort gelebt haben können bzw. wie viele man ernähren konnte. Wenn also ein antiker Autor behauptete, ein Stamm habe ein Heer von 20.000 Mann aufgestellt, man aber überschlagen kann, dass sein Siedlungsgebiet maximal 30.000 Personen (also inkl. Frauen, Kinder, Alte) ernähren konnte, dann kann mit den 20.000 Mann etwas nicht stimmen, sondern es können wohl maximal 10.000 gewesen sein.

Aber auch aus dem Schlachtverlauf selbst kann man Rückschlüsse auf die Stärkeverhältnisse ziehen. Nehmen wir die Schlacht um Alesia: Laut Caesar soll das Entsatzheer 250.000 Mann stark gewesen sein. Trotzdem schreibt Caesar, es habe die äußere Linie der Zirkumvallation nur an einigen wenigen Stellen, wo sie von den zahlenmäßig unterlegenen Römern abgewehrt werden konnten, angegriffen statt auf breiter Front. Das ergibt doch absolut keinen Sinn. Wenn ich dem Feind zahlenmäßig haushoch überlegen bin, dann werfe ich doch alles in die Schlacht und greife so an, dass er nicht genug Männer hat, um sich überall zu verteidigen. Also waren die Gallier wohl doch nicht so überlegen.
 
Während Caesar den Bericht anfangs lange Zeit so verfaßt hat als ob ein neutraler Beobachter der Autor wäre verfällt er später in Prahlerei über seine Eroberungen. Sagt meiner Ansicht nach schon viel aus.

Die Begründung für das Vorgehen gegen Ariovist war auch sehr widersprüchlich. Offiziell ein Freund Roms greift Caesar ihn an, weil er angeblich das freie Gallien bedroht. Ariovist fehlt jedoch jegliches Verständnis für seine Bestrafung, letztlich macht er doch nichts anderes als die Römer, er plündert die Gallier aus.

So ist der Text wie bereits schon gesagt wurde keine Tatsachenbeschreibung, sondern ein Versuch der Rechtfertigung, denn in Rom wurde der Krieg hart kritisiert.

Die Lektüre lohnt dennoch alle mal, denn wie so oft schimmert die Wahrheit ungewollt an vielen Stellen durch.
 
Bei der Lektüre der "Commentarii de Bello Gallico" muss man beachten:

Es handelt sich dabei nicht um ein Geschichtswerk im eigentlichen Sinne, sondern um eine Rechtfertigungsschrift.

Was ist denn "ein Geschichtswerk im eigentlichen Sinne"? Letztlich geht es doch bei jeder Quelle um Deutungshoheit, äußere und innere Q-Kritik muss man immer üben.
 
Ich meinte damit, dass es nicht um eine möglichst objektive und wahrheitsgemäße Geschichtsdarstellung ging, wie wir das heute von einem Buch über ein geschichtliches Thema erwarten würden.
 
Ich meinte damit, dass es nicht um eine möglichst objektive und wahrheitsgemäße Geschichtsdarstellung ging, wie wir das heute von einem Buch über ein geschichtliches Thema erwarten würden.

Nein, in der Tat war das auch nicht zu erwarten: Schließlich ist das besagte Werk nicht das Ergebnis einer akribischen Recherche eines Historikers, sondern ein von Caesar abgefasster Bericht. Eigeninteressen, u. A. die beschönigende Darstellung seiner Person waren so unausweichlich.
 
Hallo,

Die Zahlenangaben der Gegner dürften übertrieben gewesen sein, da es im damaligen Gebiet der Helvetier durchaus eine Siedlungskontinuität gab:

Gallischer Krieg ? Wikipedia
Schlacht bei Bibracte ? Wikipedia

Jedoch lassen sich die Angaben Cäsar's zur Schlacht von Alesia archäologisch gut nachvollziehen (Insbesondere die zwei Belagerungsringe):
Schlacht um Alesia ? Wikipedia

Insgesamt darf man de bello gallico als ziemlich historisch betrachten, wobei Cäsar die Zahlen der Feinde nach oben geschraubt haben dürfte. Auch hat er einen keltischen Stamm als Germanen tituliert - vermutlich steckt da Absicht dahinter: Cäsar war auf Wohlwollen in Rom angewiesen (damit ihm Truppen zur Verfügung gestellt wurden, Finanzen für Waffen und Logistik etc.). Somit dürfte er diverse Sachen dramatisiert, überspitzt dargestellt haben.
 
Auch hat er einen keltischen Stamm als Germanen tituliert -

Naja, das sind so Vermutungen die im Raum stehen.

Cäsar war auf Wohlwollen in Rom angewiesen (damit ihm Truppen zur Verfügung gestellt wurden, Finanzen für Waffen und Logistik etc.). Somit dürfte er diverse Sachen dramatisiert, überspitzt dargestellt haben.

Das ist so nicht ganz richtig: Caesar ging nach seinem Konsulat nach Gallien (in die Narbonensis, welche römische Provinz war) und tat dort das, was jeder Proconsul nach seinem Konsulat machte: Seine Schulden bei Crassus abarbeiten. Crassus war in der damaligen Zeit der reichste Mann Roms und finanzierte seinen politischen Freunden den Wahlkampf und noch einiges mehr. Das Geld wollte er aber wieder haben und dazu diente die Ausplünderung der nach dem Konsulat zugewiesenen Provinz. Das war üblich, solange man diese Ausplünderung nicht über das Maß hinaus trieb (siehe Cicero, contra Verrem) Was Caesar jetzt aber machte, war nicht die Verwaltung der Provinz Gallia Narbonensis, bei gleichzeitiger Korrektur seiner Finanzen, sondern er eroberte, ohne dafür den Auftrag zu haben die nichtrömischen Teile Galliens, was er mit durchaus wahren Bedrohungen für die Integrität der römischen Herrschaft rechtfertigte.

Edit: Langer Rede, kurzer Sinn: Geld konnte Caesar aus Rom nicht erwarten.
 
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Caesar marschierte zunächst mit vier Legionen los, bald standen acht unter seinem Kommando, später sogar zehn. Das war schon ein mächtiges Heer und erzeugte Mißtrauen in Rom, wie sich später zeigte auch zu recht. Von daher denke ich schon, Caesar wollte mit der Schrift die Gemüter beschwichtigen und wenn möglich auch das Wohlwollen der Nobilität gewinnen.
 
Cäsar war auf Wohlwollen in Rom angewiesen (damit ihm Truppen zur Verfügung gestellt wurden, Finanzen für Waffen und Logistik etc.).
Von Rom wurde er eher im Stich gelassen bzw. in seinen letzten Jahren, als das Bündnis mit Pompeius zerbrach, eher sabotiert. Truppen z. B. hob er in der Provinz Gallia cisalpina, die auch zu seinem Statthaltergebiet gehörte, aus.
 
Manchmal ist es so, dass ein Wissenschaftler eine Meinung äußert, diese wird zwei, drei mal zitiert und schon ist sie Allgemeingut und gilt als "Wahrheit". Das ist so wie mit Arminius, der schon als Kind zu den Römern gekommen ist und in Rom erzogen wurde. Die Geschichte steht in keiner Quelle, wurde mal von einem Historiker vermutet (dem aber auch widersprochen wurde), doch in den Köpfen vieler steckt sie fest.
So ähnlich ist es auch mit der These, Caesar hätte die Germanen erfunden. Aus sprachwissenschaftlicher Sicht ist diese unhaltbar, da wir historiolinguistisch die Germanen von den Kelten unterschieden. Ich denke auch, dass archäologisch Germanen und Kelten unterschieden werden - auch wenn es unter jüngeren Archäologen eine Strömung gibt, welche die Attribute keltisch und germanisch ablehnt, durch andere Attribute bekommen die fraglichen archäologischen Kulturen eben andere Namen. Es muss allerdings keine Kongruenz zwischen archäologischer und sprachwissenschaftlicher Unterscheidung beider Großgruppen geben.
 
Ich meinte damit, dass es nicht um eine möglichst objektive und wahrheitsgemäße Geschichtsdarstellung ging, wie wir das heute von einem Buch über ein geschichtliches Thema erwarten würden.


Bei den ganzen marksistischen, nazionalistischen, gutmenschlichen, feministischen Autoren die ich gelesen, erwartet ich nicht mal heute eine wahrheitsgemässe Buchvorlage.

Könnte allerdings auch an meinem Weltbild liegen welches ich habe das ich die ganzen Autoren nicht dufte fand. :weinen:

Kann man ja nie wissen.
 
wow...

vielen vielen Dank euch allen, ihr habt mir wirklich geholfen. jetzt nochmal ne frage ein bisschen weg vom thema. Es gibt da ja viele verschiedene Hypothesen, die gut begründet sind, aber eben auch wieder gut begründet angefochten werden. Endgültig werdens wir nie wissen, wies wirklich war, das es ja zum bg auch fast keine geschichtlichen parallelberichte gibt.
Inwieweit kann ihc mich auf diese Quellen der Hypothesen beziehn, muss ich in meiner Arbeit auch die Gegenseite betrachten, oder reicht es zu sagen, es gibt diese meinung, mit dieser begründung, aber es gibt natürlich auch viele gegner. konkret muss ich ja eigentlich nur auf Täuschungen oder Verzerrungen eingehn, dann sollte dies reichen, oder?
 
Wenn du zunächst in der Einleitung deiner Arbeit den Forschungsstand skizzierst, musst du natürlich alle gängigen Hypothesen und Theorien nennen und ggf. eine Einschätzung abgeben, welcher du dich warum anschließt, oder warum du nicht entscheiden kannst, welcher du dich anschließen sollst. D.h. Du musst dich auf die Argumentation konzentrieren. Ist die Argumentation durch Quellen gestützt? Ist sie begründet? Wenn sie gegen die Quelle spricht, wie macht sie das, z.B. indem sie Widersprüche in der Quelle aufdeckt? Oder wird spekuliert?
 
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