Wahrsagerei in Rom

Chan

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Welchen genauen Status hatten die Wahrsager in Rom in den ersten Jahrzehnten nach der Zeitenwende? Mir ist nur folgendes bekannt:

Vor Augustus waren die Haruspices vom Senat in die Schranken gewiesen worden, weil es in der Aristokratie Mode geworden war, sich private Wahrsager zu halten. Der Senat versuchte die Kontrolle an sich zu reißen und stellte Haruspices in den eigenen Dienst. Unter Augustus wurde die private Wahrsagerei weitgehend verboten. Orakelbücher wurden entweder vernichtet oder vom Kaiser beschlagnahmt, der sie für eigene Zwecke gebrauchte (er war bekanntlich sehr abergläubisch, wie die allermeisten Menschen dieser Zeit). Manche Seher erhielten allerdings die Genehmigung, öffentlich zu wahrsagen, aber ausschließlich öffentlich und unter Verzicht auf Vorhersage von Todesfällen. Unter Tiberius wurde die Todesstrafe gegen nicht genehmigte Wahrsager eingeführt. Claudius etablierte 47 ein Kollegium aus Haruspicen und machte die Verstaatlichung der Wahrsagerei damit offiziell.

Wie kann man sich legales Wahrsagen zur Claudius-Zeit in den frühen 40ern außerhalb der offiziellen Auguren-Tätigkeit vorstellen? Wer hatte die Kontrolle und traf die Auswahl? Der Senat? Wohl kaum. Der Pontifex Maximus? Die ´Minister` Narcissus und Pallas? Der Kaiser selbst? Welche Rolle spielten die Priesterkollegien? In welchem Verhältnis standen die Auguren zu den Haruspicen? Gab es auch Ausnahmefälle, in denen einflussreiche Privatleute (Senatoren, Ritter) legal einen Haruspex beschäftigten?
 
Welchen genauen Status hatten die Wahrsager in Rom in den ersten Jahrzehnten nach der Zeitenwende? Mir ist nur folgendes bekannt:

Vor Augustus waren die Haruspices vom Senat in die Schranken gewiesen worden, weil es in der Aristokratie Mode geworden war, sich private Wahrsager zu halten. Der Senat versuchte die Kontrolle an sich zu reißen und stellte Haruspices in den eigenen Dienst. Unter Augustus wurde die private Wahrsagerei weitgehend verboten. Orakelbücher wurden entweder vernichtet oder vom Kaiser beschlagnahmt, der sie für eigene Zwecke gebrauchte (er war bekanntlich sehr abergläubisch, wie die allermeisten Menschen dieser Zeit). Manche Seher erhielten allerdings die Genehmigung, öffentlich zu wahrsagen, aber ausschließlich öffentlich und unter Verzicht auf Vorhersage von Todesfällen. Unter Tiberius wurde die Todesstrafe gegen nicht genehmigte Wahrsager eingeführt. Claudius etablierte 47 ein Kollegium aus Haruspicen und machte die Verstaatlichung der Wahrsagerei damit offiziell.

Wie kann man sich legales Wahrsagen zur Claudius-Zeit in den frühen 40ern außerhalb der offiziellen Auguren-Tätigkeit vorstellen? Wer hatte die Kontrolle und traf die Auswahl? Der Senat? Wohl kaum. Der Pontifex Maximus? Die ´Minister` Narcissus und Pallas? Der Kaiser selbst? Welche Rolle spielten die Priesterkollegien? In welchem Verhältnis standen die Auguren zu den Haruspicen? Gab es auch Ausnahmefälle, in denen einflussreiche Privatleute (Senatoren, Ritter) legal einen Haruspex beschäftigten?


Sowohl Tiberius wie Septimius Severus waren wie später Wallenstein zumindest sehr der Astrologie zugetan und beschäftigten eigene Astrologen. Von Tiberius ist allerdings auch überliefert, dass er Thrasyllus, seinem Astrologen misstraute, und bereits Vorkehrungen getroffen hatte, diesen von den Klippen werfen zu lassen, weil Tiberius kaltgestellt auf Rhodos saß, Trasyllus hatte aber nur Glück für Tiberius phrophezeit, worauf Tiberius kalt fragte, was Thrasyllus sich selbst voraussagte. Glücklicherweise traf aber rechtzeitig die Nachricht ein, dass Tiberius nach Rom zurückkehren durfte und inzwischen waren auch die Prinzen Gaius und Lucius verstorben, wodurch Tiberius trotz Antipathie des Augustus in der Thronfolge auf den 1. Platz rückte, nachdem alle Nachfolgekandidaten verstarben, die Augustus aufgebaut hatte.
 
Ein sehr spannendes Thema.

Zu Erwähnen ist auf jeden Fall, dass Wahrsagerei/Religion auch politisch benutzt wurde.

So erklärte Caesars Mitkonsul Bibulus (59v. Chr.) mit Berufung auf den Vogelflug sämtliche Gesetzgebung Caesers für ungültig. Laut Cassius Dio wollte er sogar für das ganze Jahr Festtage ausrufen und damit die Volksversammlungen verbieten, die Caesar als Legitimation dienten.

Es ist also gut möglich, dass die Frömmigkeit Augustus und Tiberius auch dazu diente die Deutungshoheit über die Auspizien zu erhalten um nicht in ihren Vorhaben behindert zu werden.
 
Wie kann man sich legales Wahrsagen zur Claudius-Zeit in den frühen 40ern außerhalb der offiziellen Auguren-Tätigkeit vorstellen? Wer hatte die Kontrolle und traf die Auswahl? Der Senat? Wohl kaum. Der Pontifex Maximus? Die ´Minister` Narcissus und Pallas? Der Kaiser selbst? Welche Rolle spielten die Priesterkollegien? In welchem Verhältnis standen die Auguren zu den Haruspicen? Gab es auch Ausnahmefälle, in denen einflussreiche Privatleute (Senatoren, Ritter) legal einen Haruspex beschäftigten?
Der Kaiser war doch selbst Pontifex maximus.

Neben Augurn und Haruspices gab es natürlich auch noch die von Scorpio schon erwähnten Astrologen, aber sie waren ebensowenig gut angeschrieben. Agrippa ließ sie als Aedil aus Rom ausweisen. Nachhaltigen Erfolg hatte diese Maßnahme freilich keinen, wie weitere ähnliche Maßnahmen z. B. von Tiberius zeigten. (Wo es Nachfrage nach einer bestimmten "Dienstleistung" gibt, dort gibt es eben auch ein entsprechendes Angebot.) Vitellius ließ sie aus Italien ausweisen. Vespasian ließ die Astrologen ebenfalls aus Rom ausweisen, obwohl er selbst ihre Dienste in Anspruch nahm. Dabei war das Leben von Astrologen und anderen Wahrsagern durchaus nicht ungefährlich, unter Tiberius wurden auch einige hingerichtet.

Beliebt und auch im privaten Rahmen praktiziert wurden auch allerlei Arten von Loserei. Es gab auch eine private Form des Wahrsagens, indem man per Zufall irgendeine Stelle in einem Buch (beliebt waren vor allem Dichter, und da insbesondere Vergil) aufschlug und dann die Verse, die man dort vorfand, auf sich bezog und zu interpretieren versuchte. (Dieser Brauch hielt sich sogar noch im Christentum lange, wurde aber nunmehr mit der Bibel praktiziert.)

Wer also Wahrsagerei betreiben wollte, war nicht gerade auf einen offiziellen Haruspex angewiesen.
 
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