Wann sind eigentlich die Juden nach Europa eingewandert?

rolo

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Das würde mich interessieren. Es gibt ja eine Reihe von Thesen, u.a. dass sie im Römischen und Hl.Römischen Reich als Kaufleute und Händler nach Europa geholt wurden, oder auch dass sie irgendwann einmal vertrieben wurden und sich anderswo eine neue Heimat gesucht haben.
Was ist nun richtig?:idee:
 
Die jüdische Religion wird wohl sobald sie auftauchte auch eine gewisse Verbreitung in anderen besiedelten Gebieten gefunden haben. Es dürfte also schwer sein da eine klar Aussage zu treffen.
ABER, die massive Ausbreitung kann man auf die Zeit um 70 n.Chr. setzen, also Titus, Sohn des Kaisers Vespasian im judäischen Krieg Jerusalem einnahm und die Stadt geplündert (und teilweise geschliffen) wurde.
Daraufhin setzt aus Sicht der Juden eine Verbtreibung ein (sie haben dafür auch einen Begriff der mir gerade entfallen ist), die sie im ganzen Reich verteilt.

Allerdings gab es auch schon unter Claudius viele Juden z.B. in Alexandria, wo sie beständige Auseinandersetzungen mit den dort lebenden Griechen durchlebten.
 
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Nein, ich meinte die Diaspora. Ein griechisches Wort, welches Zerstreung bedeutet. Sie haben sie, glaube ich, 49 für beendet erklärt.
 
Es gab Juden schon vor der Vertreibung im restlichen römischen Reich. In Alexandrien lebten sie schon seit Alexander.
 
Im Jahre 321. n.Chr. wurde erstmals jüdische Siedlung in Köln datiert.
Das war ja noch im Römischen Reich.
Dass es mit dem Römischen Reich auch nach Germanien und Rhätien rege Handelsbeziehungen gab, ist vorstellbar.
Woher aber kommen zum Beispiel Juden in Sachsen oder Schlesien?
321 n.Chr. war das noch germanisch besiedelt, danach leer und dann slawisch.
Man könnte es so erklären dass durch die ständigen Vertreibungen im Mittelalter die Juden durch ganz Deutschland ziehen mussten und sich dann eben an verschiedenen Plätzen niederließen.
 
Auch damals konnte man schon auf zivile Weise umsiedeln, man brauchte nicht unbedingt vertrieben werden.
 
Ich habe eine schlichte einfache Vermutung: sie taten das, was viele Menschen damals und auch heute taten. Sie zogen aufs Geratewohl in eine andere neue Gegend, um sich ein besseres Leben zu erhoffen.
 
Hallo Rolo,
in Spanien lebten ja viele Juden. Nach dem Sieg der Spanier über die Mauren wurden die Juden so verfolgt, das viele in andere Teile Europas auswanderten.
Im Chasarenreich in der heutigen Ukraine nahm die Führung das Judentum an und lies diesen Glauben in den Völkern ihres Reiches verbreiten. Es gibt die Hypothese, das die meisten Juden in Europa hauptsächlich über diese Konvertierung Juden wurden.
Interessant ist ja, das diese Juden in Osteuropa eine deutsche "Nebensprache", das jiddische sprachen. Dadurch stellt sich die Frage der Herkunft dieses Sprachgebrauchs. Stammten die Juden in Osteuropa hauptsächlich von Einwanderern aus Deutschland ab o. stammen diese Osteuropäischen Juden überwiegend von Germanen(Bastarnen, Skiren, Goten..) ab, die im Chasarenreich das Judentum annahmen?
 
Paul schrieb:
Dadurch stellt sich die Frage der Herkunft dieses Sprachgebrauchs. Stammten die Juden in Osteuropa hauptsächlich von Einwanderern aus Deutschland ab o. stammen diese Osteuropäischen Juden überwiegend von Germanen(Bastarnen, Skiren, Goten..) ab, die im Chasarenreich das Judentum annahmen?
Sprachlich ist der Fall völlig klar: Das Jiddische stammt vom Mittelhochdeutschen ab und von keiner anderen germanischen Sprache.
 
Zitat Wilhelm Schmidt, Geschichte der deutschen Sprache, S. 99 f.
"Eine Sonderstellung nimmt das Jiddische ein: "Als Nebensprache der Juden in Deutschland entstanden, rückt das Jiddische zur ihrer Hauptsprache auf, schuf eine wertvolle, verzweigte Literatur, die in der zweiten Hälfte des XX. Jh. allgemein anerkannt wurde." (Weissberg 1988,24.) Als ältestes erhaltenes Denkmal gilt ein Zweizeiler, der im "Wormser Maxser" (hebräisch Machsor "Festgebetsbuch") vom Jahr 1272/73 überliefert ist:.....
Bereits hier werden "das Eindringen" des Mittelhochdeutschen ins primäre Hebräisch und die Übernahme deutscher Sprachstrukturen deutlich sichtbar. Die Entstehungszeit und die Entstehungsumstände des Jiddischen sind noch nicht entgültig erforscht. Wahrscheinlich führte die Ghettoisierung der Juden um 13. Jh. und die damit verbundene Isolierung zur Ausformung eines eigenen Idioms, das neben der deutschen Grundstruktur wichtige hebräische Elemente, aber auch romanische und slawische Bestandteile enthält. Als Schriftsystem diente das Hebräische."

Ergo: Jiddisch ist eine Mischung aus Hebräisch, Mittelhochdeutsch, Romanisch und Slawisch.


@Askan, wie ich bereits im ersten Absatz meines ersten Postings ausführte werden Juden sich seit es sie gibt verbreitet haben. Trotzdem danke :)
 
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Was immer das Jiddische an slawischem und hebräischem Wortschatz (eventuelle romanische Bestandteile sind eher vernachlässigbar) aufgenommen hat: Es basiert auf dem Mittelhochdeutschen und auf keiner anderen germanischen Sprache.

Die Grundstruktur ist deutsch und nicht skirisch, bastarnisch oder gotisch.
 
Auch wenns hier gar nicht hingehört und völlig OT: der Textauszug den ich wiedergegeben habe stammt aus einem der Bücher, die als Grundlagen des Germanistikstudiums herangezogen werden. Ich kann gerne ähnlich lautende Passagen aus anderer, ZPrelevanter Literatur wiedergeben, die den gleichen Tenor wiederspiegelt.

Wenn du also sagst, es basiert auf dem Mittelhochdeutschen stimmt dies zwar, ist jedoch nicht vollständig, da es eine Mischsprache ist.
Man läßt ja auch nicht irgendwelche germanischen Stämme aus, wenn man von Germanen spricht, oder meint nur Sachsen wenn man von Angelsachsen redet.
 
Zuletzt bearbeitet:
Tib. Gabinius schrieb:
Auch wenns hier gar nicht hingehört und völlig OT: der Textauszug den ich wiedergegeben habe stammt aus einem der Bücher, die als Grundlagen des Germanistikstudiums herangezogen werden.
Ich weiß, ich kenne das Buch, und die von Dir zitierten Texte stimmen exakt mit dem überein, was ich geschrieben habe.

Tib. Gabinius schrieb:
Wenn du also sagst, es basiert auf dem Mittelhochdeutschen stimmt dies zwar, ist jedoch nicht vollständig, da es eine Mischsprache ist.
Da alle Sprachen Mischsprachen sind, ist dieser Hinweis überflüssig. Auch der "Schmidt" verwendet in diesem Zusammenhang den Ausdruck "Mischsprache" nicht, sondern spricht von "Tochtersprache des Deutschen" (S. 38).

Tib. Gabinius schrieb:
Man läßt ja auch nicht irgendwelche germanischen Stämme aus, wenn man von Germanen spricht, oder meint nur Sachsen wenn man von Angelsachsen redet.
Und was hat jetzt das Jiddische mit irgendwelchen germanischen Stämmen bzw. den Angelsachsen zu tun?
 
rolo schrieb:
Was ist nun richtig?
Alles :)

So kamen die ersten Juden wohl schon recht früh nach Europa, da selbige schon recht früh Handel betrieben und sich dann auch an Orten ausserhalb Israelis ansiedelten (in Küstenstädten im Mittelmeerraum). Spästenes mit der Vertreibung durch die Assyrer (598 v.ü.Z.) kamen Juden über Babylonien auch nach Europa. So wurde dann ja auch hier schon festegestellt, dass zu Zeiten Alexanders Juden schon im ganzen Mittelmeerraum (heutiges Spanien, Italien, Griechenland, Türkei, usw.) siedelten. So kamen dann auch mit den jeweiligen Besatzern die Juden in andere Länder, u.a. mit den Römern nach Deutschland.

Scholem,
jakow

PS. genaue Jahreszahlen kann jemand anders raussuchen
 
Tib. Gabinius schrieb:
Nein, ich meinte die Diaspora. Ein griechisches Wort, welches Zerstreung bedeutet. Sie haben sie, glaube ich, 49 für beendet erklärt.
Oh, habe ich verpasst, dass der Moschiach kam? Nein, die Galut ist nicht beendet und kann auch nicht für beendet erklärt werden, solange nicht alle Juden in Eretz Jirsroel (nicht zu verwechseln mit medina Israel, dem heutigen Staat) leben.

Scholem, jakow
 
Paul schrieb:
Nach dem Sieg der Spanier über die Mauren wurden die Juden so verfolgt, das viele in andere Teile Europas auswanderten.
Verfolgt ist gut. Sie mussten alle auswandern oder zum christlichen Glauben konvertieren, ansonsten wurden sie ermordert. Viele der Geflohenen lebten danach im Norden Mitteleuropas (heutiges Frankreich bzw. Holland) oder in Italien und vor allem in der Türkei.
Paul schrieb:
Im Chasarenreich in der heutigen Ukraine nahm die Führung das Judentum an und lies diesen Glauben in den Völkern ihres Reiches verbreiten. Es gibt die Hypothese, das die meisten Juden in Europa hauptsächlich über diese Konvertierung Juden wurden.
Diese These gilt eigentlich als wiederlegt und wird heute hauptsächlich nur noch zur Verleumdung der Juden (da ja nicht direkt abstammend) verwendet.
Paul schrieb:
Interessant ist ja, das diese Juden in Osteuropa eine deutsche "Nebensprache", das jiddische sprachen. Dadurch stellt sich die Frage der Herkunft dieses Sprachgebrauchs. Stammten die Juden in Osteuropa hauptsächlich von Einwanderern aus Deutschland ab o. stammen diese Osteuropäischen Juden überwiegend von Germanen(Bastarnen, Skiren, Goten..) ab, die im Chasarenreich das Judentum annahmen?
Wie gesagt, dass mit den Chasaren ist eine dubiose Theorie und ansonsten ist es richtig, dass diese Juden hauptsächlich aus Deutschland stammen und dabei das Mittelhochdeutsche mitgebracht haben. Interessant ist auch, dass es neben dem Ostjiddischen auch ein Westjiddsch gibt, welches dem Deutschen wesentlich ähnlicher ist und von Juden gesprochen wurde, welche in Mitteleuropa blieben. Erst nach der Flucht in den Osten nahm dann das Ostjiddische slawische, polnische und russische Wörte und Begriffe auf (sollte auch einige andere Punkte hier beantworten).
Scholem, jakow
 
Wo wir schon mal in Osteuropa angekommen sind!
Die Geschichte der Trakaier ist sehr interessant, ich muß jetzt aus dem Gedächnis zitieren:

Es ist die Sekte der Karäer, sie lebten bis ins frühe Mittelalter in Babylon (gegend um Bagdad), mussten dann aussiedlen, sie zogen den Euphrat hoch bis an die Schwarzmeerküste, Dort wurden sie vom litauischen Großfürsten als Leibgarde angeworben und zur damaligen Hauptstadt Litauens Trakai gebracht. Dort leben sie heute noch, aufgrund das sie der Sekte der Karäer angehörten, wurden sie im zaristischen Russland nicht als Juden, sondern als Russen mosaischer Glaubensrichtung anerkannt, sie entgingen also der ganzen Repressalien. Sogar die Nazis haben sie in Ruhe gelassen.
Heute gibt es glaube ich noch 300 von ihnen.
 
jakow schrieb:
Oh, habe ich verpasst, dass der Moschiach kam? Nein, die Galut ist nicht beendet und kann auch nicht für beendet erklärt werden, solange nicht alle Juden in Eretz Jirsroel (nicht zu verwechseln mit medina Israel, dem heutigen Staat) leben.

Scholem, jakow
Bedeutet also Galut und Diaspora das gleiche?

hyokkose, wir könnten uns jetzt darüber noch eine Weile unterhalten, aber das würde den Threat noch weiter ab vom Thema bringen als bisher.
 
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