Wann wurde das Römische Reich unmöglich?

dhandesis35

Neues Mitglied
Irgendwann erreichte das Römische Reich einen Punkt, an dem es nicht mehr aufrechterhalten werden konnte, und die Maßnahmen, die es danach ergriff, drängten nur die Unvermeidlichkeit zurück, dass das Reich auseinanderfallen würde.

Wann würden Sie sagen, dass dies war? Der Moment, in dem sich römische Ambitionen über die italienische Halbinsel hinaus verbreiteten? Der Übergang von einer Republik zum Imperium unter Julius Cäsar? Ich möchte nicht die Instabilität erwähnen, die durch die unzähligen Ermordungen römischer Kaiser verursacht wurde, da dies unendlich vage ist, da man nicht auf eine bestimmte Zeit oder ein bestimmtes Ereignis hinweisen kann. Wenn ich mir einen aussuchen würde, würde ich die Ermordung von Aurelian sagen. Mein Lieblingskaiser und die letzte große Hoffnung für das Imperium.
 
Irgendwann erreichte das Römische Reich einen Punkt, an dem es nicht mehr aufrechterhalten werden konnte,
Daas klingt nach einem naturgesetzlichen Zwang, aber historische Dynamiken unterliegen nur sehr bedingt (und meist eher indirekt) naturgesetzlichen Zwängen. Also etwa beim frühen Tod eines Herrschers, wenn dessen Nachfolger noch nicht existieren oder alt genug sind, ihren Anspruch durchzusetzen, oder Fällen von Natureigenissen oder Katastrophen, die daran zweifeln lassen, dass der Herrscher fähig oder gottgewollt ist.

Früher sprach man häufiger mal davon, dass Reiche sich überdehnten. Natürlich muss ein Reich, dass längere Grenzen hat, mehr für die Verteidigung dieser Grenzen aufwenden. Aber i.d.R. gewinnt es auch an Ressourcen und Menschen hinzu. Ressourcen, um Steuern einzutreiben, um Militär aufrecht zu erhalten, Menschen, welche die Ressourcen erwirtschaften bzw. das Militär stellen.

Wann würden Sie sagen, dass dies war? Der Moment, in dem sich römische Ambitionen über die italienische Halbinsel hinaus verbreiteten? Der Übergang von einer Republik zum Imperium unter Julius Cäsar? Ich möchte nicht die Instabilität erwähnen, die durch die unzähligen Ermordungen römischer Kaiser verursacht wurde, da dies unendlich vage ist, da man nicht auf eine bestimmte Zeit oder ein bestimmtes Ereignis hinweisen kann.
Natürlich gab es immer wieder Krisen, spätestens seitdem die Republik über den Stiefel hinausgriff und die Bauern eben nicht mehr zur Ernte bei ihren Feldern waren, wo sie mitunter für zwei, drei Jahre in Iberien unterwegs waren.
Aber dieses Problem wurde irgendwie gelöst (marianische Heeresreform), es gab die Agrarkrisen, die mitausgelöst waren durch die verlängerten Dienstzeiten, hier versuchten die Gracchen Lösungen zu finden (und scheiterten). Aber Rom existierte und expandierte weiter. Rom überstand Bürgerkriege, Usurpationen, verrückte Kaiser, neue Bürgerkriege. Die augusteische Eroberung Nordwest-Iberiens diente vor allem dazu, an die dortigen Goldvorkommen zu kommen, ebenso die traiansche Eroberung Dakiens. Anderswo ging es um Grenzverkürzungen, um die Verteidigung effektiver zu gestalten. Und ja, jede neue Grenzverschiebung brachte Rom auch wieder mit neuen Völkern in Berührung, die eine echte oder eingebildete Bedrohung darstellten. Solche Eroberungsdynamiken können wir in Gallien, Germanien und Hispanien ausmachen. (Wobei man auch sagen muss, dass die Provinzen ja auch dazu dienten, sich während des Prokonsulats oder Proprätorats zu bereichern, um in Rom die Schulden, die man während des vorherigen cursus gemacht hatte, zu begleichen. Selten mal übertrieb ein Proconsul oder Propraetor das soweit, dass sich die Provinzialen an Cicero wandten damit dieser contra Verrem vorginge.)
 
Der Moment, in dem das Römische Reich seinen Niedergang begann, war genau mit Augustus; In der Tat legte der erste römische Kaiser nicht die rechtlichen und institutionellen Grundlagen des kaiserlichen Amtes, um eine stabile und konstitutionelle Machtfolge zu gewährleisten, sondern maskierte seine Herrschaft, indem er republikanische Institutionen am Leben hielt (man könnte auch sagen, dass es kein Römisches Reich , aber eine Res Publica, in der sich das Imperium befand, das oberste militärische Kommando des Kaisers.
Viele Autoren der Spätantike werden den römischen Staatskörper Res Publica weiterhin definieren; Auch nach dem Jahr 476 existierten der Senat, die Konsuln und alle typischen republikanischen Richter in Rom weiter.
Kurz gesagt, es gab immer nur die Römische Republik, aber ab Augustus erlangte die republikanische Figur des Imperator (und das geografische Gebiet, in dem er seine Macht ausübte, das Imperium) eine vorherrschende Macht über die anderen.
 
Der Moment, in dem das Römische Reich seinen Niedergang begann, war genau mit Augustus
Und zwar weil? Würde mich jetzt interessieren.

Kurz gesagt, es gab immer nur die Römische Republik, aber ab Augustus erlangte die republikanische Figur des Imperator (und das geografische Gebiet, in dem er seine Macht ausübte, das Imperium) eine vorherrschende Macht über die anderen.

Womit er sich jetzt von der Titulatur abgesehen faktisch wodurch etwa von Sulla unterschied, was die Usurpation faktischer Macht angeht?
 
Um den Schein zu retten und nicht als neuer Diktator aufzutreten(Alle Protagonisten von Bürgerkriegen wie Sulla oder Caesar versuchten, Diktatoren fürs Leben zu werden, ohne ihren Willen zu verbergen, eine monarchische Macht in der Republik durchzusetzen), zeigte sich Augustus dem römischen Volk als Restaurator der Republik; Diese Politik hat im Laufe der Zeit zu anhaltenden Bürgerkriegen um die kaiserliche Nachfolge geführt, da es keine spezifischen Regeln gibt.
Das gleiche Bild des Kaisers hat sich im Laufe der Zeit geändert: Augustus war der "princeps inter pares" (der maßgeblichste unter den Magistraten der römischen Republik, aber zumindest theoretisch mit den gleichen Befugnissen wie seine Kollegen); Augusto sagt: Ich habe die gleichen Befugnisse wie die anderen Senatoren, aber ich übertreffe sie in "auctoritas" (ethische und moralische Autorität).
Drei Jahrhunderte später wird Konstantin der "Dominus" sein (absoluter Herr aller Völker durch göttlichen Willen, der jeder irdischen Macht überlegen ist).
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es nie eine Regel gegeben hat, die klar definiert, welche Befugnisse und Pflichten der Kaiser hatte.
 
Um den Schein zu retten und nicht als neuer Diktator aufzutreten(Alle Protagonisten von Bürgerkriegen wie Sulla oder Caesar versuchten, Diktatoren fürs Leben zu werden, ohne ihren Willen zu verbergen, eine monarchische Macht in der Republik durchzusetzen), zeigte sich Augustus dem römischen Volk als Restaurator der Republik;

Sulla schaffte die Institutionen der Republik doch auch nicht einfach ab.

Was den Rest angeht, interessiert mich noch immer, inwiefern der Niedergang des RR mit Augustus begonnen haben soll.
 
...(man könnte auch sagen, dass es kein Römisches Reich , aber eine Res Publica, in der sich das Imperium befand, das oberste militärische Kommando des Kaisers.
Viele Autoren der Spätantike werden den römischen Staatskörper Res Publica weiterhin definieren; Auch nach dem Jahr 476 existierten der Senat, die Konsuln und alle typischen republikanischen Richter in Rom weiter.
Kurz gesagt, es gab immer nur die Römische Republik, aber ab Augustus erlangte die republikanische Figur des Imperator (und das geografische Gebiet, in dem er seine Macht ausübte, das Imperium) eine vorherrschende Macht über die anderen.
Kommt das außer mir noch jemandem bekannt vor - nur haben "Reich" und "Republik" die Rollen getauscht?
 
Nach dem Tod des Augustus erlebte das Römische Reich andauernde Bürgerkriege zwischen Generälen der Provinzarmeen.
Wenn Sie in der römischen Geschichte gut bemerken, tritt die Stabilität der kaiserlichen Nachfolge auf, nachdem es einem Armeegeneral gelungen ist, seine eigene Dynastie an die Macht zu bringen (beachten Sie, dass ich nicht nur von erblicher Nachfolge von Vater zu Sohn spreche, sondern auch von Adoptivnachfolge wie im 2. Jahrhundert). ;; Wenn es jedoch keine Erben gibt oder wenn es einen Menschen gibt, der tot ist, wird der Erbfolgekrieg wieder entfacht, da es kein Gesetz gibt, das regelt, wer und wie man Kaiser wird.
Wenn Sie bei jedem Dynastiewechsel beobachten (von der Julio-Claudianischen Dynastie zur flavianischen, von der Antoninischen Dynastie zur Severische), nimmt das Bild des Kaisers immer monarchischere Merkmale an.
Abschließend brachte Augustus eine Parallelmacht zur Römischen Republik hervor, die auf der Kontrolle der Armee beruhte.
Der römische Staat begann zu verfallen, als die militärische Sphäre sowohl im rechtlichen Sinne (römische Soldaten hatten ihre eigenen Gesetze, Steuern und Rechte als die der Zivilbevölkerung) und im physischen Sinne (Soldaten lebten auf dem Limes getrennt von der zivilen Sphäre getrennt wurde, weit weg von den reichsten Stadtzentren, in Kontakt mit den Barbaren).
Der Soldat gehörte zu einer Welt, die sich von der der Bauern, Handwerker und Aristokraten unterschied. Es hatte eine eigene Kultur, die auf Kameradschaft zwischen Mitsoldaten und Loyalität gegenüber dem Kaiser beruhte.
Mit der Zunahme der Barbaren in der Armee wurde die Trennung von der städtischen und ländlichen Welt so, dass inzwischen Barbaren und Soldaten synonym waren.
Beachten Sie, dass die Bürgerkriege viele Todesfälle verursachten, so dass die Kaiser, als sie die Möglichkeit hatten, die einfallenden Barbaren auszurotten, sie verschont und angeworben hatten (Konstantin hätte alle Franken töten können, die in Gallien eingedrungen waren, aber er rettete sie und stellte sie zum Kampf ein Maxentius, aus den gleichen Gründen wie die anderen Kaiser wie Theodosius).
Die Argumentation der Kaiser lautet: Indem ich die einfallenden Barbaren engagiere, löse ich zwei Probleme zusammen, die gleichen Feinde, die mich zuvor angegriffen haben, werden jetzt Verbündete, und zweitens entferne ich keine Männer aus der Landwirtschaft, außerdem zahlen die Barbaren sie weniger als die römischen Soldaten.
Das Problem entsteht, wenn die alliierten Barbaren immer mehr Geld und Land als Entschädigung verlangen und da die Barbaren den größten Teil der Armee ausmachen (solange sie kein Waffenmonopol haben), müssen die Kaiser zahlen, immer höhere Steuern erheben und ihnen gewähren immer größere Länder (der römische Staat wird keine Steuern mehr von diesen Ländern nehmen können, aber die Barbaren werden sie nehmen).
Das Fehlen einer nationalen Armee ist die zweite Ursache für den Niedergang des Weströmischen Reiches; Der östliche hatte, wenn man genau hinschaut, nur wenige Barbaren in der Armee und eine solide Struktur imperialer Macht.
 
Nach dem Tod des Augustus erlebte das Römische Reich andauernde Bürgerkriege zwischen Generälen der Provinzarmeen.

Bürgerkrieg hat es doch auch vor Augustus schon gegeben.

Ansonsten würde ich Bürgerkriege als wirklich strukturelles Phänomen erst in der Zeit der Soldatenkaiser sehen, dann sind wir im 3. jahrhunder n. Chr. über 200 Jahre nach Augustus, so dass sich da keine direkten Kontinuitäten mehr werden finden lassen.
Ansonsten (man vergleiche das exemplarisch etwa mit China), sind kleinere Auseinandersetzungen mit abtrünnigen Provinzfürsten bei Reichsverbänden dieser Größenordung, zumal bei den Kommunikationswegen und der durch die Entfernung damals verunmöglichten Kontrolle der Zentrale über die an der Peripherie gelegenen Provinzen, nichts besonderes, sondern fast schon zwangsläufig.
Nur eine Gefahr für das Imperium an und für sich, sehe ich dadurch ab Augustus nicht geben. Dafür waren die Auseinandersetzungen bis in die Epoche der Soldatenkaiser schlicht zu selten.

Oder aber man nimmt das Vorhandensein von Bürgerkriegen an und für sich als Kriterium, aber da waren vor Augustus ja auch noch Caesar und Pompeius oder Sulla und Marius , zu deren Zeit man Bürgerkriege hatte. Insofern ist auch das nicht neu.

Ich würde meinen, zur Begünstigung von Bürgerkriegen waren die Ausdehnung des Reiches und der Übergang zum Berufsheer wesentlich stärker begünstigende Faktoren, als alles, was Augustus an und für sich jemals angestellt hat.
Der Übergang zum Berufsheer weil das ein Machtinstument schuf, das sich einzelne Große durch Beuteversprechungen und Solderhöhungen sehr leicht aneignen konnten, oder das auch eigenständig zur Bedrohung werden konnte, blieb der Sold infolge finanzieller Schwierigkeiten einmal aus.
Die Ausdehnung des Reiches, weil es die Streitkräfte weitgehend an der Peripherie band, wo sie selbst, und ihre Befehlshaber, weitgehend unkontrollierbar waren und sich möglicherweise noch auf eine mit der römischen Herrschaft ohnehin nicht besonders zufriedene Provinzbevölkerung stützen konnten.

Derlei aus der Überdehnung des Reichsverbands resultierende strukturelle Probleme findet man wie gesagt bei allein Reichsverbänden, deren Kommunikationsmöglichkeiten die faktische Kontrolle der Vorgänge an der Peripherie überforderten.

Das findet sich in China, bei den chronisch unzuverlässigen Befehlshaber an der nördlichen Peripherie des Reiches, die sich periodisch der Kontrolle des Kaisers entzogen, das findet sich sehr deutlich im Japan der Kamakura-Zeit, als die militärischen Eliten an der östlichen Peripherie in der Kanto-Region um Kamakura de facto ein "Gegen-Machtzentrum", genüber dem kaiserlichen Hof in Kyoto etablieren.
Das findet sich später im "Heiligen Römischen Reich", in dem, selbst wenn man Reichstalien und Burgund mal ausklammert, Böhmen und der Niederdeutsche Raum sehr lange Zeit recht unabhängige Regionen und potentielle Krisenherde darstellen.

Wenn Sie bei jedem Dynastiewechsel beobachten (von der Julio-Claudianischen Dynastie zur flavianischen, von der Antoninischen Dynastie zur Severische), nimmt das Bild des Kaisers immer monarchischere Merkmale an.
Mal unabhängig davon ob man dieses Urteil nun teilen möchte oder nicht, was hat das noch mit Octavian zu tun? Das ist überspitzt so, als wollte man Ludwig den Frommen und seine Söne für das Deutsch-Französische Verhältnis im 18. und 19. Jahrhundert zur Verantwortung ziehen.
Da liegen in Teilen Jahrunderte (Antoninische Dynastie und Severer) dazwischen.
Wenn man Kontinuitätslinien so weit ziehen will, das man sagt, dass das direkte Wirken eines bedeutenden Herrschers vielleicht noch 1-2 Generationen über seinen Tod hinaus andauert, würde ich mich damit noch einverstanden erklären. Aber dann ist das auch irgendwann ausgereizt und jemanden oder jemandes Handeln zu einem Wendepunkt zu erklären, nach dem alles auf ein Ereignis oder eine Wentwicklung hinausläuft, die/das dann Jahrhunderte spätest stattfindet, geht zu weit.
Das ist schlicht in extremem Maße überdeterminiert.

Der römische Staat begann zu verfallen, als die militärische Sphäre sowohl im rechtlichen Sinne (römische Soldaten hatten ihre eigenen Gesetze, Steuern und Rechte als die der Zivilbevölkerung) und im physischen Sinne (Soldaten lebten auf dem Limes getrennt von der zivilen Sphäre getrennt wurde, weit weg von den reichsten Stadtzentren, in Kontakt mit den Barbaren).
Jetzt mal ohne das inhaltlich bestätigen oder in Abrede stellen zu wollen, nur aus der gleichen Argumentationslogik heraus, wo genau beginnt die Trennung zwischen militärischer und ziviler Sphäre, wenn es diese in für den Staat schädlichem Ausmaß gab denn bei Augustus?

Warum nicht schon bei Marius Reformen und dem sukzessiven Übergang vom spontan zusammengetrommelten Aufgebot zum Berufsheer?


Auf das weitere möchte ich hier an dieser Stelle nicht eingehen, weil ich das Wesentliche dazu schon gesagt hatte. Unabhängig davon, ob man die Inhalte teilt oder nicht, lassen wir das hier einmal im Raume stehen, ist es methodisch schlicht überdeterminiert erignisse des 2. 3. und 4. Jahrhunderts n. Chr. auf Augustus und dessen Handeln beziehen zu wollen.
Selbst wenn es es Anstöße zu Entwicklungen gab, die in langen Bahnen in Richtung späterer Ereignisse tendierten, gab es auf dem Weg noch hinreichend Zeit und Gelegenheiten völlig andere Wege einzuschlagen.
Und deswegen ist eine solche Betrachtungsweise mMn wenig sinnvoll, weil sie mehr oder minder von vorn herein allen römischen Kaisern zwischen Octavian und und den genannten Ereignissen die Möglichkeit abspricht anders zu handeln, als sie es getan haben.
 
Bürgerkrieg hat es doch auch vor Augustus schon gegeben.

Richtig. Und die Aussage
Nach dem Tod des Augustus erlebte das Römische Reich andauernde Bürgerkriege zwischen Generälen der Provinzarmeen.
ist auch, wenn man sie wortwörtlich nimmt, falsch.
Augustus begründete die julisch-claudische Dynastie. Im folgten Tiberius, Caligula, Claudius und Nero auf dem Kaiserthron und erst die Nachfolge Neros wurde in Bürgerkriegen entschieden, aus dem Vier-Kaiser-Jahr ging die zwar kurzlebige, aber dennoch Dynastie der Flavier hervor.
 
Die Zerstörung der Kultur durch das Christentum spielt eine Rolle. Die Bücherverbrennung.

Dies führte zu der häufig anzutreffenden Schätzung, wonach weniger als 10 % der antiken Literatur überliefert wurden.Das naturwissenschaftlich-technische Wissen in der [URL='https://de.wikipedia.org/wiki/Sp%C3%A4tantike']Spätantike war sicher so umfangreich und kompliziert, dass eine mündliche Überlieferung nicht mehr möglich war. Sofern dieses Wissen mit nichtchristlichen Namen und Anschauungen verbunden war, konnte es in Konkurrenz zum Christentum stehen[/URL]
Bücherverluste in der Spätantike – Wikipedia

Die Mathematikerin Hypatia wurde in der Kirche Caesarion von einem Mob gegen sie aufgebrachter Christen ermordet.
Hypatia – Wikipedia
Mathematiker wurden oft zur Zerstörung ihrer eigenen Bücher gezwungen.
Auf Arte habe ich einen Film über die Zerstörung Jerusalems gesehen. Es wurde zu Beginn behauptet, viele Juden wanderten nach der Zerstörung in alle Teile des Reichs und wurden oft Christen. Die Römer hätten sich nicht träumen lassen daß sie durch die Zerstörung Jerusalems ihr eigenes Reich zerstörten.
 
Die Zerstörung der Kultur durch das Christentum spielt eine Rolle. Die Bücherverbrennung.

Dies führte zu der häufig anzutreffenden Schätzung, wonach weniger als 10 % der antiken Literatur überliefert wurden.Das naturwissenschaftlich-technische Wissen in der Spätantike war sicher so umfangreich und kompliziert, dass eine mündliche Überlieferung nicht mehr möglich war. Sofern dieses Wissen mit nichtchristlichen Namen und Anschauungen verbunden war, konnte es in Konkurrenz zum Christentum stehen
Bücherverluste in der Spätantike – Wikipedia

Die Mathematikerin Hypatia wurde in der Kirche Caesarion von einem Mob gegen sie aufgebrachter Christen ermordet.
Hypatia – Wikipedia
Mathematiker wurden oft zur Zerstörung ihrer eigenen Bücher gezwungen.
Auf Arte habe ich einen Film über die Zerstörung Jerusalems gesehen. Es wurde zu Beginn behauptet, viele Juden wanderten nach der Zerstörung in alle Teile des Reichs und wurden oft Christen. Die Römer hätten sich nicht träumen lassen daß sie durch die Zerstörung Jerusalems ihr eigenes Reich zerstörten.

Entschuldige, wenn ich da in der Form draufhaue, aber dazu fällt mir wirklich nur noch ein: "selten so viel Unsinn auf einem Haufen gelesen".
Ich bin nun persönlich wahrlich kein großer Freund irgendeiner Religion, geschweigedenn irgendeiner organisatorischen Struktur in diesem Bereich, aber Parolen wie "Zerstörung der Kultur durch das Christentum", sind einfach nur Murks.
Nicht minder großer Murks ist es das Aufkommen des Christentums für tatsächliche oder auch nur vermutete Verluste antiker Literatur pauschal für verantwortlich erklären zu wollen.

Ralisitisch betrachtet, war die Reproduktion der Literatur ohne Druckerpressen ein kostspieliges und zeitaufwändiges Unterfangen, entsprechend ist klar, dass die damaligen Akteure nicht jedes Pamphlet reproduzierten.
 
Nicht minder großer Murks ist es das Aufkommen des Christentums für tatsächliche oder auch nur vermutete Verluste antiker Literatur pauschal für verantwortlich erklären zu wollen.
Zumal der als Beleg verlinkte Artikel bzgl. der Vernichtung von Literatur
a) Christen sowohl als Bewahrer als auch als Zerstörer heidnischer Literatur präsentiert
b) darauf hinweist, dass christliche Literatur ebenfalls von Zerstörung z.B. im Rahmen der Christenverfolgung betroffen war.
Also einseitig den Christen die Schuld an Zerstörung zu geben ist so ein bisschen auf einem Auge blind zu sein.
Und ohne hier in Whataboutism abrutschen zu wollen, ist natürlich zu fragen, warum der Mord an Hypathia durch radikale Christen für den Untergang des römischen Reiches herangezogen wird, andere Morde an Mathematikern aber nicht. Ist Rom untergegangen, weil gegen Ende des Ersten Punischen Krieges, bei der Eroberung Syrakus', Archimedes umgebracht wurde?
 
Ralisitisch betrachtet, war die Reproduktion der Literatur ohne Druckerpressen ein kostspieliges und zeitaufwändiges Unterfangen, entsprechend ist klar, dass die damaligen Akteure nicht jedes Pamphlet reproduzierten.
Bücherverbrennung – Wikipedia
Es wurden massenweise Bücher verbrannt.
Eines von unzähligen Beispielen:

"Die Res gestae des Ammianus Marcellinus (ca. 330 bis ca. 395) berichten von der Verfolgung und Hinrichtung von Personen, denen der Besitz von Büchern mit verbotenem Inhalt vorgeworfen wurde. Ihre Codices und Rollen wurden in großer Zahl öffentlich verbrannt. Bei den Büchern soll es sich vor allem um Werke der „artes liberales“, der klassischen antiken Wissenschaften, gehandelt haben. Infolgedessen hätten in den „östlichen Provinzen“ „aus Furcht vor ähnlichen Schicksalen die Besitzer ihre ganzen Bibliotheken verbrannt“."

Also einseitig den Christen die Schuld an Zerstörung zu geben ist so ein bisschen auf einem Auge blind zu sein.
Und ohne hier in Whataboutism abrutschen zu wollen, ist natürlich zu fragen, warum der Mord an Hypathia durch radikale Christen für den Untergang des römischen Reiches herangezogen wird ander Morde an Mathematikern aber nicht. I
Das soll nur ein Beispiel von vielen sein.
(Mathematik ist „die Gesamtheit des von der Philosophie geforderten Lernstoffs, also Arithmetik, Geometrie, Astronomie, Musik(-theorie), ja noch in der Kaiserzeit fielen Grammatik (elem. Sprachlehre und Philologie) wie Rhetorik mit darunter… Im Latein nach Gell. 1,9,6 die arithm. und geometr. Operationen bedürfenden Wissenschaften, im vulg. Sprachgebrauch einfach die Nativitäts-Astrologie…“ Der Kleine Pauly, Bd. 3, S. 1078)
Also nützliches Wissen um einen Staat am Laufen zu halten.
Das naturwissenschaftlich-technische Wissen in der Spätantike war sicher so umfangreich und kompliziert, dass eine mündliche Überlieferung nicht mehr möglich war. Sofern dieses Wissen mit nichtchristlichen Namen und Anschauungen verbunden war, konnte es in Konkurrenz zum Christentum stehen
Diese nützlichen Schriften wurden also vernichtet.

Die christlichen Schriften enthielten kein nützliches Wissen. Die anderen schon. Vor Jahren wurden Bücherverbrennungen durch Moslems bei der Eroberung Alexandrias in den Medien erwähnt. Dann hiess es, die Christen hätten viel mehr Bücher verbrannt. In der Schule lernt man ja, das erst während der Kreuzzüge das Abendland wieder Zugriff auf Aristoteles und andere Griechen bekam. Warum sind die Schriften Platos vollständig erhalten und die Schriften Aristoteles nur noch als Mitschriften von Schülern ?
Weil die frühen Christen ihn für ketzerisch hielten.
Im Artikel zu den Bücherverlusten steht :
"Auch Isidor von Sevilla gab in seinen Regeln für das Mönchstum zu bedenken, dass es nur sehr gefestigten Schülern erlaubt sein dürfe, nichtchristliche Schriften zu lesen. „Man fühlt sich nach Cassiodor,“ sagt Manitius, „in eine andere Welt versetzt: Mystik, Aberglaube und Wundersucht überwuchern jetzt die früher oft so logische und sachgemäße Darstellung‘“.[101]
Als Folge dieser Kulturpolitik konnte auch der Klerus den Alphabetisierungsgrad nicht halten. Cassiodor schrieb ein Lehrbuch zur antiken Grammatik. E. A. Lowe urteilte darüber: „Von den Regeln der Orthographie und Grammatik, die er niederlegte, kann man ermessen, wie tief die Gelehrsamkeit zu seiner Zeit bereits abgesunken war."
Das Christentum hat Schuld am Analphabetismus.


 
Bücherverbrennung – Wikipedia
Es wurden massenweise Bücher verbrannt.
Eines von unzähligen Beispielen:

"Die Res gestae des Ammianus Marcellinus (ca. 330 bis ca. 395) berichten von der Verfolgung und Hinrichtung von Personen, denen der Besitz von Büchern mit verbotenem Inhalt vorgeworfen wurde. Ihre Codices und Rollen wurden in großer Zahl öffentlich verbrannt. Bei den Büchern soll es sich vor allem um Werke der „artes liberales“, der klassischen antiken Wissenschaften, gehandelt haben. Infolgedessen hätten in den „östlichen Provinzen“ „aus Furcht vor ähnlichen Schicksalen die Besitzer ihre ganzen Bibliotheken verbrannt“."

Um es gleich abzukürzen, da sind wir dann bei genau der gleichen Diskussion, die hier im vergangenen Jahr schonmal geführt worden ist und da kann ich nur meine damaligen Standpunkte wiederholen.

a) Was genau inhaltlich verbrannt worden ist können wir überhaupt nicht wissen, da es ja nicht erhalten ist. Daher können wir auch nicht wissen ob es sich dabei um nützliches Wissen handelte, um objektive Irrtümer oder um hauptsächlich eher belletristisches Zeug, das aus irgendwelchen religiösen und Sittengesichtspunkten nicht mehr erwünscht war.
b) Wir können auch nicht wissen, ob vor etwaigen Verbrennungen nicht noch eine Selektion stattgefunden hat, bei der aus insgesamt unliebsamen Schriften noch potentiell nützliche Inhalte herauskopiert wurden und somit erhalten geblieben sein mögen, ohne das wir Kenntnis davon haben.
c) Auch der spätere Umgang der Kirchen fachfremden Schriften, spricht nicht dafür, dass zu irgendeiner Zeit von Christlicher Seite her alles, was irgendwie mit Wissen zu tun hat wahllos verbrannt worden wäre. Allenfalls Schriften, die sich auf theologischem Gebiet mit biblischen behauptungen oder Interpretationen bissen. Welche Felder konnten denn das überhaupt betreffen?
Ich würde mal Behaupten, Dinge, die vorchristliche Religionsvorstellungen betrafen, ein Teil der antiken philosophischen Schriften (über deren Sinn und Unsinn man in weiten Teilen trefflich streiten kann), vielleicht noch einzelne Klamotten, die in Richtung Astronomie gehen. Aber sonst?
d) Das Beispiel einer Hand voll Verbrennungen, selbst wenn diese authentisch sein sollten, über den gesammten Mittelmeerraum verteilt, ist weiterhin kein Beleg dafür, dass dies ein flächendeckendes Phänomen gewesen wäre, das man einer Religionsrichtung als solcher programmatisch zuschreiben könnte. Ist ja nicht so, als hätte es ostentatives Verbrennen von Büchern nicht auch andarweitig in außerchristlichen Kontexten gegeben.
e) Übernimmst du da relativ unkritisch die Überlieferungen einzelner Autoren und übersteigerst diese noch ins Grotteske. Schon das unhinterfragte Übernehmen der Erzählungen an und für sich, sowohl im Hinblick auf die Authentizität der Ereignisse an und für sich, als auch im Hinblick auf deren potentielle Quantität, halte ich für bereits für hochproblematisch und dem Material unangemessen.


Die christlichen Schriften enthielten kein nützliches Wissen. Die anderen schon.

Da bin ich dann wieder bei meiner Kritik vom vergangenen Jahr.
Wenn die Schriften unwiederbringlich vernichtet wurden, woher weißt du dann, was drinnstand und das dieses für irgendwas nützlich war?
Das kannst du überhaupt nicht wissen, sondern du willst einfach, dass es so ist, damit es das Bild, dass du bereits im Vorhinein im Kopf hast bestätigt. Klassischer Zirkelschluss.

Mag sein, es ist viel nützliches Zeug vernichtet worden. Kann aber genau so sein, dass es sich bei einem nicht geringen Anteil um Zeug handelt, das wir heute unter Schundliteratur oder Pornographischem Zeug verbuchen würden, dass der Nachwelt in keinster Weise irendwie weitergeholfen hätte, nur um die mögliche Spannweite zu verdeutlichen.
Wir wissen es nicht.
Auch wissen wir wie gesagt nicht, ob selbst an als anstößig empfundenen Pamphleten nicht vorher noch etwaiges nützliches herausgeschrieben wurde.


Vor Jahren wurden Bücherverbrennungen durch Moslems bei der Eroberung Alexandrias in den Medien erwähnt. Dann hiess es, die Christen hätten viel mehr Bücher verbrannt. In der Schule lernt man ja, das erst während der Kreuzzüge das Abendland wieder Zugriff auf Aristoteles und andere Griechen bekam. Warum sind die Schriften Platos vollständig erhalten und die Schriften Aristoteles nur noch als Mitschriften von Schülern ?
Weil die frühen Christen ihn für ketzerisch hielten.

Mal abgesehen davon, dass "In der Schule lernt man ja....." keine wie auch immer belastbare Quelle ist, hätte ich dann mal eine ganz doofe Gegenfrage:

Die Araber eroberten den südlichen Mittelmeerraum erst 300-400 Jahre, nachdem sich das Christentum in Rom und denn auch in Ostrom durchgesetzt hatte und nachdem also die christlichen Herrscher 300 Jahre lang Zeit hatten, in ihrer Zerstörungswut alles an Material, was sie finden konnten zu vernichten.
Wenn sie das getan haben, dann frage ich mich, wo die Muslime dann die entsprechenden Schriften aufgetrieben haben wollen, die sie dann tradiert haben, wenn doch der gesammte Mittelmeerraum schon davon gesäubert war?

Naheliegenste Antwort?
Das Zeug fiel ihnen bei ihren Eroberungen im Mittelmeerraum deswegen in die Hände, weil die pösen pösen Christen es eben nicht vernichtet hatten, obwohl sie 300 Jahre lang Zeit zum Zündeln gehabt hätten.

Mal davon abgesehen, dass auch schon vor der Zeit der Kreuzzüge so einiges an altikem Literaturgut, bzw. dessen Rezeptionen durch Europa geisterte, müsste dir doch, genau wie schon oben als es um die Inhalte potentiell vernichteten Zeugs ging, selbst wenn man das Postulat kritiklos hinnimmt, auffallen, dass sich deine gesammte Argumentation vollkommen in den Schwanz beißt.



Als Folge dieser Kulturpolitik konnte auch der Klerus den Alphabetisierungsgrad nicht halten. Cassiodor schrieb ein Lehrbuch zur antiken Grammatik. E. A. Lowe urteilte darüber: „Von den Regeln der Orthographie und Grammatik, die er niederlegte, kann man ermessen, wie tief die Gelehrsamkeit zu seiner Zeit bereits abgesunken war."
Das Christentum hat Schuld am Analphabetismus.

- Könnte auch einfach daran liegen, dass mindestens was den lateinischen Westen anging, mit der Reichsteilung auch der unmittelbare Zugriff auf Papyrus als wichtiger Schriftträger verloren ging und mit der Vereinnahmung Ägyptens und der Levante durch die arabische Expansion erst recht?
- Mag auch mit der de-urbanisierung weiter Teile des Mittelmeerraums zusammenhängen, die dafür sorgte, dass in den Städten zentral gespeichertes Wissen sukzessive einem wesentlich kleineren Anteil der Gesamtbevölkerung zugänglich wurde, selbst wenn Fähigkeiten zum lesen und Schreiben vorhanden waren und diese Fähigkeiten dadurch mitunter recht nutzlos werden konnten?
- Mag auch mit dem Zusammenbruch des Wirtschaftsraumes und dem Ende der Sklavenwirtschaft im größeren Stil zusammenhängen, die auch die Oberschichten nun wesentlich mehr als Funktionseliten im ländlichen Bereich einband, so dass die zeitlichen Ressourcen sich der klassischen Bildung zu widtmen geringer wurden, während die Bedeutung anderer Fähigkeiten unter diesen Umständen zunahm?

Nein, das Christentum muss schuld sein.
Warum weiß der Geier. Immerhin waren ja diejenigen, die das Christentum am überzeugtesten betrieben, der Priesterstand am Ende die einzigen, die noch lesen und schreiben konnten.
Wenn das Christentum an und für sich eine solche auf Degeneration ausgelegte Einrichtung gewesen wäre, wie da das unterstellst, sollte man ja eigentlich erwarten, dass deren Verbreiter die Ersten hätten sein müssen, die dem Analphabetismus anheim fallen.

So viel dazu.
Und ohne dir zu nahe treten zu wollen, im Falle einer Erwiederung, wäre es schön, selbige wäre durchdacht und würde statt unbelegten Behauptungen und Nebelkerzen auf die Kritikpunkte eingehen und die gestellten Gegenfragen beantworten.
 
Hallo Schaf:

- Nur von wenigen (erhaltenen) antiken heidnischen Werken existieren noch in der Antike angefertigte Handschriften. Die meisten erhaltenen antiken heidnischen Werke kennt man nur aus im Mittelalter (großteils von christlichen Mönchen!) angefertigten Abschriften.

- Photios, der im 9. Jhdt. Patriarch von Konstantinopel und ein bedeutender Gelehrter war, fertigte eine Art "Leseliste" an, eine Liste von ihm gelesener und empfohlener Werke, die neben vielen theologischen Schriften auch viele Werke antiker heidnischer Autoren enthielt, von denen viele heute verloren sind. Zu Photios' Zeiten existierten sie aber offenkundig noch.

- Viele christliche byzantinische Gelehrte fertigten umfangreiche Exzerpte aus heute verlorenen antiken Schriften an, die ihnen somit offenkundig noch vorlagen. So exzerpierte etwa im 11. Jhdt. der Mönch Xiphilinos das Werk des Cassius Dio, von dem heute große Teile verloren sind, die aber damals noch verfügbar gewesen sein müssen (lediglich den Band über Antoninus Pius konnte anscheinend schon Xiphilinos nicht mehr auftreiben).

- Von vielen verlorenen antiken Werken existieren heute nur noch einzelne Fragmente. Diese "Fragmente" kennt man meistens nicht, weil irgendwelche Papyrusschnipsel gefunden wurden, sondern aus (wörtlichen oder zusammenfassenden) Zitaten späterer (oft byzantinischer) Autoren, die also noch Zugang zu den heute verlorenen Werken hatten.

- Die "Griechische Anthologie", eine Sammlung von mehreren tausend antiken Gedichten, entstand großteils im Mittelalter im byzantinischen Reich. Diese Anthologie enthält zahlreiche Gedichte von Autoren, die heute nur noch durch diese Sammlung bekannt sind. Damals lagen sie also noch vor.

Aus all dem ergibt sich, dass mitnichten die heute verlorene antike Literatur samt und sonders in der Spätantike durch die blinde Zerstörungswut christlicher Fanatiker untergegangen sein kann. (Das oströmische/byzantinische Reich, vor allem auch seine Gelehrten, war nach der Spätantike ein durch und durch christlicher Staat.)
 
Die meisten erhaltenen antiken heidnischen Werke kennt man nur aus im Mittelalter (großteils von christlichen Mönchen!) angefertigten Abschriften.

Ein m.E. einseitiger Befund. Es berücksichtigt mit keinem Wort die kulturellen Leistungen der islamischen Welt in dieser Phase. Die kulturelle Leistung der Araber, die als Minorität ein riesiges religiös-politisches Herrschaftsgebiet durch Eroberung geschaffen haben, liegt vor allem in der sprachlichen Integration und der Transmission antiker Wissensbestände. Und erschaffen in diesem Prozess der Aneignung eine genuin arabische Form der Wissenschaft, allerdings, so Lombard, als Teil einer neuen Kultur, da die erobernde arabische Minorität sich schnell und erfolgreich in die unterworfenen – städtisch geprägten - Völker assimiliert (Lombard, S. 19ff)

Die Integration war auch deshalb so erfolgreich, weil die Araber als Befreier von römischer, byzantinischer, persischer oder sassanidischer Herrschaft von der einheimischen Bevölkerung nicht selten gesehen worden ist (Lombard, S. 21). „Die unterworfene Bevölkerung stellten ganz selbstverständlich die Verwaltungskader, jenes geistige Werkzeug kultivierter Völker, zur Verfügung. Die christlichen, jüdischen oder persischen Konvertiten,…, werden bald eine entscheidende Rolle beim Aufbau dieser synkretistischen, „islamischen“ Zivilisation spielen.“ (Lombard, S. 22).

Das beleuchtet die Frage, ob es sich um eine arabische oder um eine islamische Kultur handelt. Sofern man von einer arabischen Kultur spricht, rückt man den dynastischen herrschaftlichen Aspekt in den Vordergrund der Betrachtung. Die Ergebnisse der Wissensproduktion sind jedoch das Ergebnis eines synkretistischen Prozesses, an dem „Araber“ –als forschende Individuen – nur unter anderem beteiligt sind. Dennoch ist „Arabisch“ das gemeinsame Band, das die Blüte der islamischen Kultur in dieser Phase erst ermöglicht hatte. Die Mehrzahl der wissenschaftlichen Texte waren zwischen dem neunten und dem sechszehnten Jahrhundert im „Nahen Osten“ in arabisch geschrieben. (Dallal, Pos. 3027) Insofern erscheint die Beschreibung der wissenschaftlichen und kulturellen Erkenntnisse bzw. Publikationen als "islamische Kultur" entsprechend dem multiethnischen Erstellungsprozesses als angemessener. (vgl. den guten Beitrag von lynxxx #341!!)

Und Lombard resümiert: „Der Islam….ist eng verbunden mit der Geschichte aller Räume, die seine Wiege umgaben…“ und integrierte Europa, Afrika, Indien bzw. auch Süd-Ost-Asien.

Für das Mittelalter beschreibt Flasch die Art der „islamischen Herausforderung“ für den Westen bzw. auch ihren Einfluß wie folgt: „Die zivilisatorische und auch philosophische Entwicklung des lateinischen Westens seit dem 13. Jahrhundert ist ohne den Einfluß der Araber nicht zu vestehen.“ (Flasch, S. 262).

Und fährt fort: „Die Gesellschaft des Westens hatte seit dem Ende des 11. Jahrhunderts eine ökonomische, politische, militärische und intellektuelle Dynamik entfaltet, die sie drängte, sich mit der überlegenen arabischen Zivilisation zu konfrontieren.“ (Flasch, S. 262). Die Zeit der Kreuzzüge förderte die Übernahme und das Durchdringen der Kulturen, „Aber die Eroberer hatten die kulturelle Überlegenheit der Besiegten jetzt deutlich vor Augen.“ (Flasch, S. 262).

Um die Vielzahl arabischer Bücher für die westliche Kultur nutzen zu können, wurde in Toledo eine Übersetzungsschule gegründet, die systematisch vor allem die naturwissenschaftlichen arabischen Werke ins Lateinische übersetzten. In dieser Phase erfolgte vor allem eine Transmission der mittelalterlichen arabischen Kultur nach West-Europa.

Es war jedoch in ihren antiken Wurzeln, wie schon mehrfach erwähnt, keine genuin antike arabische Kultur, die vom Westen übernommen worden ist. Vielmehr übernahmen die Araber ihrerseits im ca. 7. Jahrhundert bei ihren Zügen beispielsweise nach Persien und Ägypten das Wissen, die Wissenschaft und Buchkultur dieser Kulturen.

Aus einer Reihe von Gründen (Religiöse Verfolgung der z.B. Nestorianer) gelangte das antike griechische Wissen – via Antiochia und Edessa – an den persischen Hof. Die Araber fanden dieses kombinierte antike griechische und persische Wissen bei ihrer Eroberung von Persien im Jahr 641 vor. „Sie verhielten sich zunächst lernend und übersetzten [ins Arabische], was vorhanden war.( Flasch, S. 263). So ließ beispielsweise der Kalif von Bagdad (813-833) systematisch griechische, syrische und persische Literatur ins Arabische übersetzen. Wichte Arbeiten von Aristoteles wurden so für die Nachwelt erschlossen (Flasch, S. 264).

Ähnlich wie in Bagdad, das über eine Bibliothekeninfrastruktur (36 Bibliotheken mit hunderttausenden von Büchern) verfügte, die so in Westeuropa bis dahin nicht vorhanden war, war Cordoba unter seinem Kalifen um das Jahr 1000 ein weiteres Zentrum der islamischen Kultur und Wissenschaft. „Von Samarkand bis Cordoba ist die islamische Kultur eine städtische Kultur von bemerkenswerter Homogenität….Die Islamische Welt erscheint demnach als eine Reihe kleiner, urbaner Inseln, die über verschiedenste Handelskanäle miteinander verbunden sind.“ (Lombard, S. 28)

Die Homogenität kann man teilweise auch an den Biographien von "mobilen" Staatsdienern erkennen, die im muslimischen Einzugsbereich problemlos in unterschiedlichen Städten, teils weit entfernt voneinander, eine ähnliche Anstellung gefunden hatten. Die gemeinsame Sprache und ein ähnliches Verwaltungs- und Rechtsbewußsein ermöglichten diese Form der mittelalterlichen Migration von hoch qualifiziertem Verwaltungspersonal.

Und dieses Netz wird durch eine Reihe von Krisen beschädigt und es erfolgt das Auseinanderbrechen einer einzigartigen relativ homogenen islamischen Kultur, die durch stärker regionalisierte islamische Kulturen ersetzt wird (Lombard, S. 28)

Vor diesem Hintergrund stand die westliche Welt im Hochmittelalter vor der Herausforderung, sich der überlegenen arabischen Hochkultur zu stellen. Und es erfolgte im Westen eine ebenso schnelle Adaption der arabischen Werke, wie vorher die Araber ihrerseits bereits vorhandene antike Wissensbestände adaptiert haben. Die Dramatik der wissenschaftlichen Rückständigkeit des Westens zeichnet Flasch anhand zeitgenössischer Stimmen nach und resümiert: „Hatte das frühe Mittelalter seine Naturkenntnis bestenfalls aus Plinius und Seneca bezogen, so waren gegen 1200 die griechische und arabische Optik, Medizin, Physik und Philosophie zugänglich.“ (Flasch, S. 266).

„Die arabischen Denker hatten ebenso in einer religiös geprägten Welt gelebt wie die des Westens und stand früher als diese vor dem Problem, wie die Offenbarungsreligion mit dem griechisch geprägten Naturwissenschaften und der Philosophie zu versöhnen sei.“ (ebd. S. 268) Ein Problem, das vor allem Hamid Ghazali adressierte und die Trennung der Erkenntnis im Rahmen des „Glaubens“ von einer „verstandesorientierten“ Sicht forderte (vgl. Hourany & Ormsby). Dieser Aspekt sollte separat betrachtet werden und ist deutlich komplexer wie die Frage nach „Kausalität“.

Dallal, Ahmad (1999): Science, Medicine, and Technology. The making of a scientific culture. In: John L. Esposito (Hg.): The Oxford history of Islam. New York, N.Y.: Oxford University Press, S. 155–214.
Flasch, Kurt (1986): Das philosophische Denken im Mittelalter. Von Augustin zu Machiavelli. Stuttgart: Reclam.
Hourani, Albert Habib (1991): A history of the Arab peoples. Cambridge, Mass.: Belknap Press of Harvard Univ. Press.
Ormsby, Eric (2012): Ghazali. The Revival of Islam. New York: Oneworld Publications
Lombard, Maurice (1992): Blütezeit des Islam. Eine Wirtschafts- und Kulturgeschichte; 8. - 11. Jahrhundert. Frankfurt am Main: Fischer
 
Ein m.E. einseitiger Befund. Es berücksichtigt mit keinem Wort die kulturellen Leistungen der islamischen Welt in dieser Phase.
Ich meinte die Originaltexte, nicht arabische Übersetzungen, arabische Rezeptionen oder im Mittelalter in Europa entstandene Rückübersetzungen aus arabischen Übersetzungen der Originale.
 
- Nur von wenigen (erhaltenen) antiken heidnischen Werken existieren noch in der Antike angefertigte Handschriften. Die meisten erhaltenen antiken heidnischen Werke kennt man nur aus im Mittelalter (großteils von christlichen Mönchen!) angefertigten Abschriften.
...
Aus all dem ergibt sich, dass mitnichten die heute verlorene antike Literatur samt und sonders in der Spätantike durch die blinde Zerstörungswut christlicher Fanatiker untergegangen sein kann.
Eben. Es ist gar nicht nötig gewesen, die Werke physisch zu vernichten, um sie der Nachwelt zu entziehen. Es langte schon, sie beim Kopieren der verwitternden römischen Papyri zu ignorieren. Und natürlich standen für die Skriptorenbrüder dabei theologische Texte im Vordergrund. Eine Gebrauchsanleitung etwa für den Mechanismus von Antikythera hätte wohl weniger interessiert — verständlicherweise. Ich würde auch keine längliche Beschreibung eines mir unbekannten und darüberhinaus unzugänglichen Gadgets mühsam händisch auf sehr teures Pergament kopieren, wenn meine Interessen anderswo liegen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Zurück
Oben