War Bella Wöchnerin?

El Quijote

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Bella war eine Gallorömerin vom gallischen Stamm der Remer, die mit ihrem Mann in Ara Ubiorum (Köln) lebte. Über ihr Leben ist nicht viel bekannt, nur, was man aus ihrem Grabstein und ihren sterblichen Überresten und den Grabbeigaben herauslesen konnte. Letztere datieren das Grab auf die frührömische/endaugusteische Zeit.

Bellae Von/uci
f(iliae) Remae /
Longinus / vir
{illa}eius / fecit
pie​

Bella, die Tochter des Vonuc(i)us vom Stammm der Remer, ihr Mann machte ihr (den Grabstein). Das pie wird als unfertiges pietas interpretiert.
Aufgrund der Darstellung der Bella als Mutter eines Säuglings vermutet Höpken, dass es sich bei Bella um eine Wöchnerin handeln könne. Bei einer Ausstellung in Köln vor einigen Jahren klang das schon ganz anders. Da sagt Naumann-Steckner Bella:

Bella war Gallierin, sie kam aus der Champagne in Frankreich und sie starb hier in Köln im Kindbett. Ihr Mann Longinus, der nicht gut Latein sprach – war wohl auch Gallier – hat sie hier körperbestatten lassen, wie es in Gallien Tradition gewesen war. Und so bekam sie nur ein einziges, kleines Krüglein mit ins Grab und als Grabgeschenke zwei gläserne Parfümfläschchen. Aber nach römischer Tradition, nach stadtrömischer Sitte, hat er ihr einen Grabstein errichten lassen, was in Gallien gar nicht üblich war. Und er zeigte die Bella so, wie es in Oberitalien üblich war: Ein Brustbild mit dem Säugling im Arm. Der Säugling ist in der Inschrift nicht genannt. Wahrscheinlich hatte er noch keinen Namen und war vor dem neunten Tag gestorben.

Ich finde diese Interpretationen als Tatsache darzustellen mutig. Sicher, dass man im Kindbett starb, ist nicht so ganz unwahrscheinlich. Aber einen Anlass, dies anzunehmen bietet der Grabstein eigentlich nicht. Zudem wäre doch, wenn beide, Mutter und Kind, gestroben waren zu erwarten, dass sie gemeinsam dargestellt auch in ein gemeinsames Grab gekommen wären. Aber nicht doch, Bella lag alleine in ihrem Grab. Kein Neugeborenes anwesend. Mit einiger Sicherheit können wir annehmen, dass Bella Mutter war, alles andere ist Konjektur. Eure Meinungen?
 

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Ja, das ist ganz eindeutig eine Textstelle, auf die später Fehler zurückgehen können, bei denen gefragt wird, wo sie herkommen.

Der nächste macht aus Longinus einen reichen Gallier, der sich römischen Sitten anpasst und wir können ihn dann in einer Doku beobachten, wie er als Kölner Ratsherr Frau und Kind im selben Grab bestatten lässt. :eek:
 
Das Grab der Bella ist in provinzialrömischen Archäologenkreisen recht bekannt, auch weil er als ältester bekannter Grabstein aus Köln gilt und - was auch nicht unbedingt üblich ist, hier Grab und Grabstein eindeutig einander zuzuordnen waren (häufiger ist ja, dass man Grabstein ohne Grab findet (gemeint sind Grabsteine, keine Kenotaphen) oder in der Masse Bestattungen ohne Grabstein.
Die ältere Forschung hat dann noch versucht, die augusteischen Körpergräber in Köln zu ethnisieren, weil a) as schriftl. Quellen bekannt war, dass Remer die Körperbestattung pflegten und b) dass die Römer Remer im Kölner Raum ansiedelten. Bella, die ausweislich ihres Grabsteins remischer Herkunft war, passte da natürlich gut ins Schema, aber heute zieht man die Ethnisierung der Körpergräber doch eher wieder in Zweifel.
 
Eben wegen der Bekanntheit besteht hier die Gefahr, dass über so etwas hinweggesehen wird und richtige Ausschreibungen entstehen.

Aber ja, es ist auch immer das Problem, wie etwas präsentiert wird, wenn ein weiteres Publikum in Betracht kommt. Es muss ansprechen und soll doch nicht auf eine falsche Fährte führen. Ich würde eine Ergänzung wie 'nach einigen Interpretationen' oder 'vereinfacht gesagt' oder einen entsprechenden Zusatz empfehlen. Jedenfalls entstehen durch solche vermeintlich bestimmte Angaben Fehler.
 
Der Spekulation Tür und Tor geöffnet:

1.
Schlechte Erhaltungsbedingungen haben das Skelett des Säuglings vollständig vergehen lassen

2.
Kinder mussten nicht außerhalb der Siedlung bestattet werden, Erwachsene sehr wohl. Vielleicht wollte der Vater den Säugling in seiner Nähe wissen?

3.
Todeszeitpunkt von Säugling und Mutter fallen auseinander. Säugling war schon im Garten bestattet als die Mutter noch lebte oder Mutter starb sofort nach der Geburt und der Säugling starb ein paar Tage später

Wie so häufig in der Archäologie: Schlechte Quellenlage verleitet zu Vermutungen.
Wobei: auch bei guter Quellenlage kann man unter Ignorieren der Quellen wild spekulieren.
:D
 
1.
Schlechte Erhaltungsbedingungen haben das Skelett des Säuglings vollständig vergehen lassen
Unwahrscheinlich. Das Skelett der Mutter ist recht gut erhalten. Wenn also Mutter und Kind gemeinsam bestattet worden wären, dann wäre es schon recht überraschend, wenn vom Säugling gar nichts erhalten geblieben wäre. Es gibt natürlich solche Fälle von Mehrfachgräbern, wo ein Leichnam gut und ein anderer schlecht erhalten sind. Aber das sind Ausnahefälle und dafür gibt es dann meist Gründe, die im Bodenmilieu liegen. Wo aber hätte man einen Säugling im gemeinsamen Grab mit der Mutter untergebracht? Wahrscheinlich doch wohl an der Seite oder auf dem Mutterleib.

2.
Kinder mussten nicht außerhalb der Siedlung bestattet werden, Erwachsene sehr wohl. Vielleicht wollte der Vater den Säugling in seiner Nähe wissen?
Das ist plausibel. Aber siehe unten.

3.
Todeszeitpunkt von Säugling und Mutter fallen auseinander. Säugling war schon im Garten bestattet als die Mutter noch lebte oder Mutter starb sofort nach der Geburt und der Säugling starb ein paar Tage später
Womit wir wieder zu dem Punkt kommen, dass weder belegt ist, dass Bella als Wöchnerin starb, noch, dass das Kind zeitnah gestorben ist. Wenn Bella als Wöchnerin verstorben ist, dann ist natürlich der zeitnahe Tod des Kindes ebenfalls wahrscheinlich. Der einzige Ansatz für den Tod des Kindes, und das Bella Wöchneirn war, ergibt sich aus der Nichtnennung des Kindes auf der Grabstele, was dahingegend interpretiert wird, dass das Kind noch keinen Namen hatte und daher zum Todeszeitpunkt der Mutter unter neun Tage alt war.
 
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