War Che Guevara ein Trotzkist?

El Quijote

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(Che Guevara war mit Sicherheit ein Trotzkist, oder der Vater von Iljitsch Ramírez Sánchez alias Carlos der seine drei Söhne Wladimir, Iljitsch und Lenin nannte).

Ausgehend von dieser Äußerung stelle ich mal die Frage: War Ernesto Guevara de la Serna ein Trotzkist?
Ist/war "Carlos" ein Trotzkist?

Also mit Carlos habe ich mich nie beschäftigt; der Gedanke, Che Guevara sei Trotzkist gewesen, hat mich etwas überrascht. Klar, er war ein Streiter im Sinne einer Weltrevolution - wie Trotzki - aber macht das einen Marxisten zu einem Trotzkisten? Eigentlich ist doch nicht die Weltrevolution sondern der Stalinismus die Abkehr von der marxistischen Idee.
Ich habe dummerweise gerade letzte Tage erst die ganzen Tagebücher von Ernesto Guevara verliehen und nur seine theoretischen Schriften hier, darin kann ich - querlesend - keinen eindeutigen Hinweis finden, der auf Trotzki verweist. Allerdings weiß ich natürlich auch, dass durch stalinistische Politik in der kommunistischen Welt schon der Verdacht des Trotzkismus auch außerhalb der SU tunlichst vermeiden wurde (ich denke da z.B. an die trotzkistische POUM im spanischen Bürgerkrieg, die wegen angeblicher konterrevolutionärer Tendenzen von den durch die SU finanziell unterstützten kommunistischen Kampfgefährten gewaltsam aufgelöst wurde). Es ist also durchaus möglich, dass Che zwar trotzkistisch dachte, aber dies nicht offen aussprach, sondern verklausulierte. Dann müssten sich aber in seinen Schriften Indizien dafür finden und zwar imho mehr, als sein Drang, viele kleine Vietnams zu schaffen.
 
Ausgehend von dieser Äußerung stelle ich mal die Frage: War Ernesto Guevara de la Serna ein Trotzkist?
Ist/war "Carlos" ein Trotzkist?

Also mit Carlos habe ich mich nie beschäftigt; der Gedanke, Che Guevara sei Trotzkist gewesen, hat mich etwas überrascht. Klar, er war ein Streiter im Sinne einer Weltrevolution - wie Trotzki - aber macht das einen Marxisten zu einem Trotzkisten? Eigentlich ist doch nicht die Weltrevolution sondern der Stalinismus die Abkehr von der marxistischen Idee.


Er hatte radikale marxistische Ideen. Damit steht er dem Trotzkismus viel näher als alle selbsternannten Marxisten hinterm linken oder roten Vorhang.
Marxismus auf einen Punkt gebracht heisst: Klassenkampf. Es wurden verschiedene Klassen in einer Gesellschaft formuliert und diese müssen gegeneinander kämpfen, um letztendlich einen Sieger hervorzubringen.

Ich wüsste nicht, wer heute unter den selbsternannten Kommunisten und Sozialisten an Weltrevolution und Klassenkampf glaubt (also dem Marxismus, der den wissenschaftlichen Kommunismus erfand).

"Viele kleine Vietnams" hatte er immer im Kopf. Mal nachschauen, ob er keine Atomraketen auf Kuba stationieren wollte. Während Castro Kuba konsolidieren wollte, suchte Guevara weiter den direkten Klassenkampf in der Wildnis.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Mit dieser Antwort bin ich nicht zufrieden. Ich räume ein, dass ich vom Trotzkismus keine Ahnung habe, aber Weltrevolution und Klassenkampf sind ja nun keine auf den Trotzkismus beschränkte Ideen innerhalb der kommunistischen Linken. Dass die stalinistisch geprägten Ostblock'kommunisten' kaum das Maß marxistischer Bewertung sein können, ist, denke ich, klar.
 
Mit dieser Antwort bin ich nicht zufrieden. Ich räume ein, dass ich vom Trotzkismus keine Ahnung habe, aber Weltrevolution und Klassenkampf sind ja nun keine auf den Trotzkismus beschränkte Ideen innerhalb der kommunistischen Linken. Dass die stalinistisch geprägten Ostblock'kommunisten' kaum das Maß marxistischer Bewertung sein können, ist, denke ich, klar.

Andere Ideen als Klassenkampf und Weltrevolution hat der wissenschaftliche Kommunismus (Marxismus) nicht.
"Manifest der Kommunistischen Partei", Ausgabe 1890
Allein die Vorworte der verschiedensten Ausgaben in Europa im 19. Jhd. von Marx/Engels sind lesenswert, was Welt-Revolutionen betrifft.
Schon im Manifest wird die Spaltung der Kommunisten und Sozialisten angeprangert.
 
Die Idee vom Klassenkampf umfasst aber wiederum sehr viele Ideen (wodurch zeichnen sich Klassen aus, welche Klassen gab es, welche Kämpfe gab es, worauf beruhen die Gegenseätze). Das lässt viel Spielraum.
Außerdem gehört zum MArxismus noch der wissenschaftliche Materialismus
 
Er hatte radikale marxistische Ideen. ...
Mit dieser Antwort bin ich nicht zufrieden. ...

Ich würde ja gern etwas Klärendes beisteuern, aber die Lage ist sehr unübersichtlich aufgrund des Deutungskampfes, den die vielen marxistischen Gruppen und deren Derivate untereinander führen. Sicher ist wohl nur, dass Guevara Trotzki kannte.
Welche Schlussfolgerungen Che aus dem Lesen von Trotzkis Schriften zog wissen wir nicht und er setzte sich auch nicht für Ideen ein, die sich aus einer Übernahme des Trotzkismus ergeben hätten. Er fuhr jedoch mit ihrem weiteren Studium fort. Kurz vor seinem Tod 1967 gab ihm der französische Intellektuelle Regis Debray, der damals in Bolivien war und mit Trotzkis GenossInnen zusammenarbeitete, einige Bücher von Trotzki. Damals schaffte es die Hauptströmung des Trotzkismus nicht, eine offene politische Debatte zu führen. Das wäre notwendig gewesen, um Che bei der Entwicklung vollständig ausgearbeiteter Ideen zur sozialistischen Revolution zu helfen. Stattdessen unterstützten und förderten sie lediglich die von ihm befürwortete Guerillataktik und unterstützten Fidel Castros Regime. (Che Guevara - sozialismus.info)
In Vierte Internationale ? Wikipedia, die freie Enzyklopädie wird angedeutet, dass die Trotzkisten (oder ein Teil derselben) mit die ersten waren, die den Ereignissen in Kuba Positives abgewinnen konnten, zu einem Zeitpunkt, als sich die KPdSU noch unschlüssig war, wie sie sich praktisch verhalten sollte.

Inwieweit Guevara überhaupt als Theoretiker taugte, mag EQ anhand der ihm vorliegenden Schriften einschätzen. Carlos sehe ich irgendwo in der Mitte zwischen Trotzkismus und Anarchismus.
 
Weil es ein wenig in Richtung der "Propaganda der Tat" geht.

Nun ja, die "Propaganda der Tat" hatte als anarchistische Taktik nur ein kurzes Leben und wurde dann aufgegeben.
Die Propaganda der Tat gab es Ende des 19. Jahrhunderts für ca zehn Jahre; hauptsächlich in Frankreich, jedoch mit Ausläufern nach Serbien. Diese Taktik wurde danach von den klassischen anarchistischen Richtungen als Fehlschlag eingeschätzt und wurde 'ersetzt' durch die Richtung des Anarcho-Syndikalismus. Außerdem wurden die Anschläge mehrheitlich nicht von Anarchisten, sondern von Trittbrettfahrern durchgeführt.

Die Richtung der 'Propaganda der Tat' wollte mit gezielten Hinrichtungen den Kopf des Staats abschlagen, wobei dies ethisch nur dann zu rechtfertigen war, wenn der Attentäter seinem Opfer unmittelbar begegnete. Das Attentat in Sarajewo war daher ein 'klassischer' Fall, da der Attentäter zum Schuß in die Kutsche sprang.
Mit einem solchen Attentat erhofften sich die 'Propagandisten', ein Signal für den allgemeinen Volksaufstand oder für die soziale Revolution auszulösen.

In anarchistischen Kreisen wurde zb das Attentat von Ravachol Ende des 19. Jahrhunderts stark kritisiert, weil bei diesem Bombenanschlag auf ein von Industriellen besuchtes Cafe auch die Kellner ums Leben kamen.

Carlos kann zb deswegen nicht mit der 'Propaganda der Tat' verglichen werden, als diese es ausdrücklich vermeiden wollte, Arbeiter bei Anschlägen zu töten/zu verletzen.

Auch vom Ansatz her bleibt Carlos marxistisch-leninistisch, da er sich/seine Gruppe als Avantgarde verstand, die *für* die Mehrheit der Bevölkerung agiert und erhob auch nicht den Anspruch, durch seine Anschläge zum Volksaufstand aufzurufen. Er vertrat vermutlich eine ähnlich verquere Auffassung wie die RAF, die meinte, den Befreiungskampf der Dritten Welt zu unterstützen, dabei jedoch die Arbeiter in den 'Metropolen' ebenfalls als Unterdrücker sah. Zudem ging es nicht um Selbstorganisation sowie die Abschaffung von Herrschaft, was für den Anarchismus Priorität hat.
 
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