tejason
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Stammesgesetzestexte waren typisch, auch für das fränkische Reich
Ich habe nicht den ganzen Strang verfolgt, möchte mich aber hier einhaken:
Wie Sheik bereits betonte kannte die Lex Salica sehr wohl eine Unterscheidung zwischen Franken und „Römern“ (und anderen „Barbaren“) in ihrer Stellung. Dies zeigt sich am Besten in der Höhe des Wergeldes. Das Wergeld war eine Art „Wiedergutmachung“ eines Täters gegen den Geschädigten oder die Krone und liefert somit einen Index über die Rechtsstellung von Beteiligten. Es verhielt sich bei den Franken also genauso wie bei Burgundern oder Westgoten. In der Lex Salica 41.1.5,8 & 9 findet sich, dass ein Gefolgsmann des Königs fränkischer Herkunft den Tötenden 600 solidi kostete, ein getöteter Römer gleicher Stellung aber nur 300 solidi. Dieses Verhältnis (2:1) findet sich wohl generell in allen Gesetzen jener Zeit. Man findet dieses Beispiel auch im entsprechenden Artikel bei Tante Wiki:
Lex Salica ? Wikipedia
Wie die übrigen Gesetzeswerke der Völkerwanderung auch hielten die Franken an eigenen Rechtsystemen fest, die sich an der Herkunft der Menschen orientierten. Römer wurden nach römischem Recht gerichtet, Franken nach fränkischem und Goten nach gotischem Recht… Wie im Mittelalter auch glaubte man daran, dass die Rechtstellung eines Menschen in seiner Herkunft und sozialem Stand begründet sei. In anderem Zusammenhang, bei der es um Ablehnung von Testamenten ging, gab es einmal das Wort „Gott macht die Erben, nicht die Menschen!“ War allerdings ein rechtlicher Streitfall zwischen Römer und Franke anhängig, hatte fränkisches Recht zu gelten! Auf Septimanien gehe ich unten noch einmal ein…
Richtig ist, dass unter Karolingern und wohl bereits unter den Merowingern durchaus „lokales“ Stammesrecht zur Anwendung kam. Bei Letzteren kennt man schon die beiden fränkischen Gesetze der salischen- und der ripuarischen Franken. Die Gesetzessammlungen für Sachsen oder Alemannen unter den Karolingern sind nichts Neues und weisen auch nicht auf eine Änderung des Charakters des fränkischen Reiches hin! Dies war bereits so zu Beginn ihres Reiches – und nicht nur dort! Selbst bei den Ostgoten Theoderichs ist erkennbar, dass es Unterscheidungen nach nationaler Herkunft gegeben haben müsste. Die Reiche der Völkerwanderungszeit hatten in dieser Hinsicht generell „föderativen Charakter“ von Anfang an.
Als die Franken Septimanien von den Muslimen befreiten, setzten sie wieder das lokale – eben westgotische! – Recht wieder in Kraft. Schließlich wurde diese Gegend damals nicht nur Septimanien, sondern auch Gothien/Gothia genannt, was dieses Vorgehen leichter verständlich macht. Gerade die Franken unterschieden kaum zwischen dem „eigentlichen“ Gothien (das im Wesentlichen südlich der Pyrenäen lag) und dem Begriff Septimanien, der sich eigentlich auf die Gebiete nördlich dieses Gebirges beschränkt. Als Extrempunkt für die Rechtstellung eines Menschen nach „völkischer Herkunft“ weis Herwig Wolfram noch von einer Frau in Italien zu berichten, die Jahrhunderte nach dem Untergang des ostgotischen Reiches doch explizit auf die Anwendung des gotischen Rechts für sich verzichtet!
Noch einmal zusammengefasst:
Unterschiedliche Rechtsordnungen für Menschen unterschiedlicher Völker waren während der Völkerwanderungszeit absolut üblich und können nicht als Indikator für ein zerfallendes, oder sich fundamental änderndes Reich der Franken angesehen werden! Als die Alamannen unterworfen worden waren, setzten die merowingischen Könige Herzöge von ihren Gnaden ein. Es finden sich sogar vereinzelt archäologische Hinweise, dass fränkische Adelige (zum Teil?) anstelle der besiegten alamannischen Oberschicht deren Funktionen übernahmen. Diese Herzöge standen in einem Verhältnis von Vasallen zum fränkischen König. Bei allen sonstigen, teils gleitenden Übergängen zwischen römischer Antike und entstehendem Mittelalter zeigt sich hier anscheinend deutlich das grundsätzlich andere Rechtsverständnis der Nachfolgereiche, welches wegging von „allgemeingültigen Institutionen“ und hinwies auf einen feudalen Staatsaufbau.
Ich habe nicht den ganzen Strang verfolgt, möchte mich aber hier einhaken:
Schon vor dem imperialen Anspruch Karls titulierte sich dieser als rex francorum et langobardorum et patritius/patricius romanorum.
Letzteres dürfte aber auf die Bewohner der Stadt Rom bezogen gewesen sein. Vielleicht können wir uns über die leges der Germanenreiche ein wenig der Frage nähern, wie lange man von Frankenreich sprechen kann.
Im Lex Burgundionem werden, genauso wie in den westgotischen Gesetzen Römer und Burgunder/Westgoten etc. getrennt.
In den fränkischen Gesetzen habe ich einen derartigen Passus nicht gefunden, ich habe sie aber auch nur sehr oberflächlich daraufhin untersucht. Es ist jedoch bezeichnend, dass nach der Eroberung der muslimisch beherrschten Septimania durch die Franken das westgotische Gesetz dort wieder Gültigkeit hatte. Warum setzen die Franken einen Gesetzescodex wieder inkraft, der ihnen "fremd" ist und zu einem untergegangenen Königreich gehört?
Wie Sheik bereits betonte kannte die Lex Salica sehr wohl eine Unterscheidung zwischen Franken und „Römern“ (und anderen „Barbaren“) in ihrer Stellung. Dies zeigt sich am Besten in der Höhe des Wergeldes. Das Wergeld war eine Art „Wiedergutmachung“ eines Täters gegen den Geschädigten oder die Krone und liefert somit einen Index über die Rechtsstellung von Beteiligten. Es verhielt sich bei den Franken also genauso wie bei Burgundern oder Westgoten. In der Lex Salica 41.1.5,8 & 9 findet sich, dass ein Gefolgsmann des Königs fränkischer Herkunft den Tötenden 600 solidi kostete, ein getöteter Römer gleicher Stellung aber nur 300 solidi. Dieses Verhältnis (2:1) findet sich wohl generell in allen Gesetzen jener Zeit. Man findet dieses Beispiel auch im entsprechenden Artikel bei Tante Wiki:
Lex Salica ? Wikipedia
Wie die übrigen Gesetzeswerke der Völkerwanderung auch hielten die Franken an eigenen Rechtsystemen fest, die sich an der Herkunft der Menschen orientierten. Römer wurden nach römischem Recht gerichtet, Franken nach fränkischem und Goten nach gotischem Recht… Wie im Mittelalter auch glaubte man daran, dass die Rechtstellung eines Menschen in seiner Herkunft und sozialem Stand begründet sei. In anderem Zusammenhang, bei der es um Ablehnung von Testamenten ging, gab es einmal das Wort „Gott macht die Erben, nicht die Menschen!“ War allerdings ein rechtlicher Streitfall zwischen Römer und Franke anhängig, hatte fränkisches Recht zu gelten! Auf Septimanien gehe ich unten noch einmal ein…
Es war ja nicht nur Septimanien,sondern auch andere (Stammes)Gebiete des Karolingerreiches hatten eigenes Recht , das statt oder neben der lex salica/lex ribuaria galt.Sogar in den capitulare saxonicum gibt es Hinweise auf die Fortgeltung sächsischen Rechts ,das später als lex saxonum codifiziert wurde.
Wir haben also eine föderative Rechtsordnung mit starken,nebeneinander geltenden Partikularrechtsordnungen und einem als Klammer fungierenden Reichsrecht
Das deutet,ebenso wie die Titelführung darauf hin, daß sich die Karolinger eben nicht mehr als Herrscher eines fränkischen Reiches sondern eines föderativen unversalen Imperiums verstanden.
Damit müßte man das Ende des Frankenreiches wohl in der Merowingerzeit ansetzen.
Richtig ist, dass unter Karolingern und wohl bereits unter den Merowingern durchaus „lokales“ Stammesrecht zur Anwendung kam. Bei Letzteren kennt man schon die beiden fränkischen Gesetze der salischen- und der ripuarischen Franken. Die Gesetzessammlungen für Sachsen oder Alemannen unter den Karolingern sind nichts Neues und weisen auch nicht auf eine Änderung des Charakters des fränkischen Reiches hin! Dies war bereits so zu Beginn ihres Reiches – und nicht nur dort! Selbst bei den Ostgoten Theoderichs ist erkennbar, dass es Unterscheidungen nach nationaler Herkunft gegeben haben müsste. Die Reiche der Völkerwanderungszeit hatten in dieser Hinsicht generell „föderativen Charakter“ von Anfang an.
Als die Franken Septimanien von den Muslimen befreiten, setzten sie wieder das lokale – eben westgotische! – Recht wieder in Kraft. Schließlich wurde diese Gegend damals nicht nur Septimanien, sondern auch Gothien/Gothia genannt, was dieses Vorgehen leichter verständlich macht. Gerade die Franken unterschieden kaum zwischen dem „eigentlichen“ Gothien (das im Wesentlichen südlich der Pyrenäen lag) und dem Begriff Septimanien, der sich eigentlich auf die Gebiete nördlich dieses Gebirges beschränkt. Als Extrempunkt für die Rechtstellung eines Menschen nach „völkischer Herkunft“ weis Herwig Wolfram noch von einer Frau in Italien zu berichten, die Jahrhunderte nach dem Untergang des ostgotischen Reiches doch explizit auf die Anwendung des gotischen Rechts für sich verzichtet!
Noch einmal zusammengefasst:
Unterschiedliche Rechtsordnungen für Menschen unterschiedlicher Völker waren während der Völkerwanderungszeit absolut üblich und können nicht als Indikator für ein zerfallendes, oder sich fundamental änderndes Reich der Franken angesehen werden! Als die Alamannen unterworfen worden waren, setzten die merowingischen Könige Herzöge von ihren Gnaden ein. Es finden sich sogar vereinzelt archäologische Hinweise, dass fränkische Adelige (zum Teil?) anstelle der besiegten alamannischen Oberschicht deren Funktionen übernahmen. Diese Herzöge standen in einem Verhältnis von Vasallen zum fränkischen König. Bei allen sonstigen, teils gleitenden Übergängen zwischen römischer Antike und entstehendem Mittelalter zeigt sich hier anscheinend deutlich das grundsätzlich andere Rechtsverständnis der Nachfolgereiche, welches wegging von „allgemeingültigen Institutionen“ und hinwies auf einen feudalen Staatsaufbau.