War die 1871 Verfassung ein Vorbild?

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Gast

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Ich habe 2 Fragen:

1) War die 1871 Verfassung ein Vorbild?

2) Welche Bedeutung hatte sie für die Menschen/Bürger?
 
Ich habe 2 Fragen:

1) War die 1871 Verfassung Vorbild?

2) Welche Bedeutung hatte sie für die Menschen/Bürger?
 
Zu 1.: Nein, das war sie mit Sicherheit nicht. Das war eher schon die Verfassung von 1919.
Zu 2.: Na, das sie überhaupt eine Verfassung bekamen.

Grüße
Amicus
 
Ich habe 2 Fragen:

1) War die 1871 Verfassung ein Vorbild?

2) Welche Bedeutung hatte sie für die Menschen/Bürger?

zu 1) ein Vorbild für wen ?

Die komplizierte Reichsverfassung v. 1871 war auf Bismarck zugeschnitten,der als Reichskanzler und preuß. Ministerpräsident die Schlüsselpositionen in Regierung+Verwaltung innehatte.
Der polit. Einfluß d. Reichstages beschränkte sich auf das Gebiet der Gesetzgebung. Das parlament. Prinzip wird nicht verwirklicht ; die Reichsegierung ist nicht abhängig von einem starken, souveränen Parlament, sondern es existiert eine Regierung über den Parteien.
Man kann von einem nationalmonarchischen Obrigkeitsstaat sprechen , in Hinblick auf Bismarck die Regierungsform auch als Kanzlerdiktatur bezeichnen.
Liberale Kreise sprachen auch über das Kaiserreich als einem unvollendeten Verfassungsstaat.
Die dualistische Verfassung ( Reichstag /Regierung+Monarch) bildet m.M nach den großen Geburtsfehler der Verfassung, welcher entsprechend später ( vor -und im WK I. ) zur Aushebelung der letzten demokrat. Möglichkeiten des Reichstages führen werden.
 
Zuletzt bearbeitet:
Bevor das in der Schule zu einer Katastrophe führt: die 1871er Verfassung hatte keinen Grundrechtskatalog.
Da habe ich den Begriff (glaube ich) her. Es gab doch so etwas ähnliches wie Menschenrechte, bloß dass die aus ideologishcen Gründen einen anderen Namen bekammen. Dieses Wort verband meine Lehrerin (laut meinem Gedächtnis) mit dem Begriff Katalog um einen Vorteil der kaiserlichen Verfassung zu kennzeichnen.
 
Wo sollen diese Grundrechte denn verankert gewesen sein? Hier mal die einzelnen Kapitel:

I. Bundesgebiet
II. Reichsgesetzgebung
III. Bundesrath
IV. Bundespräsidium
V. Reichstag
VI. Zoll- und Handelswesen
VII. Eisenbahnwesen
VIII. Post- und Telegraphenwesen
IX. Marine und Schiffahrt
X. Konsulatwesen
XI. Reichskriegswesen
mit verschiedenen Militärkonventionen
XII. Reichsfinanzen
XIII. Schlichtung von Streitigkeiten und Strafbestimmungen
XIV. Allgemeine Bestimmungen


Aber du kannst ja noch einmal selbst in der Verfassung nach irgendwelchen Grundrechten suchen. Ich seh zumindest keine.
 
Wär mir neu, dass die 1871er Verfassung Grund-/oder Menschenrechte aufführt (außer einem Verbot, jemanden wegen seiner Zugehörigkeit zu einem bestimmten Bundesstaat zu benachteiligen). Das tat die Paulskirchenverfassung und dann die Verfassung der Weimarer Republik.

Allerdings darf nicht übersehen werden, dass die Rechte der Einzelstaaten ja recht ausgeprägt bestehen blieben - unter anderem ja auch deren Verfassungen. Und die enthielten zum großen Teil Grundrechte. Ausnahme war hier z.B. das neu "dazugekommene" Elsaß-Lothringen, das soweit ich mich erinnere, direkt dem Reich unterstand und von daher in dieser Beziehung benachteiligt war.
 
Soviel ich weiß ( um schnell aus dem Gedächtnis heraus zu antworten) gab es 1871 noch keine Menschenrechte in unserem heutigen Sinne. Diese wurden m.Wissens erst durch den Völkerbund bzw. duch die UNO ausgearbeitet und für die Völkergemeinschaft verbindlich.
 
Soviel ich weiß ( um schnell aus dem Gedächtnis heraus zu antworten) gab es 1871 noch keine Menschenrechte in unserem heutigen Sinne. Diese wurden m.Wissens erst durch den Völkerbund bzw. duch die UNO ausgearbeitet und für die Völkergemeinschaft verbindlich.


Alle Menschen treten ins Leben und sterben in Rechtsgleichheit, Artikel 1 der Déclaration de l'homme et du citoyen vom 26. August 1789.
Der ganze Vormärz und die Revolutionen des 19. Jahrhunderts drehten sich um die Menschen- und Bürgerrechte. Die Verfassung von 1849 enthielt ebenso einen Grundrechtskatalog, der das Kernstück einer modernen Verfassung ausmacht.

Im übrigen waren in der 1871er keine Grundrechte enthalten, ausgenommen Artikel 3, der gewissermaßen ein Grundrecht berührte (s. Beitrag von Papa Leo). Damit dürfte sie wohl zu dieser Zeit kaum als vorbildhaft eingestuft werden.
Für ganz Deutschland besteht einen gemeinsames Indigenat mit der Wirkung, daß der Angehörige (Unterthan, Staatsbürger) eines jeden Bundesstaates in jedem anderen Bundesstaate als Inländer zu behandeln und demgemäß zum festen Wohnsitz, zum Gewerbebetriebe, zu öffentlichen Aemtern, zur Erwerbung von Grundstücken, zur Erlangung des Staatsbürgerrechtes und zum Genusse aller sonstigen bürgerlichen Rechte unter denselben Voraussetzungen wie der Einheimische zuzulassen, auch in Betreff der Rechtsverfolgung und des Rechtsschutzes demselben gleich zu behandeln ist.
Kein Deutscher darf in der Ausübung dieser Befugniß durch die Obrigkeit seiner Heimath, oder durch die Obrigkeit eines anderen Bundesstaates beschränkt werden.
Diejenigen Bestimmungen, welche die Armenversorgung und die Aufnahme in den lokalen Gemeindesverband betreffen, werden durch den im ersten Absatz ausgesprochenen Grundsatz nicht berührt.
Ebenso bleiben bis auf Weiteres die Verträge in Kraft, welche zwischen den einzelnen Bundesstaaten in Beziehung auf die Uebernahme von Auszuweisenden, die Verpflegung erkrankter und die Beerdigungen verstorbener Staatsangehörigen bestehenden.
Hinsichtlich der Erfüllung der Militairpflicht im Verhältniß zu dem Heimathslande wird im Wege der Reichsgesetzgebung das Nöthige geordnet werden.
Dem Auslande gegenüber haben alle Deutschen gleichmäßig Anspruch auf den Schutz des Reichs.
Bedeutung für die Bürger war geringstes politisches
Mitspracherecht und die Gewöhnung und Schaffung der Sehnsucht nach einer starken Führerpersönlichkeit.
Aber immerhin, es gab eine (gesamtdeutsche) Verfassung, da hat amicus völlig recht. Und außerdem wurde der Wunsch nach einem deutschen Einheitsstaat, der zu dem Zeitpunkt mindestens 56 Jahre alt war und für dessen Erfüllung hart gekämpft wurde, endlich wahr.
 
Zuletzt bearbeitet:
Der gsch nach einem deutschen Einheitsstaat, der zu dem Zeitpunkt mindestens 56 Jahre alt war und für dessen Erfüllung hart gekämpft wurde, endlich wahr.

Dabei stellt sich noch die Frage, ob die Schaffung des Reichs unter Ausschluß Österreichs als deutscher Einheitsstaat zu betrachten war.
 
Zweifellos, da es erstmals in der Geschichte einen Staat gab, der sich mit Recht als "deutscher" bezeichnen konnte. Österreich hin oder her (ohne die Österreicher hier beleidigen zu wollen), es gab einen deutschen Bundesstaat (keinen Staatenbund mehr, wie es etwa der Deutsche Bund gewesen ist), in welchem es zwar noch unzählige Länder gab, die aber einheitlich unter dem Haupt Preußens vereint waren.
Im übrigen entzieht sich mir die Vorstellung, wie ein Deutsches Reich mit Österreich hätte funktionieren sollen, dem stünde zum Einen der Dualismus entgegen, zum Anderen hing ja an Österreich ncoh einiges dran, was nicht zu "deutschen Landen" gehörte.
 
Das ist im Prinzip dieselbe Aussage noch einmal. Welchen Anteil an der Gesamtheit der deutschen Länder muß ein Staat umfassen, daß er die Voraussetzung erfüllt, um als deutscher Einheitsstaat zu gelten?
Deutsche Staaten waren natürlich auch Bayern, Sachsen u. a., zumal sie sowohl Teile Deutschlands als auch Staaten waren.
 
Soviel ich weiß ( um schnell aus dem Gedächtnis heraus zu antworten) gab es 1871 noch keine Menschenrechte in unserem heutigen Sinne. Diese wurden m.Wissens erst durch den Völkerbund bzw. duch die UNO ausgearbeitet und für die Völkergemeinschaft verbindlich.

So viel ich weiß, verfügte die Weimarer Verfassung von 1919 durchaus chon über Grundrechte und Menschenrecht, beginnend ab Artikel 109. Die Uno wurde ja erst erheblich später gegründet.
Es gab schon ein Recht auf Meinungsfreiheit, Unantasbarkeit der Wohnung, Besonderer Schutz der Ehe und Familie, Versammlungsfreiheit und Glaubensfreiheit. Alles Rechte, die sich in unserer heutigen Verfassung befinden und von der Weimarer übernommen worden sind, deren Schöpfer maßgeblich Hugo Preuß war.

Grüße
Amicus
 
Dass bei der 1848er Verfassungsdiskussion überhaupt darüber diskutiert wurde, ob "Kleindeutsch" oder "Großdeutsch" zeigt für mich einen gewissen Zweifel am Deutschtum Österreichs. Natürlich, irgendwo sprechen wir dieselbe Sprache, aber andererseits sind Österreich und der Rest meiner Ansicht nach zu lang getrennte Wege gegangen, als dass man von gleicher Kultur sprechen könnte, allenfalls von ähnlichem Gut wird man wohl hier sprechen können, doch das steht ja nicht zur Frage.
Mir ging es eigentlich weniger um das "deutsch" als um den "Einheitsstaat", und der war vorhanden, das steht außer Frage. Und wie hätte er sich sonst nennen sollen als "deutsch". Soherum ist meiner Meinung nach zu denken.
 
Wie lang waren die Wegen denn 1848 getrennt, sofern überhaupt davon gesprochen werden konnte, daß die deutschen Länder außer Österreich einen einheitlichen und von Österreich verschiedenen Weg gegangen waren? 44 Jahre?
 
Wie lang waren die Wegen denn 1848 getrennt, sofern überhaupt davon gesprochen werden konnte, daß die deutschen Länder außer Österreich einen einheitlichen und von Österreich verschiedenen Weg gegangen waren? 44 Jahre?

Von einem einheitlichen Weg wird man kaum sprechen können.

Ich frage mich allerdings, was das noch mit der Verfassung von 1871 zu tun hat.
 
Fein, ich habe in den Texten aus dem Unterricht wohl mehrmals das Wort "kein" überlesen (und zusätzlich wohl die Paulskirchenverfassung im Gedächtnis mitrein gemehrt). ICh entschuldige mich für diesen ungeheuerlichen Lapsus.:gruml::aua:
 
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