War die Alme für die Römer der Oberlauf der Lippe?

Also, wenn sich Flüchtlinge über 100km Entfernung über zwei "Gebirge" und einen Fluss, ohne vorhandene Straßen und Schneisen, von Kalkriese bis zur Lippe durchkämpfen konnten, hätte ihnen auch das bisschen Sumpf nichts mehr ausgemacht.

Die Germanen, die auf derselben Strecke hinter ihnen her waren, sollen aber an dem bisschen Sumpf gescheitert sein?

Egal wie Du es drehst und wendest:
Je weniger Zugänge ein Lager hat, desto geringer sind die Chancen, unbemerkt zu entkommen.
Wenn wir ernsthaft Aliso suchen, müssen wir das berücksichtigen.

Was jetzt aber Kalkriese damit zu tun haben soll, ist mir völlig schleierhaft. Das Varusschlachtfeld kann auch woanders gelegen haben.
Und die Frauen und Kinder, die aus Aliso geflohen sind, müssen nicht zwingend bei der Varusschlacht dabeigewesen sein. Die kann auch zur Zivilbevölkerung, zum vicus gehört haben. Im Lager selbst wird auch noch eine Besatzung gewesen sein.

Was ist nun mit Ahse- und Stevermündung?
 
Was jetzt aber Kalkriese damit zu tun haben soll, ist mir völlig schleierhaft. Das Varusschlachtfeld kann auch woanders gelegen haben.

Ich kann den Gedanken schon nachvollziehen. Im Jahr 16 wird ja der Grabhügel, den Germanicus im Jahr zuvor auf dem Varusschlachtfeld hat aufwerfen lassen, von den Germanen wieder zerstört. Das berichtet Tacitus im Rahmen des Entsetzungszuges für das belagerte Aliso. Daraus wird dann gefolgert, dass Aliso und das Varusschlachtfeld zueinander in der Nähe gelegen hätten, was allerdings nicht unbedingt der Fall sein muss. Das steht nämlich nirgends.
Des Weiteren ist bei Frontinus (strat. III, 15, 4) von den reliqui ex Variana clade die Rede, welche in einem Standlager (es ist von horrea ('Speichern') die Rede) waren - welches vermutlich Aliso war - zumindest würde die Erwähnung des Caedius primipilaris (Front. strat. IV, 7, 8) analog zu Velleius' Lagerpräfekten L. Caedicius zu Caedi<ci>us primipilaris korrigiert, was Frontinus' Caedius ebenzu Velleius' Lagerpräfekten von Aliso machen würde. Sowohl bei Velleius als auch bei Frontinus wird, wenn auch in unterschiedlicher Weise, der Lebensmittelmangel im Lager nach der Varusschlacht thematisiert. Ob diese reliqui allerdings tatsächlich auf dem Schlachtfeld anwesend waren, also als geflohene Überlebende der Schlacht anzusprechen sind, als "Übrige" oder ob hier nicht eher re-linquere wörtlich zu nehmen ist, nämlich dass es die Lagerbesatzung war, welche das Standlager bei Abwesenheit des Feldherren bewachte (dafür würde mindestens Velleius' Lagerpräfekt sprechen), also die im Lager Zurückgelassenen (re 'zurück', linquere 'verlassen') ist gewissermaßen Interpretationssache. Es wird dann unterstellt, dass die Flucht vom Schlachtfeld zum Lager ja nicht allzuweit gewesen sein kann. Nur... darüber haben wir eben keinerlei Informationen. Nichts spricht dagegen, über den Hilinci-Weg von Kalkriese nach Haltern zu fliehen. Dann dauert die Flucht eben zwei oder drei Tage, mit Umwegen auch vier oder fünf. (Fußmarsch heute: zw. 22 u. 23. Stunden)
 
Nun, ich denke mal, wir kommen hier ohne neue Funde nicht weiter. Ein schmaler Handelsweg über Berg und Tal würde natürlich von den Germanen viel leichter kontrolliert werden können, als eine Schneise an der Lippe in "Lagerbreite".
Die Ahse liegt bezüglich ihrer Schutzwirkung günstig, aber leider hat man dort die Stadt erbaut, und Funde sind mir nicht bekannt. Außerdem liegt der in Frage kommende Bereich linksseitig der Lippe, was eine zusätzliche Flussüberquerung für die Flüchtenden bedeutet hätte. Nordseitig ergaben sich keine Vorteile durch die Einmündung. Die Stever mündet entfernt von den Lagern und bot keine direkten Vorteile. Aus der Geschichte unserer Region weiß ich, dass Burgen in Flusswinkeln auch im Mittelalter einer Belagerung am längsten widerstanden. Ich suche deshalb immer noch nach einer zutreffenden Situation. Übrigens- die römischen Fluchtlinge hatten gegenüber den Verfolgern einen entscheidenden Vorteil: die Lagertore wurden ihnen geöffnet!
 
Nun, ich denke mal, wir kommen hier ohne neue Funde nicht weiter. Ein schmaler Handelsweg über Berg und Tal würde natürlich von den Germanen viel leichter kontrolliert werden können, als eine Schneise an der Lippe in "Lagerbreite".

Das klingt fast, wie die Vorstellung von dem Kinderspiel "wer hat Angst vor'm Schwarzen Mann".

Übrigens- die römischen Fluchtlinge hatten gegenüber den Verfolgern einen entscheidenden Vorteil: die Lagertore wurden ihnen geöffnet!

Wofür oder wogegen ist das jetzt ein Argument? Konnten die Römer wegen der geöffneten Lagertore schneller vom Schlachtfeld fliehen?
 
Nein, wer nicht original Mainzer oder Kölner Dialekt sprach, wurde nicht "reingelassen" und musste im Sumpf hocken bleiben.
 
Die Ahse liegt bezüglich ihrer Schutzwirkung günstig, aber leider hat man dort die Stadt erbaut, und Funde sind mir nicht bekannt.
Dass keine Funde bekannt sind, hatte Dich bei Schloss Neuhaus nicht gestört...

Außerdem liegt der in Frage kommende Bereich linksseitig der Lippe, was eine zusätzliche Flussüberquerung für die Flüchtenden bedeutet hätte.
Die Flussüberquerung hatte Dich bei Schloss Neuhaus auch nicht gestört...


Nordseitig ergaben sich keine Vorteile durch die Einmündung. Die Stever mündet entfernt von den Lagern und bot keine direkten Vorteile.
Das älteste Uferkastell ist ja nun nicht wirklich "entfernt" von der heutigen Stevermündung.

Dass die Mündung selbst einen Vorteil gehabt haben muss, steht nirgends.


Nun, ich denke mal, wir kommen hier ohne neue Funde nicht weiter.

Und bis dahin kommen die Mündungen von Stever, Ahse, Glenne, Alme als ungefähre Ortsangaben für Aliso in Frage.
 
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Es steht aber auch nirgends, dass die Geschichte im Uferkastell statt fand. Ich bemerkte bereits an anderer Stelle, dass die antiken Beiträge nichts mehr her geben, da sie in jeder Hinsicht ausgelaugt sind. Warten wir ab, bis es neue Funde gibt. Inzwischen können wir uns ja weiter der Lobhudelei unserer Kalkriese-Ausleger widmen.
 
Es steht aber auch nirgends, dass die Geschichte im Uferkastell statt fand.
Das habe ich auch nicht behauptet.

Wir haben nur die Aussage, dass Aliso bei einer Mündung gegründet wurde.

Da kann man ein paar hundert Meter hin oder her kaum zum Ausschlusskriterium hochjazzen.
 
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Zumal die Lippe bei Haltern in römischer Zeit gut 200 m weiter nördlich verlief als heute, nördlich der Eisenbahnlinie. Der heutige Verlauf ist südlich der Eisenbahnlinie.
 
Auch wenn sich die Lippe nach Norden verlagerte, so ist sie immer noch fast 500 Meter vom Südwall des Hauptlagers entfernt. Die sonst für Festungen so beliebte Lage im Winkel einer Flussmündung war hier wahrscheinlich sekundär. Hingegen ist der Annaberg als höchste Erhebung und mit ca. 30 Metern Höhenunterschied zur Niederung schon eine schwer einnehmbare Anhöhe, allerdings im Belagerungsfall ohne Zugang zum Wasser.
 
Mach mal 200 m draus, dann wird's realistischer. Wobei ich immer noch nicht so ganz weiß, was du ständig mit diesem dreckigen Flusswasser willst.
 
Was die Kleinbronzen vom Typ Scheers 217 class. II anbelangt, so treten diese in der Germania bisher nur im militärischen Kontext auf. Siehe dazu auch die Arbeit von N. Romans und J. Aarts.

Dort ist eine Fundverteilungskarte, welche u.a. Scheers 217 in einem Rural Village in Leesten/Leestense Enk verzeichnet. Wenn man weiterrecherchiert findet man etwas von einem Einzelgehöft auf eine Düne aus der späten Eisenzeit (wie auch immer das definiert ist, das Problem ist ja, dass es hier nur sehr uneinheitliche Definitionen gibt) und ein Gräberfeld nahebei.

In Biebrich steht nur "context unknown".

Also mindestens ein Ort im freien Germanien, wo kein militärischer Kontext zu begründen ist und ein weiterer, wo wir den Kontext nicht kennen (allerdings in einem Gebiet - zwischen Rhein und Wetterau - in welchem die Romanisierung vorangetrieben wurde).
Weitere Fundorte außerhalb des Kartenausschnitts, wie u.a. der uns noch unbekannte Fundort in der Altmark, sind ausgespart. Insofern ist es schwierig zu erkennen, inwieweit es weitere Funde in der Germania, außerhalb des militärischen Kontextes, gibt. Dass es gar keine Funde außerhalb des militärischen Kontextes gäbe, ist mit Leestense Enk zu verwerfen.
 
El Q, das Wasser unserer mitteldeutschen Flüsse war vor der Industrialisierung und außerhalb der Hochwasserzeiten kristallklar. Auch in der Lippe hatte ich bei meinem Besuch keine Trübungen erkannt. Lokale Verschmutzungen würden zudem stark verdünnt. Da aber die Römer angeblich lieber Brunnenwasser tranken, so dürfte das Grundwasser in Haltern von 24 verwesenden Leichen und einem toten Hund, beigesetzt in einem sicherlich nicht wasserdichten Ofen, im Gegensatz zu den hygienisch sauberen Brandbestattungen in der Gräberstraße, einen etwas mucheligen Beigeschmack bekommen haben, von der Infektionsgefahr ganz zu schweigen. Dies ist natürlich wieder nur eine Vermutung, da ich nicht weiß, wie weit Ofen und Brunnen auseinander lagen und wie die Fließrichtung des Grundwassers war.
 
Die Römer tranken vor allem posca!
Und wenn sie tatsächlich zu doof waren, ein Standlager wie Haltern, welches nach archäologischem Befund offenbar sehr wichtig war, für den Belagerungsfall zu sichern - was du ja implizit unterstellst - dann müssen sie eben so doof gewesen sein. Das Lager liegt nun mal dort, wo es liegt, das lässt sich nicht wegdiskutieren.
 
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Es ist wahrscheinlich, dass man rein aus Kapazitätsgründen nicht das verdünnte Produkt, sondern den Weinessig anlieferte. Und was brauchte man zur Verdünnung? Richtig! Fluss- oder Brunnenwasser. Allerdings gab es noch die Alternative Regenwasser. Man hat, glaube ich, in Haltern eine Zisterne gefunden, die aber wohl nicht für all gereicht haben dürfte. Aber hier bewegen wir uns tatsächlich zu weit von der Alme weg.
 
El Q, das Wasser unserer mitteldeutschen Flüsse war vor der Industrialisierung und außerhalb der Hochwasserzeiten kristallklar.
Falls das nicht nur eine Deiner Behauptungen ist, die Du aufstellst, um andere Behauptungen zu retten, bitte ich um einen Nachweis.

Da aber die Römer angeblich lieber Brunnenwasser tranken
Nicht nur "angeblich", sondern nachweislich:
Plinius schrieb:
Welche Art von Wasser wird also am meisten zu bevorzugen sein? Ohne Zweifel das Brunnenwasser, was auch, wie ich sehe, in den Städten bestätigt wird, aber nur solches [Wasser], das durch häufiges Schöpfen in Bewegung gehalten wird und durch den reinigenden Boden jene Feinheit bekommt.
zit. nach:
Andrea Schmölder-Veit
Brunnen in den Städten des westlichen Römischen Reiches
Wiesbaden 2009
 
Sepiola, wenn Du etwas über historische Wasserqualitäten unserer Flüsse erfahren willst, so musst Du dich mit der Flussfauna befassen. Forellen, Neunaugen am Unterlauf der Mulde, vor allem aber die Flussperlmuscheln, die es vorwiegend nur noch im Süden (u.a. Sachsen) gibt, beanspruchen ein extrem sauberes Wasser. Nach der Abschaltung der ostdeutschen Großbetriebe als Hauptverschmutzer sind sie langsam wieder im Kommen.
Dass die Römer in Städten kein Flusswasser tranken, ist kein Wunder, da die Flüsse unterhalb der Einleiter durch Abwässer enorm verschmutzt waren. Kein Vergleich mit der Situation im schwach besiedelten, abwasserkanalfreien Germanien.
 
Sepiola, wenn Du etwas über historische Wasserqualitäten unserer Flüsse erfahren willst
Also Du hast keine konkreten Informationen, richtig?

Diejenigen Flüsse, an denen sich mittelalterliche Städte (oder römische Städte oder auch nur Kastelle) aufreihten, hatten sicher eine zweifelhafte Wasserqualität, lange vor der Industrialisierung.
Und die Römer haben nicht nur für Städte Wasserleitungen gebaut, sondern auch für Kastelle. (Nachweisbar z. B. für Castra Vetera.)

Stellen wir uns aber trotzdem mal ein Kastell vor, das neben einem Fluss liegt und dessen Wasserversorgung vom Fluss abhängt.
Was bringt das im Belagerungsfall?
Die "Wasserholer" werden beschossen, und an welcher Stelle werden wohl die Belagerer bevorzugt ihre Fäkalien entsorgen?


Kein Vergleich mit der Situation im schwach besiedelten, abwasserkanalfreien Germanien.
Nur ganz nebenbei:
Städtische Agglomerationen gab es im unbesetzten Germanien nicht, aber war es deshalb "schwach besiedelt"?
Heiko Steuer argumentiert mit guten Gründen, dass "diese Gebiete nicht dünner besiedelt waren als die ländlichen Gebiete der römischen Provinzen".
 
Wenn Du antike Wasseranalysen möchtest, so muss ich Dich tatsächlich enttäuschen. Nur beim Fluss "Mulde" ist bekannt, dass er sich von der "Milde" des Wassers ableitet, denn er hieß früher so. Und es ist auch bekannt, dass sich am Unterlauf so viele Neunaugen aufhielten, dass sie regelmäßig an den Fürstenhof geliefert werden mussten.
Mit den Wasserholern hast Du mich sehr gut verstanden: wenn das Lager zu weit vom Fluss angelegt war, hatten die Insassen im Belagerungsfall tatsächlich keine Chance. Deshalb hatte ich ja gerade die direkte Flussnähe als Vorteil herausgestellt.
 
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