War Hemingway ein Mörder?

Jacobum

Aktives Mitglied
Vor ein paar Tagen sagte mir jemand, als wir uns über Literatur und Hemingway unterhielten, dass Ernest Hemingway in seinem Ansehen stark gesunken sei, seit er gelesen hatte, dass er im 2. Weltkrieg deutsche Gefangene erschossen hätte. Als ich ihn nach der Quelle fragte, sagte er, dies könne man im Internet recherchieren.

Ich habe das gemacht und bin darauf gestoßen, dass EH in seinen Briefen 1944/45 damit geprahlt hat, u.a. einem SS-Mann beim Verhör getötet und einem 16-jährigen Hitlerjungen ins Rückgrat geschossen zu haben. Überhaupt habe er über 100 "krauts" getötet.

Da EH, der im 2. WK ja gar kein Soldat sondern lediglich Kriegsberichterstatter war, deswegen nie vor Gericht gestellt und auch nie eine Anklage gegen ihn laut wurde, meine ich, dass das wohl in den Bereich "künstlerische Freiheit" fallen dürfte.

Damit wir uns richtig verstehen: Ich sehe EH als einen der größten Autoren des 20. Jahrhunderts. Ich habe die meisten seiner Werke gelesen. Gern gelesen. Und nicht nur einmal. Deshalb haben mich die Vorwürfe erhrlich gesagt auch etwas ratlos gemacht.

Was meint ihr?
 
Über dieses Gerücht weiss ich nix,lass mich aber gern belehren(darum bin ich ja hier im Forum)

Von seinen Büchern hab ich 2 gelesen: "Der alte Mann und das Meer" und "Wem die Stunde schlägt"
 
Auszug aus:
Ernest Hemingway, "Selected Letters 1917-1961", edited by Carlos Baker, Charles Sribner's Sons, New York 1981

"One time I killed a very snotty SS kraut who, when I told him I would kill him unless he revealed what his escape route signs were said: You will not kill me, the kraut stated. Because you are afraid to and because you are a race of mongrel degenerates. Besides it is against the Geneva Convention.

What a mistake you made, brother, I told him and shot him three times in the belly fast and then, when he went down on his knees, shot him on the topisde so his brains came out of his mouth or I guess it was his nose.

The next SS I interrogated talked wonderfully. Clearly and with intelligent military exposition of their situation. He called me Herr Hauptman [Captain] and then decided that was not enough and called me Herr Oberst [Colonel] (I wore no insignia.) I would have worked him up to general. But we did not have time. After that we chased them very fast becasue we knew exactly what the signs they chalked up meant and who and how many they were.

Will now try to go back to being a christian again.

Yours in Christ
Ernest"
 
War Hemmingway nun beim Militär aktiv, oder nur ein Berichterstatter?

Die Antwort darauf würde den Fall m.E. klären.
 
Dass der gute Mann etwas "durchgeknallt" war, wissen wir ja - so ist er ja auch gestorben. :still:
 
Pope schrieb:
War Hemmingway nun beim Militär aktiv, oder nur ein Berichterstatter?

Die Antwort darauf würde den Fall m.E. klären.

Er war das, was man heute einen "embedded journalist" nennt, also kein Soldat.
Umso mehr wundert mich, dass diese Tat - so sie denn wahr gewesen sein sollte - nie verhandelt wurde.
 
Hier
http://www.findarticles.com/p/articles/mi_qa3786/is_200210/ai_n9136583#continue

dürfte so ziemlich alles wichtige darüber stehen. Ist in Englisch, Fazit: Hemingway hat möglicherweise im rückwärtigen Bereich deutsche Soldaten getötet, neigte aber dazu, seine Taten zu übertreiben, damit seiner Umwelt klar werden sollte, dass er wie die GIs im Kampf gegen die Deutschen seinen Mann stand. Weiter hinten in dem Artikel steht auch vieles darüber, was Hemingway als Kriegsberichterstatter tat.
 
Zuletzt bearbeitet:
Pope schrieb:
Die Antwort darauf würde den Fall m.E. klären.
Keine wirkliche Antwort, nur ein (noch) nicht beweisbarer Schluß:

Auf Britannica Nobel Prices steht:

"He was repeatedly rejected for military service because of a defective eye, but he managed to enter World War I as an ambulance driver for the American Red Cross."

sowie

"He flew several missions with the Royal Air Force and crossed the English Channel with American troops on D-Day (June 6, 1944). Attaching himself to the 22nd Regiment of the 4th Infantry Division, he saw a good deal of action in Normandy and in the Battle of the Bulge. He also participated in the liberation of Paris and, although ostensibly a journalist, he impressed professional soldiers not only as a man of courage in battle but also as a real expert in military matters, guerrilla activities, and intelligence collection."

Das klingt für mich so, als hätte er gar keine Chance gehabt, regulärer Soldat zu sein und wurde auch nicht als solcher angesehen, oder?

Bye
Suedwester
 
Jacobum schrieb:
Umso mehr wundert mich, dass diese Tat - so sie denn wahr gewesen sein sollte - nie verhandelt wurde.

Wundert dich das wirklich? Die Opfer waren doch "nur irgendwelche Nazis", die eh "Freiwild" waren..:confused:

Ich würde die Diskussion hierzu aber besser abbrechen, sonst bekommen wir den 62.Strang über "die haben das getan - und die haben das getan" :runter: Es führt zu nichts, Unrecht mit Unrecht aufzurechnen.
 
Suedwester schrieb:
Das klingt für mich so, als hätte er gar keine Chance gehabt, regulärer Soldat zu sein und wurde auch nicht als solcher angesehen, oder?

Oder, er spielte gerne Rambo. Aufgefordert oder unaufgefordert ...
 
Jacobum schrieb:
Er war das, was man heute einen "embedded journalist" nennt, also kein Soldat.
Umso mehr wundert mich, dass diese Tat - so sie denn wahr gewesen sein sollte - nie verhandelt wurde.

Sagt mal. Was erdreistet ihr euch eigentlich, über einen Menschen zu urteilen, den ihr nicht mal kanntet. Seine literarische Hinterlassenschaft ist bekannt. Die die über ihn urteilen, kannten ihn nicht.
Im ersten Weltkrieg war er Sanitäter. Was er dann aus seinem Leben gemacht hat, geht nur seiner entschwundenen Seele etwas an.
 
florian17160 schrieb:
Sagt mal. Was erdreistet ihr euch eigentlich, über einen Menschen zu urteilen, den ihr nicht mal kanntet. Seine literarische Hinterlassenschaft ist bekannt. Die die über ihn urteilen, kannten ihn nicht.
Im ersten Weltkrieg war er Sanitäter. Was er dann aus seinem Leben gemacht hat, geht nur seiner entschwundenen Seele etwas an.

Ich urteile nicht, ich spekuliere ... "Mörder" ist vielleicht auch das falsche Wort.

Und nur weil er Sanitäter war und jetzt nicht mehr lebt, sollen wir nicht darüber reden? Flo, in einem Geschichtsforum redet man ziemlich oft über Tote, die man nicht kannte ...
 
Zuletzt bearbeitet:
Erstens habe ich in meiner Eingangsfrage darauf hingewiesen, dass mich der Vorwurf ratlos gemacht hat und ich gerne die Meinung der anderen darüber hätte.

Zweitens hat keiner der Antwortenden irgend ein Urteil über EH gefällt.

Drittens ist nach wie nicht sicher, ob die von ihm geschilderten Vorkommnisse stimmen oder nur die Möchtegern-Abenteuer eines für den Militärdienst untauglichen Abenteurer sind, der sich gerne beweisen wollte.

Viertens können wir das Geschichtsforum schließen, wenn es nicht gestattet sein sollte, unsere Meinung über Personen zu äußern, die wir nicht persönlich gekannt haben. (Hier würde mich mal interessieren, welcher Beitrag im Forum von jemandem verfasst wurde, der die betreffende Person wirklich persönlich gekannt hat).

Fünftens bleibe ich dabei, das EH einer der besten Autoren des 20. Jh. ist!

Grüße,

Jacobum
 
Jacobum schrieb:
Viertens können wir das Geschichtsforum schließen, wenn es nicht gestattet sein sollte, unsere Meinung über Personen zu äußern, die wir nicht persönlich gekannt haben. (Hier würde mich mal interessieren, welcher Beitrag im Forum von jemandem verfasst wurde, der die betreffende Person wirklich persönlich gekannt hat).

Ähh das ist so auch nicht ganz richtig.
Man muss unterscheiden worüber man ein Urteil fällt.
Über eine Tat oder den Character.
Sobald man über den Character eines Menschen urteilt, begibt man sich automatisch auf sehr dünnes Eis, denn wie flo schon sagte, man kannte ihn nicht.
Wer ein Urteil über den Character eines Menschen fällen will, sollte schon eine solide Schaar an Argumenten hinter sich haben die zu diesen Schluss führen, und man sollte sich dann nicht wundern wenn man sich dabei nicht selten verrennt.
Bei einer Tat sieht es dagegen ganz anders aus, und das hat flo unter anderen gesagt womit er Recht hat.
 
Ich finde die Diskussion insofern schwierig, dass sie vieles durcheinander bringt.

EInerseits ist das der Schriftsteller Hemmingway und dessen Werk. Wieso sollte das im Ansehen schwinden, nur weil der Mann etwas getan haben soll, was noch nicht mal belegt ist? Enteder ist das Werk literarisch wertvoll oder es ist es nicht und je nachdem soll man den Schriftsteller achten.

Das andere ist der Mensch Hemmingway und was er getan hat. Das er soff und spielte, weiss man, auch nicht wirklich angesehene Tätigkeite, wenn auch etwas weniger heikel wie ein Mord. Die Frage, die sich stellt ist, was im Zuge eines Krieges als Mord qualifiziert und was eine Tötung im Zuge das Krieges ist und damit eben nicht drunter fällt, denn sonst wäre ja jeder Soldat ein Mörder, zumindest potentiell. Mord ist eine juristische Kategorie, die hier auf einen noch nicht mal belegten Tatbestand angewendet wird, was den Begriff in diesem Zusammenhang mehr als fraglich macht.

Dass die beiden WW unschön waren, wissen wir alle, dass die Alliierten Nazis umbrachten, die Nazis Juden und auch Alliierte, ist eine Tatsache, das eine rechtdfertigt nicht das andere, es ist bei einem Krieg so, dass Fronten aufeinander prallen und auf allen Seiten Verluste eingefahren werden. Die Prozesse sind mehrheitlich geführt, die, welche man zur Verantwortung ziehen konnte, hat man gezogen und damit denke ich, sollte man irgendwann das Kapitel abschliessen und nicht jeden, der da irgendwie involviert war, auch noch nachträglich an den Pranger stellen, vor allem nicht, wenn man keine wirklichen Belege hat für seine Tat, die ihm vorgeworfen wird.

Aber das ist nur meine bescheidene Meinung und vermutlich bin ich mal wieder ganz fürchterlich abgeschweift. :pfeif:
 
Diese Geschichten machen ihm nicht seinen Platz in der Weltliteratur streitig, aber es ist ebenso unbestritten, dass Hemingway seine dunklen Seiten hatte.
"Wem die Stunde schlägt" ist ja nicht nur irgendein Bürgerkriegs-Roman; ich habe mal gelesen, dass Hemingway hier seine Erlebnisse auch von Verbrechen in Spanien verarbeitete, über die er in seiner Zeit als Kriegsberichterstatter bei den Republikanern nicht schreiben wollte oder konnte.
Dass entscheidende an Hemingways WKII-Aussagen ist doch, dass es für ihn selbstverständlich war, zu erzählen, wie viele Deutsche er getötet hatte. Wenn er noch zwanzig Jahre länger gelebt hätte, hätte er vielleicht gesagt, er hätte statt hundert gar 300 erschossen.

Und am Rande: auf Arte kam neulich eine sehr interessante, von Hemingways Enkel gedrehte Dokumentation, in dem dieser der Frage nachging, wieso sich so viele Hemingways umgebracht haben und welche Rolle Tod und Selbstmord in Ernest Hemingways Werk spielten.
 
Ist es Aufgabe eines Schriftstellers, ein moralisch wertvoller Mensch zu sein?

Oder anders gefragt: Kann man voraussetzen, Schriftsteller seien bessere Menschen als andere?
Ich habe, das will ich betonen, eine hohe Meinung von dem Künstler Hemingway. Und ich habe eine hohe Meinung von moralischen Menschen, sofern diese ihre Grundsätze auch an sich selbst anwenden und nicht nur am Verhalten anderer festmachen.
Leute, deren Meinung ich schätze, haben mir gesagt, Schriftsteller hätten vor allem eine Aufgabe: gut zu schreiben (mit dem Hintergrund, damit hätte man genug zu tun – also eher Bescheidenheit als Ignoranz).
John Irving hat in einem aktuellen Interview gesagt, öffentliche Äußerungen eines Schriftstellers seien politische Statements, das gehöre zu seiner Verantwortung. Er spricht also von ethischer Verantwortung eines Autors schon auf Grund des Gewichtes seiner öffentlichen Aussagen. Auch das schätze und respektiere ich – als Irvings Meinung.
Wenn es denn so war, wie eingangs geschrieben – mich überrascht das nicht. Ob nun die reine Wahrheit, übertrieben und ausgeschmückt, was auch an Motiven dahinter steckt, es fügt sich jedenfalls ins Bild, das man von Hemingway hat. Ein Abenteurer, Großwildjäger, Frauenheld, einer, der drauflos lebte, sich für allerlei begeistern konnte, in den Krieg ziehen wollte, sich an Stierkämpfen ergötzte – nicht so ein blasser, lebensuntüchtiger, dekadenter Intellektueller – gerade dafür wurde doch Hemingway bewundert, und er hat das, glaube ich, auch ganz gern gehabt.
Zuletzt habe ich von ihm so ein Afrikabuch gelesen – ist schon ein Weilchen her – und da ging es doch immer wieder ums Töten (bei der Jagd), und zwar nicht um einen guten Schuss auf eine gute Beute, sondern um sehr viel Beute und sehr viele Schüsse. Ich will nun wirklich nicht das Töten bei der Jagd und das Töten von Menschen im Krieg gleichsetzen, aber gewisse Parallelen ergeben sich da schon. Ich persönlich kann überhaupt nicht nachvollziehen, wie man so herrliche Tiere abknallen und dabei noch Vergnügen empfinden kann, aber ich räume der Jagd auch so etwas wie einen ganz ursprünglichen, archetypischen Reiz ein, der sicher bis heute nachwirkt. Mit dem Stierkampf ist es ähnlich – Tierschützer protestieren dagegen, was ich verstehen kann, aber ich habe auch mal gehört, wie sich ein Spanier in einem Interview dazu geäußert hat, er sagte, es sei eine besondere Ehre für den Stier, auf diese Weise umzukommen – eine Meinung, die ich nicht teile und auch nicht teilen muss, der ich aber ihr eigenes Gewicht zugestehe. Das sind eher archetypisch und historisch geprägte Vorstellung von Ehre, aber ist es mit Patriotismus oder anderen Motiven, aus denen heraus getötet wird, sehr viel anders?
Dass Hemingway schreiben konnte, wird wohl kaum jemand bezweifeln, dass sein Schreiben viel mit dem Menschen Hemingway zu tun hatte, wohl auch nicht. Er hat jedenfalls zu seiner ganz eigenen Kunst gefunden, hat mit dem „Alten Mann und das Meer“ alles gegeben, was er geben konnte, ist bis an die Grenzen seiner Schaffenskraft gegangen, und dafür verdient er höchste Bewunderung. Und dieses Buch, für mich eines der besten überhaupt, spricht auch dafür, dass Hemingway nicht nur deswegen so erfolgreich war, weil er seine Kunst beherrschte, sondern weil er auch genau kannte, was er schrieb. Dieses Jagen nach Beute hat er zum Symbol gemacht, zum Symbol für menschlichen Willen und den Sinn des Lebens. Wo da die Grenze war von Authentizität zu heroischer Verklärung, zwischen Wahrheit und Dichtung, wer kann das heute noch sagen. Hemingway war ein großer Schriftsteller, aber er war auch einfach ein Mensch. Und dass persönliche Entgleisungen, Taten, die aus Hass, Eitelkeit, Verblendung, Patriotismus etc. begangen werden, in den Bereich des Menschlichen fallen, dürfte angesichts dessen, was in der Geschichte passiert ist, so neu nicht sein.
 
Gut geschrieben, Marcia.

Marcel Reich-Ranicki hat mal gesagt, es gäbe zwei Arten von Schriftsteller, Schweine und grosse Schweine... Das tönt hart, wenn man weiss, wie sehr MRR die LIteratur liebt, weiss man, er meinte das nicht gegen die LIteratur, sondern er drückt damit aus, das Schriftsteller immer spezielle Menschen sind. Wenn man sich durch die Biographien der Schriftsteller liest, trifft man in der Tat auf Exzentriker, auf Egoisten, auf selbstverliebte und Frauenhelden. Aber trotzdem haben sie eines gemeinsam: Sie schrieben und das war das, wofür wir sie lieben. Vielleicht schreiben sie so, weil sie sind, wie sie sind oder aber trotzdem.
 
Zurück
Oben