War Luther schuld an Hitler?

Das Gegenteil ist der Fall. Nur weil diese Sau alle Jahre wieder durchs mediale Dorf getrieben wird, gibt diese Sau nicht die opinio communis oder den Forschungsstand wieder.




Wenn es stimmt, dass Hitler Luther rezipierte, dann hat er ihn allenfalls halb rezipiert und derselbe Vorwurf wäre auch dir zu machen, wenn du auch andere Motive als H. hättest. Bei Luther wechselten antijudaistische Phasen und nichtantijudaistische Phasen einander ab. Er hatte sich von der augustinischen Zeugenschaftslehre verabschiedet und wollte die Juden bekehren. Als diese auf sein "Angebot" nicht reagierten, reagierte Luther mit den bekannten antijudaistischen Texten, die ganz ohne Frage ziemlich ekelhaft sind.


Es spricht jedoch einiges dafür, dass ein gewisser Chan in seiner christentumsfeindlichen Attitüde sich immer weiter radikalisiert.


Die "Reichspogromnacht" vom 8. auf den 9. November wurde am Datum des Hitlerputsches veranstaltet. Luthers Geburtstag war der 10. November.

Dass spätere protestantische Antisemiten sich später bei Luther bedienten, ist ein anderes Paar Schuh.


In allen Punkten D´accord! Nur eine kurze Anmerkung dazu. Obwohl die Nachricht vom Tod Ernst von Raths die deutsche Öffentlichkeit erst am 8. November erreichte und von der Tagespresse verarbeitet wurde, begannen in Kurhessen und wenn ich mich nicht täusche in Magdeburg und Teilen des heutigen Sachsen-Anhalts die Pogrome schon am Spätnachmittag des 7. Novembers. Was Kurhessen betrifft, so war Nordhessen (mit Ausnahme des "roten" Kassel) und vor allem der heutige Schwalm-Eder Kreis (1974 entstanden durch Zusamenlegung der Kreise Ziegenhain, Fritzlar-Homberg und Melsungen) eine Nazihochburg. Vor allem in den agrarisch geprägten Gebieten Nordhessens war die NSDAP schon vor 1933 stark vertreten. In Kassel, Zierenberg und Bebra wurden die Synagogen verwüstet und angesteckt. Auf einem alten Foto (leider kann ich nicht sagen, wo es entstand, die Zeitzeugin ist leider verschieden) sind Feuerwehrleute und feixende Passanten zu sehen, die Nachbargebäude, nicht aber eine Synagoge löschen. Die Aktion war als ein Probelauf gedacht. Obwohl leider eine Menge von Nachbarn mitmachten, denen die meisten jüdischen Mitbürger so etwas nicht zugetraut hätten, war nach Gestapoberichten die Reaktion der Bevölkerung nicht die erwünschte. Sicher gab es Gaffer, Schadenfreude und Sensationsgier wie man sie bei jedem Unfallort beobachten kann. Insgesamt stießen die Aktionen eher auf Empörung und Scham, als auf Zustimmung. Manche mögen nicht einmal aus Mitgefühl für die Juden peinlich berührt gewesen sein, sondern wegen der Tatsache, dass es sich nicht gehört, Gotteshäuser abzufackeln, egal wie man zum "Allmächtigen" steht. Mancher machte sich auch Sorgen um die eigene Kirche, auch wenn die Zahl der Kirchenaustritte bis 1938 stark zunahm und von den ansässigen Lehrern blieb nur ein Einziger Mitglied in der (reformierten) Kirche. Als ich die Ereignisse rekonstruierte, konnte oder wollte mir nur eine ältere Grundschullehrerin Auskunft geben, die Augenzeugin wurde. In meiner Heimatstadt wurde die Synagoge "nur" geschändet und die Torahrollen auf die Straße bzw in den Festungsgraben geworfen, weil ein SA- Mann neben der Synagoge wohnte. Der 2. Pastor fischte sie heraus und übergab sie nach dem Krieg der jüdischen Gemeinde. Ein Beamter namens Hermann Witkugel, der der bekennenden Kirche nahestand, verhinderte (noch) Schlimmeres und erstattete Strafanzeige gegen einige Einwohner. Die Anzeigen wurden natürlich eingestellt und Witkugel nach Schlesien (straf)versetzt, der aber nach dem Krieg nach Kurhessen zurückkehrte.
 
Hitler sah sich ja allen Ernstes als eine Art Robert Koch, der der Welt ein gutes Werk tat, indem er Juden, "Asoziale", "Volksschädlinge", "unwertes Leben" ausmerzte. Bei dem was er in "Mein Kampf" das "granitene Fundament" seiner Überzeugungen nannte, taucht Luthers Pamphlet "Von den Juden und ihren Lüügen" allerdings nicht auf.


Na ja,
ein bisserl als " als eine Art Robert Koch" spielt er sich 1453 schon auf.
"Unsern Oberherrn, die Juden unter sich haben,
wünsche ich und bitte, daß sie eine scharfe Barmherzigkeit
gegen diese elenden Leute üben wollten, obs doch etwas,
wiewohl es mißlich ist, helfen wollte, wie die treuen Ärzte
tun: wenn das heilige Feuer in die Knochen gekommen ist,
fahren sie mit Unbarmherzigkeit zu und schneiden, sägen,
brennen Fleisch, Adern, Knochen und Mark ab. Also tue
man hier auch. Verbrenne ihre Synagogen, verbiete alles,
was ich droben erzählt habe, zwinge sie zur Arbeit und
gehe mit ihnen nach aller Unbarmherzigkeit um, wie
Moses in der Wüste tat, der dreitausend totschlug, daß
nicht der ganze Haufe verderben mußte. Sie wissen
wahrlich nicht, was sie tun, wollens dazu wie die
besessenen Leute nicht wissen, hören noch lernen. Darum
kann man hier keine Barmherzigkeit üben, sie in ihrem
Wesen zu stärken. Will das nicht helfen, so müssen wir sie
wie die tollen Hunde ausjagen, damit wir nicht, ihrer
greulichen Lästerung und aller Laster teilhaftig, mit ihnen
Gottes Zorn verdienen und verdammt werden. Ich habe
das Meine getan; ein jeglicher sehe, wie er das Seine tue.

Martin Luther "

https://archive.org/stream/VonDenJu...in-VonDenJudenUndIhrenLuegen154318S._djvu.txt
 
Obwohl die Nachricht vom Tod Ernst von Raths die deutsche Öffentlichkeit erst am 8. November erreichte und von der Tagespresse verarbeitet wurde, begannen in Kurhessen und wenn ich mich nicht täusche in Magdeburg und Teilen des heutigen Sachsen-Anhalts die Pogrome schon am Spätnachmittag des 7. Novembers.

Die Novemberprogrome sind ein besonders schwieriges Thema. Wer die entscheidende Idee dazu hatte, ist nur schwer aufzuklären. Dass es "spontaner Volkszorn" war, wie die NS-Propaganda weißmachen wollte, ist auszuschließen. Von wem genau die Initiative für die frühen Progrome in Kurhessen ausging ist umstritten. War es die originäre Idee des kurhessischen Gauleiters Gernand oder hatte er Befehle aus Berlin? Kannte Gernand Luthers Maßnahmenkatalog?
Der reichsweite Progrom zwei Tage später waren durch die Taten in Kurhessen inspiriert.

Ausschlaggeebende Brandreden für die Taten vom 7. November sind nicht bekannt. In den späteren Zeitungsartikeln der NS-Presse bleibt es auch unkonkret.

"Es ist klar, daß das deutsche Volk aus dieser neuen Tat seine Folgerungen ziehen wird. Es ist ein unmöglicher Zustand, daß in unseren Grenzen Hunderttausende von Juden noch ganze Ladenstraßen beherrschen, Vergnügungsstätten bevölkern und als ,ausländische Hausbesitzer` das Geld deutscher Mieter einstecken." Völkischer Beobachter 8. November

"Die Schüsse von Paris bleiben nicht ungesühnt, davon kann die Judenheit überzeugt sein!" Völkischer Beobachter 9. November

Laut Thomas Kaufmann faz gibt es eigentlich keinen Grund daran zu zweifeln, wessen originäre Idee das gewesen ist:
Kein judenfeindlicher Text Luthers wurde häufiger gedruckt als der „Maßnahmenkatalog“. Durch niemandes Worte wurde die Aufforderung zum Synagogenbrand häufiger eingehämmert als durch die Luthers. Es dürfte unabweisbar sein, den 9. November 1938, die sogenannte Reichskristallnacht, auch in einem rezeptionsgeschichtlichen Zusammenhang mit seiner Schrift „Von den Juden und ihren Lügen“ zu sehen.

Bereits im November 1938 später wurde die "Reichskristallnacht" durch Vertreter der evangelischen Kirche in Zusammenhang mit Luthers Maßnahmenkatalog gesetzt.
Mit einem konkreten Hitler-Zitat etc. lassen sich die konkreten Taten vom 7. November erstmal nicht in Verbindung bringen.
 
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