Warum der Hadrianswall?

balticbirdy

Ehemaliges Mitglied
Dieses Bauwerk schloss damals Schottland vom Rest der Welt ab. Aber wenn ich auf die Europakarte sehe, ist es Schwachsinn. Rom wäre militärisch durchaus in der Lage gewesen, auch in den Highlands mit den paar Wilden kurzen Prozess zu vollziehen und damit das ganze Bauwerk überflüssig zu machen. Offenbar wussten die Römer auch geographisch, dass dort das "Ende der Welt" liegt.
Also, warum haben sie nicht Schottland einverleibt? Dass es für Rom unprofitabel sein würde, na gut - aber strategisch gesehen?
 
Dieses Bauwerk schloss damals Schottland vom Rest der Welt ab. Aber wenn ich auf die Europakarte sehe, ist es Schwachsinn. Rom wäre militärisch durchaus in der Lage gewesen, auch in den Highlands mit den paar Wilden kurzen Prozess zu vollziehen und damit das ganze Bauwerk überflüssig zu machen. Offenbar wussten die Römer auch geographisch, dass dort das "Ende der Welt" liegt.
Also, warum haben sie nicht Schottland einverleibt? Dass es für Rom unprofitabel sein würde, na gut - aber strategisch gesehen?


Die Römer sind unter Agricola bis ins heutige Schottland vorgestoßen und Antoninus Pius dehnte die Reichsgrenze bis zum Firth of Fourth vor, wo der Antoninuswall gebaut wurde. Obwohl kürzer, als der Hadrianswall, ließ sich dieses Gebiet aber wesentlich leichter zu erobern, als dauerhaft zu beherrschen. Die Nachschub- und Nachrichtenverbindungen wurden dabei offenbar überdehnt, so dass Schottland nur unter günstigen Bedingungen halten ließ. Das musste selbst Septimius Severus erfahren, der einige erfolgreiche Feldzüge gegen Picten und Scoten führte, dennoch aber die Grenze auf den Hadrianswall zurückverlegte. Mit der Nähe zur Großfestung Eburacum (York) war der Hadrianswall wesentlich besser geeignet, Truppen zu verschieben und Einbrüche abzuriegeln.
 
nun ja,wir hatten eine ähnliche Diskussion bereits zum Thema Germanien.
auch da wäre eine Eroberung möglich gewesen, das Problem war wohl die Frage der Wirtschaftlichkeit einer solchen Eroberung. Und Schottland dürfte auch damals nicht mehr zu bieten gehabt haben als das unbesetzte Germanien, nämlich Haggis ,Hafergrütze und nasskaltes Wetter.
Da war es ökonomischer,eine befestigte Handels- und Militärgrenze zu errichten .
 
Dass es dort nix zu holen gab ist klar. Aber man hätte einen ständigen Unruheherd löschen können, im Gegensatz zu Germanien mit Aussicht auf den "Endsieg".
 
naja zwischen erobern , kurzen Prozess machen und Halten sind doch gewisse Unterschiede.
Schottland erobern hieße, durchmarschieren, Lager errichten usw. Kurzer Prozeß wäre Völkermord und Deportation, Halten eben dauerhaft Lager errichten und diese versorgen.
Und da haperts eigentlich dran, an der Versorgung! Die Schotten sind ja nicht dauernd in Britannien eingefallen, weil sie Gold und Edelsteine wollten. Die hatten schlicht Hunger
 
Obwohl kürzer, als der Hadrianswall, ließ sich dieses Gebiet aber wesentlich leichter zu erobern, als dauerhaft zu beherrschen. Die Nachschub- und Nachrichtenverbindungen wurden dabei offenbar überdehnt, so dass Schottland nur unter günstigen Bedingungen halten ließ.
Da verstehe ich schon zwei Sätze nicht.
Kannst Du Dir diese nochmal durchlesen?
 
1. Anders als heute war Schottland damals keine Steppe, sondern relativ dicht bewaldet; die Anlage des Walles kann als künstlicher "Limes" verstanden werden, wie er auch in Germanien – durch Schaffung breiter künstlicher Schneisen – geografische Trennlinien schaffen sollte, wo natürliche nicht gegeben waren. Wälder sind natürliche Rückzugsgebiete für Guerillakämpfer, das hat eine Tradition von Arminius bis Ho Chi Minh. Assymetrische Kriege zwischen regulären Truppen und Guerilleros tendieren schnell dazu, "komplette" Vernichtungskriege zu werden, in denen nicht das gegnerische Heer, sondern die jeweiligen Ressourcen die Ziele der Kampfhandlungen sind.

2. Septimius Severus führte einen solchen Auslöschungs- und Vernichtungskrieg. Der war in erster Linie für seine eigenen Kräfte verlustreich und anstrengend und kostete letzlich ihm selbst das Leben. Wer weiss, vielleicht hätten seine Söhne bei konsequenter Weiterführung des Krieges dort "eine Wüste geschaffen und sie Frieden genannt", aber die hatten mehr damit zu tun, sich gegenseitig an den Hals zu gehen.
 
Da verstehe ich schon zwei Sätze nicht.
Kannst Du Dir diese nochmal durchlesen?


Ich meine damit, dass der Antoninuswall zwar kürzer war, als der Hadrianswall, sich als stationäre Grenzlinie aber nur unter militärisch günstigen Bedingungen dauerhaft halten ließ. Es fehlte dafür das nötige Logistikzentrum, um Trupppen, Nachschub und Reserven zu mobilisieren, Einbrüche abzuriegeln etc. Südlich des Hadrianswalls verfügten die Römer über ein ausgebautes Straßennetz und mit Eburacum/ York über eine nah gelegene Basis, die diese Voraussetzungen günstig erfüllte, während diese Kräfte erst durch ein an Infrastrukturell schwaches Gebiet bis zu den Highlands gelangen mussten.

Ich denke, der Antoninuswall war eher eine Glacis- und Vorfeldverteidigungslinie, in dem die römische Herrschaft vermutlich mit einigen vexilationes aufrecht erhalten wurde.

Schließlich muss man sich fragen, wie weit das Imperium Romanum über die vorhandenen Ressourcen für eine weitere Ausdehnung im 2. und 3. Jahrhundert verfügte.

Die drei Legionen in Germanien waren nicht in der Lage, die Germania libera zu erobern und dauerhaft zu beherrschen. Claudius und Trajan lernten daraus und setzten weit mehr Truppen ein. So marschierte Trajan mit 20 Legionen gegen Drecebalus, und Dakien mit seinen Goldbergwerken war ein lohnendes Eroberungsobjekt. Arabia, Mesopotamia, Assyria waren reiche Provinzen, dennoch musste Hadrian schließlich die Eroberungen Trajans wieder rückgängig machen, auch wenn Rom später wieder Teile Mesopotamiens mit Nisibis eroberte.

Mit dem Regierungsantritt Marc Aurels begannen große Probleme, seit Jahrhunderten tauchten erstmals wieder Germanen in Norditalien auf, die Aquilea belagerten und Opitergium plünderten, während Zivilisten und Soldaten in Massen von der "Antoninischen Pest" dahin gerafft wurden. Der Donauraum und selbst Italien war bedroht. Da war einfach nicht genug an Reserven übrig, um die Highlands zu erobern, zu besetzen und zu verwalten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich meine damit, dass der Antoninuswall zwar kürzer war, als der Hadrianswall, sich als stationäre Grenzlinie aber nur unter militärisch günstigen Bedingungen dauerhaft halten ließ. Es fehlte dafür das nötige Logistikzentrum, um Trupppen, Nachschub und Reserven zu mobilisieren, Einbrüche abzuriegeln etc. Südlich des Hadrianswalls verfügten die Römer über ein ausgebautes Straßennetz und mit Eburacum/ York über eine nah gelegene Basis, die diese Voraussetzungen günstig erfüllte, während diese Kräfte erst durch ein an Infrastrukturell schwaches Gebiet bis zu den Highlands gelangen mussten.
Die Logistik in der eigentlichen Provinz war aber auch nicht immer schon da, sondern war von den Römern erst aufgebaut worden. Im 2. Jhdt., zumindest bis zu Mark Aurel, hätte Rom wohl noch in der Lage sein müssen, diese Infrastruktur auch in den Highlands zu schaffen, z. B. einer Stadt anzulegen.
 
@Scorpio
Auch ich sehe im Antoninuswall eher eine Vorfeldverteidigung, die möglicherweise nicht mal ganzjährig besetzt war.

Daß Rom Schottland ebenso wie die Germania libera hätte erobern können,mag ja sein, aber warum sollte man das tun,wenn es dazu weder zwingende strategische Notwendigkeiten noch ökonomische Anreize gab.
 
@Scorpio
Auch ich sehe im Antoninuswall eher eine Vorfeldverteidigung, die möglicherweise nicht mal ganzjährig besetzt war.

Daß Rom Schottland ebenso wie die Germania libera hätte erobern können,mag ja sein, aber warum sollte man das tun,wenn es dazu weder zwingende strategische Notwendigkeiten noch ökonomische Anreize gab.

Man hat einen ständigen Unruheherd mit neidischen Babas vor der Haustür gelassen.
 
Die Logistik in der eigentlichen Provinz war aber auch nicht immer schon da, sondern war von den Römern erst aufgebaut worden. Im 2. Jhdt., zumindest bis zu Mark Aurel, hätte Rom wohl noch in der Lage sein müssen, diese Infrastruktur auch in den Highlands zu schaffen, z. B. einer Stadt anzulegen.
Möglich, eine Stadt anzulegen? Erstmal braucht man dafür Leute, die da wohnen wollen. Und die Highlands sind zwar für uns als Urlaubsland schön, aber für Italiener? DA leben? Dann, wie konnte man da Wohlstand erlangen, überhaupt sich für Römer ausreichend ernähren? Das Land ernährte ja kaum die Eingeborenen. Und Bodenschätze? Keine.
Also auch keine Siedler, somit nichts, um das eroberte zu halten.
 
Möglich, eine Stadt anzulegen? Erstmal braucht man dafür Leute, die da wohnen wollen. Und die Highlands sind zwar für uns als Urlaubsland schön, aber für Italiener? DA leben? Dann, wie konnte man da Wohlstand erlangen, überhaupt sich für Römer ausreichend ernähren? Das Land ernährte ja kaum die Eingeborenen. Und Bodenschätze? Keine.
Also auch keine Siedler, somit nichts, um das eroberte zu halten.


Wie ich den Thread verstanden habe ging es daraum warum man die Pikten und sonstige Barbaren da oben, nicht einfach ausgelöscht hat.

Dafür ist eine Besiedlung nicht nötig.
 
Man hat einen ständigen Unruheherd mit neidischen Babas vor der Haustür gelassen.

Die man aber bis in antoninische Zeit mit Geschenken und einer Klientelpolitik nach dem Motto "divide et impera" viel billiger und effektiver unter Kontrolle halten konnte.

Es fehlten jegliche Anreize, dass Imperium weiter nach Norden auszudehnen, während in Dakien immerhin reiche Bodenschätze zu holen waren. Selbst bei einem so unruhigen Nachbarn wie Decebalus hat Trajan gezögert, Dakien als römische Provinz zu annektieren.

Insgesamt blieb Britannien auch während der Zeit der Reichskrise von Barbareneinfällen weitgehend verschont, während die Goten die Heiligtümer von epidaurus und Delphi plünderten, die Juthungen und Alemannen mehrfach 260 und 271 erst in Italien gestoppt werden konnten und Antiochia ad Orontem von Shapur I. erobert wurde, als die ahnungslose Bevölkerung sich gerade an Wagenrennen erfreute.

Britannien schloss sich sich während der Reichskrise dem Gallischen Sonderreich des Postumus an, dem zeitweilig auch Hispania angehörte. Constantius Chlorus residierte zeitweilig in Eburacum/ York wo auch Konstantin als designierter Nachfolger ausgerufen wurde. Die römische Herrschaft in Britannien endete erst mit der Einwanderung der Angeln und Sachsen.
 
Ich hatte beim Riesling beim Mainzer Marktfrühstück vorhin gerade einen Geistesblitz für eine gewagte Theorie:
Könnte es sein, daß die Ausdehnung des römischen Imperiums sich auf Gebiete beschränkte,in denen man Wein anbauen konnte bzw,die gerade noch problemlos mit Wein beliefert werden konnten ? :prost: Da wäre mit dem Erreichen des Südens Britanniens und der Rhein-Main-Donau-Linie der maximale Ausdehnungsbereich ziehmlich genau getroffen worden.
 
Dass es dort nix zu holen gab ist klar. Aber man hätte einen ständigen Unruheherd löschen können, im Gegensatz zu Germanien mit Aussicht auf den "Endsieg".

Die weit verstreute Bevölkerung Schottlands war mit römischen Mitteln nicht zu kontrollieren, dass schaffen in entsprechenden Gegenden (Kaukasus bspw) doch heutige Großmächte kaum. Das Problem würde durch eine harte Eroberungspolitik sogar noch verschärft: Je mehr man den Menschen nimmt, desto mehr sind sie auf Überfälle angewiesen, die bei dem Unterscihed an technischen und kulturellen Möglichkeiten ja ohnehin eine große Verlockung darstellten. Hätte man dauerhaft Truppen in Schottland stationiert und diese dort versorgen müssen wäre diese Versuchung duch den ständigen Kontakt noch gewachsen.

Kurz: Es war wohl einfach die billigste Variante, die Barbaren Barbaren sein zu lassen, und die abzusehenden Raubzüge so gut es ging zu verhindern; bzw zu verhindern, dass sie mit ihrer Beute entkamen.
 
Ich hatte beim Riesling beim Mainzer Marktfrühstück vorhin gerade einen Geistesblitz für eine gewagte Theorie:
Könnte es sein, daß die Ausdehnung des römischen Imperiums sich auf Gebiete beschränkte,in denen man Wein anbauen konnte bzw,die gerade noch problemlos mit Wein beliefert werden konnten ? :prost: Da wäre mit dem Erreichen des Südens Britanniens und der Rhein-Main-Donau-Linie der maximale Ausdehnungsbereich ziehmlich genau getroffen worden.

Nette Theorie, der setze ich meine Lieblingstheorie entgegen: Gewöhnlicher Wein wächst wie Unkraut, sehr robust und bringt reichlich Trauben. Da im Norden die Sonnenstunden weniger sind, ist das Produkt Wein nur saurer, aber da die Römer, wie alle anderen zu der Zeit selten Spitzenweine in den Krug bekamen, sondern mit dem Wein alles mögliche anstellten, dürfte sie die Säure nicht weiter gestört haben.
Sie hätten natürlich erst die Schotten und Germanen von den Vorteilen des Weinanbaus überzeugen müssen und sowas dauert, womit ich bei meiner nächsten Lieblingstheorie wäre: dem konservativen Festhalten an Nahrungstraditionen. :winke:
 
Wie ich den Thread verstanden habe ging es daraum warum man die Pikten und sonstige Barbaren da oben, nicht einfach ausgelöscht hat.

Dafür ist eine Besiedlung nicht nötig.

Wie gesagt: man hat es probiert, aber es hat nicht geklappt. Wenn Sept. Severus etwas robustere Gesundheit oder seine Söhne etwas mehr Erfolgsdruck gehabt hätten, gäbe es vielleicht heute keine Schotten und die Weltgeschichte wäre anders verlaufen, aber das ist ein "was wäre wenn" der übelsten Sorte.

Römer haben nicht einfach nur Wüsten erzeugt – sie haben die brachliegenden Flächen besiedelt (oder besiedeln lassen, siehe Ubier bzw. die Sarmaten). Wahrscheinlich hätte Sept. Severus auch in Schottland irgendwelche rumorenden Germanen angesiedelt, um dort den Frieden zu halten.

Doch wie gesagt, diese Pläne schlugen fehl, Septimius starb und die Severussöhne machten sich und dem Rest der Welt das Leben zur Hölle.
 
Schotten gäbe es wohl schon, da die namensgebenden Skoten aus Irland stammten und erst in der Völkerwanderungszeit nach Schottland kamen, wo sie sich Jahrhunderte später allmählich mit den Pikten vermischten. Den heutigen Schotten würden also lediglich die piktischen Ahnen fehlen, dafür hätten sie andere.
 
Schotten gäbe es wohl schon, da die namensgebenden Skoten aus Irland stammten und erst in der Völkerwanderungszeit nach Schottland kamen, wo sie sich Jahrhunderte später allmählich mit den Pikten vermischten. Den heutigen Schotten würden also lediglich die piktischen Ahnen fehlen, dafür hätten sie andere.

Wobei die Frage ist warum wurde Schottland nicht erobert? Genauso wie dauerhaft keine rechtsrheinische Besiedlung nördlich des Main's nach Varus und den Germanicusfeldzügen nachzuweißen ist.
Eine weitere Frage ist auch warum Rom nicht nach Irland gezogen ist. Die Insel war ja bekannt. Gab es da was zu holen, oder war die Bevölkerung zu widerspenstig gegen Rom eingestellt.
Ein weitere Interessante frage in dem Kontext ist, woher die Iro-Schottische Kirche her kam. Das Christentum war ja augenscheinlich plötzlich in Irland Tonangebend, später in Schottland.

Apvar
 
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