excideuil
unvergessen
Wenn es um Napoleon geht, schwingt im Hintergrund immer auch ein Stück Legende mit. So zum Beispiel bei seiner Rückkehr von der Insel Elba 1815.
Grund genug, dass ich mir einmal die Frage gestellt habe, warum ist Napoleon von Elba zurückgekehrt.
Seine Biografen stellen sich auch dieser Frage, stellvertretend sei J. Willms zitiert:
„Elba wurde für ihn ein Wartesaal, ein Horchposten, ein Ausguck, von dem aus er mit grimmiger Genugtuung die sich verschlechternden politischen Zustände, die wachsende Unzufriedenheit mit der Bourbonenherrschaft in Frankreich beobachtete, die größer werdenden Risse innerhalb des Lagers der Alliierten registrierte. Daraus sog er Hoffnungen, … dass die „Birne reif“ sei und Napoleon erneut als „Retter“ begrüßt werde, …“ [1]
Willms berichtet, dass N. besonders von „Andeutungen über eine Verschwörung, angeführt von Fouché, die den Sturz der Bourbonen plane“, fasziniert war.
„Auslöser (der Rückkehr) war ein Brief Murats, dass er die Bestätigung von Nachrichten erwarte, der Wiener Kongress sei zu Ende gegangen und der Zar bereits nach Rußland zurückgekehrt.“ [1]
Also das Prinzip Hoffnung? Aber lassen wir den großen Korsen selbst zu Wort kommen:
„Auf der Insel Elba befand ich mich sehr gut. Ich hätte aus Italien Künstler dorthin kommen lassen. Ich war unabhängiger als ein deutscher Fürst; ich hätte in der Festung eine achtmonatige Belagerung aushalten können. Ich wäre dort geblieben, wenn der König gute Minister gehabt hätte; aber man fürchtete mich so wenig, dass man nicht einmal einen Geschäftsträger bei mir beglaubigt hatte. Man beschimpfte mich öffentlich in allen Zeitungen. Mein Gott, ich bin ein Mensch! Ich wollte ihnen zeigen, dass ich noch nicht tot war. Frankreich hätte zu meiner Bewachung zwei Fregatten unterhalten sollen, eine davon immer im Hafen, die andere unter Segeln im Gesichtskreis der Insel. Ich hatte auf Elba noch einen großen Ruf unter den Menschen.“ 25.Feb. 1817 [1a]
„Als ich von Fontainebleau nach der Insel Elba abreiste, hatte ich keine große Hoffnung auf Wiederkehr. Der erste Hoffnungsschimmer kam mir, als ich in den Zeitungen las, dass bei dem Festmahl im Pariser Stadthaus nur Damen von Adligen und keine von Offizieren der Armee zugegen gewesen seien. Da habe ich gedacht, die Bourbonen würden sich nicht behaupten können, und später ist dieser Gedanke nur immer stärker in mir geworden. Ludwig XVIII. hätte sich als Begründer einer fünften Dynastie erklären müssen. Anstatt mich durch Schmähschriften zu reizen, hätte er vernünftig reden und mir mein Jahrgeld bezahlen sollen. Ich an seiner Stelle hätte auf der Insel Elba einen Geschäftsträger gehalten und im Hafen von Portoferraio immer eine Fregatte liegen lassen. Ich hätte sogar Korsika zufrieden gestellt; auf diese Weise hätte ich alle Welt für mich gewonnen. Statt dessen hat er durch die gegen mich geschleuderten Beschimpfungen mir nur Anhänger gewonnen! Er konnte damals sagen: „Ich trete an Napoleons Stelle, weil dieser zuviel unternommen hat.“ Und das ist wahr, denn ich hatte zu viele Sachen gleichzeitig betrieben.
Was mich zur Rückkehr nach Frankreich trieb, war der Vorwurf, ich habe nicht zu sterben gewusst und sei ein Feigling. Kurz, man hatte mich zum Äußersten gebracht. Für meinen Ruhm ist allerdings der jetzige Aufenthalt besser als der auf Elba. Fontainebleau ist ein trauriges Blatt in der französischen Geschichte, aber durch die Kühnheit meiner Rückkehr habe ich alle Pamphletisten zu Boden geschmettert.
Ich hatte allerdings auf die Gefühle des Volkes und des Heeres gerechnet. Und dann befand ich mich auf Elba so schlecht, dass ich nicht viel aufs Spiel setzte: Ich wagte nur mein Leben.“ 11.Sept. 1817 [1b]
Zwischen beiden Statements liegt ein halbes Jahr, wir finden einen Mix aus Langeweile, verletzter Eitelkeit, Hoffnungen und Schuldzuweisungen. Und wohl auch das Gefühl, dass eine Rückkehr völlig unabhängig von der Begründung her wohl in jedem Fall erfolgt wäre.
Trotz aller Euphorie des Zuges Napoleons nach Paris, Aussagen wie: „Überall sah man uns voll Überraschung vorbeimarschieren.“ [1c] oder die Worte, die ein Bürgermeister an Napoleon richtete: „Wir fingen gerade an, glücklich und ruhig zu werden, Sie werden wieder alles in Unordnung bringen!“ [1d] lassen mich eher zu der Überzeugung kommen, dass Napoleon weder erwartet, noch wirklich gewünscht wurde.
Napoleon resümiert auf St. Helena auch die Hundert Tage:
Sätze wie:
„Ich habe unrecht gehabt, Fouché zu behalten, ich hätte ihn fortjagen sollen …“ [1f], "vllt. hätte ich lieber zwei oder drei Wochen mit meinem Angriff warten sollen, …" [1g] oder „Es war ein großer Fehler von mir, Ney wieder zu verwenden“ [1h] zeigen, dass sich die Wahl des Personals nicht verbessert hatte und das Napoleon noch immer in den Kategorien der möglichst großen Anzahl von Bataillonen dachte.
Die folgenden Sätze machen es hingegen deutlich:
„Ich habe die Insel Elba zu früh verlassen. Ich glaubte, der Wiener Kongress gehe auseinander; ich hätte keine Kammern schaffen sollen. Ich musste mich zum Diktator erklären! Aber man konnte hoffen, dass die Alliierten, wenn sie mich die Kammern berufen sähen, Vertrauen zu mir fassen würden. Wenn ich Sieger geblieben wäre, so hätte ich mir den Teufel was aus den Kammern gemacht!“ [1i]
Er hatte weder begriffen, dass die Bourbonen mit einer liberalen Verfassung regierten, noch, dass die Alliierten sich selbst durch unterschiedliche eigene Interessen im Kampf gegen ihn nicht uneins werden würden.
Und so ist wohl die Rückkehr Napoleons von Elba als die Tat eines Abenteurers zu werten. Und es wurde ein Abenteuer, dass Frankreich teuer zu stehen kam.
(Anmerkung: Hervorhebungen sind von mir)
Grüße
excideuil
[1] Willms, Johannes: „Napoleon“, Pantheon, München 2009, (2005) , Seiten 630 -631
[2] Gourgaud: „Napoleon – Erinnerungen und Gedanken – St. Helena 1815 -1818“, bearbeitet von Heinrich Conrad, Wilhelm Goldmann Verlag, München, 1961, a) Seite 74, b) Seite 72-73, c) Seite 79, d) Seite 77, f) Seite 87, g) Seite 88, h) Seite 89, i) Seite 95
Grund genug, dass ich mir einmal die Frage gestellt habe, warum ist Napoleon von Elba zurückgekehrt.
Seine Biografen stellen sich auch dieser Frage, stellvertretend sei J. Willms zitiert:
„Elba wurde für ihn ein Wartesaal, ein Horchposten, ein Ausguck, von dem aus er mit grimmiger Genugtuung die sich verschlechternden politischen Zustände, die wachsende Unzufriedenheit mit der Bourbonenherrschaft in Frankreich beobachtete, die größer werdenden Risse innerhalb des Lagers der Alliierten registrierte. Daraus sog er Hoffnungen, … dass die „Birne reif“ sei und Napoleon erneut als „Retter“ begrüßt werde, …“ [1]
Willms berichtet, dass N. besonders von „Andeutungen über eine Verschwörung, angeführt von Fouché, die den Sturz der Bourbonen plane“, fasziniert war.
„Auslöser (der Rückkehr) war ein Brief Murats, dass er die Bestätigung von Nachrichten erwarte, der Wiener Kongress sei zu Ende gegangen und der Zar bereits nach Rußland zurückgekehrt.“ [1]
Also das Prinzip Hoffnung? Aber lassen wir den großen Korsen selbst zu Wort kommen:
„Auf der Insel Elba befand ich mich sehr gut. Ich hätte aus Italien Künstler dorthin kommen lassen. Ich war unabhängiger als ein deutscher Fürst; ich hätte in der Festung eine achtmonatige Belagerung aushalten können. Ich wäre dort geblieben, wenn der König gute Minister gehabt hätte; aber man fürchtete mich so wenig, dass man nicht einmal einen Geschäftsträger bei mir beglaubigt hatte. Man beschimpfte mich öffentlich in allen Zeitungen. Mein Gott, ich bin ein Mensch! Ich wollte ihnen zeigen, dass ich noch nicht tot war. Frankreich hätte zu meiner Bewachung zwei Fregatten unterhalten sollen, eine davon immer im Hafen, die andere unter Segeln im Gesichtskreis der Insel. Ich hatte auf Elba noch einen großen Ruf unter den Menschen.“ 25.Feb. 1817 [1a]
„Als ich von Fontainebleau nach der Insel Elba abreiste, hatte ich keine große Hoffnung auf Wiederkehr. Der erste Hoffnungsschimmer kam mir, als ich in den Zeitungen las, dass bei dem Festmahl im Pariser Stadthaus nur Damen von Adligen und keine von Offizieren der Armee zugegen gewesen seien. Da habe ich gedacht, die Bourbonen würden sich nicht behaupten können, und später ist dieser Gedanke nur immer stärker in mir geworden. Ludwig XVIII. hätte sich als Begründer einer fünften Dynastie erklären müssen. Anstatt mich durch Schmähschriften zu reizen, hätte er vernünftig reden und mir mein Jahrgeld bezahlen sollen. Ich an seiner Stelle hätte auf der Insel Elba einen Geschäftsträger gehalten und im Hafen von Portoferraio immer eine Fregatte liegen lassen. Ich hätte sogar Korsika zufrieden gestellt; auf diese Weise hätte ich alle Welt für mich gewonnen. Statt dessen hat er durch die gegen mich geschleuderten Beschimpfungen mir nur Anhänger gewonnen! Er konnte damals sagen: „Ich trete an Napoleons Stelle, weil dieser zuviel unternommen hat.“ Und das ist wahr, denn ich hatte zu viele Sachen gleichzeitig betrieben.
Was mich zur Rückkehr nach Frankreich trieb, war der Vorwurf, ich habe nicht zu sterben gewusst und sei ein Feigling. Kurz, man hatte mich zum Äußersten gebracht. Für meinen Ruhm ist allerdings der jetzige Aufenthalt besser als der auf Elba. Fontainebleau ist ein trauriges Blatt in der französischen Geschichte, aber durch die Kühnheit meiner Rückkehr habe ich alle Pamphletisten zu Boden geschmettert.
Ich hatte allerdings auf die Gefühle des Volkes und des Heeres gerechnet. Und dann befand ich mich auf Elba so schlecht, dass ich nicht viel aufs Spiel setzte: Ich wagte nur mein Leben.“ 11.Sept. 1817 [1b]
Zwischen beiden Statements liegt ein halbes Jahr, wir finden einen Mix aus Langeweile, verletzter Eitelkeit, Hoffnungen und Schuldzuweisungen. Und wohl auch das Gefühl, dass eine Rückkehr völlig unabhängig von der Begründung her wohl in jedem Fall erfolgt wäre.
Trotz aller Euphorie des Zuges Napoleons nach Paris, Aussagen wie: „Überall sah man uns voll Überraschung vorbeimarschieren.“ [1c] oder die Worte, die ein Bürgermeister an Napoleon richtete: „Wir fingen gerade an, glücklich und ruhig zu werden, Sie werden wieder alles in Unordnung bringen!“ [1d] lassen mich eher zu der Überzeugung kommen, dass Napoleon weder erwartet, noch wirklich gewünscht wurde.
Napoleon resümiert auf St. Helena auch die Hundert Tage:
Sätze wie:
„Ich habe unrecht gehabt, Fouché zu behalten, ich hätte ihn fortjagen sollen …“ [1f], "vllt. hätte ich lieber zwei oder drei Wochen mit meinem Angriff warten sollen, …" [1g] oder „Es war ein großer Fehler von mir, Ney wieder zu verwenden“ [1h] zeigen, dass sich die Wahl des Personals nicht verbessert hatte und das Napoleon noch immer in den Kategorien der möglichst großen Anzahl von Bataillonen dachte.
Die folgenden Sätze machen es hingegen deutlich:
„Ich habe die Insel Elba zu früh verlassen. Ich glaubte, der Wiener Kongress gehe auseinander; ich hätte keine Kammern schaffen sollen. Ich musste mich zum Diktator erklären! Aber man konnte hoffen, dass die Alliierten, wenn sie mich die Kammern berufen sähen, Vertrauen zu mir fassen würden. Wenn ich Sieger geblieben wäre, so hätte ich mir den Teufel was aus den Kammern gemacht!“ [1i]
Er hatte weder begriffen, dass die Bourbonen mit einer liberalen Verfassung regierten, noch, dass die Alliierten sich selbst durch unterschiedliche eigene Interessen im Kampf gegen ihn nicht uneins werden würden.
Und so ist wohl die Rückkehr Napoleons von Elba als die Tat eines Abenteurers zu werten. Und es wurde ein Abenteuer, dass Frankreich teuer zu stehen kam.
(Anmerkung: Hervorhebungen sind von mir)
Grüße
excideuil
[1] Willms, Johannes: „Napoleon“, Pantheon, München 2009, (2005) , Seiten 630 -631
[2] Gourgaud: „Napoleon – Erinnerungen und Gedanken – St. Helena 1815 -1818“, bearbeitet von Heinrich Conrad, Wilhelm Goldmann Verlag, München, 1961, a) Seite 74, b) Seite 72-73, c) Seite 79, d) Seite 77, f) Seite 87, g) Seite 88, h) Seite 89, i) Seite 95