Warum keine Rückkehr zur Republik?

Nergal

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Habe mich mit der Geschichte der römischen Kaiser befasst, und mich bei all den Gewaltexzessen und Wahnsinnstaten, die immer wieder von manchem Kaiser beganngen wurden, gefragt wieso man nicht zurück zur Republik mit zwei Konsulen gefunden hat.
Wurde ein mörderischer Kaiser beseitigt, entschied man sich erneut einen übermächtigen Herrscher zu installieren.
Wieso war das so, gab es andere "Kontrollinstanzen" oder habe ich Versuche zur Restauration der Republik übersehen?
 
Die römische Republik ist in sozialen Aufständen und einem zwar immer wieder unterbrochenen, letztlich aber hundert Jahre währenden Bürgerkrieg zugrundegegangen. Erschwerend kommt hinzu, dass das Heer der Kaiserzeit ein Berufsheer war, während in der Republik ursprünglich die römischen Bauern das Rückrat der Armee bildeten. Damit waren die Machtverhältnisse immer anders - und dir wird vielleicht auch aufgefallen sein, dass nach der julisch-claudischen Dynastie viele Kaiser aus der Armee kamen, auch wenn der Begriff Soldatenkaiser aus diversen Gründen erst für spätere Kaiser üblich ist.
 
Soweit ich das überblicke, gab es nur einen 'ernsthaften' Versuch, zur Republik zurückzukehren. Nach der Ermordung des Caligula sollen sich die Senatoren im Senat getroffen haben und diese Frage angeblich diskutiert haben. Wobei in den Beschreibungen, die darüber erhalten sind, offenbar deutlich wird, dass die führenden Senatoren dabei eigentlich nicht wirklich die Rückkehr zur Republik im Sinne hatten, sondern jeder von diesen eigentlich erreichen wollte, selbst Nachfolger des Caligula zu werden. Während man noch diskutierte, fanden die Prätorianer den Claudius (angeblich hinter einem Vorhang versteckt) und erhoben ihn zum Kaiser.

Interessant zu diesem Thema wäre noch ein Aufsatz von Holger Sonnabend in: Kai Brodersen (Hrsg.), Virtuelle Antike. Wendepunkte der Alten Geschichte. Darin schreibt er, wie seiner Meinung nach die Geschichte verlaufen wäre, wäre Augustus im Jahre 23 v. Chr. seiner schweren Krankheit erlegen.

Zusammenfassend schreibt er:
"Augustus stirbt 23 v. Chr. Man kehrt nicht zur alten Republik zurüc - ein Zeichen für eine schon früh anzusetzende Stabilisierung des neuen Systems. Die Herrschaft übernimmt Agrippa, nach dessen Tod 12 v. Chr. der noch junge Tiberius, der - frei von Kalamitäten , die er real als ewiger Nachfolger des Augustus erdulden musste - vermutlich als ein dynamischer Herrscher in die Geschichte eingegangen wäre."
 
Spätestens nach den Reformen des Marius war die Republik schwer angeschlagen. Dadurch das die Veteranen der Legionen von ihrem Heerführer das Land zugewiesen bekamen und nicht von einer Behörde des Senates, machte die Heerführer sozusagen zu Warlord's, die ihre eigene Gefolgschaft zum Bürgerkrieg aufrufen konnte. Damit war der langsame Untergang der Republik vorprogrammiert. Wobei die Reformen wichtig waren für den Fortbestand Rom's.
Man hätte am ehesten nach dem Tode von Augustus zur Republik zurückkehren können. Aber den Alten Leuten steckte nach den Erzählungen ihrer Eltern der Schrecken der Bürgerkriege wohl noch zu sehr in den Knochen, so das sie Angst vor einem Systemwechsel hatten. Und bei seinem Tode war etwa 50 Jahre kein Bürgerkrieg mehr gewesen. Und viel später gab es fast nur noch schriftliche Erinnerungen an die Republik.

Apvar
 
Man hätte am ehesten nach dem Tode von Augustus zur Republik zurückkehren können. Aber den Alten Leuten steckte nach den Erzählungen ihrer Eltern der Schrecken der Bürgerkriege wohl noch zu sehr in den Knochen, so das sie Angst vor einem Systemwechsel hatten. Und bei seinem Tode war etwa 50 Jahre kein Bürgerkrieg mehr gewesen. Und viel später gab es fast nur noch schriftliche Erinnerungen an die Republik.

Tacitus, dem alten Stinkstiefel ;), wäre ja nichts lieber gewesen, als die Rückkehr zur Republik, noch hundert Jahre nach Augustus.
 
Die alte Republik hätte sich auch gar nicht mehr herstellen lassen, institutionell und personell und auch ideell nicht.

Sie war nicht in der Lage, die Bedürfnisse der provinzialen Bevölkerung zu befriedigen. Eine Abschottung des politischen Systems innerhalb der Stadt, und das ist schon lange als Problem bekannt, hätte die Kluft zum Reich nur noch mehr verbreitert. Die alten Familien waren dezimiert, es hätte also einer Idee zur Partizipation neuer Eliten gebraucht. Die aus dem magistralen cursus honorem hervorgehenden Beamten wären auch personell unterbesetzt gewesen, was soll man mit jährlich zwei Konsuln und sechs Prätoren? Außerdem brauchte das angewachsene Reich langfristige Perspektiven, was mit einer jährlich wechselnden und sich im Konkurrenzkampf profilierenden "Staatsführung" nicht zu erreichen.

Die meisten dieser Probleme waren auch den Zeitgenossen bewußt, man sieht ja, wie Augustus daran geht, hier neue Lösungen zu erarbeiten.
 
Und die Struktur der Römischen Bürger hat sich spätestens seit dem Ende des zweiten Punischen Krieges stark verändert. Damit hat sich der Bauer als Träger der lasten langsam aber sicher verabschiedet. Und das Bürgerrecht wurde an immer mehr Bevölkerungsgruppen erteilt. Damit währen dann die Wahlen schon deutlich schwieriger in der Durchführung gewesen. Ebenso die Übermittlung der Wahlergebnisse zu den Senatswahlen. Glaube, das Rom zur Zeitenwende für die alte Republikform schon deutlich zu groß geworden ist.

Apvar
 
Eigentlich gab es für den Senat gar nicht wirklich eine Möglichkeit, die Republik wiederherzustellen. Entweder hatte der verstorbene Kaiser einen designierten und anerkannten Erben hinterlassen, dann konnte sich dieser meist auf die Prätorianer und die Armee stützen, um sein Erbe auch wirklich anzutreten. Oder es gab keinen Erben, dann dauerte es meist nicht lange, bis die Prätorianer und/oder die Armeen einer Region einen (oder mehrere) Kaiser proklamierten. Der Senat hätte sich also gegen die Prätorianer und zumindest einen Großteil der Armee durchsetzen müssen, aber er hätte wohl kaum genug Legionen für die Wiedererrichtung der Republik begeistern können. Eine Ausnahme gab es lediglich 275 n. Chr., als die Armee dem Senat die Wahl eines neuen Kaisers überließ und der Senat sich für Tacitus entschied. Aber auch hier war der Senat also von der Zustimmung der Armee abhängig und konnte nicht gegen ihren Willen handeln.

Bezeichnend ist auch der Versuch des Senats, quasi auf Umwegen wieder die Macht zu erlangen: Nachdem 238 n. Chr. Gordianus I. und Gordianus II. bei ihrem Aufstand gegen den bei den Senatoren verhassten Maximinus Thrax gescheitert waren, kürte der Senat mit Balbinus und Pupienus zwei Männer aus den eigenen Reihen zu Kaisern. Diese sollten nach dem republikanischen Prinzip der Kollegialität regieren, mit einem einflussreichen Senat im Hintergrund. Aber man sieht, dass der Senat es immerhin für nötig hielt, zwei Kaiser zu wählen statt offiziell die Republik wiedereinzuführen oder einfach die beiden amtierenden Konsuln mit dem Kampf gegen Maximinus Thrax zu betrauen. Es zeigte sich aber auch, wie schnell der Senat an seine Grenzen stieß: Das Volk und die Prätorianer setzten durch, dass der Senat und die beiden Senatskaiser Gordianus III., den Enkel des ersten und (vermutlich) Neffen des zweiten Gordianus, als Caesar und somit designierten Thronfolger akzeptieren mussten. Wenig später wurden Balbinus und Pupienus von den Prätorianern ermordet und Gordianus III. zum Kaiser erhoben. Das Volk und vor allem die Prätorianer hatten sich also wieder gegen den Senat durchgesetzt.
 
Und die Struktur der Römischen Bürger hat sich spätestens seit dem Ende des zweiten Punischen Krieges stark verändert. Damit hat sich der Bauer als Träger der lasten langsam aber sicher verabschiedet. Und das Bürgerrecht wurde an immer mehr Bevölkerungsgruppen erteilt. Damit währen dann die Wahlen schon deutlich schwieriger in der Durchführung gewesen. Ebenso die Übermittlung der Wahlergebnisse zu den Senatswahlen. Glaube, das Rom zur Zeitenwende für die alte Republikform schon deutlich zu groß geworden ist.
Allerdings hatten die meisten Italiker schon nach dem Bundesgenossenkrieg das Bürgerrecht erhalten, trotzdem änderte sich am Wahlmodus für die römischen Magistrate nichts. Es konnten also nur die wenigsten Neubürger an den Wahlen und Volksversammlungen wirklich teilnehmen. Das Prinzip der repräsentativen Demokratie oder die Möglichkeit, in ganz Italien Wahlen durchzuführen, war einfach noch nicht bekannt. Auch die Italiker selbst kamen nicht auf diese Idee: Als sie im Bundesgenossenkrieg eine Gegenregierung zur römischen einsetzten, indem sie eigene Konsuln und Praetoren wählten und einen eigenen Senat bildeten und Corfinium unter dem Namen "Italia" zur neuen Hauptstadt machten, kopierten sie im Wesentlichen einfach das römische System, z. B. sollten die Beamten von Komitien in Italia gewählt werden, also ganz wie in Rom. Hätten sie gesiegt, hätten auch sie also in Italien kein repräsentatives System gebildet, das allen Italikern die gleiche Teilnahme an der Regierung ermöglicht hätte.
Was ich damit sagen will, ist, dass die Neubürger offenbar grundsätzlich mit der althergebrachten Verfassung, die die politische Betätigung auf die Hauptstadt konzentrierte, einverstanden waren, auch wenn sie bedeutete, dass die meisten von ihnen ihre politischen Rechte praktisch nicht wahrnehmen konnten.

Und was meinst Du eigentlich mit "Senatswahlen"? Der Senat wurde doch gar nicht gewählt bzw. in der späten Republik allenfalls indirekt, indem gewesene Quaestoren automatisch einen Senatssitz erhielten.
 
Was ich damit sagen will, ist, dass die Neubürger offenbar grundsätzlich mit der althergebrachten Verfassung, die die politische Betätigung auf die Hauptstadt konzentrierte, einverstanden waren, auch wenn sie bedeutete, dass die meisten von ihnen ihre politischen Rechte praktisch nicht wahrnehmen konnten.

Ich weiß nicht, ich denke, der Bundesgenossenkrieg zeigt ja deutlich, daß die Italiker an der macht teilhaben wollten. Daß sie sich zunächst mal "nur" mit dem Bürgerrecht zufrieden geben mußten, ohne wirklich teilzunehmen, heißt ja nicht, daß sie damit auch zufrieden waren oder daß ihr Ziel damit erreicht gewesen wäre. Ich denke, die Bürgerrechtsverleihung an die Italiker ist nur ein Schritt auf dem später begangenen Weg. Insofern ist es vielleicht auch klar, aus dem Nachhinein geurteilt, daß die Entwicklung weg von der Republik schon lange im ersten Jh. v. Chr. eingeleitet worden war und die Größe des Reiches Strukturen erforderte, die sich nicht einfach nach dem Tod eines Kaisers mit einer bloßen Rückstellung des politischen Systems umsetzen ließen. Ich bin ja normalerweise kein Freund von "historischen Notwendigkeiten und Gesetzmäßigkeiten", aber hier ließe ich mit mir reden.


Und was meinst Du eigentlich mit "Senatswahlen"? Der Senat wurde doch gar nicht gewählt bzw. in der späten Republik allenfalls indirekt, indem gewesene Quaestoren automatisch einen Senatssitz erhielten.

Das meint Apvar vielleicht, daß man sich in die Magistrate wählen ließ, die entweder den Zutritt zum Senat ermöglichten oder ohne die Mitgliedschaft im selben gar nicht erreichbar waren.
 
Ich weiß nicht, ich denke, der Bundesgenossenkrieg zeigt ja deutlich, daß die Italiker an der macht teilhaben wollten. Daß sie sich zunächst mal "nur" mit dem Bürgerrecht zufrieden geben mußten, ohne wirklich teilzunehmen, heißt ja nicht, daß sie damit auch zufrieden waren oder daß ihr Ziel damit erreicht gewesen wäre.
Menschlich-logisch wäre es, aber dann stellt sich die Frage, wieso sie ihrem Bundesgenossenstaat keine entsprechende Verfassung gaben. Grundsätzlich war die Vertretung durch Repräsentanten in der Antike schon bekannt, z. B. im Achaiischen Bund. Auch andere Städtebünde hatten Versammlungen. Es wäre also nichts wirklich Revolutionäres gewesen, wenn die Italiker eine Versammlung mit den Vertretern einzelner Städte gebildet hätten statt die Wahl der Magistrate den Bewohnern von Corfinium und der näheren Umgebung zu überlassen.
Den aufständischen Bundesgenossen ging es beim Kampf ums Bürgerrecht auch nicht nur um politische Rechte, sondern auch um ihre wirtschaftliche und gesellschaftliche Benachteiligung gegenüber römischen Bürgern. Sie hatten ihren Beitrag zum Aufstieg des Reiches geleistet, waren aber trotzdem nur Einwohner zweiter Klasse. Dass sie (zumindest in der Theorie) auch politisch mitbestimmen können wollten, war ein Aspekt unter vielen. Vielleicht war es mehr psychologischer Natur: Vielleicht ging es ihnen mehr darum, mitbestimmen zu dürfen als zu können. Denn praktisch konnten die römischen Bürger in den coloniae schließlich ihre politischen Rechte auch nicht wahrnehmen.
 
Und was meinst Du eigentlich mit "Senatswahlen"? Der Senat wurde doch gar nicht gewählt bzw. in der späten Republik allenfalls indirekt, indem gewesene Quaestoren automatisch einen Senatssitz erhielten.

Das meint Apvar vielleicht, daß man sich in die Magistrate wählen ließ, die entweder den Zutritt zum Senat ermöglichten oder ohne die Mitgliedschaft im selben gar nicht erreichbar waren.

Das meinte ich. Das die unterste Ebene der Beamten von den Versammlungen gewählt wurden. Der Rest der Laufbahn verlief ja sozusagen innerhalb des Senates. Auch wenn das jetzt vielleicht etwas unglücklich oder hölzern ausgedrückt ist.

Apvar
 
Menschlich-logisch wäre es, aber dann stellt sich die Frage, wieso sie ihrem Bundesgenossenstaat keine entsprechende Verfassung gaben. Grundsätzlich war die Vertretung durch Repräsentanten in der Antike schon bekannt, z. B. im Achaiischen Bund. Auch andere Städtebünde hatten Versammlungen. Es wäre also nichts wirklich Revolutionäres gewesen, wenn die Italiker eine Versammlung mit den Vertretern einzelner Städte gebildet hätten statt die Wahl der Magistrate den Bewohnern von Corfinium und der näheren Umgebung zu überlassen.

Tja, da habe ich jetzt auch keine vernünftige Antwort drauf.

Den aufständischen Bundesgenossen ging es beim Kampf ums Bürgerrecht auch nicht nur um politische Rechte, sondern auch um ihre wirtschaftliche und gesellschaftliche Benachteiligung gegenüber römischen Bürgern. Sie hatten ihren Beitrag zum Aufstieg des Reiches geleistet, waren aber trotzdem nur Einwohner zweiter Klasse. Dass sie (zumindest in der Theorie) auch politisch mitbestimmen können wollten, war ein Aspekt unter vielen. Vielleicht war es mehr psychologischer Natur: Vielleicht ging es ihnen mehr darum, mitbestimmen zu dürfen als zu können. Denn praktisch konnten die römischen Bürger in den coloniae schließlich ihre politischen Rechte auch nicht wahrnehmen.

Langfristig hemmt das aber den Ehrgeiz weiter Teile der Reichsbevölkerung inclusive der italischen Städte, und deshalb sahen diese Leute ihre Möglichkeiten eher in einem monarchischem System als in der alten Form der römischen Republik.

Den wirtschaftlichen Aspekt, der ja vor allem in der Verteilung und Nutzung des ager publicus liegt, wird meines Erachtens oft stark vernachlässigt, den muß man unbedingt mit einbeziehen.

@Apvar: Die Konsuln werden auch vom Volk gewählt, in den Komitien.
 
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