Warum keine Spione für Rom bei den Germanen?

Bockstein

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Heutzutage gibt es doch kein Geheimnis, das unentdeckt bleibt. Regierungen entsenden Leute, die Informationen sammeln. Und jetzt kommt es:
Haben nicht auch die Römer....sprich Varus.......unentdeckte Schläfer.......Informanten im cheruskischen Lager gehabt?Wieso funktioniert so etwas heute?Ist es nicht denkbar, daß die Informanten regelmäßig dem Varus berichteten....über die Stimmung im Stamm.....die Größe der pro/antirömischen Gruppen?Wir wissen doch, daß Informationen wichtig sind, über den Stamm, oder außerhalb. Und ich glaube, daß er in 3 Jahren jede Menge Infos sammeln konnte(wäre dann nicht der Wink mit dem Zaunpfahl Segestes` obsolet?
Wenn es bisher schon behandelt wurde, sorry, bin erst bei Thread ?
 
Ich denke nein. In der Position als Anführer römischer Hilfstruppen bestand z.B. für Arminius immer ein unauffälliger und informeller Kontakt zu Entscheidungsträgern auf der Ebene der germanischen Stämme und Pagi.

Man musste nicht viele einweihen, die germanischen Gefolgschaften waren leicht zu mobilisieren.

Und argumentieren wir einmal ganz bequem ex post: Es hat ja funktioniert.
 
Heutzutage gibt es doch kein Geheimnis, das unentdeckt bleibt. Regierungen entsenden Leute, die Informationen sammeln. Und jetzt kommt es:
Haben nicht auch die Römer....sprich Varus.......unentdeckte Schläfer.......Informanten im cheruskischen Lager gehabt?Wieso funktioniert so etwas heute?Ist es nicht denkbar, daß die Informanten regelmäßig dem Varus berichteten....über die Stimmung im Stamm.....die Größe der pro/antirömischen Gruppen?Wir wissen doch, daß Informationen wichtig sind, über den Stamm, oder außerhalb. Und ich glaube, daß er in 3 Jahren jede Menge Infos sammeln konnte(wäre dann nicht der Wink mit dem Zaunpfahl Segestes` obsolet?
Wenn es bisher schon behandelt wurde, sorry, bin erst bei Thread ?
Und wenn der "Schläfer" - Arminius - die Römer verrät?

Ich würde davor warnen wollen, Möglichkeiten von heute, seit der Erfindung der Telegraphie, des Telefons oder des Internets mit Möglichkeiten davor zu vergleichen.

Angenommen, die Römer hätten Spione bei den Germanen gehabt: wie hätten sie diese rekrutiert? Und wie hätten diese unauffällig Kontakt mit den Römern aufgenommen? So ein Informant hätte ja gewissermaßen eine Reise zum nächsten Römerlager antreten müssen, um die Römer zu informieren. Tote Briefkästen gab es auch nicht.
Stellen wir uns mal vor, auf dem Thing wird beschlossen, das Römerlager Aliso zu überfallen. Fällt doch auf, wenn Hunwolf anstatt nach Hause zu gehen, Schild, Speer und Schwert sowie ein Butterbrot für unterwegs einzupacken und sich dem Heerbann anzuschließen nach Westen reitet und tagelang nicht gesehen wird.
 
Wieso funktioniert so etwas heute?
Weil man es professionalisiert hat, und weil es in den meisten Gesellschaften heute einen kulturellen und zivilisatorischen Rahmen gibt, der das auch zulässt.

Natürlich wird es immer irgendwo Überläufer gegeben haben, die man ein paar unsystematische Informationen übermittelt haben, aber professionelle, aktive Spionage, erfordert neben den angesprochenen sozialen Strukturen dann eigentlich auch technische Möglichkeiten in der informationserfassung, - Verarbeitung und Übermittlung, die erst seit dem vergangenen Jahrhundert aufgekommen sind, oder die vielleicht in Ansätzen im 19. Jahrhundert implementiert wurden.

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Datenerfassung&Übermittlung:

Heute ist es ja so, dass alle möglichen Daten in Regierungsorganisationen zusammenlaufen und gespiechert werden, womit Spione das vielfach nicht selbst zusammentragen müssen, sondern gegebenenfalls das bereits von anderer Seite Zusammengetragene anzapfen und übermitteln können.
Nun gab es eine derartige Organisation im Germanien der beginnenden römischen Kaiserzeit nicht und die Informationslage der cheruskischen Anführer dürfte selbst eher prekär gewesen sein.
Aufbau eines größeren spionagenetzwerkes in einem nicht wirklich pazifizierten Gebiet, in dem kein einigermaßen gefahrloses Reisen möglich ist und ohne genügend Personen zur Hand zu haben, die Sprache und Gebräuche kennen und mit der lokalen Bevölkerung in Kontakt treten können, ist auch schwierig.
Und dann ist da natürlich noch das Problem mit der Übermittlung. Seit dem Aufkommen, der optischen und später der elektrischen Telegraphie als alphabetbasiertem System und entsprechenden Verschlüsselungen, die es erlauben, relativ komplexe und präzise Berichte sicher innerhalb kürzester Zeit zu übermitteln, gibt es natürlich das Problem mit den unklaren Angaben und dem Delay nicht mehr so stark.
Aber in der Zeit berittener Boten (die sich ggf. in schlecht bekanntem Territorium auch mal verlaufen oder in nicht pazifiziertem Territorium überfallen werden), konnte es natürlich leicht passieren, dass die Informationen, in dem Moment, in dem der Empfänger sie bekam schon veraltet waren.
Seine eigenen Aktionen an veralteten Informationen auszurichten kann militärisch aber ziemlich schief gehen.
Und dann kommt natürlich noch hinzu, dass es keine umfangreichen Explorationen, Kartographien oder Vermessungen von Seiten der Römer im Großteil der germanischen Gebiete abseits der römischen Stützpunkte gab, was natürlich den Wert von Informationen senkt.
Zu wissen, dass irgendwo ein Aufstand stattfindet oder Truppen dafür zusammengezogen werden, ist das eine, nutzt aber militärisch nicht viel, wenn man den genauen Standort und die Bewegungsgeschwindigkeit des Feindes, mindestens an Hand grober Landmarken nicht einigermaßen präzise einschätzen kann.

Zivilisatorischer/Kultureller Rahmen:

In erster Linie sind für Spionagenetzwerke ja Dissidenten innerhalb eines gegnerischen/feindlichen Landes interessant, wenn man entsprechende Kooperationen aufbauen möchte.
Das funktioniert aber natürlich nur deswegen, weil es in den meisten Gesellschaften (auch in denen, die sowas wie Menschenrechte/Grundrechte eher nicht anerkennen) mittlerweile einen Konsens gibt, dass Dissidenten, so lange sie nicht potentiell gefährlich sind, in der Regel nicht einfach umgebracht oder vertrieben werden und sei es nur um eine Beschädigung des eigenen internationalen Ansehens zu vermeiden.

Aber die germanischen Stammesgesellschaften funktionierten da ja nach etwas anderen Gesetzmäßigkeiten, zumal Dissidententum ja in der Regel so etwas wie organisierte und einigermaßen verlässliche Macht- und Gesellschaftsstrukturen vorraussetzen, die Abwendung einzelner, sich benachteiligt sehender oder moralisch nicht einverstandener Gruppen vom System produzieren können.

Dissident zu werden, und mit ausländischen Mächten gegen die eigene Regierung zu konspirieren ergibt ja vor allem dann einen Sinn, wenn eine Person zu dem Schluss kommt, Dinge, die ihr falsch erscheinen von innerhalb des Systems nicht mit legalen oder jedenfalls als legitim betrachteten Mitteln zu beeinflussen und ändern zu können, weil die Machtstrukturen als übermächtig empfunden werden.
Nun dürften die Machtverhältnisse innerhalb der germanischen Stammesgesellschaften allerdings, weil das keine organisierte Herrschaft und kein festes politisches System war, sondern vom Ansehen einzelner Personen und der Stärke ihrer jeweiligen Klientelverbände abhing, hoch fluide gewesen sein und offene Kämpfe um die Macht als legitim gegolten haben.

Wenn aber die Machtverhältnisse fluide sind, sind auch die Gruppen, die damit ggf. nicht einverstanden sind hoch fluid, was es schwierig machen dürfte stabile Dissidentennetzwerke aufzubauen, die konstant an Informationsbeschaffung arbeiten.
Zudem stellt sich natürlich auch die Frage, nach der Handlungslogik in solchen Stammesgesellschaften, auf Seiten derer, die mit den vorhandenen Verhältnissen nicht einverstanden sind.

Wenn z.B. das Herausfordern und Besiegen des aktuellen Anführers im Zweikampf oder dessen Ermordung die Machtverhältnisse in einer Gesellschaft komplett umdrehen können, weil sie nicht durch Institutionen organisiert ist, die über den Tod eines Machthabers hinaus funktionieren, sondern durch Personenverbände, Clanstrukturen und Klientelverhältnisse organisiert ist, dürften Unzufriedene zum Teil ganz andere Methoden der Konspiration mit auswärtigen Mächten vorziehen, die dürfte erst interessant werden, wenn die anderen Methoden versagt haben.
Vorrausgesetzt, die Unzufriedenen überleben das Versagen der anderen Methoden irgendwie und fallen nicht der Rache zum Opfer.


Ich würde meinen, ausgefeilte, großflächige, professionelle Spionage/Sabotage setzt technische und kulturelle Fundamente vorraus, die in der Römischen Kaiserzeit zumindest im Barbaricum nicht vorhanden waren.
 
Zuletzt bearbeitet:
Heutzutage gibt es doch kein Geheimnis, das unentdeckt bleibt.

Also mir ist eine Reihe von Anschlägen, Verschwörungen und Offensiven auch aus der jüngsten Geschichte bekannt, wo der Überraschungseffekt funktioniert hat.


Und jetzt kommt es:
Haben nicht auch die Römer....sprich Varus.......unentdeckte Schläfer.......Informanten im cheruskischen Lager gehabt?Wieso funktioniert so etwas heute?Ist es nicht denkbar, daß die Informanten regelmäßig dem Varus berichteten....über die Stimmung im Stamm.....die Größe der pro/antirömischen Gruppen?

Welches "cheruskische Lager"? Die Brüder Arminius und Flavus gehörten zum Kern der prorömischen Gruppe, sie waren Offiziere im römischen Dienst und hatten offenbar sogar das römische Bürgerrecht.
 
Selbst unschuldige Geheimnisse sind ab heute für Überraschungseffekte nützlich :cool:

Es gibt z.B. politische Lager. Gleichwohl gibt es Leute,die allgemein gebräulichen Redewendungen einer kritischen Würdigung unterziehen, wobei Kritik um der Kritik willen sich meiner Einsicht entzieht.
Ich hätte schreiben müssen, nein, es wäre meine Pflicht gewesen, Lager wie Mittelalterlager ,Pfadfinderlager, sowie Lager für Lageristen ausdrücklich auszunehmen.
 
Entschuldige, Shinigami, "wieso funktioniert das heute"...war gemeint wie: heute funktioniert so etwas, warum damals nicht als aktive oder passive Informationsbeschaffung bei Varus?(naja, vielleicht funktioniert es , nur nicht so richtig). Natürlich hatte Varus seine Auswahl an Minox in Rom gelassen, aber glaubst Du wirklich, Informationsbeschaffung existierte bei den Römern noch nicht?Du unterschätzt sie;sie haben es geschafft, sogar Dir das Märchen von den unfähigen Spionen zu unterschieben :cool:
 
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Für meine Gedanken ist es wichtig zu überlegen, daß Informationsbeschaffung beidseitig verlief. Möge man mir erklären, warum ein Cherusker für Geschenke nicht empfänglich war, um Infos aus dem Cheruskerlager zu erzählen.
Die Bemerkung über diese heimlichen Briefkästen ist wie Adlern einen USBstick an die Krallen zu heften.
Und wie man Infos heimlich austauscht, bedarf es keiner großen Phantasie, es sei denn, ein mißglückter Thing, Lippenstift am Beil als Info oder hohle Bäume.
 
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Für meine Gedanken ist es wichtig zu überlegen, daß Informationsbeschaffung beidseitig verlief. Möge man mir erklären, warum ein Cherusker für Geschenke nicht empfänglich war, um Infos aus dem Cheruskerlager zu erzählen.
Die Bemerkung über diese heimlichen Briefkästen ist wie Adlern einen USBstick an die Krallen zu heften.
Und wie man Infos heimlich austauscht, bedarf es keiner großen Phantasie, es sei denn, ein mißglückter Thing
Du kannst davon ausgehen, dass das meiste an Informationsbeschaffung über Späher verlief. Ggf. auch über Leute wie Inguiomer, Arminius oder Flavus. Da erfuhren die Römer dann etwas über die Verhältnisse bei den Germanen, ggf, auch über Lage von Sieldungen und Siedlungsgrößen, über Furten oder dergleichen. Aber Spionage ist nicht vorstellbar, siehe dazu den Beitrag von @Shinigami. Es gab enfach nichts, was man ausspionieren konnte und die Übertragungsmöglichkeiten waren auch nicht gegeben. Hunwolf konnte weder schreiben noch verfügte er über Brieftauben.
 
Die Meinung innerhalb einer Gruppierung ist manchmal wichtiger als eine Furt zu kennen. Dazu muß ich nicht Dingliches wissen, eher sind Meinungsmehr- oder minderheiten interessant. Wenn Spionage nur die Angelegenheit von Technik wäre, mag sein.Das nicht sein kann, was nicht sein darf....so ähnlich?
 
Ist euch sicher klar, weshalb ich das Thema überhaupt anschneide?
Wir glauben mehrheitlich, so lese ich es im Forum, daß Varus nicht dumm war. Angesichts der Tatsache, daß die Kriegshandlungen wie immensum
bellum bzw. Tiberius Unternehmungen nicht lange zurücklagen, muß ich schon sehr vorsichtig sein und versuche, so viel wie möglich Infos über einen befriediten(befreundeten Stamm zu erlangen. Bin ziemlich sicher, daß schon vor 2000 Jahren Vorsicht sinnvoller war als ohne zu sterben.
Für so etwas gibts keine Quelle, frage mich aber, ob Varus so vorsichtig war oder nicht. Deshalb kann es sein, daß Segestes obsolet war, da Varus über pro- und antirömische Strömungen informiert war. Ich kann es auch anders sagen: Er wußte, daß etwas rumorte.
Ist es tatsächlich belastbar, Varus Leichtfertigkeit zu unterstellen?Hätte er positive Kenntnis vom Rumoren haben können?Ich finde, ob Varus zumutbar Kenntnisse erwerben konnte. wäre zu überlegen
 
Um zu ahnen, dass nicht alle Cherusker mit der Römerherrschaft glücklich waren, brauchte Varus keine Spione, das konnte er sich vermutlich auch so denken. Unzufriedene gibt es immer.
Und sonst? Die Krux war ja, dass er ausgerechnet von denen verraten wurde, die als prorömisch eingestuft wurden. Wenn man einem Hilfstruppenführer, der nicht nur mit dem römischen Bürgerrecht, sondern sogar mit der Ritterwürde geehrt worden war und sich offenbar über Jahre hinweg als zuverlässig und loyal erwiesen hatte, dazu noch einer Familie entstammte, die von den Römern geehrt und gefördert wurde, nicht trauen kann, wem dann?
 
Daß es Unzufriedene immer gibt, ist Tautologie und interessiert hier nicht. Interessant ist, wieviel es davon gab.
Jemandem trauen, unter den Varusvoraussetzungen? Der Mann, so hoffe ich, hatte kein naives Vertrauen. Ravenik, tut mir leid, das Argument kann ich nicht nachvollziehen. Aber ich stelle fest: Tacitus erwähnt Segestes als Warner und Velleius ebenfalls. Das stelle ich nicht in Frage. Es geht darum, ob Varus sonstige Quellen hatte, die ihn warnten, und warum er dennoch losmarschierte. Segestes wäre in diesem Fall ein zusätzlicher Warner gewesen, das meine ich mit obsolet.Velleius in seiner Philippika charakterisiert Germanen als falsch, Lügner, Wildheit. Ich kann nicht umhin anzunehmen, daß im Jahr 9 im römischen Bereich dieselben Überzeugungen herrschten.
Im Forum ist schon über Varus als Kommandieremden in der Breite diskutiert worden. Bischen weiter gedacht: auf was stütze er sich bei der Abmarschentscheidung?
 
Wenn Varus Segestes nicht glaubte, was hätten ihm dann noch irgendwelche zweifelhaften Berichte irgendwelcher zweifelhafter Spione bringen sollen?
(Er hätte ihm ja nicht einmal glauben müssen, es hätte schon gereicht, wenn er eine gesunde Portion Skepsis gegenüber Arminius entwickelt hätte.)
 
Zuletzt bearbeitet:
Natürlich hatte Varus seine Auswahl an Minox in Rom gelassen, aber glaubst Du wirklich, Informationsbeschaffung existierte bei den Römern noch nicht?
Das habe ich nicht geschrieben, ich habe geschrieben, dass es jedenfalls gegenüber den germanischen Gruppen kaum möglich gewesen sein wird, mit Spionage/Spionagenetzwerken im modernen Sinne zu arbeiten, weil die gesellschaftlichen Strukturen dem einfach widersprachen.

Bei den teilweise völlig anders organisierten Zivilisationen im Mittelmerraum, mag das in Teilen schon anders ausgesehen haben.

Die waren zum Teil in formellen Staatswesen mit mal mehr, mal weniger stabiler Hackordnung organisiert, da war auch Schriftlichkeit und Sammlung von Informationen, die man ggf. anzapfen konnte ggf. vorhanden und natürlich existierte da zum Teil auch wesentlich mehr Wissen über die geographischen Gegebenheiten von römischer Seite, als in einem erst kürzlich für das Imperium beanspruchten und noch nicht durchdrungenen Teil des Barbaricums.
Außerdem spielte für Nachrichtenübermittlung natürlich das Verkehrsaufkommen eine Rolle. Nachrichten zirkulieren sehr schnell, wo, vor allem zu Handelszwecken Personen aus verschiedenen Gegenden zusammenkommen.

Informationsbeschaffung etwa über Vorgänge in Athen oder Alexandria oder Karthago, wird in ganz anderem Maße möglich gewesen sein, als unter den völlig anderen Bedingungen bei den germanischen Gruppen.

Einfach weil die Nachrichtenwege höher frequentiert und zuverlässiger waren, weil eine andere Kultur im Umgang mit Information vorhanden war und auch weil die antike Staatenwelt des Mittelmeerraums, auch wenn Clan- und Klientelbeziehungen wichtig blieben, anders und tendenziell stabiler und dauerhafter strukturiert war, was die Produktion von Dissidenten, die für Konspiration empfänglich sind gefördert haben dürfte.
Wenn die Verhältnisse ständig in Bewegung sind und jederzeit von diversen Akteuren komplett gekippt werden können, braucht niemand Dissident werden und sich auf die Unterstützung einer fremden Macht verlassen, sondern dann kann er auf eigene Rechnung agieren.
Die fremde Macht wird erst dann benötigt, wenn überpersonale Strukturen vorhanden sind an denen eine Person verzweifelt und die abzuschaffen sie sich ohne Hilfe von außen nicht zutraut.
 
Was sind wohl Situations- oder Lageberichte?Keine Wetterberichte.
Und weshalb nur Skepsis?Darauf will ich doch hinaus, worauf baut sie?In einem unsicheren Gebiet bin ich blind.
Und die Germanen sind tumb, kennen nicht den Austausch von Nachrichten. Kein Vergleich mit heute.
 
Und die Germanen sind tumb, kennen nicht den Austausch von Nachrichten.
Das hast Du sicher ironisch gemeint, nicht wahr?

Die germanischen Stämme wussten sehr wohl was ihre Nachbarn so trieben, und sie waren offen für neue Technologien.
Im heutigen Mittel- und Ostdeutschland, in Böhmen, Mähren und Polen gab es eine ausgedehnte Metallverarbeitung. Der Handel mit dem Baltikum lief über das freie Germanien.

Und, halt, war Marbod nicht auch ein germanischer Herrscher?
 
"wieso funktioniert das heute"...war gemeint wie: heute funktioniert so etwas

Es war damals wie heute: Mal funktioniert es, mal funktioniert es nicht. Manche Verschwörungen fliegen vorzeitig auf, bei anderen halten die Verschwörer dicht, bis sie zur Tat schreiten. Dass es Stauffenberg gelungen ist, am 20. Juli 1944 die Bombe im Führerhauptquartier zu zünden, liegt nicht daran, dass Hitler es total verschwitzt hat, sich um Überwachungs- und Spitzeldienste zu kümmern.

Ich hätte schreiben müssen, nein, es wäre meine Pflicht gewesen, Lager wie Mittelalterlager ,Pfadfinderlager, sowie Lager für Lageristen ausdrücklich auszunehmen.
Dass Du Mittelalterlager und Pfadfinderlager ausschließt, war mir schon klar. Ich hätte halt gern gewusst, was Du Dir unter dem "cheruskischen Lager" genau vorstellst.


Velleius in seiner Philippika charakterisiert Germanen als falsch, Lügner, Wildheit.
Hinterher ist man natürlich immer schlauer.


Deshalb kann es sein, daß Segestes obsolet war, da Varus über pro- und antirömische Strömungen informiert war. Ich kann es auch anders sagen: Er wußte, daß etwas rumorte.

Wir wissen nicht, ob Segestes tatsächlich Varus vor Arminius gewarnt hat. Tacitus zufolge hat Segestes jedenfalls an den Kampfhandlungen gegen Varus teilgenommen. Einige Jahre später kam es zum offenen Konflikt zwischen Segestes und Arminius. In dieser Situation suchte Segestes das Bündnis mit den Römern und behauptete, er sei schon immer prorömisch gewesen und habe sogar Varus vor Arminius gewarnt, doch der habe leider nicht hören wollen. Das kann man glauben oder nicht.

Auch unter der Annahme, Segestes habe tatsächlich versucht, Varus zur Verhaftung des Arminius zu überreden, brauchen wir dem Varus keine Naivität zu unterstellen. Er wusste möglicherweise, "dass etwas rumorte", er wusste möglicherweise sehr wohl Bescheid über die Rivalität zwischen Segestes und Arminius, und er könnte folglich eine Intrige des Segestes vermutet haben.
 
Ohne die spätlatènezeitlichen Gesellschaften mit den germanischen Stämmen gleichsetzen zu wollen: Cäsar spricht im Gallischen Krieg davon, dass es in allen Stämmen Parteien gäbe (V,11-12), besonders ausführlich schildert Cäsar das Klientelsystem im ersten Kapitel am Beispiel von Orgetorix (I,2-4). Cäsar widmet viel Zeit der Diplomatie und Stammespolitik - er macht sich - oder versucht es - zum mächtigsten Klientelherren in Gallien, in ein gewachsenes politisches Sytem zu integrieren (sein Plan scheitert letztlich am Vercingetorix-Aufstand).

Zur Spionage gibt es eine interessante Anekdote: Der Suebe Ariovist lässt Unterhändler Cäsars, einen südgallischen Adeligen (den Helver Procillus) und Marcus Metius mit dem Vorwurf der Spionage verhaften. Procillus sollte sogar hingerichtet (verbrannt) werden, nur ein glücklich gefallenes Los ersparte ihm dies Schicksal. Procillus / Troucillus diente als Vertrauter und Hospes als Dolmetscher und Diplomat - es gibt jedoch auch Vermutungen, dass Ariovists Vorwurf begründet sein könnte. Beide Unterhändler waren (möglicherweise) Teil einer diplomatischen Mission Roms in 60 v.Chr. zu Ariovist, bei der dieser den Titel Freund des römsichen Volkes erhalten hat (amici populi romani).

Zitat: John H. Collins, „Caesar als politischer Propagandist“, in Aufstieg und Niedergang der römischen Welt 1.1 (1972), S. 930 : „Man kann sich des Eindrucks kaum erwehren, dass wir, wenn wir einen unabhängigen Bericht über den Vorfall von germanischer Seite hätten, erfahren würden, dass das Verhalten der Gesandten diplomatisch nicht ganz so korrekt war, wie Caesar es dargestellt hat“; siehe auch NJE Austin und NB Rankov Exploratio: Military and Political Intelligence in the Roman World from the Second Punic War to the Battle of Adrianople (Routledge, 1995), S. 55.
 
Ich würde Auskundschaften und Spionage ("under cover") voneinander trennen. Die Gesandten waren deutlich für alle als Gesandte erkennbar. Was Bockstein skizzierte wären eher IMs gewesen, die ihre Kollegen ausspähten.
 
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