Warum kleine Feldheere in der Spätantike?

Werder

Neues Mitglied
Hallo zusammen,

ich habe da ein Thema, bei dem ich immer noch Schwierigkeiten habe, es zu begreifen. :grübel:

Wie im Titel erwähnt geht es mir um die Frage, warum Rom in der Spätantike nur noch in der Lage war, vergleichsweise kleine Feldheere zu stellen. Ich habe da schon einiges gelesen, lasse die Frage aber mal bewusst offen stehen.

Bin gespannt auf Eure Meinungen :winke:

Grüße!
 
"Point d'argent – point de Suisse", so lautete ein geflügeltes Wort im 16. Jahrhundert.

Tipp zur weiteren Recherche: In welchen Provinzen lagen die (West-)Römischen Gold- und Silbervorkommen?
 
Was verstehst du unter Spätantike? Und was meinst du mit vergleichsweise klein? Die Expeditionsheere eines Diocletian, Constantin I oder Julian waren eigentlich nicht unterdimensioniert. Das größte kaiserliche Heer das mir bekannt ist, war die Invasionsarmee des Tiberius gegen Marbod aus 2x6 Legionen plus Auxilia. Da kommt Constantins Feldarmee im Bürgerkrieg aber schon nahe ran. Größer waren nur noch wenige Bürgerkriegsarmeen der Triumviren und ihrer Gegner mit 17-19 Legionen, die aber eher nicht Sollstärke hatten.

Die Ursachen für die Verkleinerung der Heere unterscheiden sich m.E. im 4ten und 5ten Jahrhundert und abhängig vom Reichsteil. Also worüber reden wir?

Und wenn wir die Notitia Dignitatum ernst nehmen würden, dann hätte es sogar gar keine Verkleinerung von Armeen geben dürfen. Das Grundproblem ist, daß sich auch unsere antiken Quellen in der Sollstärke der gesamten römischen Armee widersprechen. Und so auch die modernen Schätzungen. Das geht von 450.000-650.000 Mann. Auch die Zahlen zu einzelnen Expeditionsarmeen sind mit Vorsicht zu geniessen. Warum aber Valens laut Peter Heather vor Adrianopel nur 15-20.000 Mann ins Feld geführt haben soll, werde ich auch nie verstehen.
 
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Zu klären wäre auch die Frage, was Werder unter Feldheer versteht...
Die mobile Reserve der Spätantike in Form der Comitatenses?
Oder explizit die zur Schlacht aufgestellte Armee?
Oder das für einen Feldzug zusammengestellte Exercitus?

Ich persönliche sehe nämlich keine Verkleinerung der Römische Armee (bis Ende 4.Jahrhundert). Die Römische Armee war nie so groß wie in der Zeit der Notitia!

Zur Größe der zur Schlacht aufgestellten Armee ist noch die magische Zahl 30.000 zu nennen. Die meisten Antiken Autoren waren sich einig, dass eine größere Anzahl an Schwerbewaffneten in der Schlacht nicht mehr zu kontrollieren seien und somit zuzüglich Leichtbewaffneter und Kavallerie die Obergrenze für die Heeresgröße makieren.
 
Ein Heer das größer als 20-30.000 Mann ist kann ohnehin nicht gemeinsam marschieren, sonst sinkt die Marschleistung auf bis zu 5km/Tag. Nachzulesen in der sehr detaillierten Analyse von Steve Kaye, Observations on marching Roman legionaries: velocities, energy expenditure, column formations and distances (October 2013).

Das hindert einen Kommandanten natürlich nicht verschiedenene Marschkolonnen zu bilden. Getrennt marschieren, vereint schlagen ist keine moderne Erfindung. Sowohl Saturninus in Germanien, als auch Tiberius in Pannonien müssen damals also mehrere Armeen gebildet haben, als sie gen Böhmen marschierten.

Die magische Zahl der griechischen Militärtaktiker ist meines Wissens 16.000, wenn ich mich korrekt an Scheuerbrandts Dissertation "Exercitus" erinnere. Das korreliert auch mit Kayes Untersuchungen zu Marsch und Logistik, bei der auch 16.000 der Optimalwert ist. Nunja mit 2 Kolonnen wären wir dann bei 32.000.

Einige Expeditionsheere des 4ten Jhdts waren aber sehr wohl im Bereich 60.000 und mehr. Gerade bei Feldzügen gen Osten.
 
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Stimmt, es waren 16.000.... woher ich die 30.000 habe kann ich auch gerade nicht beantworten.

Scheuerbrandts Dissertation kann ich zu dem Thema auch wärmstens empfehlen.

Mit den 60.000 waren dann aber eher die gesamten Truppen des Kriegstheaters, aufgeteilt auf mehrere Kolonnen gemeint, oder?
 
Mit den 60.000 waren dann aber eher die gesamten Truppen des Kriegstheaters, aufgeteilt auf mehrere Kolonnen gemeint, oder?

Da müsste ich jetzt nachschlagen. Julian ist wohl mit 60.000 Mann gen Ctesiphon gezogen. Allerdings hatte er dazu eine Flotte mit über 1000 Schiffen gebaut, womit sich das Thema Kolonnen erledigte. Zumindest bis er vom mittleren Euphrat nach Ctesiphon am Tigris marschieren musste.

Andere römische Heere marschierten in 2 bis 3 Kolonnen in Mesopotamien ein. Über Armenien und aus Syrien kommend. Die Parther / Perser nutzen das gerne mal aus, indem sie eine der Kolonnen massiert angriffen und vernichtend schlagen konnten. Für Kavalleriearmeen gelten etwas andere Gesetze. Die hat Kayes leider nicht durchgerechnet.
 
Andere Heere wie derselbe Julian bei Strassburg gegen die Alemannen schauen natürlich etwas klein aus. Es waren vielleicht nur 13.000 Mann. Die Zahlen sind auch hier nicht klar.

Meines Wissens musste Julian aber verfrüht noch im Winter losziehen und hatte so seine Verstärkungen verpasst. Am Ende hats aber gereicht. Zu dieser Zeit waren zumindest die besseren römischen Armeen wie der kaiserliche Comitatus einem Barbarenheer in Disziplin, Ausbildung und Ausrüstung noch so weit überlegen, daß sie auch eine Übermacht wirksam bekämpfen konnten. Das blieb eigentlich so bis zur Schlacht am Frigidus, bei der "Theodosius The Little" den Kern des weströmischen Heeres vernichtete.
 
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Das blieb eigentlich so bis zur Schlacht am Frigidus, bei der "Theodosius The Little" den Kern des weströmischen Heeres vernichtete.

Japp, völlig unnötiges Blutbad am Frigidus.

Für Julians Zug ist der Euphrat vielleicht auch das richtige Stichwort.
Flüsse spielten für die Römische Logistik immer eine wichtige Rolle.
Eventuell wurde diese Masse an Truppen (60.000) durch die guten Versorgungsmöglichkeiten über den Euphrat erst ermöglicht?

Gut möglich das aufgrund von schlechteren logistischen Umstände eine größere (oder eine besser getimte) Massierung von Truppen in Straßburg nicht möglich war?
Am Ende hats zwar gereicht, es war zwischendurch aber schon eine knappe Angelegenheit. Gerade die Kataphrakten haben erstklassig versagt, sodass die römische Infanterie nochmal zeigen musste was sie kann... von wegen Barbarisierung und nachlassende Qualität!
 
Eventuell wurde diese Masse an Truppen (60.000) durch die guten Versorgungsmöglichkeiten über den Euphrat erst ermöglicht?

Andere römische Armeen gleicher Größenordnung sind auch zu Fuß bis Ctesiphon gekommen. Allerdings wohl eher in separierten Kolonnen. Euphrat und Tigris hatten dabei sicher immer eine große logistische Bedeutung.

Julians Armee war dahingehend anders, daß sie gar nicht marschiert ist, sondern komplett oder zumindest zu großen Teilen eingeschifft wurde.
 
Wie schon angesprochen wurde, gab es auch in der Spätantike noch große Heere. Man sollte außerdem bei einem Vergleich fair bleiben: Auch während der Republik und in der frühen Kaiserzeit führten die Römer nur selten Massen wie bei Cannae oder Carrhae sowie mitunter in den Bürgerkriegen ins Feld. Die Mehrzahl der Feldzüge gegen äußere Gegner wurde mit eher überschaubaren Heeresgrößen geführt.

Falls der Threadersteller die Zeit Iustinians meinen sollte, muss man unterscheiden: Grundsätzlich war die oströmische Armee seiner Zeit laut Agathias 150.000 Mann stark, wovon allerdings der Großteil in Garnisonen steckte. Die bekannten Feldzüge von Feldherren wie Belisar und Narses, bei denen ihre Heere teilweise tatsächlich eher bescheiden (15.000-25.000 Mann) waren, wurden aber nicht mit diesen Truppen geführt. Diese Feldherren waren Kriegsunternehmer, die eigene Privattruppen (Bucellarii) unterhielten, die durchaus mehrere tausend Mann stark sein konnten, aber natürlich war die Größe aus finanziellen Gründen begrenzt. Diese Truppen wurden im Bedarfsfall von angeworbenen oder gemieteten Kontingenten aus dem In- und Ausland und Verbänden, die verbündete andere Heerführer und auch Germanenfürsten stellten, ergänzt. Finanziert wurden diese Heere mitunter vom Feldherrn zunächst selbst, bis irgendwann dann doch mal Geld vom Kaiser eintraf. Riesenheere konnten auf diese Weise natürlich nicht aufgestellt werden. Allerdings wurden ohnehin kaum noch große Feldschlachten geschlagen, sondern eher Städte und Festungen belagert und genommen, wofür Riesenheere aus Versorgungsgründen ohnehin ungeeignet gewesen wären.
 
Wie gesagt, die genauen Zahlen kennen wir nicht. Aber nehmen wir z.b. mal diese hier aus dem englichen Wikipedia zur Late Roman Army, und schauen uns die Truppen des Magister Militum per Orientem in Antiochia an.

https://en.wikipedia.org/wiki/File:East_Roman_army_command_structure.svg

Das sind grob 60.000 Mann im Osten. Im frühen Prinzipat standen in Syrien 4 Legionen plus Auxilia, etwa 40.000 Mann (Sollstärke), dazu kamen sehr viele Auxilia in Cappadocia (später auch eine Legion) und einige Auxilia in Palaestina. Zusammen wohl auch nicht viel mehr als 60.000 Mann. Nur waren die halt vollkommen anders verteilt und hatten eine andere Kommandostruktur.

Die gleiche Rechnung könnten wir jetzt auch für die untere Donau aufmachen. Der Magister Militum per Thracias und ein Legatus Augusti pro Praetore des Exercitus Moesiae im 2ten Jhdt. hatten vergleichbare Truppenstärken. Wenn wir nicht gerade Trajans Dakerfeldzug heranziehen.

Auf dem Papier kann ich also bei aller Unschärfe solcher Kalkulationen keinen großen Unterschied ausmachen. Erst wenn wir uns die letzten 80 Jahre des WRE anschauen, wird das anders. Und selbst da gabs noch 451 AD die Schlacht auf den katalaunischen Feldern. Höchstens 50% Römer, aber immerhin konnte Aetius nochmals ca. 50-60.000 Mann gegen die Hunnen und ihre Vasallen ins Feld führen.

Auch das Expeditionsheer der Römer in Africa war den Vandalen weit überlegen. Wenn dieser Kommandeur seine Truppen einfach nur angelandet hätte, anstatt auf die Brander der Vandalen zu warten.
 
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