Was beinhaltet die Dekadenztheorie als Ursache für das Ende des römischen Reiches?

_moritz_

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Hi!

Was beinhaltet die Dekadenztheorie und das sozioökonomisches Erklärungsmodell als Ursache für das Ende des römischen Reiches?

Weiß das jemand?

ich habe bereits im Internet recherchiert. Ich bräuchte am besten eine kurze Definition und ganz kurz den wichtigsten Inhalt.

vielen dank

mfg
moritz
 
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ich meine Imperium Romanum, so stehts bei mir auf dem Zettel.
Ich dachte damit ist dann das Römische Reich gemeint.
 
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Wohl eher für das Ende der Antike, als für das Ende der Republik. Das Ende des (weströmischen) Reichs markiert zugleich auch das Ende der Antike. Der Dekadenztheorie liegt die Auffassung zugrunde, dass die Antike bei ihrem Ausgang ihre Lebenskräfte verbraucht habe. Der Prozeß setzte im 3. Jahrthundert ein und setzte sich im 4. fort. Das Ende der Antike war identisch mit der Verwandlung der Antike, die sich in dieser Zeit vollzog und die Verwandlung war Dekadenz.

Diese "Dekadenz" ließ sich aber ganz verschiedenartig veranschaulichen, und es haben verschiedene Historiker ganz unterschiedliche Theorien angeführt. Zu den bekanntesten gehören Gibbon, Oswald Spengler, Arnold Toynbee, aber auch Gobineau.

In the History of the Decline and Fall of the Roman Empire stellte Eduard Gibbon die These auf, dasss das Christentum die Lebenskraft der antiken Welt aufgesaugt habe. Gibbons Theorie spielte bis ins 19. Jahrhundert eine Rolle in der Geschichtswissenschaft. Das gegenstück zu dieser spirituellen Theorie war die biologistische wie sie Graf Gobineau vertrat, die sich später Hitler zu eigen machte. Die biologische und rassische Degenerierung der Eliten habe den Verfall herbeigeführt. Diese Theorie galt bereits der zeitgenössischen Geschichtswissenschaft als unsinnig, erlebte aber gerade in deutschland durch die Nazis eine Wiederbelebung.

Dazwischen liegen Erklärungsmodelle, die sich auf Fakten der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Phänomene beziehen. Max Weber richtete sein augenmerk auf wirtschaftliche Probleme der antiken Welt, deren Wirtschaftssystem sich nur in den Küstengebieten des Mittelmeerraums entwickelt habe, das Hinterland aber unberührt gelassen habe. Diese schmale Basis der antiken Wirtschaftsordnung habe das System überfordert. Dagegen spricht allerdings, dass etwa Gallien zu den wirtschaftlich am weitesten entwickelten Provinzen gehörte.

Als eim einleuchtendsten hat man schließlich auch auf den Verfall der städtischen Sozialform hingewiesen, die die Grundlage der antiken Gesittung spielte. So waren zur Blütezeit des Imperiums die römischen Soldaten Träger der Romanisierung gewesen. Die Soldaten der Zeit der Reichskrise wurden oft im Grenzland geworben, und wenn sie auch nicht gerade als Barbaren betrachtet werden konnten, waren sie doch kaum in der urbanen hellenistisch- römischen Kultur beheimatet und konnten diese nicht mehr weitergeben. Historiker wie Beloch hielten bereits die Einverleibung des griechischen Ostens als Faktor für den Niedergang des Imperiums. Rostovzeff sah den Niedergang vor allem im antiken Zwangsstaat der Spätantike, der die soziale Freiheit, und mit dem Sieg des Christentums bald auch die geistige Freiheit beseitigt habe. Die Dekadenztheorie hat eine entscheidende Schwäche, denn sie macht nur Sinn, wenn die Bedeutung von Strukturwandel und "Untergang" identisch ist. Welcher Vorgang also ist mit Recht als "Untergang einer Zivilisation" zu bezeichnen und durch welche Tatsachen wird er ausgelöst?

Die "Kontinuitätstheorie" legte ihr Augenmerk dagegen auf die Kräfte des Beharrens und die Kontinuität der Antike.


Ich empfehle dir dazu Alfred Heuss "Römische Geschichte". In der 8. u. a. von Jochen Bleicken überarbeiteten Ausgabe ist im Anhang auch ein ausführlicher Teil, der den Forschungsstand wiedergibt. Auf den Seiten 500- 506 geht es um den Untergang der antiken Welt, und die Autoren erläutern dabei auch die verschiedenen Ansätze der "Dekadenztheorie", der "Kontinuitäts- und "Katastrophentheorie".
 
Ja, diese Theorie macht vor allem soziale und ökonomische Faktoren für den Niedergang des Imperiums verantwortlich wie die wachsende Inflation, den Niedergang der Städtekultur und den Zusammenbruch des antiken Wirtschaftssystems im Zuge der Reichskrise des 3. Jahrhunderts.
 
Eine Sache, die mir bei diesen Untergangstheorien immer wieder aufstößt, ist die Tatsache, dass doch "nur" das Westreich untergegangen ist. Z.B. erklärt Gibbon die Einrichtung des Mönchtum und der asketischen Orientierung als Untergangsfaktor (wohl im Anschluss an Mandevilles Bienenfabel?). Aber Klöster hat es doch im Osten viel mehr gegeben als im Westen! Und der ging nicht unter!

Allerdings gilt auch für das Ostreich, dass es eine längere Periode des Niedergangs gab dem 7. Jahrhundert; ab dem 10. erholte es sich aber wieder.

Ich füge eine Graphik von Ward-Perkins (Der Untergang des Röm.Reiches, S.130) an, wo er die Komplexität wirtschaftlicher Güter (vor allem Keramik, aber auch Münzen usw) zeitlich und räumlich aufdröselt. Richtig dramatisch ging die Wirtschaftskraft in Britannien Anfang 5. Jh. zurück, im Osten brach die Wirtschaft erst im 7. Jh ein. Zur Illustration ganz gut geeignet.
 

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Ende der Antike

Die Dekadenztheorie ist heute nicht mehr haltbar. Zumal man nicht ein einheitliches Ende der Antike festsetzen kann. Dies war von Region zu Region unterschiedlich.
 
Ein weiterer Grund für das längere Bestehen des oströmischen Reiches ist auch die Struktur. Der Osten war viel dichter besiedelt als der Westen was einen Zusammenhalt natürlich viel einfacher machte zumal die Hauptstadt Konstantinopel ja auch dort lag.
 
Im Osten kam noch dazu, dass dort eine neue Metropole geschaffen wurde, die nicht nur politisch sondern auch geographisch und wirtschaftlich ausgesprochen günstig war und dazu noch zum religiösen Zentrum eines nun christlichen neuen Roms wurde.

Wirtschaftlich ging es mit Rom im 3. Jahrhundert bergab, und scon die Tetrarchen verlegten die Residenz nach Mailand und Ravenna. Doch keine Stadt in der westlichen Reichshälfte konnte jemals wirtschaftlich, geschweige denn politisch und ideologisch auch nur im Entferntesten mit dem Nimbus Roms konkurieren, das als ideologische Größe eigentlich niemals untergegangen ist. ( Roma aetaerna)

Davon kann sich jeder Romreisende noch heute überzeugen, wenn er vom Kapitol entlang der von Mussolini angelegten Prachtstraße in Richtung Colosseum schlendert. Da ist auf drei verschiedenen Karten das Wachstum des Imperiums von der Republik vis zur größten Ausdehnung unter Trajan festgehalten. Mussolini ließ noch eine vierte anbringen, auf der die Gebietsgewinne des neuen Imperiums u. a. in abessinien festgehalten waren.
 
Nick Constable schreibt in "Das Antike Rom", dass, wenn man bestimmten Personen einen Anteil am Untergang des Römischen Reiches geben will, so komme man an Attila und Geiserich nicht vorbei. Diese beide hätten mehr zum Ende des Römischen Reiches beigetragen, als jede andere Person.

s.d.caes.
 
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