Der Althistoriker Theodor Mommsen hat Augustus’ Prinzipatsordnung nicht als Allein-, sondern als Doppelherrschaft gedeutet, die sich Senat und Princeps geteilt hätten.[28] Gegen dieses Bild wandte sich Ronald Syme, dessen 1939 erschienenes Werk The Roman Revolution vor allem aufgrund seines reichhaltigen Materials als Ausgangspunkt der modernen Augustus-Forschung gilt. Symes Darstellung war von der Ausbreitung faschistischer Bewegungen im Europa seiner Zeit geprägt. Für ihn war Augustus ein Diktator. Ähnlich wie Mussolini – nur mit entgegengesetzter, negativer Bewertung – sah Syme in seinem Aufstieg Parallelen zum aufkommenden Faschismus. Augustus’ Regime sei aus einer Revolution hervorgegangen, er selbst ein Parteimann, der gestützt auf Geld und Waffen die alte Führungsschicht beseitigt und durch eine neue ersetzt habe. Als kalkulierender Machtmensch habe er die alte, zerfallende Republik zu Grabe getragen, um unter einer scheinbar republikanischen Fassade eine Alleinherrschaft zu begründen.
Der Historiker Jochen Bleicken urteilt zwar kritisch, aber nicht abwertend über den Princeps: In der antiken Geschichte gebe es nur Alexander und Caesar, deren Leistungen sich mit denen des Augustus vergleichen ließen. Dennoch könne man ihn nicht mit diesen „Großen“ gleichsetzen, die im Grunde nur zerstörend gewirkt hätten. Augustus hingegen sei vor allem der wegweisende „Baumeister des Römischen Kaiserreichs“ und „Erzieher“ der neuen Eliten des Prinzipats gewesen.[29] Von einer Heuchelei des Augustus oder von einem Fassadencharakter seines Regimes könne keine Rede sein.[30] Dietmar Kienast sah in Augustus gar den selbstlosesten Machthaber der gesamten Geschichte.[31] Auch Klaus Bringmann zieht in seiner aktuellen Augustus-Biographie eine insgesamt positive Bilanz der Regierungszeit des ersten römischen Kaisers: Anders als Ronald Syme sieht er in dessen Leistungen den Beleg dafür, dass der Besitz der Macht für Augustus kein bloßer Selbstzweck war.