Was unterschied die frz. Revolutionsarmee von ihren europäischen Konkurrenten?

Mearzo

Neues Mitglied
hallo zusammen.

ich habe ma ne frage an euch, kann mir jemand erklären wie es sein konnte, dass die französischen truppen während der Revolution so erfolgreich waren?
grade die österreicher unterlagen ja meistens.

gut die französischen soldaten waren mehr motiviert. aber die anderen truppen waren ausgebildet und die bewaffnungen damals waren ungefähr bei allen seiten gleich.

mit freundlichen gruß mearzo
 
Drei weitere Punkte wären zu nennen:
-Armeestruktur:
die französische Armee war moderner organisiert (durch Carnot, wenn ich nicht irre) Division (Militär) - Wikipedia
-Konzeption der Kriegsführung auf strategischer Ebene:
die Koalitionsarmeen führten ihre Schlachtzüge auf der Basis eines Depotsystems; das machte sie weniger beweglich, nicht so flexibel und schnell wie die Revolutionsarmeen (speziell Napoleons Italienfeldzug zeigt diesen Unterschied); je weiter weg der Konflikt lag, umso schwieriger wurde die Organisation dieses Systems zu vertretbaren Kosten; auch waren solche Armeen sehr anfällig für indirekte Kriegsführung (Bedrohung der Versorgungslinien)
-Wehrverfassung:
die gegnerischen Armeen bestanden zu nicht unwesentlichen Teilen aus Berufssoldaten, Söldnern und Gepreßten; die menschlichen Reserven waren bei einem solchen System begrenzt und eher erschöpft; wenn es zum Kampf kam, wurden diese Soldaten zwar ebenso rücksichtslos eingesetzt, wie es die Revolutionsarmeen auch taten, aber einen Waffengang zu wagen, mußte bei solchen Voraussetzungen wohl überlegt sein; dagegen konnten auch hohe und häufige Verluste durch das System der levee en masse schneller und besser aufgefangen und ausgeglichen werden, wodurch wiederum ein aggressiveres Vorgehen unterstützt wurde
 
Aber hatte nicht erst im niederländischen Unabhängigkeitskrig 2 Jahrhunderte zuvor die Niederländer mit der neu eingeführte Lineartaktik die Spanier mit ihrer Kolonnentaktik (oder zumindest eine ähnliche Gefechtsaufstellung) vernichtend geschlagen?

Oder gibt es einen gravierenden Unterschied zwischen der Kolonnentaktik und der damals vorherrschenden Taktik, mehrere Blöcke mit Pikenieren und Arkebusenschützen einzusetzen?
 
danke für die erklärungen. :yes:

aber lassen sich dadurch auch die hohen verlustzahlen auf alliierter seite erklären? immerhin war es nur den russlandfeldzug zu verdanken, dass sich die verluste relativ anglichen.:grübel:
 
Die "hohen Verlustzahlen" auf alliierter Seite solltest du nicht Überbewerten, das hat auch weitere Gründe. Anfangs (Revolutionskrieg) waren die alliierten Verluste deutlich geringer als die der Franzosen! Grund? Die Alliierten benutzen gut gedrillte, stehende Heere aus Berufsarmeen. Der einzelne Soldat war ein weit effektivierer "Waffenträger" als vermutlich jeder Revolutionssoldat! Die ersten französischen Siege waren Triumphe der größeren Zahl, der besseren Motivation und der Fähigkeit Verluste schneller und wenigstens Adäquat wieder auszugleichen.

Das Stichwort hierzu ist die "Massenarmee", die "Levée en masse"
Levée en masse - Wikipedia

Überspitzt gesagt führte nach einiger Zeit des Abnutzungskrieges die französische Armee mit hoch motivierten, patriotischen jungen Männern, die ihr Waffenhandwerk zunehmend besser verstanden, Krieg gegen eine zusammengeschmolzene Armee von ältlichen, teils gepressten Soldaten die dem Rohrstock gehorchten und die ihre Verluste nicht mehr Adäquat ausgleichen konnte. Die Alliierten hatten nicht mehr die Zeit den Ersatz so gut auszubilden, wie es in den alten, stehenden Heeren gewesen war. Der eigenen, patriotischen Gesinnung des Volkes, traute sogar der König von Preußen 1813 seinen Untertanen nicht recht. Die Angst blieb präsent, dass die Waffen, welche man den Untertanen gab sich später in einer Revolution gegen sie selbst richten könnten....

Für die Kolonnentaktik brauchte es eben motivierte und ausreichend ausgebildete Soldaten. Bei der französischen Kolonnentaktik war es auch wichtig, diese durch die Tirailleurs abzuschirmen, da direktes Feuer in Kolonnen sehr tötlich sein konnte. Für die Tirailleurtaktik kommen aber nur gute Soldaten in Frage, die auch selbstständig Handeln und Entscheiden können und über eine vergleichsweise sehr hohe Moral verfügen. Mit den Soldaten der alten stehenden Heere der Alliierten war das undenkbar! Die teils gepressten Männer hätten allzu leicht desertieren können.

Nicht zuletzt ermöglichte die Massenarmee auch das Streben der Offiziere und Generäle nach einer "Vernichtungsschlacht". Das war ein Mittel, das mit alten Armeen nur unter guten Verhältnissen gewagt wurde. Statt dessen verließ man sich auf Märsche, ein System von Festungen und Nachschubmagazinen um selbst mobil zu bleiben und dem Gegner eigene Bewegungen zu erschweren. Genau diese Strategie war aber gegen Massenheere völlig Unbrauchbar! Die Revolutionsarmeen lebten aus dem Lande (eine vornehme Umschreibung von systematischen Plünderungen), konnten ganze Landstriche kahlfressen und waren daher deutlich beweglicher als eine Armee, die alle Versorgungsgüter langsam mit einem Tross aus Wagen hinter sich her führte. Diese Strategie entwertete taktisches Ausweichen und Märsche die sich auf Magazine stützen konnten, sowie die Festungen zur Landesverteidigung. Die veraltete Strategie der stehenden Heere basierte auf den Erfahrungen des 30-jährigen-Krieges, als letztlich das Umland leer gefressen war. In den Revolutionskriegen waren die Länder dagegen in relativ gutem Zustand, wodurch Plünderungen lukrativ waren. Da in der alten Strategie eine Festung ohne eine eigene Armee in der Nähe als wertlos angesehen wurde, ergaben sie sich oft, nachdem die eigene Armee sich zu weit entfernt hatte. Sie wurden von den Franzosen oft mit kleinen Bewachungsgruppen "belagert" und die Kapitulation später entgegen genommen. Darin befand sich generell alles, was eine Armee zur Kriegführung brauchte! Ein sehr beschämendes Beispiel für solches Verhalten von Festungen sind jene in Preußen nach der Niederlage von Jena/Auerstedt 1806

...Dies Alles nur als teils pointierte Anmerkungen zu verstehen! Ich habe aus der Hüfte geschossen *g*
Wer sich erschöpfend mit dem Thema befassen will, sollte sich mit viel Geduld und Mühe an Clausewitz heranwagen. Auf Basis der Revolutionskriege und ihrer Auswertung hat er im Wesentlichen sein Standardwerk "Vom Kriege" verfasst.
 
Tejason und elysian haben die entscheidenden Punkte schon genannt. Die "Überlegenheit" der Revolutionstruppen sehe ich auch vor allem in ihrer großen Zahl begründet. Durch die Levee´ en masse konnte Frankreich sein volles Potenzial als bevölkerungsreichstes Land Westeuropas ausspielen. Die Kolonnentaktik war eigentlich ein Provisorium, die noch schlecht ausgebildeten Rekruten konnte man gar nicht in Linie führen. In weiten Zügen unterschied sich aber die Taktik der napoleonischen Zeit kaum von der der des 18. Jahrhunderts. Es ist ein großer Trugschluß. dass die französischen Soldaten den Söldnerarmeen moralisch und taktisch überlegen gewesen wären. Nicht die ideologische Schulung oder moralische Einstellung, sondern der Grad der Ausbildung ist entscheidend für die Schlagkraft einer Armee. Die preußische Armee bei Valmy, von wo Goethe glaubte, dass davon ein neues Kapitel der Menschheitsgeschichte ausging, bei dem er dabei gewesen war, wurde weniger durch die Schlagkraft der französischen Armee und die Kunst ihrer Kommandeure geschlagen, als durch Nachschubprobleme und Amöbenrhur. Was den Franzosen die Oberhand gab, war neben der Levee´ en Masse auch ihre Unabhängigkeit von Depots, was ihr die größere Mobilität verschaffte.
 
Es ist ein großer Trugschluß. dass die französischen Soldaten den Söldnerarmeen moralisch und taktisch überlegen gewesen wären. Nicht die ideologische Schulung oder moralische Einstellung, sondern der Grad der Ausbildung ist entscheidend für die Schlagkraft einer Armee.
Das ist richtig, die moralische Komponente wurde lange Zeit durch die sozialistische Geschichtswissenschaft sehr überbetont. Man braucht sich nur die DDR-Geschichtslehrbücher anschauen, wo dies propagiert wurde. Natürlich waren viele Franzosen (also die Franzosen auf der Seite der Republik) selber von einer Überlegenheit durch die moralische Komponente überzeugt, was Lieder der Zeit und Reden verdeutlichen.
 
Mit der auch ideologischen Kriegsführung seit den Revolutionskriegen ging freilich auch eine Verwilderung der Kriegssitten einher, wobei die Franzosen bald einen Ruf als notorische Marodeure besaßen.

alle Armeen plündern, wenn sie losgelassen werden, aber bei den französischen Armeen war man offenbar geübt darin, aus dem Land das Notwendige herauszuholen und sich dann wieder mit der Armee zu vereinigen.

Überfälle durch französische Marodeure waren so an der Tagesordnung, dass sich das viele Banditen zwischen 1790 und 1805 zunutze machten, indem sie Gehöfte und selbst kleine Dörfer plünderten und sich dabei den Anschein marodierender Soldaten gaben.
 
Mit der auch ideologischen Kriegsführung seit den Revolutionskriegen ging freilich auch eine Verwilderung der Kriegssitten einher, wobei die Franzosen bald einen Ruf als notorische Marodeure besaßen.
Wobei als Marodeure und Landplage unter den Franzosen besonders die Royalistentruppen, also die Franzosen etc. auf Seite der Koalitionstruppen einen bedauerlichen, gewissen Ruf erwarben.

Allerdings glaube ich von ähnlichen Ausschreitungen auch schon viel während des 7-jährigen Krieges von Seiten der Franzosen gelesen zu haben. Ich weiß nicht, in wie weit damals die Zeitgenossen zwischen den beiden Ereignissen verglichen bzw. vergleichen konnten.:grübel: Ansonsten ist eine Beantwortung der Eingangsfrage auch im Bezug auf das Marodieren schwierig. Am Anfang gab es noch einen bedeutenden Anteil an alten Linientruppen NEBEN den Freiwilligenverbänden, wobei zwischen beiden erhebliche Unterschiede bezüglich der Disziplin bestanden. Während der Schreckensherrschaft wurde entschieden gegen angeblich oder tatsächlich unfähige Befehlshaber vorgegangen, nach dem Sturz der Robespierristen war dann zeitweilig die Lage der Soldaten wohl sehr schlecht und die Verleitung zu Ausschreitungen wie Marodieren daher wohl erheblich höher. Aber der Überblick ist leicht verführerisch suggerierend, dass man damit genügend Einblick in die Materie hat. In Wahrheit muss man sich die einzelnen Kriegsschauplätze zu den verschiedenen Zeitpunkten anschauen, das Verhalten der Soldaten unter unterschiedlichen Befehlshabern war immer wieder unterschiedlich. Wir sprechen von einer Zeitspanne von ca. 10 Jahren (1792-1802).

Zu der Lineartaktik und Kolonnentaktik wäre vielleicht auch viel zu sagen, vor allem aber, dass die Kolonnentaktik der Revolutionskriege keine bahnbrechende Neuerung war, sondern schon im ganzen 18.Jh. Teil der Überlegungen von Militärtheoretikern und in der Anwendung auch schon gescheitert war. Gewissermaßen entsprach die Kolonnentaktik der Polemik der Revolutionäre, welche in der Vernichtung des Gegners in noch höherem Maße als in den Jahrzehnten zuvor das Ziel in der Schlacht sah.
 
Es wäre sicher unfair, zu unterstellen, es hätten nur die Franzosen geplündert. So etwas ist Sport in allen Armeen und Zeiten. Die Franzosen hatten noch aus dem Pfälzer Krieg und auch aus dem Siebenjährigen einen notorischen Ruf als Marodeure. Im Siebenjährigen Krieg erwarben sich in Hessen nicht zuletzt die eigenen Verbündeten der Legion Britannique einen schlechten Ruf.
 
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