Was wäre wenn-Alternatehistory

Das Buch spielt i-wann in den 60ern oder 70ern, und selbst da ist den Leuten noch bewusst, dass die Juden auf ein mal nicht mehr da waren. Es spricht nur niemand darüber, sondern es herrscht eine Atmosphäre wie in 1984.
Zu Vaterland / Fatherland:
Wenn ich mich an das Buch (oder den Film?) richtig erinnere, wurden Gerüchte erwähnt, dass während des Krieges im Osten schreckliche Sachen passiert sein. Aber es wagte in der Nazi-Diktatur niemand kritische Fragen zu stellen.
Ich habe das Buch nicht gelesen, nur den Film gesehen.
Wenn wir bedenken, dass mehrere zehntausend SS-Leute in den verschiedenen Vernichtungslagern Dienst schoben, Polizisten und Wehrmachtssoldaten Zeugen, Mit- bzw. Haupttäter der ersten Massenmorde waren, Finanzämter, Reichsbahn, Post, Industriebetriebe etc. in die Ausplünderung und Emordung involviert waren, dann ist die Darstellung, die der Film transportiert die, dass quasi niemand bis auf ein paar vereinzelte SS-Schergen etwas wusste, eine nicht aufrechtzuerhaltende Illusion, ein Mythos.
 
Ich habe das Buch nicht gelesen, nur den Film gesehen.
Wenn wir bedenken, dass mehrere zehntausend SS-Leute in den verschiedenen Vernichtungslagern Dienst schoben, Polizisten und Wehrmachtssoldaten Zeugen, Mit- bzw. Haupttäter der ersten Massenmorde waren, Finanzämter, Reichsbahn, Post, Industriebetriebe etc. in die Ausplünderung und Emordung involviert waren, dann ist die Darstellung, die der Film transportiert die, dass quasi niemand bis auf ein paar vereinzelte SS-Schergen etwas wusste, eine nicht aufrechtzuerhaltende Illusion, ein Mythos.

Richtig, nur unter der Annahme des Fortbestandes des Dritten Reiches mit einer entsprechenden, ideologisch gefärbten Geschichtsschreibung und einer Gesellschaft, in der niemand etwas wissen durfte, sollte und wollte, erscheint mir die Darstellung im Buch und Film durchaus glaubwürdig. Wir hatten und haben immer noch einige Staaten auf der Welt, die ihre eigenen Verbrechen von vor einigen Generationen noch leugnen bzw. herunterspielen. Da denke ich an den Massenmord an den Armeniern während des 1. Weltkrieges, den Holodomor in der Ukraine, die Trostfrauen (Zwangsprostituierte für die japanischen Streitkräfte), der Völkermord in Deutsch Südwest Afrika, über den wir unlängst diskutiert haben,...

s. https://de.wikipedia.org/wiki/Völkermord_an_den_Armeniern#Heutige_Bewertung_der_Ereignisse

https://de.wikipedia.org/wiki/Holodomor#Bewertung_als_V.C3.B6lkermord

Japan im Zweiten Weltkrieg: Die Schande der Trostfrauen - SPIEGEL ONLINE

https://de.wikipedia.org/wiki/Trostfrauen#.C3.96ffentliche_Debatte_nach_dem_Krieg_bis_heute

Auch in Deutschland gab es lange die verbreitete Ansicht in der Bevölkerung, dass man nichts gewußt habe. Eigentlich wollte man es nicht wissen oder nicht gewußt haben.
 
OT: Was ist mit Willem III. von Oranien und der Glorious Revolution 1688?

guter Punkt, Wiki schreibt:

Nach der Einladung durch eine Gruppe von Adligen, die Immortal Seven,[1] setzte Wilhelm von Oranien im Herbst 1688 mit einer starken Söldnerarmee nach England über, um dem „bedrängten englischen Volk“ zu Hilfe zu eilen. Francisco Lopes Suasso, einer der eifrigsten Unterstützer des Hauses von Oranien und einer der mächtigsten Bankiers in der Republik der Sieben Vereinigten Provinzen, finanzierte die Expedition nach England mit 2 Millionen Gulden.[2][3]

Wilhelms Landung war die einzige erfolgreiche Invasion Englands seit 1066. Jakob II. sah sich aufgrund des Überlaufens zahlreicher Adliger zu Wilhelm außerstande, diesem militärisch zu begegnen und floh nach Frankreich. Das Staatssiegel warf er auf seiner Flucht in die Themse. Dies wurde von seinen Gegnern als Abdankung interpretiert, so dass seine Tochter und sein Schwiegersohn als Maria II. und Wilhelm III. den vakanten Thron besteigen konnten.

https://de.wikipedia.org/wiki/Glorious_Revolution

Die hatte ich gar nicht mehr auf dem Schirm gehabt.

Aber anscheinend bin ich da nicht der einzige:

The 1688 invasion of Britain that's been erased from history | Daily Mail Online

History in the making: The Glorious Revolution of 1688-91 was really a Dutch invasion; this distortion of the facts reflects our narrow view of Britain's past, argues Jonathan Israel | The Independent
 
Ich habe das Buch nicht gelesen, nur den Film gesehen.
Wenn wir bedenken, dass mehrere zehntausend SS-Leute in den verschiedenen Vernichtungslagern Dienst schoben, Polizisten und Wehrmachtssoldaten Zeugen, Mit- bzw. Haupttäter der ersten Massenmorde waren, Finanzämter, Reichsbahn, Post, Industriebetriebe etc. in die Ausplünderung und Emordung involviert waren, dann ist die Darstellung, die der Film transportiert die, dass quasi niemand bis auf ein paar vereinzelte SS-Schergen etwas wusste, eine nicht aufrechtzuerhaltende Illusion, ein Mythos.

Der Film (der mir so gar nicht gefallen hat) mag den Eindruck hervor rufen. Im Buch bekommt man eher den Eindruck, dass die Deutschen stillschweigende Nutznießer waren die zwar irgendwie Bescheid wussten, aber aus mehreren Gründen einfach nicht darüber sprachen. Ein stillschweigende kollektives Übereinkommen, dass man die Früchte des Massenraubmords genießt ohne sich mit ihrer Herkunft zu beschäftigen.

Die "Enthüllung" sorgte lediglich dafür dass das Ausland die Verbrechen nicht mehr ignorieren konnte..
 
Das wäre eine Alternatehistory nach meinem Geschmack:

Nelson verliert bei Trafalgar, und Napoleon gelingt die Invasion Englands.

Gruss, muheijo


Nun, in der britischen Comedy-Serie Blackadder gibt es ein Special Blackadder: Back & Forth, in dem Blackadder (gespielt von Rowan Atkinson, aka Mr Bean) als Zeitreisender auf dem Schlachtfeld von Waterloo auftaucht, und unglücklicherweise mit seiner Zeitmaschine den Duke of Wellington unter sich begräbt: zurück in der Gegenwart stellt er fest, dass sich einiges geändert hat - Französische Francs als Währung, Neujahrsansprache nicht von der Queen, sondern vom M. le Président, Knoblauch-Pudding etc.:grübel:

https://en.wikipedia.org/wiki/Blackadder:_Back_&_Forth

Auf Youtube findet sich die Folge auf Englisch. Very funny=)=)=)
 
Spekulativer Wahnsinn wäre auch eine erfolgreiche Invasion durch die Armada. Elisabeth sieht sich dadurch gezwungen, Philipp zu heiraten und Frankreich befindet sich in einer erweiterten Habsburger Zange.
 
Ein Artikel vom Autor von "Vaterland" über die Entstehung des Romans.

Es ist schon befremdlich, wenn man ein Vierteljahrhundert später die Kontroverse betrachtet, mit der „Vaterland“ 1992 bei seiner Erstveröffentlichung im deutschsprachigen Raum aufgenommen wurde. Eigenartigerweise wäre es beinahe gar nicht auf Deutsch erschienen. Alle großen Verlage in Deutschland hatten das Manuskript abgelehnt – einige mit Bedauern, andere mit einem angewiderten Schaudern, dass ein solches Thema für populäre Literatur überhaupt tauglich sein solle.
https://www.welt.de/kultur/literari...-Brite-einen-Hitler-Skandal-aus.html#Comments
 

Und damals erschien auch im Spiegel ein Verriß:

Es gab zahlreiche Besprechungen, darunter viele Verrisse einschließlich einer dreiseitigen Verunglimpfung im „Spiegel“, wie man mir mitteilte – selbst habe ich es nie über mich gebracht, sie mir anzusehen.

Wer es über sich bringen will, den Spiegel-Artikel sich anzusehen, kann es hier tun:


Holocaust für Horror-Freunde - DER SPIEGEL 39/1992

PDF-Ansicht: http://magazin.spiegel.de/EpubDelivery/spiegel/pdf/13682396
 
Amüsant finde ich ja den Kontext des Verrisses. Die Bedenken im Ausland zur Wiedervereinigung wurden ja u.a. auch vom Spiegel in seiner nationalen Besoffenheit reichlich gefüttert. War schon recht gruselig Anfang der Neunziger.
 
Und damals erschien auch im Spiegel ein Verriß:

...
Wer es über sich bringen will, den Spiegel-Artikel sich anzusehen, kann es hier tun:

Völlig zu Recht hat der "Spiegel" eine kritische Beurteilung vorgenommen. Und die Art der negativen Bewertung des Spiegel Beitrags finde ich persönlich überraschend und erstaunlich.

War schon recht gruselig Anfang der Neunziger.

Richtig, das Buch "Vaterland" war in der Tat ausgesprochen gruselig. Und nicht nur das, es war peinlich. Und die Beurteilung durch den Spiegel legt auch offen, warum es historischer Unsinn ist, was Harris da verzapft. Und gleichzeitig chauvinistische Untertöne In GB bedienen wollte.

Zu einer Zeit, in der sich die "aufgeklärteren" Briten darüber lustig machten, weil sie sich teilweise fremdschämten, das auf "Schießplätzen" noch auf "Krauts" geschossen wurde. Selten habe ich damals so viele Briten erlebt, die sich für dieses Buch "fremdgeschämt" haben. War im Rahmen der ISPP zu der Zeit hin und wieder in Colchester / Uni Essex.

Anzumerken ist, dass der englische Wiki-Beitrag zu dem Buch erstaunlich unkritisch ist gegenüber dem Buch. Die Problematik des Buches und seine negative Bewertung findet beim englischen Wiki nicht statt. Unangenehm bemerkenswert!

Ansonsten teile ich eine Reihe zentraler Aussagen des Spiegel.

1. Spiegel: "Hinter der Dämonisierung der Bundesrepublik verbirgt sich also zugleich eine Verharmlosung des Dritten Reiches."

Die üble historische Mixtur mit Analogien zur damaligen Situation einer befürchteten deutschen Hegemonie (die bei Thatcher virulent vorhanden war!) hat dafür gesorgt, dass es in chauvinistischen britischen Kreisen eine ausreichende Akzeptanz fand und "Mainstream"-Erwartungen bedienen konnte. Problematisch erscheint, dass es ein relativ gebildeter Brite ist, der diesen historischen Unsinn als sogenannte "alternative Geschichtschreibung" schreibt. Was schon in Bezug auf die Rolle von Heydrich in dem Buch mehr als dubios ist.

Gleichzeitig eröffnete sich die Zielgruppe der "Ewig Gestrigen", der "Alt-Nazis" oder der "Neo-Nazis" und natürlich auch der "querdenkenden anti-PC-Vertreter", die - vermutlich - nur ein wenig provozieren wollen mit ihrem positiven Votum für das Buch.

Spiegel 2: "Allein die Vorstellung, Hitler hätte irgendwann Herr seiner Hybris werden und den Krieg zu einem militärisch günstigen Zeitpunkt stoppen können, verfehlt völlig den Charakter seines wahnwitzigen Regimes. Hitler mußte so lange siegen, bis er nur noch verlieren konnte"

Ein zentraler Punkt, der das Unverständnis von Harris gegenüber dem Weltbild von Hitler verdeutlicht. Ich wage zu bezweifeln, ob Harris das 2. Buch von "Mein Kampf" gelesen hatte. Es zielte auf die USA als finalen Gegner.

3. Spiegel: "Kripo-Mann März gerät nämlich auf die Spur eines politischen Komplotts. Sicherheitspolizei-Chef Reinhard Heydrich, so entdeckt der brave Polizist, läßt nach und nach alle Teilnehmer der Wannsee-Konferenz vom Januar 1942 umbringen. Bis zum Hitler-Geburtstag des Jahres 1964 soll der gesamte Kreis jener Funktionäre ausgelöscht werden, die damals bei Kaffee und Kognak die "Endlösung" beschlossen. Die Nazis, so Harris'' Fiktion, wollen die letzten Zeugen des Holocaust beseitigen.

Aus dieser Melange unterschiedlicher Zielgruppen erklärt sich dann der wirtschaftliche Erfolg des Buchs.

Der historische Plot von Harris ist so blöde, dümmer geht es eigentlich nicht. Wer Herbert`s Buch über Werner Best gelesen hat, oder die anderen Bücher von Ingrao zur SS-Elite, wird sich vor Lachen krümmen, wenn ausgerechnet ein Heydrich, die "letzten Zeugen" beseitigen will. Am besten hätte Heydrich eine V3 direkt in das RSHA fliegen lassen sollen, so als vorgezogener 9/11, damit die ganzen Schreibtischtäter, als Initiatoren, als Organisatoren und Planer, auch mit getötet werden. :grübel:

Daß Heydrich den Krieg nicht überlebt hat und schon 1942 verstorben ist kümmert dann einen Harris nicht, der läßt ihn halt einfach wieder auferstehen. "Alternative Historie" kann halt Berge versetzen und Tote wieder auferstehen lassen. :yes:

Und möchte mich der Schlußbemerkung des Spiegels anschließen.

Spiegel: "Anders als Harris gab Amery der Weltgeschichte eine gute Wendung: Die für die Zukunft Deutschlands so entscheidende Schlacht von Königgrätz, 1866, gewinnen nicht die Preußen, sondern Österreicher und Bayern. Bismarcks Reichsgründung fällt also flach, Bayern wird zur mitteleuropäischen Vormacht, ab sofort herrschen Bierseligkeit, viel Frohsinn und etwas Korruption.

Welch schöner Traum. Der preußische Fanatismus und manche Schrecken des 20. Jahrhunderts wären uns womöglich erspart geblieben - auch Harris'' "Vaterland". "


Und ich bin mir sicher, ich "kenne" mindestens einen "Wiener", der diese alternative Geschichte von Amery als die bessere Variante ansieht. Sicherlich besser wie der unsägliche Plot von Harris.
 
Zuletzt bearbeitet:

Rein zufällig lese ich in der BBC, dass man einer vergessenen Schlacht und Invasion vor 350 Jahren gedenkt:

Battle of Medway: The English defeat that's largely forgotten - BBC News

Da eine demütigende Niederlage, wurde sie in England aus dem kollektiven Gedächtnis verbannt. Peinlicherweise wurde das englische Flagschiff "Royal Charles" in die Niederlande entführt, wo bis heute ihr Heckspiegel mit dem holzgeschnitzten Königswappen im Rijksmuseum Amsterdam gezeigt wird:

https://www.rijksmuseum.nl/nl/collectie/NG-MC-239

https://de.wikipedia.org/wiki/Naseby_(1655)
 
Ich habe ja schon davon erzählt, dass ich die liegengelassene Lektüre von Andreas Eschbachs NSA - Nationales Sicherheits-Amt wieder aufgenommen habe.
Eschbach verlegt das Zeitalter von Mobiltelefonen (Votels < Volkstelefonen), Internet (Weltnetz) und Datenclouds (Datensilos) bereits in die Weimarer Zeit und das Dritte Reich und spielt das Gedankenspiel durch, was wäre, wenn das Dritte Reich die Möglichkeiten gehabt hätte, die Edward Snowden uns bekannt gemacht hat. Bereits die erste Szene ist so ekelig: gewissermaßen macht die Protagonistin in Heinrich Himmlers Beisein das Versteck einer Familie Frank in der Prinsengracht in Amsterdam über deren Datenspuren, automatisch über die Jahre gesammelt, ausfindig.
Bots und Sockenpuppen, wie sie tatsächlich von staatsnahen russischen Unternehmen nach Twitter und Facebook entsandt werden, um politische Diskussionen zu manipulieren, lässt Eschbach vom Nationalen Sicherheits-Amt entsandt werden...
So ernst das Buch ist, sowohl was die historischen Ereignisse als auch die gegenwärtigen Entwicklungen im Bereich des Digitalen angeht, so lässt sich Eschbach - der im Übrigen an der realen Ereignisgeschichte in seiner Alternate HiStory nicht viel verändert, soweit jedenfalls, wie ich bisher gekommen bin - zu einem Witz hinreißen. Die Protagonistin lernt einen Geschichtsstudenten kennen, der seine Abschlussarbeit an der Universität über den alternativen Verlauf der Geschichte schreibt, wenn der Computer eben nicht im 19. Jhdt. erfunden worden sei.
 
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