Was waren die Gründe dafür, dass man in Deutschland Kolonien gründen wollte?

Griffel

Mitglied
Eines der zweifelhaftesten Unterfangen, in der Geschichte unseres Landes, war der Kolonialismus! Es ist schon eine Weile her, dass ich mich damit beschäftigt habe! Aber nach allem, was ich noch weiß, war es so, dass eine kleine Gruppe von Leuten es fertiggebracht hat, den Kaiser und das Reich davon zu überzeugen, dass Deutschland Kolonien benötigt.:rolleyes:

Obwohl man schon damals wusste, dass es eigentlich mehr kosten würde als es einbringen würde. Außerdem, gab es auch damals schon eine Gegenmeinung zu diesem Thema. Leider wird diese Seite, bis heute nicht ausreichend gezeigt. Bis jetzt, habe ich zumindest nichts Brauchbares darüber gefunden. Sicher durfte sein, dass das damalige Deutschland auch ohne Kolonien überlebt hätte! Ich bitte um erhellende Beiträge.
 
Eines der zweifelhaftesten Unterfangen, in der Geschichte unseres Landes, war der Kolonialismus!
wirklich? Nun gut, dann nehme ich dich beim Wort: du schreibst in der Überschrift, dass man in Deutschland Kolonien gründen wollte... darf man nachfragen, welche Kolonien in Deutschland gegründet worden sind? die neuen Bundesländer vielleicht? Mövenkolonien auf den Nordseeinseln (obwohl die von den Piepmätzen selber "gegründet" werden)? :cool: ;) :D :D
Ich bitte um erhellende Beiträge.
bis jetzt "erhellt" mein Beitrag deine Formulierungsweise... du schreibst, dass du dich vor einiger Zeit mit dem Thema beschäftigt hattest - wie kann dir da der unfreiwillig komische Lapsus im Titel passieren?...

Lesetipp:
Maria-Theresia Schwarz, "Je weniger Afrika, desto besser". Die deutsche Kolonialkritik am Ende des 19. Jahrhunderts, Frankfurt/M. u.a. 1999.
 
Nun gut, dann nehme ich dich beim Wort: du schreibst in der Überschrift, dass man in Deutschland Kolonien gründen wollte... darf man nachfragen, welche Kolonien in Deutschland gegründet worden sind?
Ich darf aus dem Ruhrgebiet vielleicht kurz darauf hinweisen, dass für Arbeiter- und Zechensiedlungen in den vergangenen 2 Jahrhunderten mitunter der Begriff "Kolonie" (+Eigenname) gebräuchlich war.

Bsp:



Es wurden also in Deutschland eine ganze Menge Kolonien gegründet, und da die zum Teil bis heute existieren, ist Deutschland so gesehen mindestens verbal bis heute Kolonialmacht. :p
 
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Obwohl man schon damals wusste, dass es eigentlich mehr kosten würde als es einbringen würde.

Wer wußte das denn schon im Voraus? Woher wußte man im Voraus, das die Kolonien nichts einbringen würden?

ber nach allem, was ich noch weiß, war es so, dass eine kleine Gruppe von Leuten es fertiggebracht hat, den Kaiser und das Reich davon zu überzeugen, dass Deutschland Kolonien benötigt.:rolleyes:

Die Kolonialfrage rückte durch eine Streit um die ertragreichen, von deutschen Kaufleuten auf den Fidschi-Inseln angelegten Pflanzungen, die 1874 anläßlich der Annektion des Archipels durch die Engländer, einkassiert worden waren und das ungeachtet der Rechte der deutschen Kaufleute. Aber Bismarck lehnte weiterhin den Kolonialerwerb ab. So nahm er auch die Möglichkeit, den Sulu-Archipel und Nordost-Borneo zu erwerben nicht wahr.
Dagegen schloß er 1876 einen "Freundschaftsvertrag" mit dem König von Tonga, so das die deutschen Schiffe nach dem Erwerb zwei weiterer Häfen im Marschall- und Neubritannia-Archipel insgesamt drei Bunkerstationen zur Verfügung standen, in denen deutsche Schiffe mit Kohle versorgt werden konnten.
 
Woher wußte man im Voraus, das die Kolonien nichts einbringen würden?
Die Frage ist vor allem auch aus wessen Sicht.
Die Feststellung, dass die Kolonien ein Verlustgeschäft waren, ist ja eine Feststellung aus der Perspektive des Reiches, das die Kosten für militärische Sicherung, Verwaltung und zum Teil Infrastruktur zu tragen hatte.

Ob die Kolonien in der Tat auch aus Sicht der dafür lobbyierenden Gruppen, im Besonderen aus dem Handel ein vergleichbarer wirtschaftlicher Fehlschlag waren ist eine andere Frage, die erstmal zu klären wäre. Denn hier stand den privaten Profiten ja kein entsprechendes Maß an Kosten gegenüber, wie das aus der Perspektive des Reiches der Fall war.
 
Ich glaube nicht, das beispielsweise ein Lüderitz im Voraus bekannt war, das es in Deutsch-Südwestafrika, Erze, Edelsteine oder Marmor gab. Und trotzdem war die Kolonie defizitär.
Einnahmen in Höhe von 24,18 Millionen standen Kosten in Höhe von 34,81 Millionen Mark gegenüber.
 
Ob die Kolonien in der Tat auch aus Sicht der dafür lobbyierenden Gruppen, im Besonderen aus dem Handel ein vergleichbarer wirtschaftlicher Fehlschlag waren ist eine andere Frage, die erstmal zu klären wäre
Edeka – Wikipedia => Edeka - das scheint für die Privatwirtschaft lukrativ genug gewesen zu sein (eingegangen ist Edeka weder während des Ersten Weltkriegs noch danach)
 
Ich glaube nicht, das beispielsweise ein Lüderitz im Voraus bekannt war, das es in Deutsch-Südwestafrika, Erze, Edelsteine oder Marmor gab.
Ich behaupte auch nicht das er das wusste. Ich wollte nur bemerkt haben, dass es vielleicht ganz Interessant wäre, sich mal die Rechnungsbücher von Lüderitz und anderen Personen aus dem Umfeld der norddeutschen Händler/Handelsgesellschaften/Reeder etc. anzusehen (sofern noch erhalten), um mal ein Bild davon zu gewinnen, wie es um potentielle Profite der daran beteiligten privaten Unternehmer am Ende so bestellt war.

Das die Kolonien aus Sicht des Reiches, wie du richtig schreibst defizitär waren, bedeutet ja nicht zwangsläufig, dass das auf betriebswirtschaftlicher Ebene für die dort engagierten Teile der Privatwirtschaft ebenfalls galt.

Der "Reichsschutz" für diese Gebiete lief ja nicht nur darauf hinaus, das Kaiserreich außenpolitisch in die Kolonialen Schauplätze hinein zu verwickeln, sondern auch darauf, die Lasten für die Sicherung der Ansprüche der beteiligten Privaten Akteure an den Gebieten, auf das Reich und damit die Allgemeinheit abzuwälzen.
Das bedeutet aber natürlich, dass mit der Gestellung offizieller staatlicher "Schutztruppen", die vor Ort aggierenden Unternehmer einen Teil ihrer Investitionen in die militärische Sicherung ihrer Ansprüche mit sicherheit einsparen konnten.
Auch die vom Reich finanzierten oder mitfinanzierten Infrastrukturprojekte, wie der Ausbau von Hafenanlagen und Bahnlinien dürfte für die Unkosten der Unternehmer, die sich vor der Aufnahme der offiziellen Kolonialpolitik in Afrika festgesetzt hatten eine Entlastung dargestellt haben, jedenfalls da, wo sie die Protektion der Berliner Regierung erhalten konnten.


Bei der Kosten-Nutzen-Rechnung aus der Perspektive des Reiches, wäre ja durchaus zu berücksichtigen, dass das Reich zwar einen Großteil der Kosten trug, aber qua Steuern und Zöllen natürlich nur einen Teil der wirtschaftlichen Profite des Gebiets abgreifen konnte, während der Großteil davon bei den privaten Unternehmern hängen geblieben sein dürfte.


Von dem her würde man wahrscheinlich die Frage diskutieren können, ob die Kolonialpolitik am Ende so etwas wie ein verdecktes Konjunkturprogramm für die, im Besonderen Norddeutschen Unternehmer war (auch wenn das so vielleicht nicht die Hauptintention war), die daran beteiligt waren, insofern die Kolonien aus Sicht des Reiches defizitär waren, und daher die Defizite über den Reichshaushalt und dessen Finanzierung sozialisiert wurden, während es durchaus im Bereich des Denkbaren ist, dass es sich für den einen oder anderen Unternehmer möglicherweise doch gelohnt haben mag, allerdings wenn, dann wahrscheinlich nur, weil das Reich den Großteil der Kosten für Infrastruktur und militärische Sicherung übernahm.
 
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Es gab allerdings durchaus britische Ökonomen, die bereits um 1850 den Kolonialismus als Verlustgeschäft kennzeichneten (was freilich nichts daran ändert, dass es noch über hundert Jahre dauerte, bis GB und Frankreich (oder auch Portugal) - und nicht immer ganz freiwillig - ihre Kolonien "aufgaben". Manche Analysten des Brexit unterstellen ja, dass viele Brexiteers diesen unterstützten, weil sie sich außerhalb der EU wieder als Herren des Commonwealth wähnten.
Auch Bismarck war der Meinung, dass Dtld. "nicht reich genug" sei, um sich den "Luxus" erlauben zu können, Kolonien zu unterhalten.
 
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Es gab allerdings durchaus britische Ökonomen, die bereits um 1850 den Kolonialismus als Verlustgeschäft kennzeichneten (was freilich nichts daran ändert, dass es noch über hundert Jahre dauerte, bis GB und Frankreich (oder auch Portugal) - und nicht immer ganz freiwillig - ihre Kolonien "aufgaben". Manche Analysten des Brexit unterstellen ja, dass viele Brexiteers diesen unterstützten, weil sie sich außerhalb der EU wieder als Herren des Commonwealth wähnten.
Auch Bismarck war der Meinung, dass Dtld. "nicht reich genug" sei, um sich den "Luxus" erlauben zu können, Kolonien zu unterhalten.

In diesem Zusammenhang sei vielleicht darauf hingewiesen, dass etwa die East India Company, die ja bis 1858 faktische Eigentümerin dessen war, was dann später als Kronkolonie "Britisch-Indien" wurde, am Ende der 1850er Jahre tief in den roten Zahlen steckte und im Grunde bereits vor dem "Sepoy-Aufstand" spätestens aber mit diesem Ereigniss offensichtlich wurde, dass die Gesellschaft mit den Kosten die die Beherrschung und Verwaltung der indischen Territorien verursachte, zunehmehmend überfordert war.
Was dann mit den Ausschlag dafür gab, dass die Gesellschaft liquidiert und ihre Rolle auf dem indischen Subkontinent de facto vom britischen Staat übernommen wurde.

Dafür dass die koloniale Herrschaft auch große Kosten verursachen konnte, die für die Kolonisatoren ein Problem darstellen konnten, gab es insofern durchaus ein naheliegendes praktisches Beispiel.
Es war ja auch nicht das erste Mal in der britischen Kolonialgeschichte der Fall, die 13 Festlandkolonien in Nordamerika, aus denen die USA hervorgingen, waren ja für Großbritannien spätestens seit de Siebenjährigen Krieg/"French and Indian War" auch insofern zu einer finannziellen Belastung geworden, als dass Großbritannien die militärische Sicherung dieser Gebiete übernahm, die Kolonien sich allerdings ihrerseits weigerten, dass durch die Zahlung adäquater Abgaben gegen zu finanzieren.



Die Frage ist aber, ob sich das auf Deutschland so übertragen lässt oder nicht. In Großbritannien gab es zum Teil diese Ideen, aber die Briten hatten eben damals auch schon 200 Jahre Erfahrung mit Kolonien und die hatten schon die eine oder andere Krise ausgelöst. Die Erfahrungen waren aber eben auf der Deutschen Seite nicht vorhanden.
Letztendlich hat auch das Wissen um die Kosten eines solchen Imperiums, dass die Briten vor allem aus der Causa Indien ja bereits hatten nicht verhindert, dass man sich im Zuge des "runs" auf Afrika weitere Gebiete als Kolonien zulegte.
 
Die Frage ist aber, ob sich das auf Deutschland so übertragen lässt oder nicht. In Großbritannien gab es zum Teil diese Ideen, aber die Briten hatten eben damals auch schon 200 Jahre Erfahrung mit Kolonien und die hatten schon die eine oder andere Krise ausgelöst. Die Erfahrungen waren aber eben auf der Deutschen Seite nicht vorhanden.
Letztendlich hat auch das Wissen um die Kosten eines solchen Imperiums, dass die Briten vor allem aus der Causa Indien ja bereits hatten nicht verhindert, dass man sich im Zuge des "runs" auf Afrika weitere Gebiete als Kolonien zulegte.
Brandenburg war seine Kolonien durch Verkauf losgeworden.
 
Brandenburg war seine Kolonien durch Verkauf losgeworden.
Schon, aber das war ja seinerzeit zum einen ohnehin ein eher kurzzeitiges Intermezzo und es handelte sich ja hierbei auch mehr um einzelne Stützpunke an der afrikanischen Küste ohne ein größeres Hinterland, dass Probleme mit der Beherrschung und Verwaltung oder der Infrastruktur verursacht hätte.

Das Problem, dass Brandenburg-Preußen seinerzeit hatte, war ja mehr, dass keine adäquate Seemacht vorhanden war, um für die anderen Kolonialmächte eine dauerhafte, ernsthafte Konkurrenz darzustellen und dass es Brandenburg-Preußen eigentlich auch an Häfen und Verkehrsverbindungen mangelte.

Einen direkten Nordsee-Zugang hatte man noch nicht, selbst Stettin konnte man erst nach dem Verkauf der afrikanischen Stützpunkte endgültig erwerben, während der Großteil Vorpommerns mit Strahlsund und Greifswald noch bei Schweden blieb.
Damit waren die größten Häfen, über die das Kernland des Brandenburgisch-Preußischen Staates verfügte damals Cammin, Kolberg, Rügenwaldermünde und Stolpmünde.
Das waren vergleichen mit den bedeutenderen Hafenstädten selbst kleinerer Kolonialmächte, wie Dänemark und Schweden bessere Fischerdörfer. Von Vergleichen mit Amsterdam oder London nicht zu reden.
Im Herzogtum Preußen sah es mit Königsberg und Memel hafentechnisch vielleicht etwas besser aus, aber da fehlte halt die Landverbindung zum Hauptteil des Territorialkomplexes.

Und dann lag der ganze Spaß natürlich noch an der Ostsee, womit vor dem 19. Jahrhundert die "Sundzoll"-Problematik noch griff.

Ich denke, da hatte Deutschland anno 1871 schon etwas andere Möglichkeiten und die Vergleichbarkeit mit den Problemen des preußischen Kolonialprojekts war nicht mehr unbedingt gegeben.
Oder es hätte jedenfalls Gründe gegeben, das während des Bismarck-Reiches wesentlich optimistischer einzuschätzen.
 
Friedrich Wilhelm I., der Soldatenkönig, verkaufte die afrikanischen Besitzungen 1717 für 7.200 Dukaten und 12 Mohren an die Holländer. Es juckte ihn auch nicht weiter, das Preußens Anteile an der westindischen Insel St.Thomas einschließlich der Faktorei von den Dänen einkassiert wurde.

Die Brandenburgisch-Afrikanische Handelsgesellschaft konnte beispielsweise eine wichtige Stellung afrikanischen Gummihandel erreichen. Sie handelte auch mit Sklaven, was zu jener Zeit nichts unehrenhaftes war. Die Goldküste wurde durch "Landankäufe und Schutzverträge" erheblich erweitert; es entstanden drei Forts. Aber trotz lebhaften Handels blieb die Kolonie wirtschaftlich ein Misserfolg. Schuld soll die Feindseligkeit der Holländer gewesen sein.
 
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