Waterloo und Preussen!

@Brissotin

100 Tage sind nicht viel. Sein Aufgebot war hastig zusammengekratzt. Was halt grad in Kürze verfügbar war. Im Erfolgfall hätte er jedoch einerseits Zeit gehabt, weitere Soldaten auszubilden (wir reden hier ja nicht über eine Zeit, in der jemandem ein Speer in die Hand gedrückt wurde und gut war!) und, das ist vielleicht noch wichtiger, die noch zaudernden Ex-Offiziere wären durch den Erfolg wieder an seine Seite geführt worden.

Kommen wir zu den ca. 480.000 feindlichen Soldaten.
Dies ist gewiss eine imposante Menge. Wo läge also Napoleons Chance? Nun, diese Armeen mussten erst einmal nach Frankreich gebracht werden. Das dauert Zeit. Spekulativ kann man sich auch fragen, wie die anderen Mächte auf eine Niederlage bei Waterloo reagiert hätten. Es ist zumindest denkbar, dass aufgrund der psychologischen Wirkung eines solchen Ereignisses der Vormarsch verzögert worden wäre. Und einmal in Frankreich angekommen marschieren solche Mengen auch nicht auf einem Fleck. Napoleon hätte durchaus die Möglichkeit gehabt, im Bewegungskrieg die Feindverbände einzeln zu attackieren und ihren Nachschub so zu bedrohen, dass der Abwehrkampf erfolgreich zu führen gewesen wäre.
Die Situation der Preußen im Siebenjährigen Krieg war auch nicht viel besser.

@R.A.
Man sollte nicht vergessen, daß Napoleon 1815 alleine mit einem geschwächten Frankreich gegen ziemlich alle anderen europäischen Nationen stand.
Das ist eine ganz andere Situation als jemals zuvor.
Auch wenn er größeren Koalitionen gegenüberstand, konnte er doch immer auf eine wesentliche Unterstützung durch ausländische Hilfstruppen zurückgreifen.

Das ist so nicht richtig. Frankreich hatte nach 1789 ebenfalls so ziemlich ganz Europa gegen sich. Trotzdem hat es sich behaupten können, bevor es sich mit Napoleon durchsetzen konnte. Und waren auch fast alle Fürsten Europas gegen Napoleon, so gab es auch 1815 durchaus Kräfte, die Napoleon zu unterstützen bereit waren. Der Rheinbund wurde bereits erwähnt, die Polen und weitere wären ebenfalls zu nennen. Auch nach Schweden bestanden gute Verbindungen.

Und wahrscheinlich wären auch Spanier und Portugiesen relativ bald in der Lage gewesen, in Südfrankreich einzumarschieren.

Bei allem Respekt für diese beiden Nationen, aber beide Nationen waren damals nicht dafür bekannt, zu den führenden Landmächten zu zählen. Es erscheint mir sehr fragwürdig, welche Rolle sie in Südfrankreich hätten spielen können.
 
Zuletzt bearbeitet:
Auch wenn Napoleon begeistert empfangen wurde, die Franzosen waren kriegsmüde und ausgeblutet. Kein Vergleich zum Elan der Revolutionskriege.

Dass Napoleon weg musste, darüber gab es in der Koalition Einigkeit. Wären sie halbherzig und schwankend gewesen, hätten sie den Korsen innerhalb der Grenzen Frankreichs einen guten Mann sein lassen können.
 
Auch wenn Napoleon begeistert empfangen wurde, die Franzosen waren kriegsmüde und ausgeblutet. Kein Vergleich zum Elan der Revolutionskriege.
Das kam aber auch zum guten Teil daher, dass Napoléon einen Volkskrieg ablehnte. Schon 1798/99 als Frankreich durch Suworow u.a. in Italien angeschlagen, hatte das Direktorium den Vorschlag der Erklärung des "Vaterlandes in Gefahr" wie 1792 abgelehnt. Vermutlich fürchtete schon das Direktorium, dass man der sich dadurch freisetzenden Kräften nicht mehr Herr werden würde.
 
So ganz sichere Kantonisten waren die ehemaligen Rheinbundstaaten nicht. Blücher hatte mit einer Insubordination (Aufruhr ist übertrieben) sächsischer Truppen zu tun, bei der er mehrere Meuterer an die Wand stellen ließ.


Was aber nicht als "für Napoleon" zu werten ist, sondern lediglich als "gegen Preußen".
Die sächsischen Truppen waren schlicht zu Preußen erklärt worden. Sachsen insgesamt war mehr als in Gefahr, am Ende wurde es halbiert und konnte froh sein.
 
So ganz sichere Kantonisten waren die ehemaligen Rheinbundstaaten nicht.
Es gab dort natürlich noch vereinzelte Napoleon-Fans - aber die allgemeine Stimmung war recht deutlich anders.
Maximal hätten einige Gebiete wohl versucht, sich bei einem weiteren Konflikt möglichst rauszuhalten, schließlich hatte man über 20 Jahre Krieg mit horrenden Menschenverlusten hinter sich.

Verbündete hätte Napoleon aber auf keinen Fall gefunden.

Blücher hatte mit einer Insubordination (Aufruhr ist übertrieben) sächsischer Truppen zu tun, bei der er mehrere Meuterer an die Wand stellen ließ.
Das waren aber m. W. keine Anhänger Napoleons!
 
Im Erfolgfall hätte er jedoch einerseits Zeit gehabt, weitere Soldaten auszubilden
So viel Zeit nicht, bis die Alliierten wieder herangerückt wären.
Es dauert schon erheblich länger, einen frischen Rekruten zu einem halbwegs brauchbaren Infanteristen zu machen, als die russische Armee an den Rhein zu bringen.

Vor allem aber: Frankreich war durch eine Generation Krieg ziemlich ausgeblutet und hatte bei weitem nicht mehr die Menschenreserven der Revolutionszeit. Und es fehlte auch an Geld, Ressoucen aller Art.

> Spekulativ kann man sich auch fragen, wie die anderen Mächte auf
> eine Niederlage bei Waterloo reagiert hätten.
Sie hätten sich m. E. nicht sehr beeindrucken lassen. Sie waren es ja über viele Jahre gewohnt, einzelne Schlachten gegen Napoleon zu verlieren, immer wieder - um dann doch am Ende doch zu gewinnen.
Mir sind keine Belege bekannt, daß es bei den Alliierten Zweifel an der Notwendigkeit, Napoleon endgültig zu besiegen gegeben hätte.

Frankreich hatte nach 1789 ebenfalls so ziemlich ganz Europa gegen sich.
"so ziemlich" ist eben deutlich weniger.
In den ersten Kriegen gegen die Revolution gingen die Mächte vergleichsweise halbherzig vor - und selten einig.
In der ersten Koalition fehlte Rußland, in der zweiten Preußen und Spanien (und auch bald Rußland), in der dritten fehlte Preußen und Spanien und die süddeutschen Staaten waren sogar mit Frankreich verbündet.
Danach versuchte es Preußen alleine, danach Österreich, danach Rußland.

Nicht zu vergessen auch, daß England 1789 noch keine schlagkräftige Landarmee hatte, 1815 aber sehr wohl.

so gab es auch 1815 durchaus Kräfte, die Napoleon zu unterstützen bereit waren. Der Rheinbund wurde bereits erwähnt, die Polen und weitere wären ebenfalls zu nennen. Auch nach Schweden bestanden gute Verbindungen.
Den Rheinbund gab es nicht mehr und m. W. keinerlei Interesse irgendeines deutschen Staats, wieder unter Napoleon zu kämpfen - die hatten ihre leidvollen Erfahrungen gemacht. Ähnliches gilt für Schweden.
Am ehesten wäre noch ein polnischer Aufstand denkbar gewesen (einen handlungsfähigen polnischen Staat mit Armee gab es nicht) - einen solchen Aufstand hätten die Russen aber wohl mit Reservekräften unterdrücken können.

aber beide Nationen waren damals nicht dafür bekannt, zu den führenden Landmächten zu zählen.
Die portugiesischen Truppen und auch Teile der spanischen hatten sich in den Feldzügen Wellingtons hervorragend bewährt und waren den guten französischen Einheiten durchaus ebenbürtig.
 
Das kam aber auch zum guten Teil daher, dass Napoléon einen Volkskrieg ablehnte.
Napoleon war eben Profi und wußte, daß der "Volkskrieg" mehr Mythos als echte Erfolgsgeschichte gewesen war.
Die schlecht ausgerüsteten, unausgebildeten und schlecht organisiert kämpfenden Revolutionskämpfer hätten 1789 oder gar 1815 noch weniger gegen reguläre Truppen ausrichten können als 1792 - in den entscheidenden Gefechten (Valmy!) erreichten die regulären Linientruppen und vor allem die professionelle Artillerie des alten Regimes den Erfolg.
 
@R.A.: Napoleon war eben Profi und wußte, daß der "Volkskrieg" mehr Mythos als echte Erfolgsgeschichte gewesen war.

Wohl wahr. Die in Rußland und Deutschland gefallenen Veteranen waren nicht durch Rekruten zu ersetzen. Napoleon tat gut daran, nicht wie sein brauner Möchtegernnachfolger noch das letzte Aufgebot zu verheizen.

Er hat in allen Feldzügen seine altgedienten Soldaten nach Möglichkeit geschont, bei Borodino womöglich den entscheidenden Sieg verschenkt, in dem er die Alte Garde Gewehr bei Fuß stehen ließ. Bei Waterloo ließ er sie marschieren - als er schon wusste, dass alles vorbei ist.
 
"so ziemlich" ist eben deutlich weniger.
In den ersten Kriegen gegen die Revolution gingen die Mächte vergleichsweise halbherzig vor - und selten einig.
In der ersten Koalition fehlte Rußland, in der zweiten Preußen und Spanien (und auch bald Rußland), in der dritten fehlte Preußen und Spanien und die süddeutschen Staaten waren sogar mit Frankreich verbündet.
Danach versuchte es Preußen alleine, danach Österreich, danach Rußland.

Nicht zu vergessen auch, daß England 1789 noch keine schlagkräftige Landarmee hatte, 1815 aber sehr wohl.


Den Rheinbund gab es nicht mehr und m. W. keinerlei Interesse irgendeines deutschen Staats, wieder unter Napoleon zu kämpfen - die hatten ihre leidvollen Erfahrungen gemacht. Ähnliches gilt für Schweden.
Am ehesten wäre noch ein polnischer Aufstand denkbar gewesen (einen handlungsfähigen polnischen Staat mit Armee gab es nicht) - einen solchen Aufstand hätten die Russen aber wohl mit Reservekräften unterdrücken können.
Absolut richtig.

Wie "sich" der Rheinbund 1805-1807 zusammen fand und wie einige Rheinbundstaaten nach 1814 aber auch noch während des Rheinbundes hatten bluten (nicht nur an Landeskindern im Krieg sondern auch territorial) müssen, darf man sicherlich nicht unterschätzen.
 
ich bin nicht der Ansicht das es größtenteils Grouchys Schuld war.

1. es war durchaus logisch anzunehmen, dass sich die Preussen in Richtung Lüttich zurückziehen, um die Verbindungslinie mit dem Rhein aufrechtzuerhalten. Es waren Verstärkungen im Anmarsch.
2. Kein Blücher - kein Waterloo. Wellington hat nur auf das Versprechen Blüchers, mit mindestens einem Korps zu erscheinen, die Schlacht angenommen. Ansonsten wäre der Rückzug über Brüssel in Richtung Antwerpen weitergegangen.
3. Weder Grouchy noch Napoleon haben es für nötig gehalten, Kavalleriepatroullien in Richtung Wavre auszusenden, zumindest nicht bis zum Abend des 17.
Dann um 10 Uhr Abends schickt Grouchy Napoleon eine Meldung, dass ein Teil der Preussen sich in Richtung Wavre zurückzieht und ein Teil in Richtung Lüttich. Er vermutet, dass der größere Teil in Richtung Lüttich zieht, während der Rest sich bei Brüssel mit Wellington vereinigen will.
Dann, am 18. um 6 Uhr schreibt er Napoleon, dass die Preussen in Richtung Brüssel marschieren um sich etweder da oder auf dem Schlachtfeld mit Wellington vereinigen wollen.
Also, allerspätestens mit dem Erhalt dieser Nachricht (30km Entfernung zwischen Grouchy und Napoleon) wusste Napoleon, dass er mit den Preussen zu rechnen hatte.
dann um 10 informiert er Napoleon, dass 3 preussische Korps sich auf dem Marsch in Richtung Brüssel befinden. Auch informiert er Napoleon, dass er mit allen Streitkräften am Abend bei Wavre stehen wird und erbittet Instruktionen,
Somit sollte Napoleon klar gewesen sein, dass er am 18. keine Hilfe von Grouchy zu erwarten hat.

Grouchy hätte ebenfalls auf Wavre marschieren müssen, und das schon ab 16. Abends um zu verhindern, dass die Preussen sich absetzen. Letztere haben nämlich 2 Tage an Gewaltmärschen hingelegt. Jedoch haben bis 17. Abends alle Kundschaftermeldungen besagt, dass die Preussen auf Lüttich zurückgehen.
 
Zurück
Oben