Weibliche Freigeister des 18. Jahrhunderts

Ich habe mir zur Definition des Freigeistes Gedanken gemacht, bzw. hatten wir es definiert?

Als Gedankenhilfe diese Arbeit zum Thema "Prototypen feministischer Argumentationsstrukturen im späten 18. Jahrhundert", die selbst in männlicher Literatur eindeutige Hinwesie auf Stellung und Möglichkeiten der Frau oder Ehefrau weitergibt und die Ansichten der Männer dazu.
http://www.goethezeitportal.de/fileadmin/PDF/db/wiss/wezel/heinz_frauen.pdf

So heisst es darin ...
Lais' Diagnose wird durch allgemeine sozialgeschichtliche Untersuchungen zur Stellung der Frau im 18. Jahrhundert in allen Punkten untermauert. Ehen werden auch im Zeitalter der Aufklärung im Normalfall noch von den Eltern gestiftet und vor allem in Blick auf die Mitgift ausgehandelt.4 Mit der Hochzeit geht die unumschränkte väterliche Herrschaft über die Tochter nun auf den Ehemann über; das spiegelt noch das Wort "Emanzipation", daseigentlich die Loslösung aus der Gewalt des Vaters (mancipium) meint.5 Dabei ist wegen der früheren Sterblichkeit das mehrmalige Eingehen von Heiraten ? wie in Wezels Ehestandsgeschichten drastisch vorgeführt ? eher die Regel als die Ausnahme. Eine Sonderrolle kommt dabei den Witwen zu, wie ja auch Lais eine ist: Sind sie nach dem Todihres ersten Mannes finanziell abgesichert, können sie die einer Frau im 18. Jahrhundert maximal mögliche Freiheit entfalten. Wie wenig dies allerdings meint, zeigt die Tatsache, daß sie selbst dann noch einen Vormund für ihre Kinder brauchen.6
Im Verlauf des 18. Jahrhundert ergeben sich zwar wesentliche Veränderungen im Rollenbild der Frau, die zunächst jedoch gerade nicht in Richtung auf Befreiung und Selbständigkeit laufen. War sie zu Zeiten des „Ganzen Hauses“ zumindestens in den gehobenen Ständen Herrin über eine umfangreiche Hausgemeinschaft mit einer Vielzahl von Generationen und unter Umständen Dienstpersonal, wird durch den bürgerlichen
Trend zur Kleinfamilie ihr Herrschafts- und Verantwortungsbereich substantiell eingeschränkt.7 Das wird vor allem dann zum Problem, wenn die Ehe aus welchen Gründen auch immer, nicht mit dem üblichen Kinderreichtum gesegnet ist. Was tun? Auf der Suche nach neuen Beschäftigungsfeldern ? und wahrscheinlich auch einem Mindestmaß an persönlicher Anerkennung ? bleibt den Frauen vor allem das weite Feld


wohltätigen Engagements. Die aufgezwungene Langeweile vertreiben sie jedoch auch gern am Putz- oder Spieltisch, in empfindsamen Tändeleien oder religiösem Fanatismus, da ihnen ja der bei Wieland deutlich als singuläre Ausnahme gekennzeichnete Ausweg der Lais meistenteils nicht offensteht.



Ich frage mich, ob ich den weiblichen Freigeist nicht vielleicht zu streng und einseitig definiert habe. Konnte eine Frau ohne Unterstützung und Akzeptanz überhaupt einen eigenen Weg gehen? Bedeuted "Freigeist zu sein" also schon Widerstand gegen alle Grenzen, sozusagen das kämpferische an sich, oder ist es nicht schon das Aufbegehren allein und das In Fragestellen der gesetzten Grenzen ohne sich als Personen gegen den Rest der Welt zu stellen?


Also Rückkehr zur Frage wie aktiv oder passiv der Freigeist gestatltet sein muß. Reichte es, für sich selbst die grenzen gelockert zu haben, oder muß man für viele das gleiche Recht eingefordert haben?



Andererseits, kann man sagen, dasss eine Frau, welche die Grenzen für sich selbst lockerte, damit nicht automatisch Schlupflöcher für andere Frauen schuf? :grübel:

Eine andere Frage, kann auch die der Gesellschaftsschicht sein. Sicher bot die Aristokratie einer Frau andere Möglichkeiten und eine höhere Akzeptanz, oder doch nur theoretisch, jedoch nicht in der Umsetzung?
Wie war das mit den politischen Salons? Hatten auch bürgerliche, zumindest gebildete Frauen Zugang in diese elitären Bereiche und nahm man ihre Argumentation Ernst, oder wollte man sich nur mit unterhaltsamem Beiwerk schmücken? Genoss man vielleicht nur die Freigebigkeit reicher Damen der höheren Gesellschaft, die solche Salons zum Teil anführten, sah sie als Förderin, akzeptierte sie dennoch nicht als vollwertige Gesprächspartnerin?

Ich bin mir da selbst gedanklich noch nicht ganz klar.



 
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Ich frage mich, ob ich den weiblichen Freigeist nicht vielleicht zu streng und einseitig definiert habe. Konnte eine Frau ohne Unterstützung und Akzeptanz überhaupt einen eigenen Weg gehen? Bedeuted "Freigeist zu sein" also schon Widerstand gegen alle Grenzen, sozusagen das kämpferische an sich, oder ist es nicht schon das Aufbegehren allein und das In Fragestellen der gesetzten Grenzen ohne sich als Personen gegen den Rest der Welt zu stellen?




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Also Rückkehr zur Frage wie aktiv oder passiv der Freigeist gestatltet sein muß. Reichte es, für sich selbst die grenzen gelockert zu haben, oder muß man für viele das gleiche Recht eingefordert haben?




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Andererseits, kann man sagen, dasss eine Frau, welche die Grenzen für sich selbst lockerte, damit nicht automatisch Schlupflöcher für andere Frauen schuf?



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Eine andere Frage, kann auch die der Gesellschaftsschicht sein. Sicher bot die Aristokratie einer Frau andere Möglichkeiten und eine höhere Akzeptanz, oder doch nur theoretisch, jedoch nicht in der Umsetzung?

Wie war das mit den politischen Salons? Hatten auch bürgerliche, zumindest gebildete Frauen Zugang in diese elitären Bereiche und nahm man ihre Argumentation Ernst, oder wollte man sich nur mit unterhaltsamem Beiwerk schmücken?


Genoss man vielleicht nur die Freigebigkeit reicher Damen der höheren Gesellschaft, die solche Salons zum Teil anführten, sah sie als Förderin, akzeptierte sie dennoch nicht als vollwertige Gesprächspartnerin?


Ich bin mir da selbst gedanklich noch nicht ganz klar.





1.
Das ist doch keine Frage. Natürlich siehst Du ihn zu streng und einseitig. Du verwechselst modernen Femminismus mit der Lebenswirklichkeit und auch dem geistigen Horizont der Frauen von damals. Das heißt nicht, dass sie dumm waren. Aber sie konnten einfach noch nicht die Literatur oder Vordenkerinnen gelesen haben, welche nach ihnen kamen.

2.
Wenn Du welche findest, welche für andere etwas erreicht haben, kannst Du sie ja nennen.

Eine Frage wäre auch, wie das denn zu der Zeit überhaupt hätte gehen sollen(?). Wir sprechen von einem Jahrhundert der Monarchien in Europa. Wenn es um die rechtliche Stellung der Frau bsw. geht, hätte das einem Herrscher oder einer Herrscherin einfallen müssen, daran etwas Wesentliches zu ändern. Warum hätte er/sie das tun sollen?

Ansonsten würde ich auch welche bevorzugen, welche einfach für sich selbst recht unabhängig handelten. Man kann da an Frauen denken, welche geschieden lebten und dabei eine große Freiheit erlangten. Da würde mir jetzt die Pompadour einfallen, die aber natürlich für ihre Unabhängigkeit von ihrem Gatten ("richtig" geschieden war sie ja nie) von den Frommen verachtet wurde.

3.
Du meinst, dass das was sie taten, wenn es mehr und mehr geworden wäre in eine Art Gewohnheit übergegangen wäre? Hm, das mag sein. Die Salons der Damen müssen sich doch auch erst irgendwann (vor dem 18.Jh.) entwickelt haben.

4.
Ich mag mich dazu nicht x-mal wiederholen. Aber zur Abwechslung kann ich die Tage mal die Hetze von Rousseau gegen die von den Damen geleiteten Salons anführen. Wiewohl er selbst von dieser Salonkultur profitierte. Aber da sehe ich ihn wie in vielem als Heuchler.

Es gab dies und jenes. Émilie de Chatelet, aber auch die Künstlerinnen, die ich schon nannte und die insgesamt der Salonwelt oft nahe standen, würde ich als Beispiele bezeichnen, welche dafür sprechen, dass den Männern bewusst war, dass man mit gebildeten Damen auf Augenhöhe sprechen konnte.

Leider habe ich da für Deutschland im 18.Jh. keine so brauchbare Literatur zur Hand.:cry:
 
Das heisst, um zu einem Tenor zu kommen, wir sprechen hier von Frauen die in irgendeiner Form gegen den Strom schwimmen, egal ob sie damit als persönliches Vorbild, durch eigens Handeln, womit auch Angelica Kauffmann dazu gehörte, oder durch einen mehr oder weniger lauten Ruf nach Gerechtigkeit von sich hören machten.

Würde also Georgiana Cavendish in das Bild eines Freigeistes passen (ungeachtet der Affirmation zu den Whigs), wenn sie die übermässige Langeweile in einer Art an die Spieltische trieb, die sogar ihr Gatte bemängelte. Ist das mit einem Akt der Selbstbefreiung vereinbar? Hätte sich ein Freigeist derart gelangweilt und eben eine solche Schwäche regelrecht kultiviert, wie sie es tat? Oder suchen wir nicht eigentlich eher charakterstarke Frauen, die sich zumindest selbst behaupteten und Rechte beanspruchten, also ein sogenanntes "sinnvolles" Leben führten?
 
Konnte eine Frau ohne Unterstützung und Akzeptanz überhaupt einen eigenen Weg gehen? Bedeuted "Freigeist zu sein" also schon Widerstand gegen alle Grenzen, sozusagen das kämpferische an sich, oder ist es nicht schon das Aufbegehren allein und das In Fragestellen der gesetzten Grenzen ohne sich als Personen gegen den Rest der Welt zu stellen? Also Rückkehr zur Frage wie aktiv oder passiv der Freigeist gestatltet sein muß. Reichte es, für sich selbst die grenzen gelockert zu haben, oder muß man für viele das gleiche Recht eingefordert haben?
Viele der Namen, die hier zusammengetragen wurden, sagten mir nichts - bis jetzt! Vielen Dank also. :winke: Was die obigen Fragen betrifft, so plädiere ich dafür, die Definition nicht zu eng zu fassen. Dazu folgende Überlegungen:

1. Du hast den Begriff "Freigeist" bewusst gewählt? Sprachgeschichtlich besteht für das 18. Jahrhundert noch eine starke religiöse Konnotation. Typisch z. B. Aschbach
[1]: "Freidenker oder Freigeister hießen im 18. Jahrhunderte in Deutschland diejenigen, welche, obschon äußerlich einer christlichen Genossenschaft oder Kirche angehörig, doch ihre eigenthümliche Ansicht über Religion hatten..."

In diesem Sinne hatte schon Luther die "freien geist(er)" als jene bezeichnet, "denen nit vil daran gelegen ist, wo gotts reich beleibe", also als religiös Indifferente. Bei Kant wird es dann allgemeiner, wenn er "freigeisterei" bezeichnet als "grundsatz gar keine pflicht mehr zu kennen" [2].

2. Den Vorwurf, pflichtvergessen - im Sinne von frei - zu sein, konnten sich Frauen zu jener Zeit sehr schnell zuziehen. Das hing auch zusammen mit der Lehre von ihrer geringeren Vernunftausstattung, von der auch die Aufklärung nur zögerlich abkam. Typisch insoweit Rousseau mit der These, die Frau "verharre immer im Zustand der Kindheit; sie sei unfähig etwas zu sehen, das sich außerhalb der Welt der Häuslichkeit befindet, welche die Natur ihr zugewiesen hat. daraus folgt auch, dass sie exakte Wissenschaften nicht ausüben kann" [3].

Umso bemerkenswerter war demnach z. B. die "Ketzerei" eines Friedrich Schlegel, der sich für die allgemeine Emanzipation der Frauen stark machte und u. a. schrieb: Daß "irgend eine schöne und gute Freigeisterei" den Frauen weniger zieme als den Männern, sei wohl nur eine von den vielen gemeingeltenden Plattheiten, die durch Rousseau in Umlauf gekommen seien [4]. Der Begriff F. wird hier offenbar im Sinne der bürgerlichen Freiheiten gebraucht.

3. Wie immer man also F. definiert - die Suche nach Protagonistinnen bleibt schwierig. Interessant ist in diesem Zusammenhang vielleicht die Geschichte des "Journal des Dames", das - von 1759 bis 1778 erscheinend - drei weibliche Chefredakteurinnen nacheinander hatte: die Mesdames de Baumer (die auch Kontakt zu Lady Montagu hatte), de Maisonneuve und de Montanclos. [5]


[1] Allgemeines Kirchen-Lexikon, Bd. 2, S. 834
[2] Luther- und Kant-Zitat nach Grimms Wörterbuch
[3] Zitiert nach: Geschichte der Frauen, Bd. 3, S. 347; vgl. Brissotins letzten Beitrag.
[4] Zitiert nach: Haym, Die romantische Schule, S. 509
[5] Alles Weitere vgl. Geschichte der Frauen, Bd. 3, S. 449-459
 
Salut jschmidt!

Deine Zusammenstellung fand ich wie stets ganz vortrefflich.

Zu 3.:
Welche Lady Montagu meinst Du dabei? Es gab ja mehrere im 18.Jh..
Diese würde ja auch hinein passen, ist aber eine andere als die am Anfang angeführte: Elizabeth Montagu ? Wikipedia
Elizabeth Montagu.

Mir will sogar scheinen, dass die Elizabeth Montagu sogar besser in den Thread passt als die Mary Wortley Montagu.
 
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Zu 1. Ja. Freigeist hatte ich bewußt gewählt, aber hier nicht die religiöse/kirchliche Definition gemeint.

Zu 2. Ja, die Herren der Aufklärung waren sich selbst nicht einig. Wie ich selbst nicht wußte, kommt ja das Wort "Emanzipation" ursprünglich von "mancipium" und meint die Loslösung von der Gewalt des Vaters. Interessant in diesem Zusammenhang, dass eine Witwe keine wirkliche Rechtsgewalt über ihre Kinder hatte, sondern ein Vormund eingesetzt wurde. Eine logische rechtliche Folgerung, wenn man davon ausgeht, "dass ein Weib also eine kindliche Seele und einen ebensolchen Verstand habe." Ich weiß nicht mehr, wer das sagte.

Zu 3. Danke dafür.:friends: Weißt du mehr über genannte Damen? Wobei damals allein schon eine solche Tätigkeit eine Sensation war!
 
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2. Den Vorwurf, pflichtvergessen - im Sinne von frei - zu sein, konnten sich Frauen zu jener Zeit sehr schnell zuziehen. Das hing auch zusammen mit der Lehre von ihrer geringeren Vernunftausstattung, von der auch die Aufklärung nur zögerlich abkam. Typisch insoweit Rousseau mit der These, die Frau "verharre immer im Zustand der Kindheit; sie sei unfähig etwas zu sehen, das sich außerhalb der Welt der Häuslichkeit befindet, welche die Natur ihr zugewiesen hat. daraus folgt auch, dass sie exakte Wissenschaften nicht ausüben kann" [3].

Zu 2. Ja, die Herren der Aufklärung waren sich selbst nicht einig. Wie ich selbst nicht wußte, kommt ja das Wort "Emanziaption" ursprünglich von "mancipium" und meint die Loslösung von der Gewalt des Vaters. Interessant in diesem Zusammenhang, dass eine Witwe keine wirkliche Rechtsgewalt über ihre Kinder hatte, sondern ein Vormund eingesetzt wurde. Eine logische rechtliche Folgerung, wenn man davon ausgeht, "dass ein Weib also eine kindliche Seele und einen ebensolchen Verstand habe." Ich weiß nicht mehr, wer das sagte.
Passt doch zusammen.;):cool:
 
Ich sehe das so. Die Aufklärung sollte zwar den Menschen aus einer Art von selbstverschuldeter geistiger Unfreiheit führen, führte ihn aber andererseits teilweise nur in eine neue - zumindest bezogen auf Rousseaus frauenfeindliches Menschenbild.
Ob ihn die Mme. de Châtelet für so einen Unfug geschlagen hätte?:cool:
 
*Nachtrag*
Wobei ja gerade die Geringschätzung des weiblichen Verstandes vermuten liesse, dass die Damen in den politischen Salons keine gleichwertigen Gesprächspartner waren, oder? Zumindest nicht aus heutiger Sicht. :grübel:
Wobei Ausnahmen die Regel bestätigen ... ;)
 
Weißt du mehr über genannte Damen? Wobei damals allein schon eine solche Tätigkeit eine Sensation war!
Den betreffenden Handbuchbeitrag gibt es auszugsweise hier, leider nur auf Englisch: A History of Women in the West ... - Google Buchsuche.
Zu de Beaumer: Dictionnaire littéraire des femmes ... - Google Buchsuche
Zum Journal auch: Through the reading glass: women ... - Google Buchsuche

Mir will sogar scheinen, dass die Elizabeth Montagu sogar besser in den Thread passt als die Mary Wortley Montagu.
Aus dem Zitat "Es gibt Hinweise darauf, daß sie [de Beaumer] die temperamentvolle Lady Montagu in England besuchte" (aaO, S. 453) lässt sich die Identität nicht genau bestimmen, aber ich tippe auch auf Elizabeth!
 
Aus dem Zitat "Es gibt Hinweise darauf, daß sie [de Beaumer] die temperamentvolle Lady Montagu in England besuchte" (aaO, S. 453) lässt sich die Identität nicht genau bestimmen, aber ich tippe auch auf Elizabeth!
Die von Caro1 aufgeführte Dame wäre dann auch wahrscheinlich schon sehr in die Jahre gekommen. Vielen Dank für die Hinweise, jschmidt.

Das "Journal des Dames" ist wahrscheinlich nicht mit dem "Journal des Dames et des Modes" zu verwechseln, was ja dann im Empire und zeitlich drumherum erschien.
 
@jschmidt
danke noch einmal für den Hinweis auf das Journal des Dames! :friends:

Wie ich gelesen habe, wurde es von vornherein in der Absicht gegründet Frauen eine Plattform zu geben und sie zum Schreiben anzuregen.

Da ich unerhört neugierig bin werde ich mich auf die Suche machen, ob sie nicht Online-Versionen einiger Original-Ausgaben finden lassen ...:winke:

*Nachtrag*
Madame de Beaumer scheint eine sehr interessante Person gewesen zu sein. Angeblich erschien sie einmal in Breeches und mit Schwert im Censors House.

Ich muß mich übrigens korrigieren, das Journal des Dames war bei seiner Gründung (1759) wohl tatsächlich eher ein Morgenblatt für die französische Dame, bis Madame de Beaumer es 1962 kaufte.

Mehr dazu unter http://books.google.de/books?id=yex...5tT3Cg&sa=X&oi=book_result&ct=result&resnum=4
 
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Wie angedroht, kommen jetzt Rousseaus Auswürfe:

Die weibliche Gelehrtenrepublik, wie sie in der Gesellschaft der Pariser Salons erscheint, ist allerdings nicht jedermanns Geschmack. Rousseau lehnt sie in seinem 1758 veröffentlichten Brief an d'Alembert Sur son article Genève das le VIIe Volume de l'Encyclopédie, et particulièrement, sur le projet d'établier un théâtre de comédie en cette Ville ab und beruft sich auf die Notwendigkeit der Geschlechtertrennung - "Folgen wir den Hinweisen der Natur, fragen wir uns nach dem Wohl der Gesellschaft; wir werden finden, daß die beiden Geschlechter manchmal zusammenkommen und gewöhnlich getrennt leben müssen" (Rousseau 1967, S. 195) - sowie auf die Beachtung der jedem Geschlecht eigentümlichen Pflichten. Als verabscheuungswürdiges Gegenbild zu Sparta und zur glücklichen Gesellschaft der Montagnons erheben die Pariser Salons den Mangel an Schamgefühl zum verdienstvollen Verhalten:

"Bei uns [...] schätzt man am höchsten die Frau, die am meisten Lärm veranstaltet; von der man am meisten spricht; die man in der Gesellschaft am häufigsten sieht; bei der man am häufigsten diniert; die den gebieterischsten Ton anschlägt; die urteilt, durchgreift, entscheidet, verkündet, den Talenten, dem Verdienst und den Tugenden ihren Rang und ihre Stellung bestimmt; und deren Gunst die untertänigen Gelehrten auf die erniedrigenste Weise erbetteln. " (Ebd., S. 115 f.)

Schlimmer noch, die Salons verderben die Frauen, verweichlichen die Männer und zerstören auf diese Weise die Tugenden, die einem jeden Geschlecht geziehmen:

"Die Willensäußerungen des Geschlechts, das wir beschützen, dem wir jedoch nicht dienen sollten, feige ergeben, haben wir gelernt, es zu verachten, indem wir ihm gehorchen, und es durch eine spöttische Aufmerksamkeit zu beschämen;..." (Ebd., S. 197)
*

Zusammengenommen klingt das fast eher nach einer gewissen paranoischen Angst, welche Rousseau vor den Frauen gehabt zu haben scheint und die dann auf seinen blinden Verfechter Robespierre überging. Aus Rousseaus Gedanken dazu und wenn man bedenkt wie zahlreich seine Jünger unter den Montagnards waren, erkennt man auch, weshalb eine Olympe de Gouges in diesem Moment keine Chance gegen diese wütenden Sexisten haben konnte.

Gibt es irgendwelche Quellen, welche den Ursprung von Rousseaus "Angst" vor Frauen mit "Willensäußerungen" verdeutlichen? Oder hat er sich da ganz von den antiken Autoren verblenden lassen und die griechische Antike bzw. das Beispiel Spartas schlicht zu sehr ins 18.Jh. übertragen?

Aber ich kann mir auch vorstellen, dass er unter den männlichen Aufklärern wahrscheinlich nicht der Einzige war, der so dachte. Man befruchtete sich ja gegenseitig mit solchen Gedanken. Auf jeden Fall stehen diese extrem contraire zu einer früheren Entwicklung und dem Werk von Poullain de la Barre (1673): "De l'égalité des deux sexes. Discours physique et moral où l'on voit l'importance de se défaire des préjugés". Dieser Wendepunkt des Diskureses, welcher den Begriff der Gleichheit der Geschlechter einführte wurde sogesehen in der zweiten Hälfte des 18.Jh. wiederum durch Rousseau und seine zahlreiche (auch weibliche) Anhängerschaft nigiert.

Ich sehe das also schon so, dass die Salondamen mit ihren Kreisen doch zumindest für die Oberschicht dafür warben, dass man mit Damen auch über ernsthafte Dinge sprechen kann. Rousseau scheint ja genau daran, dass die Damen sich auch mit ihren Gedanken einmischen durften, Anstoß genommen zu haben, da er ihnen die Fähigkeit des ernsthaften Denkens partout absprach(entschuldigt, das muss ich jetzt mal hier anbringen: :motz::motz::motz:). So gesehen kann man schon sagen, dass die Salondamen wie Mme. Geoffrin als Vorreiterinnen zu sehen sind. Da es die Salons schon vor ihnen gab, haben sie diese wohl nicht erfunden, aber sie trugen dazu bei, dass sie erhalten blieben und ein Hord intellektuellen Austausches waren. Dass sie zu dergleichen fähig waren, ist mir durch das oft geistreiche Auftreten dieser Damen mehr als belegt!

Edward Gibbon war so ein Genosse im Geiste von Rousseau, welcher von einer "Tyrannei der Madame Geoffrin" sprach.**

Ich denke, das ist schon einiges an Denkstoff.:winke:

*
Roger Chartier: "Der Gelehrte - Der Salon wird kritisiert" S. 143-144
In: "Der Mensch der Aufklärung" (Hrsg. Michel Vovelle) Magnus Verlag, Essen, 2004
**
Ebd. S. 145
 
Gibt es irgendwelche Quellen, welche den Ursprung von Rousseaus "Angst" vor Frauen mit "Willensäußerungen" verdeutlichen? Oder hat er sich da ganz von den antiken Autoren verblenden lassen und die griechische Antike bzw. das Beispiel Spartas schlicht zu sehr ins 18.Jh. übertragen?
Angeblich spricht Rousseau aus persönlicher Erfahrung. Ich fand in der Datei "Aufklärung der Geschlechter" in den Quellenhinweise eine Notiz dazu, auch wenn lange vermutet wurde er habe sich mit seinen Texten und Aussagen an Erasmus' Schriften gehalten.
Aufklärung der Geschlechter ... - Google Buchsuche

Brissotin, weißt du mehr über sein Liebesleben, hatte er vielleicht Disfunktionen, die er so kompensierte? Möglich wäre auch eine komplizierte oder frustbehaftete Beziehung zur Mutter/Frau an sich.
 
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Ansonsten würde ich das mit dem Findelhaus als schon etwas OT laufend betrachten. Natürlich passt das vielleicht zur Erziehung und Erziehung wiederum zu einem Tätigkeitsgebiet der Frauen und die Frauen sind Teil dieses Threads... :D :pfeif:
 
Immerhin hatte er Kind. Von daher kann seine Angst vor Frauen nicht so arg gewesen sein.:rofl:
Nun ja, es gibt genügend Anzeichen, um nur zwei zu nennen ...

Um seine Männlichkeit und Autarkie zu zeigen steckt Rousseau seine Kinder ins Findelhaus und gibt ihnen den Staat als Mutter, somit vernichtet er die Mutterschaft seiner Frau und demonstriert erneut seine männliche Vorherrschaft.

und aus seinem Munde
Die Frauen herrschen nicht, weil die Männer es wollen, sondern weil die Natur es so will: sie herrschten schon, bevor sie zu herrschen schienen. Derselbe Herkules, der den 50 Töchtern des Thespios Gewalt anzutun glaubte, musste bei Omphale spinnen; und der starke Samson war nicht so stark wie Dalila. Diese Herrschaft gehört den Frauen und kann ihnen nicht genommen werden, selbst wenn sie Missbrauch damit treiben. Hätten sie sie jemals verlieren können, so hätten sie sie längst verloren.“


 
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