Welche Vorteile bot die Christianisierung?

Die Verbindung zu Wodan kannman meines Erachtens über den ostpreußischen Schimmelreiter für Knecht Ruprecht ziehen. Über das Gebiet des heutigen Deutschlands verstreut finden sich Sagen über den Schimmelreiter.
Der Brockhaus schreibt zum Schimmelreiter folgendes: in der deutschen Sage und im Volksglauben dämonisches Wesen oder wilder Jäger, Anführer der wilden Jagd.
Der Duden in 10 Bänden beschreibt den Schimmelreiter: in der germanischen Sage u. im Volksglauben gespenstischer Reiter auf einem Schimmel.
Die in den Lexika genannten Attribute sind auf Wodan voll und ganz aus der germanischen Mythologie heraus
zutreffend. Dazu die schon genannten Attribute des Wodans, welche die Figur des Nikolaus später ebenfalls bekam.
Zusammen mit der christlichen Symbolik des Heiligen Nikolaus, welche man mit Wodan kombinieren kann, daß z.B. der Schimmel das Attribut des Heiligen ist und das gute Prinzip, die Tugend symbolisiert, daß der heilige Nikolaus Gute Taten vollbrachte usw., konnte man dem einfachen Menschen plausibel das Christentum erklären. Noch dazu für die Menschen zum Vorteil, daß bisher alte gewohnte Bräuche einen neuen passenden Anstrich bekamen und so kein aprupter Bruch vollzogen wurde. Denn warum sollte man heute an die alten Götter und einen Tag später an den einen Gott glauben? Das war das Dilemma, an welches die Missionare stießen. Und so gibt es Beispiele, in denen selbst getaufte Menschen noch dem alten Glauben nachhingen. Wollte die christliche Kirche also den Kampf um die Köpfe der Menschen gewinnen, so konnte sie das nur, indem sie ihre eigene Religion mit der stärker verwurzelten verwob und sich so eine starke Ausgangsbasis schuf. So sind auch die Dekrete von Karlmann 742 gegen heidnische Bräuche und das des Karl des Großen zu deuten. Ehe man den Menschen heidnische Bräuche in aller Öffentlichkeit ausführen ließ oder den Mißstand, daß zwar eine große Anzahl von Menschen getauft waren, aber trotzdem die alten Gebräuche ausführten und sich nicht um die Kirche scherten, war es allemal besser diesen Bräuchen ein passendes neues Gewand zu fertigen, welches mit der christlichen Religion konform ging und behielt so die Initiative.
Leider finden sich bei diesem Thema sehr abweichende Extrempunkte wieder. Auf der einen Seite die Kirche, die aus verständlichen theologischen Gesichtspunkten ihre heidnischen Wurzeln verklärt und auf der anderen Seite die Anhänger der heidnischen Religion, speziell in Deutschland der Germanischen, welche mit gewissen politischen Ansinnen verbunden sind.
Ich hoffe daher, daß eine Diskussion ohne die Berührung dieser Extrempunkte möglich ist, denn dies ist ein spannendes, wenn auch brisantes Thema. (in Bezug auf unsere christlich gläubigen Mitbürger, die politische Verklärung des Heidentums sollte sowieso kein Thema sein)

PS: Tejason, die Antwort auf deinen Beitrag folgt später. Aber vorab die Frage warum feiern wir z.B. dann immer noch mit den nichtchristlichen Pfingstburschen und deren nichtchristlichen Bräuchen, wenn das Christentum nichts heidnisches übernahm und/oder tolerierte? Warum setzt man z.B. Maibäume? Warum gibt es immer noch Astrologie? usw. usf.
 
Hardegen schrieb:
PS: Tejason, die Antwort auf deinen Beitrag folgt später. Aber vorab die Frage warum feiern wir z.B. dann immer noch mit den nichtchristlichen Pfingstburschen und deren nichtchristlichen Bräuchen, wenn das Christentum nichts heidnisches übernahm und/oder tolerierte? Warum setzt man z.B. Maibäume? Warum gibt es immer noch Astrologie? usw. usf.

Nur zu :)
Wenn du die Capitulatio de partibus Saxoniae, also die Bedingungen denen sich die besiegten Sachsen unterwerfen mussten genau siehst, wirst du einige grundsätzliche Strategien der Missionare und Bekehrer erkennen:
Zu aller erst die Verteufelung heidnischer Gottheiten und Bräuche! Das ist der erste Punkt in der Rechnung. Astrologie galt im Mittelalter eben nicht unbedingt als Magie oder heidnischer Hokus-Pokus sondern je nach persönlicher Einstellung als mehr oder weniger seriöse Wissenschaft in der halt auch überkommene (etwa heidnische) Begriffe durchaus Verwendung fanden. Es widerstrebte nicht unbedingt christlicher Überzeugung den Willen Gottes aus den Sternen herauslesen zu können, eine Bewertung ist etwas ganz Anderes.
Pfingsten ist ein christliches Fest. Wieso redest du von nichtchristlichen Pfingsburschen? Was hat der Rummel am Rande eines Schützenfestes mit der eigentlichen Ermittlung eines Siegers beim Wettschießen zu tun?

Ich wehre mich gegen die grundsetzliche Annahme, das nennenswerte Anteile des Heidentums bewusst bei der Christianisierung im von uns besprochenen Zeitrahmen quasi umgetauft wurden. Es war damals keine kirchliche Strategie solche Massnahmen zu ergreifen. Ich habe bereits meine Interpretation über diese Annahme beschrieben und hier bislang nichts gefunden das mich vom Gegenteil überzeugen könnte.
Grundsätzlich ist von christlich inspirierten Festbräuchen und Volksglauben ein deutlicher Unterschied zur Lehre der Kirche zu ziehen.
 
„nicht unserem Vaterland gehören“

Hardegen schrieb:
Die Verbindung zu Wodan kann man meines Erachtens über den ostpreußischen Schimmelreiter für Knecht Ruprecht ziehen. / Warum gibt es immer noch Astrologie? usw. usf.

Hallo Hardegen:

Ursprung der Sage an der Weichsel?

Gespenstische Geschichten aus Schleswig-Holstein faszinierten Storm schon seit seiner Jugend. Er ließ sich davon zu eigenen Geschichten inspirieren und plante, diese eines Tages in einer Sammlung mit dem Titel Neues Gespensterbuch zu veröffentlichen. Während Storms Lebenszeit ist es zu dieser Veröffentlichung nicht gekommen; die Sammlung wurde erst 1991 das erste Mal publiziert. Der Schimmelreiter ist in dieser Sammlung allerdings nicht enthalten. In einem Brief an einen Freund schreibt Storm, dass diese Sage zwar aufgrund ihres Charakters zu anderen Geschichten durchaus passe, doch sie würde leider „nicht unserem Vaterland gehören“.


Wotan, immer auf einem Schimmel, die wilde Jagd, alles klar ...
Und inwieweit passt das auf die pruzzische, also baltische Götterwelt?

Aber Dein Link zum (wie viele andere Gestalten berittenen) Knecht Ruprecht bedarf der Erklärung.

ad / Astrologie und historische Recherche werden sich nie verbinden können ...

Aber ich würd mich sehr freuen, wenn der LINK gelingt.
 
Ich weiß, das wird jetzt nciht genügen, aber die umfassende Antwort folgt später. ;)



Nur soviel vorab:

Astrologie galt im Mittelalter eben nicht unbedingt als Magie oder heidnischer Hokus-Pokus sondern je nach persönlicher Einstellung als mehr oder weniger seriöse Wissenschaft in der halt auch überkommene (etwa heidnische) Begriffe durchaus Verwendung fanden. Es widerstrebte nicht unbedingt christlicher Überzeugung den Willen Gottes aus den Sternen herauslesen zu können, eine Bewertung ist etwas ganz Anderes.


Die Definition von Zauberei in der katechetischen Literatur Mitte des 15. Jahrhunderts

Einen Zauberer oder zauberin erkennet man alzo.
Die kunfftige ding wollen sagen von ettlichen geschicht oder gesicht. Die glauben haben an das loz puch, an warsager etc. Dy glauben haben an die not wurckende planeten oder stern haben noch der geburt oder nach den zaichen der sunnen. Die am ersten jar monden des abentz ein tisch mit guter speys seczen die nach den schreteln. Die caractern pinden an den hals oder etwas anders. Die glauben haben an etliche poße tag ym jar. Die unter dy turswell etwas wegraben oder wnn er snarcht. Die uber die krancken zawberlich lieder singen, sprechen oder hengen. Die glauben dar an haben, obn sie ez selber nit thun, Die mit dem astrolabio kunfftig ding wollen sehen. Die in laßen in die hende sehen oder in daz fewr oder wenn die vogel fliegen oder hennen kreen vogelgeschray. Die in segen lazen oder in ander gesegen fur die geswulst. Die dj poßen gaist anruffen jn gote und treten von gote. Die die stern an sehen und tag, wenn man ein ee will machen, pauen oder pflanczen. Die uber krancken kinder segen sprechen mit zaichen und niemant hat yn gewalt geben. ... Item die hagel und slach regen machen. Die potten mit dem hyndern ym visch pach. Die oben auz varen und die farend schuler. ... Die auff der panck faren. Item dj auff dem mantel hin faren, die auf dem sail gen.
 
Hallo Ning! Ich geb es zu, in Literatur, zumal in gesellschaftlich gehobener bin ich eine Niete. Darum habe ich erst einmal zu Storm und seinem Schimmelreiter gegoogelt.

Der Schimmelreiter an für sich ist als Sagengestalt mit den unterschiedlichsten Motiven im gesamtdeutschen Raum verbreitet. Allerdings würde ich nach der Inhaltsbeschreibung in der Wikipedia zu Storms "Schimmelreiter" keinen Bezug auf einen Dämonen und ursprünglichen germanischen Gott sehen.

Meintest du Hyokkoses Knecht Ruprecht Link?
http://de.wikipedia.org/wiki/Knecht_Ruprecht
 
Hardegen schrieb:
die auf dem sail gen.
*lach*
Und so schön diese Prosa, zack, endet, soll es auch mit dem Zauber sein.
(auf das das Astrologische hier nicht ausufert - aber: nett, danke.)

Bin schon gespannt (auf Knecht Ruprecht). Ich lese mal bei den Pruzzen nach.
 
Da waren wir zeitgleich.

Ich kenn das, aber schön: das wunderbare internetz:

Die verschiedenen Gestalten des Knecht Ruprecht haben ihren Ursprung im spätmittelalterlichen Kinderschreck. Seit dem 16. Jahrhundert, verstärkt im 17., kursierten Flugblätter mit Schreckfiguren, die als zusätzliches Mittel der elterichen Erziehung die Kinder zu Frömmigkeit mahnte. Am häufigsten verbreitet war der Kinderfresser, wie er beispielsweise heute noch als sog. Chindlifrässer an einem Brunnen im schweizerischen Bern zu sehen ist. Die Figur geht auf eine im 16. Jahrhundert in Italien entstandene Vorstellung zurück, in der der Teufel die Seelen der Sünder verschlingt. Der Kinderfresser, oftmals auch in Begleitung einer sog. Butzenbercht, drohte den unfrommen Kindern in grausamen Versen, sie mitzunehmen, aufzuschlitzen, bis aufs Blut auszupeitschen oder gar aufzufressen. Wie Knecht Ruprecht trugen beide Figuren, der Kinderfresser und die Butzenbercht einen großen Sack oder Korb, worin sie die Kinder zu stecken versuchten. Auf Grund dieser Verhältnisse ist der Weg insbesondere der Butzenbercht zum Knecht Ruprecht nicht weit, entstammen beide der Gattung der Perchten.

Spätmittelalter. Brav christlich sein. Man muss laut "Wiki" leider sagen, dass dein LINK an den Haaren herbeigezogen ist. (Aber sehr wohl zur Zauberei passt, aber das ist ja ein anderes Thema ... oder?)

So. Hamma das.
Der Schimmelreiter allerdings, so er Odin od Wodan benamt, der bleibt - anno Bonifazii.
 
Welchen Link meinst du? Ich habe hier in diesem Thread keinen gesetzt.:rotwerd:

Den Auszug aus der Wiki, den du gebracht hast würde ich nicht gleich als Beweis für das Nichtvorhandensein des Wodans anführen. ;)

Denn:

Wodan als Kriegsgott brachte man Menschenopfer, vgl. dann das Synonym für den Kinderschreck-->sie mitzunehmen, aufzuschlitzen

der ursprüngliche Wodan hatte mit der Lebensrute die Möglichkeit Hoffnung und Fruchtbarkeit zu erteilen und zu strafen -->bis aufs Blut auszupeitschen

Der Kinderfresser, oftmals auch in Begleitung einer sog. Butzenbercht--> Wodan war oft mit seiner Gemahlin Frigg (Berchta, Frau Holle) in der germanischen Mythologie unterwegs. Auch Frau Holle spendet als Göttin der Liebe und Fruchtbarkeit Segen.

entstammen beide der Gattung der Perchten-- siehe Wiki http://de.wikipedia.org/wiki/Perchten
 
Bist Du Österreicher oder Bayer? ;)

Sorry für das Missverstehen, mit LINK meinte ich dein persönlich.geistiges Linken Wodan-Knecht Ruprecht.

Und über alles weitere denk ich morgen nach ;-)
 
Strategie

tejason schrieb:
Wenn du die Capitulatio de partibus Saxoniae, also die Bedingungen denen sich die besiegten Sachsen unterwerfen mussten genau siehst, wirst du einige grundsätzliche Strategien der Missionare und Bekehrer erkennen:
Zu aller erst die Verteufelung heidnischer Gottheiten und Bräuche! Das ist der erste Punkt in der Rechnung.

Würde mich ehrlich interessieren wie Du tejason weitere Punkte der Missions-Strategie aufdröseln würdest.

Herzlicher Gruß, Martin
 
Hardegen schrieb:
Die Definition von Zauberei in der katechetischen Literatur Mitte des 15. Jahrhunderts

Einen Zauberer oder zauberin erkennet man alzo.
[...]
Gibt es dazu eine etwas genauere Literaturangabe?
 
Egino Weidenhiller, Untersuchungen zur deutschsprachigen Katechetischen Literatur des späten Mittelalters, Beck München 1965
 
beorna schrieb:
Mal abgesehen vom "übers Wasser laufen" und Wasser in Wein verwandeln und Tote erwecken und .........:rofl:
*gg* Bussi beorna.
Weil wir ja über Christianisierung reden muss man christliche Definitionen anwenden um zu scheiden. Da gibt es einen Gegensatz zwischen göttlichen Wundern und Magie. Weiter sollten wir m.e. darauf nicht in diesem Thread eingehen.

@Marie_LL:
Ohne das Thema vertiefen zu wollen ist die große Zeit der Hexenverbrennungen und die kirchlichen Versuche den wissenschaftlichen Fortschritt ihrer Kontrolle zu unterstellen mehr in der Frühen Neuzeit (je nach Definition), also der Renaissance zuzuordnen. Wir reden hier von der Christianisierung Germaniens, die man mit den beiden frühmittelalterlichen Gestalten Bonifatius und Karl d. Großen im Wesentlichen verbinden kann. Hier kann ich guten Gewissens wieder die Capitulatio de partibus Saxoniae zitieren:
6. Todesstrafe erleidet der, der vom Teufel getäuscht, nach heidnischer Sitte wähnt, irgendein Mann oder eine Frau sei Hexe und Menschenfresser und sie deshalb verbrennt oder deren Fleisch verzehrt bzw. zum Verzehr weitergibt.
Mit anderen Worten hat Karl den Glauben an Hexen und damit die Hexenverfolgung an sich als Heidnisch mit der Todesstrafe bedroht!! Ich wünschte, die Kirche wäre bei dieser Einstellung fest geblieben. Was du ansprichst liegt zeitlich weit nach Karl, etwa wie die Schlacht an der Allica 390 v. Chr (Wo der Kelte Brennus die Stadt Rom bis auf das Kapitol erobern konnte „Wehe den Besiegten“) und Konstantin d. Gr. (Römischer Kaiser von 306 bis 337 nach Christus: Erster christlicher Kaiser, verlegt die Hauptstadt des römischen Reiches von Rom nach Byzanz, nach ihm in Konstantinopel umbenannt). Es ist also als würde man aus der Geschichte der Antike fast die gesamte Epoche des römischen Imperiums einfach wegblenden. Der nächste Absatz wird anreißen wie es damals wirklich war:

@Vorteile der Christianisierung.
Zur Zeit des Bonifatius waren es christliche Mönche, allen voran die Benediktiner, die das Wissen der alten Welt bewahrten und am Leben hielten. Die Kirche war zu späteren Zeiten durchaus ein Hemmschuh für Wissenschaft und Forschung, im von uns betrachteten Zeitraum war sie in Beidem Vorreiter! Für Jahrhunderte dominierten die Benediktiner in Westeuropa-, zumindest aber in Mitteleuropa jede höhere Bildung. Gleichgültig ob sich ein Wissensdurstiger in Philosophie, Gartenbau, Heilkunde oder Schreiben bilden wollte: Er hatte keine andere Wahl als bei den Benediktinern zu lernen. Nicht etwa weil dieser Mönchsorden das Wissen der Zeit in anderen Händen verhindert hätte, sondern weil die Benediktiner das Sammeln von Wissen als ihre Aufgabe ansahen. Ohne die Benediktiner wären all diese Künste in Mitteleuropa völlig verloren gegangen! Ich bin persönlich sehr dankbar für diese Sammelleidenschaft. Wer an solches Wissen gelangen wollte, für den war es von Vorteil ein Christ zu sein und bei den Mönchen studieren zu dürfen. Nur einzelne arabische Zentren und natürlich Byzanz boten ebenfalls solche Möglichkeiten!

@Hardegen:
Wegen der Menschenopfer: Die Zuständigkeiten heidnischer Götter ist nie so ganz klar, aber meines Wissens war Tyr der Gott des Krieges, aber Wodan der Gott des Sieges – Seis es drum, das ist nicht der Punkt. Altgermanisches Heidentum hat mit den heidnischen Pruzzen vermutlich nur wenig gemeinsam.

Schöne Zitate zu christlicher Katechese der Renaissance. Nur, da greift der gleiche, enorme zeitliche Unterschied wie ich ihn zur Hexenverbrennung und meiner Antwort auf Marie_LL bereits herausgestrichen habe!
Du hast bereits selbst aus den Briefen des Bonifatius zitiert (die Geschichte mit dem Frisenherzog Radbod). Dort findest du zahlreiche Beispiele dafür wie rigoros der Angelsachse Winfridt jede Form von Synkretismus (also von Verschmelzung heidnischer Vorstellungen mit christlicher Religion) anprangert und scharf verurteilt. Im Concilium Germanicum (742 oder 743 n. Chr.) beschloss die fränkische Kirchensynode unter dem Vorsitz des karolingischen Hausmeisters Karlmanns (auf Betreiben Bonifatius) Maßnahmen gegen jede Form heidnischer Infiltration:

(V.) Wir verfügten ferner; daß nach den Satzungen jeder Bischof in seiner Diözese unter Beihilfe des Grafen, welcher der Schützer der Kirche ist, Sorge tragen soll, daß das Volk Gottes nichts Heidnisches treibe, sondern allen Unflat des Heidentums abstreife und verabscheue, als seien es Totenopfer; Losdeuterei, Zauberei, Amulette, Wahrsagerei, Beschwörungen oder Schlachtopfer; die einfältige Menschen nach heidnischem Brauch bei Kirchen unter dem Namen von heiligen Märtyrern und Bekennern vornahmen, wodurch sie den Zorn Gottes und der Heiligen herausfordern, oder jene gotteslästerlichen Feuer; die sie Niedfyor nennen, und er soll ihnen überhaupt jeglichen heidnischen Gebrauch, von welcher Art er sei, sorgsam verbieten.
http://www.mittelalter.uni-tuebingen.de/?q=personen/schmitz/vl9798/bonifatius.htm
Die Strategie zur Missionierung Germaniens sah eben nicht vor, den Heiden goldene Brücken ins Christentum hinein zu bauen. Ich denke der Aspekt „Heidentum im christlichen Gewande“ ist damit ausreichend abgehakt, oder?
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Strategie zur Missionierung Germaniens sah eben nicht vor, den Heiden goldene Brücken ins Christentum hinein zu bauen. Ich denke der Aspekt „Heidentum im christlichen Gewande“ ist damit ausreichend abgehakt, oder?

@ Tejason: ich stimme deinen letzten Beiträgen hier in diesem Thread weitgehend zu. Insgesamt lässt sich schwer ermitteln, wie erfolgreich die Methoden der Missionare auf den Glauben des Einzelnen waren. Aber in den diversen Schriften des 8. Jahrhundert (z.B. auch im Concilium Germaniae) wurde sehr klar geäußert, welche religiösen Praktiken nicht mehr geduldet werden.
Persönlich denke ich, dass die Kirche mit diesem Kurs insgesamt erfolgreich war (was nichts über seine Berechtigung aussagt), was sich an verschiedenen Indizien ablesen lässt. Für das wichtigste davon halte ich, dass in den gesamten, schon vor den Sachsen durch die Franken beherrschten rechtsrheinischen Gebiete Deutschlands (Hessen, Alemannien, Bayern) die heidnische Sitte, die Toten mit Beigaben zu bestatten, erlischt.
 
Also, ich meine, man sollte sich mal davon freimachen, dass der heidnische Glaube, so wie wir ihn aus der Überlieferung kennen, viel älter war, als das Christentum nördlich der Alpen. Es ist ein immer wieder aufgewärmtes Märchen, dass die ganzen Geschichten um Freya, Odin usw. uralt (am liebsten steinzeitlich) gewesen seien und dann vom Christentum verdrängt worden wären. Es gibt keinerlei Zeugnisse aus vorchristlicher Zeit über eine irgenwie geartete "Theologie" des Heidentums. Vielmehr gab es lediglich jede Menge regionaler Kulte ohne besonderen theoretischen Überbau. Jedenfalls wissen wir davon nichts. Was wir wissen, wissen wir von Tacitus und christlichen Schriftstellern. Was Tacitus beschreibt, sind Götternamen mit Funktionen und Kulte (Semnonenhain). Ein allgemein akzeptiertes geschlossenes Weltbild gab es nicht. Wenn er davon schreibt, ein "Volk" habe dieses oder jenes geglaubt, sollte man nicht vergessen, dass das Nachrichten aus zweiter Hand sind und die Kultzersplitterung nicht widergibt. Man muss sich das so vorstellen wie heute das Sektenwesen, wo unter dem allgemeinen Dach des Christentums jede Geinschaft irgendetwas anderes daraus macht.
Wenn man mal davon ausgeht, dann ist doch folgendes festzuhalten:
Das Christentum begann hier als Stadtreligion. Bischofssitze garantierten einen permanenten Kult. Das Land blieb noch lange heidnisch/magisch, schon weil die Priester sich Sonntags in der Bischofskirche einzufinden hatten. Es gibt noch sehr lange nach der angeblichen Christianisierung des Frankenreichs und Germaniens Predigten gegen heidnische Bräuche auf dem Lande.
In den "Ballungszentren" (wenn man mal euphemistisch davon sprechen darf) saß auch die intellektuelle Elite der jeweiligen Region. Der fiel schon der Unterschied zwischen einem geschlossenen Weltbild mit entmytologisierter Schöpfungsgeschichte (Sonne, Mond und Sterne waren keine Götter mehr, Quellen ohne Nymphen usw.). Hinzukam die Schrift, die die Beliebigkeit mündlichen Erzählens beendete, wo jeder Dichter noch etwas dranstricken konnte. Der Monotheismus dürfte auf die Intellektuellen eine faszinierende Wirkung gegenüber ihren manchmal schwankhaften Götteranekdoten gehabt haben. Diese Meinungsführer wurden ja auch zuerst christianisiert. Die "Häuptlinge" wurden ja als erste getauft. Dem Fußvolk dürfte nicht viel anderes übrig geblieben sein. Die Missionare in Skandinavien begaben sich zunächst zum König und nicht aufs Dorf. Das Handelsverbot zwischen Christen und Heiden machte sich dann bemerkbar, wenn die wichtigen Handelsgüter (oder deren Abnehmer) Christen geworden waren. Das war wieder die Oberschicht. Neben den dumpf irgendwelche Zauberformeln murmelnden "Schamanen" gab es schon immer Intellektuelle, die dies als Humbug durchschauten, schon bei den Römern (das "Augurenlächeln" derjenigen, die Bescheid wussten und die einfachen Leute für dumm verkauften).
Die Germanen hatten keine Religion in unserem Sinne. Vielmehr handelte es um regional verschiedene magische Praktiken, von denen einige eine höhere Autorität hatten, als andere (wie im Semnonenhain oder wohl in Uppsala).
Die Edda als wichtigste Quelle zeigt uns einen Zustand, wie er wohl lange vor dem Werden des Alten Testaments gewesen sein muss: Eine ganze Reihe von verschiedenen Geschichten, für die es noch an einem Jeremia fehlte, um sie in ein geschlossenes Weltbild zu bringen. Sie zeigt aber (zusammen mit der Erfindung der Runen) auch, dass die weiträumigen Handelsverbindungen und die weiten Reisen vieler Abenteurer bis nach Byzanz zwar nicht das Christentum selbst mitbrachten, aber die Kunde von einem in sich geschlossenen metaphysischen System, dass intellektuell überlegen war. Also machte man sich daran, mit dem eigenen Kultmaterial etwas ähnliches zu schaffen. Futhark und Ragnarök, auch die Weltentstehung zeigen deutlich solche Einflüsse. Das gleiche gilt für Kreuz-Amulette in heidnischen Gräbern.
Bonifatius kam also nicht und erzählte etwas, was da noch niemand gehört hatte. Sondern er brachte authentische Nachricht von einem System, das bereits vorher gerüchteweise bekannt war und neugierig machte.
 
Es klingt als wäre Mittel- und Nordeuropa nur deswegen christianisiert worden, um eine Infrastruktur aufzubauen. Religion als Wirtschaftsförderung, nach dem alt-römischen Grundsatz: "Friede und Steuern"
 
askan schrieb:
Es klingt als wäre Mittel- und Nordeuropa nur deswegen christianisiert worden, um eine Infrastruktur aufzubauen. Religion als Wirtschaftsförderung, nach dem alt-römischen Grundsatz: "Friede und Steuern"
Nur, wenn man nicht den ganzen Artikel liest sondern nur den Satz "Das Handelsverbot zwischen Christen und Heiden machte sich dann bemerkbar, wenn die wichtigen Handelsgüter (oder deren Abnehmer) Christen geworden waren. Das war wieder die Oberschicht."
 
Wieso gab es dieses Handlsverbot eigentlich? Schließlich trieben die Heiden mit dem islamischen Spanien und Persien sehr regen Handel.
 
Methoden sind keine Ziele

askan schrieb:
Es klingt als wäre Mittel- und Nordeuropa nur deswegen christianisiert worden, um eine Infrastruktur aufzubauen. Religion als Wirtschaftsförderung, nach dem alt-römischen Grundsatz: "Friede und Steuern"

Lieber askan,

die Infrastruktur war doch niemals Ziel und Zweck per se. Genauso wenig eine wirtschaftliche Entwicklung losgelöst und für sich. Es war vielmehr zivilsatorische Methode! Die Methode der Erschließung, Verfügbarmachung und wirtschaftlicher Entwicklung spiegelt allerdings Aspekte der damit verbreiteten Ideen - herausragend z.B. Vorstellungen der Vereinheitlichung für Verwaltbarkeit/Nutzbarmachung über größere Herrschaftsgebiete, Vereinheitlichung der Glaubensausübung wie auch ein "geschlossenes Weltbild" (@fingalo) ...

Darin spiegelt sich sicherlich auch ein Religionsverständnis in dem die GANZE Erde EINEM Gott in EINER Interpretation - und stellvertretend auch in irdischer Herrschaft - soweit irgend möglich untertan werden sollte. Und mit Karl dem Großen spiegelt sich diese Vereinheitlichung und Zusammenführung in eine fusionierende gedankliche Konstruktion von Herrschaft, Religion und Herrschaftsgebiet am klarsten wieder. Wobei diese Idee(n) schon weitaus eher als "Ziel und Zweck" zu markieren wären. Die individuelle Rettung und Vereingemeindung der armen heidnischen Seelen? Ich weiss nicht recht - ich vermute da doch eher eine elitäre Religions- wie Herrschaftsauffassung, die dann ihre Denkstrukturen in räumlich-soziale Strukturen giesst.

(Die Wertung, ob jetzt derartiges Fortschreiten und vereinheitlichende Zivilisation "positiv" zu sehen ist, steht ja hier in erster Linie mal nicht zur Debatte. Es geht ja um das Verstehen mit welchen Methoden und mit welchen Motiven Christianisierung in Mitteleuropa von statten ging. Und welche Strukturen sich deshalb und dementsprechend hielten, verloren gingen oder neu herausbildeten.)

Herzlicher Gruß, Martin
 
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