Welche Vorteile bot die Christianisierung?

@Hardegen:
Wegen der Menschenopfer: Die Zuständigkeiten heidnischer Götter ist nie so ganz klar, aber meines Wissens war Tyr der Gott des Krieges, aber Wodan der Gott des Sieges


Tyr besitzt Merkmale des Hercules, dem Wettergott der Hethiter, dem vedischem Gott Indra und wird hauptsächlich dem römischen Iupiter gleichgestellt, dessen Hauptweseneigenschaften er besitzt, während Wodan eindeutig dem römischen Mars wesenverwandt ist.

– Seis es drum, das ist nicht der Punkt. Altgermanisches Heidentum hat mit den heidnischen Pruzzen vermutlich nur wenig gemeinsam.

Das habe ich hier auch nicht behauptet.
Die Strategie zur Missionierung Germaniens sah eben nicht vor, den Heiden goldene Brücken ins Christentum hinein zu bauen. Ich denke der Aspekt "Heidentum im christlichen Gewande" ist damit ausreichend abgehakt, oder?
Nein, da es einen wesentliche Unterschied in den Auffassungen gibt. Ich gehe davon aus, daß die christliche Missionierung sich über viele Jahrhunderte erstreckte, während du sie schon im Frühmittelalter für abgeschlossen hältst.
@fingalo
Non. Zauberei wurde schon bei den Römern mit dem Tode bestraft, und die großen Verbrennungsorgien fanden erst in der frühen Neuzeit statt.

Die heidnischen Römer bestraften den Schadenzauber wie aus juristischen Schriften des 2. Jahrhunderts belegt ist. Liebes- und Heilungszauber sind davon unberührt. Der Codex Theodosianus und der Corpus Iuris Civilis stammen von 438 bzw. dem 5. Und 6. Jahrhundert und sind damit schon unter christlichen Gesichtspunkten verfasst worden.
Also, ich meine, man sollte sich mal davon freimachen, dass der heidnische Glaube, so wie wir ihn aus der Überlieferung kennen, viel älter war, als das Christentum nördlich der Alpen. Es ist ein immer wieder aufgewärmtes Märchen, dass die ganzen Geschichten um Freya, Odin usw. uralt (am liebsten steinzeitlich) gewesen seien und dann vom Christentum verdrängt worden wären. Es gibt keinerlei Zeugnisse aus vorchristlicher Zeit über eine irgenwie geartete "Theologie" des Heidentums.

Im Zusammenspiel von Archäologie, Geschichte, Namenkunde, Sprach- und Literaturwissenschaft kann man religiöse Relevanzen von Quellen und Zeugnissen erkennen .Die wissenschaftliche Beurteilung untersteht dabei natürlich einem Wandel durch neue Methoden und Erkenntnissen dieser Fachbereiche. Das es gerade im vorchristlichem Bereich in der germanischen Religionswissenschaft Quellenprobleme gibt sagt überhaupt nicht aus, daß es diese Religion nicht gab.



Ein Aspekt wird in dieser ganzen Diskussion meiner Auffassung auch vernachlässigt. Die Bekehrung richtete sich im Frühmittelalter in aller Regel nicht auf die einzelne Person, sondern auf das Dorfoberhaupt, den Fürsten, Kriegsherren. Das gemeine Volk folgte dann diesem, so wie die Franken dem Chlodwig in der Taufe nachfolgten.
Hier könnte man ein einfaches Beispiel konstruieren, wenn man annimmt, daß Y. Christ wäre und sein Vater ihm morgen sagen würde, daß er von nun ab die Religion xyz angenommen hat und er erwartet, daß Sohn Y. ihm nachfolgt, was der pflichtbewußte und gehorsame Sohn auch seinem Vater zuliebe macht. Wie handelt nun Y., wenn er sich dem Christentum doch noch hingezogen fühlt? Standen die Menschen damals nicht vor einem ähnlichem Spagat und erklärt dies nicht, daß soviele heidnische Wurzeln sich bis heute bewahrten, wobei die ursprünglichen heidnischen Hintergründe immer mehr im Laufe der Zeit verschwammen?

 
Christianisierung konkret

(Die Iddengeschichte interessiert mich aber im Augenblick weniger ... und bin ich zum gefragten Zeitraum auch nicht besonders sattelfest ...)

Mehr interessiert mich gerade ein genaueres Bild wie Christianisierung von statten ging:

tjeason und fingalo haben schon darauf verwiesen - eine Frage dürfte sein auf welche Strukturen trafen die Missionare. Wie war das Religionsverständnis und die Herrschaftsverhältnisse in den unterschiedlichen Regionen und wie Zersplittert oder Einheitlich im Selbstverständnis. Spontan drängt sich mir die die Frage auf, warum wurde nur gering, ungeordnet oder "unvereint" Wiederstand geleistet? Anscheinend wurden die Missionierungen großenteils nicht als feindliche Landübernahmen wahrgenommen? Vielmehr als ein gegenseitig wachsendes Nutzenverhältnis, neudeutsch eine "win-win-Situation"? Agrartechnische Neuerung gegen Religionsausbreitung. Und erst im Zuge der neuen Verwaltungshierarchien und (eben auch erst räumlich erschlossenen) Strukturen zieht die weltliche Herrschaftsentwicklung nach? Oder sind es parallel vorangetriebene Land- und Volknahmen? (Im Mühlviertel will mir das eher so erscheinen.)

@ fingalo: In den "Ballungszentren"
Die räumliche Gliederung kongruent zur kirchlichen Verwaltungsstruktur erscheint mir schon auch bildhaft passend. Wie ein Netz, erst grob, dann immer feiner, breitet sich dieser Zugriff übers neue Land. Nicht wie eine Eroberung mit klaren Fronten.

Ich entdecke da ja immer mehr Parallelen zur Kolonisierung der amerikanischen Kontinente. Wurden denn zur Mitteleuropäischen Christianisierung auch Siedler bewußt in die neuen Territorien verbracht? Oder entfiel derartige Migration weitgehen, da mit agrartechnischem Fortschritt aller Orten kein rechter "Bedarf an Humantransport" gegeben war? Aber/und wie weit wurden die neuen Herrschaftseliten importiert oder aus den Angetroffenen rekrutiert?

Herzlicher Gruß, Martin
 
Methode Chlodwig und

Kleine Überschneidung ...
Hardegen schrieb:
Die Bekehrung richtete sich im Frühmittelalter in aller Regel nicht auf die einzelne Person, sondern auf das Dorfoberhaupt, den Fürsten, Kriegsherren. Das gemeine Volk folgte dann diesem, so wie die Franken dem Chlodwig in der Taufe nachfolgten.

Okay. Das hieße wohl der Erfolg der Missionare ergab sich aus der Überzeugung von angetroffenen Eliten. Allerdings beinhaltet dies im Umkehrschluß ja auch eine gewisse Folgsamkeit und innere Plastizität der Untertanen ... insofern ist Deine vermutete Hartnäckigkeit an heidnischen Ritualen festzuhalten nicht so ganz naheliegend:
Hardegen schrieb:
Standen die Menschen damals nicht vor einem ähnlichem Spagat und erklärt dies nicht, daß soviele heidnische Wurzeln sich bis heute bewahrten, wobei die ursprünglichen heidnischen Hintergründe immer mehr im Laufe der Zeit verschwammen?

Wobei ja die Frage nach der Tiefe an Verwurzelung, der Nachhaltigkeit, der Einheitlichkeit und Zugehörigkeit (wie explizit "germanisch"?) ja schon debattiert wird. Meines Erachtens beziehen viele der besonders hartnäckig "heidnischen" Bräuche und Rituale ihr Potential mehr aus ihrer universalen Naturreligiösen Dimension. (Wie auch schon angeführt) sind Naturerscheinungen in Form von Jahreszeitenverläufen oder Fruchtbarkeitszusammenhänge eben universal beobachtbare Phänomene. (Und insofern sind diese mystisch/religiös/esoterischen Reflektionen noch nicht unmittelbar spezifisch "germanisch", "heidnisch" und eben auch nicht "christlich". Ein Sonnwendfeuer ist eben nicht per se als "heidnisch-germanisch" auszumachen, nicht wahr?)

Herzlicher Gruß, Martin
 
Okay. Das hieße wohl der Erfolg der Missionare ergab sich aus der Überzeugung von angetroffenen Eliten. Allerdings beinhaltet dies im Umkehrschluß ja auch eine gewisse Folgsamkeit und innere Plastizität der Untertanen ... insofern ist Deine vermutete Hartnäckigkeit an heidnischen Ritualen festzuhalten nicht so ganz naheliegend:

Ich sehe da keinen Widerspruch. Sehr überspitzt: Der Kopf des Betroffenen könnte gesagt haben: Sei folgsam, ansonsten bist du deinen Kopf los oder wirst aus der Gemeinschaft ausgestoßen, wenn du dich offen gegen deinen Führer auflehnst. In meiner Hütte aber habe ich das sagen und mache was ich will.
Analogien zu menschlichem Verhalten in diktatorischen Staaten oder zu diktatorischen Führungsstilen in Unternehmungen moderner Prägung zwingen sich hier auf.


Wobei ja die Frage nach der Tiefe an Verwurzelung, der Nachhaltigkeit, der Einheitlichkeit und Zugehörigkeit (wie explizit "germanisch"?) ja schon debattiert wird. Meines Erachtens beziehen viele der besonders hartnäckig "heidnischen" Bräuche und Rituale ihr Potential mehr aus ihrer universalen Naturreligiösen Dimension. (Wie auch schon angeführt) sind Naturerscheinungen in Form von Jahreszeitenverläufen oder Fruchtbarkeitszusammenhänge eben universal beobachtbare Phänomene. (Und insofern sind diese mystisch/religiös/esoterischen Reflektionen noch nicht unmittelbar spezifisch "germanisch", "heidnisch" und eben auch nicht "christlich". Ein Sonnwendfeuer ist eben nicht per se als "heidnisch-germanisch" auszumachen, nicht wahr?)

Wie vereinbart sich z.B. ein Sonnenwendfeuer mit der Trinität und dem 1. Gebot?


Agrartechnische Neuerung gegen Religionsausbreitung

Als gläubiger Mensch freue ich mich, daß meinen Gebete und Opfer erhört und angenommen wurden, denn der Gott/die Götter helfen mir mein Erdendasein erträglicher werden zu lassen. Ich kann es mir schwerlich vorstellen, daß Menschen aus diesen Gründen zu einer neuen Religionszugehörigkeit sich geneigt fühlten.
 
dazu fällt mir spontan eine Passage aus dem "Schimmelreiter" von Th.Strom ein.
Als die Bauern den neuen Deich bauten, gab es doch Tumult, weil sich der Deichgraf weigerte "etwas lebendiges" zu opfern. Die Einstellung das der Deich nicht halten würde, weil er sein Opfer nicht bekam, klingt nicht gerade christlich.

Ähnliches ist auch aus Hildesheim überliefert, obwohl seit dem 9. Jh Bischofssitz, so versenkte man dennoch bis ins 16. Jh. jedes Frühjahr Hühner im Fluss, um den Flussgeist zu besänftigen. Jedenfalls lau unseren Stadtsagen.
 
wie anpassungsfreudig

Hardegen schrieb:
Ich sehe da keinen Widerspruch. Sehr überspitzt: Der Kopf des Betroffenen könnte gesagt haben: Sei folgsam, ansonsten bist du deinen Kopf los oder wirst aus der Gemeinschaft ausgestoßen, wenn du dich offen gegen deinen Führer auflehnst. In meiner Hütte aber habe ich das sagen und mache was ich will.

Aber zwingend ist diese Selbstständigkeit und Beharrlichkeit im religiösen Denken auch nicht. Knackpunkt der Auffassungen dürfte da schon die Tiefe der Verwurzelung der Ideen darstellen. Je weniger verinnerlichte (germanische, slawische, ...) Einheitsideologie man vermutet sondern naturreligiöse Indiffernzen, desto plastischer=anpassungsfreudiger antizipiert man aus heutiger Sicht wohl "den Heiden". (Da drohen ja immer auch romantische Wunschbilder: Der dumpfe Heide, den das Christentum erlöst. Der stolze Germane, der sich auf Augenhöhe und nur oberflächlich christianisiert. Der edle Heide, der seine naturreligiöse Reinheit in Form von Brauchtum im Herzen bewahren konnte ... )

Hardegen schrieb:
Wie vereinbart sich z.B. ein Sonnenwendfeuer mit der Trinität und dem 1. Gebot?

"Sich Vereinbaren" ist eine anderes Diskussion als "sich Herleiten", "Teil eines spezifischen (germanischen) Kultverständnisses sein".

Hardegen schrieb:
Als gläubiger Mensch freue ich mich, daß meinen Gebete und Opfer erhört und angenommen wurden, denn der Gott/die Götter helfen mir mein Erdendasein erträglicher werden zu lassen. Ich kann es mir schwerlich vorstellen, daß Menschen aus diesen Gründen zu einer neuen Religionszugehörigkeit sich geneigt fühlten.

Der Gott, der mir gerodetes Feld und Roggen samt Mühle liefert, ist ein ziemlich umfassend kompetenter Gott will mir scheinen. Er füllt meinen und meiner Kinder Bauch recht nachhaltig.
 
Aber zwingend ist diese Selbstständigkeit und Beharrlichkeit im religiösen Denken auch nicht. Knackpunkt der Auffassungen dürfte da schon die Tiefe der Verwurzelung der Ideen darstellen. Je weniger verinnerlichte (germanische, slawische, ...) Einheitsideologie man vermutet sondern naturreligiöse Indiffernzen, desto plastischer=anpassungsfreudiger antizipiert man aus heutiger Sicht wohl "den Heiden". (Da drohen ja immer auch romantische Wunschbilder: Der dumpfe Heide, den das Christentum erlöst. Der stolze Germane, der sich auf Augenhöhe und nur oberflächlich christianisiert. Der edle Heide, der seine naturreligiöse Reinheit in Form von Brauchtum im Herzen bewahren konnte ... )

In 1. Linie haben die Menschen zu dieser Zeit wohl genauso rational und irrational gehandelt wie heute.
Das Missionierungen auch höchst unterschiedlich ablaufen konnten sieht man an der Taufe Chlodwigs und den Franken im Gegensatz zu der Blut und Schwert Politik in manchen slawischen und baltischen Gebieten. Mit romantischen Wunschbildern hängt dies nicht zusammen, sondern mit den Missionaren und ihrer Einstellung zum Glauben. Hier die Bibel sehr wörtlich nehmenden Missionare, welche sich auf die Lehren des heiligen Augustinus beriefen und insbesondere die Liebe unter den Menschen predigten und dort die eher politischen Machtinteressen folgenden und wesentlich gewalttätigere Mission.

"Sich Vereinbaren" ist eine anderes Diskussion als "sich Herleiten", "Teil eines spezifischen (germanischen) Kultverständnisses sein".

Die Sonnenwendfeuer als solches können sich nicht mit dem 1. Gebot vereinbaren, da die Feuer die Sonne symbolisieren und dieser geopfert wird. Auch wird mit dem Sonnenrad der Lauf der Sonne nachgebildet. Die Sonnenwendfeuer als solches sind in ganz Europa somit urheidnischstes Brauchtum.
Da dieses Brauchtum im Volke fortlebte errechnete die Kirche aufgrund einer Angabe im Lukasevangelium den Tag der Geburt Jesu und feierte 6 Monate vorher das Johannisfest.(In der Bibel steht geschrieben,daß Johannes 6 Monate vor Jesus geboren wurde, denn als Maria mit Jesus schwanger wurde, war Elisabeth, die Muttes des Johannes im 6. Monat schwanger und da Jesus Geburtstag "willkürlich" auf den 24. Dezember gelegt wurde, fiel der Geburtstag des Johannes nun auf den 24.06.) Das nun christliche Johannisfeuer war mit den Geboten vereinbar, da das Feuer nun das Licht des Jesus Christus symbolisierte.



Der Gott, der mir gerodetes Feld und Roggen samt Mühle liefert, ist ein ziemlich umfassend kompetenter Gott will mir scheinen. Er füllt meinen und meiner Kinder Bauch recht nachhaltig.

Ich empfinde dies als sehr idealistisch, da weltliche und göttliche Macht gerade im Frühmittelalter Hand in Hand gingen und somit eher aus unterschiedliche Gründen wie Krieg, Unterwerfung, Heirat usw. Zwangstaufen für die Masse der Bevölkerung zu Gebote standen.
 
Gewaltanwendung und Dreinfinden

Hardegen schrieb:
Mit romantischen Wunschbildern hängt dies nicht zusammen, sondern mit den Missionaren und ihrer Einstellung zum Glauben.

(Werter Hardegen, lies doch bitte etwas ruhiger und genauer. Die Gefahr des romantischen Wunschdenkens bezieht sich ganz deutlich auf unsere (Deine! Meine!) jetztzeitigen Wahr-Nehmungen. Auf die Gefahr sich einen eigenen = ins-Konzept-passenden Heiden zu basteln wie man es gerne hätte ... )

Hardegen schrieb:
Die Sonnenwendfeuer als solches können sich nicht mit dem 1. Gebot vereinbaren, da die Feuer die Sonne symbolisieren und dieser geopfert wird. Auch wird mit dem Sonnenrad der Lauf der Sonne nachgebildet. Die Sonnenwendfeuer als solches sind in ganz Europa somit urheidnischstes Brauchtum.

(Heidnisch im Sinne von naturreligiös ja. Im Sinne von mythisch-germanisch nicht. Hatten wir aber auch schon ...)

Hardegen schrieb:
Da dieses Brauchtum im Volke fortlebte errechnete die Kirche aufgrund einer Angabe im Lukasevangelium den Tag der Geburt Jesu und feierte 6 Monate vorher das Johannisfest. (...) Das nun christliche Johannisfeuer war mit den Geboten vereinbar, da das Feuer nun das Licht des Jesus Christus symbolisierte.

Johannisfest: im Ursprung antik, das Feuer heidnisch?!
Hm?! Interessant finde ich die Nordeuropäische Komponente ... http://de.wikipedia.org/wiki/Johannistag
Denn wir müssten wohl beginnen und die zu christianierenden Regionen unterscheiden. Zumindest wird in dieser Quelle die Wiederspenstigkeit von Briten und Wikingern formuliert ... http://www.chronico.de/besprechen/sachbuecher/0000294/
Meine Mühlviertler hinterließen hingegen wenig bis keine Spuren der Wiederborstigkeit ... wurden freilich einem mehr oder weniger widrigen weil bergigen Urwaldleben entrissen, dass kann auch einem Heiden schon mal taugen ... :)

Hardegen schrieb:
Ich empfinde dies als sehr idealistisch, da weltliche und göttliche Macht gerade im Frühmittelalter Hand in Hand gingen und somit eher aus unterschiedliche Gründen wie Krieg, Unterwerfung, Heirat usw. Zwangstaufen für die Masse der Bevölkerung zu Gebote standen.

Siehe oben. Für mich ist jetzt klar geworden, dass die Frage nach dem Zwang sehr wohl zu differenzieren ist. Sowohl Gewaltanwendung als auch konfliktarmes Sichdreinfinden wird anzutreffen sein. Je nach regionalen Bedingungen.

Diese regionalen Differenzierungen sprengen vielleicht diesen thread (?), besser den allgemeineren Dimensionen der Christianisierung nachgehen? Z.B. dem Verhältnis weltliche-kirchliche Macht in den einzelnen Christianisierungsphasen? Und wie organisiert sich das im Laufe einer fortschreitenden Christianisierung? Und hat nicht Karl der Große die Fürsten zugunsten der kirchlichen Amtsträger zurechtgestutzt? Wäre da nicht das frisch christianisierte Land auch Konkurrenz-armes Land (z.T. sogar völlig frei von weltlicher Konkurrenz)? Aber je rein kirchlicher die Landnahme, desto gewaltärmer der Bekehrungsprozess? Kann man da Unterscheidungen treffen, wie: je nach Binnenverhältnis weltlicher Macht zu kirchlicher Macht zeigt die Christianisierung ein anderes Gesicht?

(... Fragen über Fragen :pfeif: )

Herzlicher Gruß, Martin
 
Hardegen schrieb:
Die Sonnenwendfeuer als solches können sich nicht mit dem 1. Gebot vereinbaren, da die Feuer die Sonne symbolisieren und dieser geopfert wird. Auch wird mit dem Sonnenrad der Lauf der Sonne nachgebildet.

Ein Feuer "als solches" ist ein Feuer.

Hardegen schrieb:
Das nun christliche Johannisfeuer war mit den Geboten vereinbar, da das Feuer nun das Licht des Jesus Christus symbolisierte.


Und solange das Feuer Christus symbolisiert, gibt es nichts, was mit dem 1. Gebot unvereinbar wäre. Wo also liegt das Problem?
 
Hardegen schrieb:
@Fingalo
Also, ich meine, man sollte sich mal davon freimachen, dass der heidnische Glaube, so wie wir ihn aus der Überlieferung kennen, viel älter war, als das Christentum nördlich der Alpen. Es ist ein immer wieder aufgewärmtes Märchen, dass die ganzen Geschichten um Freya, Odin usw. uralt (am liebsten steinzeitlich) gewesen seien und dann vom Christentum verdrängt worden wären. Es gibt keinerlei Zeugnisse aus vorchristlicher Zeit über eine irgenwie geartete "Theologie" des Heidentums.

Im Zusammenspiel von Archäologie, Geschichte, Namenkunde, Sprach- und Literaturwissenschaft kann man religiöse Relevanzen von Quellen und Zeugnissen erkennen .Die wissenschaftliche Beurteilung untersteht dabei natürlich einem Wandel durch neue Methoden und Erkenntnissen dieser Fachbereiche. Das es gerade im vorchristlichem Bereich in der germanischen Religionswissenschaft Quellenprobleme gibt sagt überhaupt nicht aus, daß es diese Religion nicht gab.
Wo störende Fakten fehlen, hat die Phantasie natürlich freien Auslauf.

Hardegen schrieb:
Ein Aspekt wird in dieser ganzen Diskussion meiner Auffassung auch vernachlässigt. Die Bekehrung richtete sich im Frühmittelalter in aller Regel nicht auf die einzelne Person, sondern auf das Dorfoberhaupt, den Fürsten, Kriegsherren.
Wird gar nicht vernachlässigt. Ich zitiere mich selbst: "Der Monotheismus dürfte auf die Intellektuellen eine faszinierende Wirkung gegenüber ihren manchmal schwankhaften Götteranekdoten gehabt haben. Diese Meinungsführer wurden ja auch zuerst christianisiert. Die "Häuptlinge" wurden ja als erste getauft. Dem Fußvolk dürfte nicht viel anderes übrig geblieben sein. Die Missionare in Skandinavien begaben sich zunächst zum König und nicht aufs Dorf."

Aber ein anderer Aspekt sollte noch hinzugefügt werden: Die neue Religion kam den Frauen mehr entgegen als die Kriegermythen mit Menschenopfern. Dass Island bereits um 1000 so problemlos christianisiert wurde, ist nicht ausschließlich auf den Druck des norwegischen Königs zurückzuführen, wenn man die genetische Herkunft der Bevölkerung in Rechnung stellt: Fas 70 % der Frauen kam aus dem christlichen Irland! Und diese sind es, die das Kleinkind die ersten Gebete lehren! Es gibt eine Reihe von Berichten, wonach Häuptlinge und fränkische Könige mit christlichen Frauen verheiratet waren und von ihnen zum Christentum bekehrt wurden (was ihnen dann den Heiligenschein einbrachte). Da kam halt viel zusammen.:love:
 
@Hyokkose
Du hast es selbst erkannt. Die Symbolik des Feuers änderte sich im Zuge der Christianisierung wie das heidnische Sonnenwendfest sich zum christlichem Johannisfest wandelte.


@Martin

Diese regionalen Differenzierungen sprengen vielleicht diesen thread?
Auf jeden Fall würde es sehr unübersichtlich werden.


Besser den allgemeineren Dimensionen der Christianisierung nachgehen?
Wäre meiner Meinung nach ein interessanter Ansatzpunkt. J

Und hat nicht Karl der Große die Fürsten zugunsten der kirchlichen Amtsträger zurechtgetutzt?
Hat er und wurde daraufhin patronus et advocatus der Kirche. Als Schutzherr der Kirche konnte er zum Kaiser von Gottes Gnaden gekrönt werden und durch die Einheit von Kirche und Staat sicherte er sich somit selbst die größtmögliche Macht in seinem Reich.

Wäre da nicht das frisch christianisierte Land auch Konkurrenz- armes Land?
Ich selbst würde meinen, daß es machtpolitisch klüger gewesen ist, sich sowenig Feinde wie möglich zu schaffen und deshalb war auch Karl bestrebt die Führer der Heiden auf seine Seite zu ziehen und Härte zu zeigen, wenn es nötig war. Das Bestehen auf dem Heidentum wäre z.B. eine Herausforderung gegenüber dem Karl gewesen auf die er reagieren mußte.

Aber je rein kirchlicher die Landnahme, desto gewaltärmer der Bekehrungsprozeß?
Interessanter Gesichtspunkt! Viele Missionare im Frühmittelalter bis zur Neuzeit missionierten tatsächlich sehr menschlich, weil sie meines Erachtens nach der Bibel lebten. Also in Armut, Demut, Menschenliebe.
Aber ich glaube, sobald die menschlichen Fehler wie Gier, Machtwillen, Haß usw. obsiegten, ging dies einhand mit einer blutigeren Missionierung.
Als Beispiel habe ich die Spanier in Südamerika vor Augen. Auf der einen Seite die erbarmungslosen Conquistadoren im Namen der katholischen Kirche und des spanischen Staates als Vertreter dieser und auf der anderen Seite Priester, welche sich um indianische Etymologie kümmerten, man sogar sagen kann, daß sie gar richtiggehende Wissenschaft betrieben und versuchten mit ihrer Liebe zum Menschen den Indianern das Christentum näherzubringen. Umso mehr ich jetzt darüber nachdenke, komme ich zu dem Schluß, daß selbst Päpste sich vom geistlichen Glauben entfernten und verweltlichten. In diesem Sinne hast du Recht.
 
Hardegen schrieb:
@Hyokkose
Du hast es selbst erkannt. Die Symbolik des Feuers änderte sich im Zuge der Christianisierung wie das heidnische Sonnenwendfest sich zum christlichem Johannisfest wandelte.


Nein, ich stehe noch ein wenig auf dem Schlauch, denn meine Frage lautete:

hyokkose schrieb:
Wo also liegt das Problem?

Eine weitere Frage hätte ich in diesem Zusammenhang noch: Aus welchen Quellen ist denn etwas über die Symbolik des Sonnwendfeuers vor der Christianisierung und dessen Wandlung zum christlichen Johannisfest zu erfahren, und was genau?
 
Johannistag und Juhannus

hyokkose schrieb:
Eine weitere Frage hätte ich in diesem Zusammenhang noch: Aus welchen Quellen ist denn etwas über die Symbolik des Sonnwendfeuers vor der Christianisierung und dessen Wandlung zum christlichen Johannisfest zu erfahren, und was genau?


Ich kann zum Johannistag nur den Wikiartikel nochmals zitieren (und habe bisher nichts tiefschürfendes ergoogeln können):

Das Datum wurde entsprechend einer Angabe des Lukasevangeliums (1,26.36) vom liturgischen Datum der Geburt Jesu her errechnet (6 Monate vorher). Im Kirchenjahr ergab sich daraus sehr passend das (antike) Datum der Sommersonnenwende mit der wieder abnehmenden Tageslänge, was schon früh auf den Täuferspruch in Hinblick auf den kommenden Christus bezogen wurde: „Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen.“ (Johannesevangelium 3,30). Johannes der Täufer ist neben der Gottesmutter Maria der einzige Heilige, an dessen Geburt ein kirchliches Fest erinnert; die Gedenktage der übrigen Heiligen sind meist ihre Todestage.

Die katholische Kirche begeht den Johannistag als Hochfest.

Das Johannisfeuer (oder Würzfeuer, Nodfeuer) ist ein ursprünglich heidnischer und im Volksleben fortlebender, zum Teil auch christianisierter Brauch und wird in der Nacht vor dem Johannistag angezündet. Es hängt wohl mit verschiedenen anderen religiös motivierten Feueropfern zusammen. Dem Volksglauben nach sollte es Dämonen abwehren, ...
http://de.wikipedia.org/wiki/Johannistag


Man findet unzählige Seiten über die "heidnischen" Johanni-/Sonnwendfeuer aber nirgends etwas historisches. Insofern würde es mich jetzt auch jucken herauszubekommen, was da so drann ist. Und wie verläuft die Verbindung zu den nordeuropäischen Mittsommerfesten? z.B. das finnische Juhannus:

Die Finnen feiern Juhannus stets am Samstag zwischen dem 20. Juni und dem 26. Juni eines Jahres. Trotz des christlich anmutenden Namens sind sowohl die Ursprünge als auch die bis heute gültigen Traditionen heidnischer Natur. Juhannus wurde früher stets am 24. Juni eines Jahres begangen, seit 1955 gilt die heute angewendete Regelung, durch die das Fest immer auf das Wochenende fällt.
Juhannus ist in Finnland das Fest des Mittsommers und der nachtlosen Nacht. Es ist nach Weihnachten der wichtigste Feiertag im Land.

Juhannus hat seinen Ursprung in heidnischen Traditionen. Die ursprünglichen Namen des Festes waren Vakkajuhla (Korbfest) und Ukon juhla (Fest des Ukko). Es wurde zu Ehren der Gottheit Ukko (Gott des Wetters, der Ernte und des Donners) mit großen Versammlungen an Uferplätzen gefeiert, wobei mitgebrachtes Essen und speziell für diesen Anlass gebrautes Bier verzehrt wurde. Zu Ehren des Ukko wurde mit dem sogenannten Ukon malja angestoßen.
http://de.wikipedia.org/wiki/Mittsommerfest

Es hat bei beiden Seiten keine fragliche Debatte. Ich muß im Augenblick passen. Aber Hardegen ist ja unser Mann für die heidnischen Feierlichkeiten ... :winke:

Herzlicher Gruß, Martin
 
Martin 69 schrieb:
Ich kann zum Johannistag nur den Wikiartikel nochmals zitieren (und habe bisher nichts tiefschürfendes ergoogeln können):

Den kannte ich auch, und mir ist aufgefallen, daß es da nicht den leisesten Hinweis auf historische Belege gibt. Auch Quellen werden nicht angegeben.
Daher meine Frage.
 
Die Diskussion geht ja munter weiter. Da kommt mein Beitrag zu spät. Es ist eine Art Zusammenfassung die ich da geschrieben habe. Ob sie im Weiteren hilft bleibt offen. Ich will dabei die Fixpunkte und Intention mit Hardegen besser klarstellen. Wir reden zu oft aneinander vorbei. Keine Religion bleibt auf immer unbeweglich, die Beschäftigung mit Gott bringt immer neue Fragen auf den Tisch. Als Europäer mag man da etwas einäugig sein, weil das Christentum als eine der wenigen Religionen eine umfassende Theologie entwickelt hat, die weit über die vorhergehenden heidnischen Auffassungen hinausgeht und versucht hat den antiken Gegensatz zwischen Philosophie und Religion/Kult zu überbrücken. Der Preis dafür ist hoch, wenn man die vielen Sektenbildungen und Verketzerungen in der Geschichte betrachtet. Das wird im folgenden von mir zumindest angerissen.
Die vorchristlichen Göttervorstellungen in Germanien habe ich nur am Rande berührt. Die Quellenlage ist schlecht. Das eignet sich vielleicht besser für einen anderen Thread. Im Polytheismus hat der Mensch die Wahl zwischen verschiedenen Göttern, das ist dem Christen unmöglich und nicht Teil dieser Diskussion. Im Nachlass des Bonifatius findet sich eine Argumentationshilfe wie ein Kleriker gegen den Polytheismus argumentieren soll um ihn zu überzeugen. Das ist auch der Punkt, dass die Kirche damals im Wesentlichen friedliche Methoden verwendete um im Land der Heiden Fuß zu fassen. Sonnenwendfeiern und Erntebräuche werden gerne der Mythologie zugeordnet. Es sind aber Bräuche die mit der Lebensweise einer Gesellschaft zu tun hat und weniger mit der Religion. Im Äquatorbereich sind Sonnenwendfeiern verständlicherweise unbekannt. Trotz gewisser Parallelen zur Religion befassen sich damit heute überwiegend die Ethnologen.

Hardegen schrieb:
Nein, da es einen wesentliche Unterschied in den Auffassungen gibt. Ich gehe davon aus, daß die christliche Missionierung sich über viele Jahrhunderte erstreckte, während du sie schon im Frühmittelalter für abgeschlossen hältst
Hier unterscheiden sich unsere Blickpunkte, wenn auch weniger als du Annimmst. Ich bin keineswegs der Ansicht, dass die Christianisierung Germaniens in kurzer Zeit abgeschlossen war. Das Thema ist sehr vielschichtig und nicht leicht zu durchleuchten. Ich denke schon. dass die Christianisierung Germaniens im Wesentlichen während des Frühmittelalters abgeschlossen wurde. Selbst wenn dem nicht so sei, so sind doch alle entscheidenden Weichenstellungen in dieser Zeit erfolgt und später beibehalten worden. Das Nachleben heidnischer Ideen und Namen in Germanien hat originär fast nichts mit dem Christentum selbst zu tun, sondern ist hiesiger Lokalkolorit.

Die entscheidenden Weichenstellungen sind bereits genannt worden. M.E. sind dies (kein Anspruch auf Vollständigkeit):

a) Die Taufe Chlodwigs und seiner Gefolgsleute nach römisch-katholischem Ritus. Er besiegelte die Verbindung der Franken mit dem katholischen Christentum und altrömischen Resten in Gallien. Eine bewusste Abkehr von der bisher vorherrschenden arianischen Form des Christentums bei den Germanen. Die fränkische Reichskirche die Chlodwig begründete blieb aber ebenso unter königlichem Einfluss wie die bisherigen arianischen Volkskirchen anderer Stämme. Schon hier gab es eine Verbindung zwischen königlicher Macht und Kirche. Die fränkische Reichskirche war wenig von Missionseifer durchdrungen. Die Christianisierung verlief sehr langsam, zumindest in den nichtfränkischen, von Germanen bewohnten Reichsteilen wie Alamannien und alle Bereiche rechts des Rheines. Es waren Wandermönche und ‚Ausländer’ die dort ernsthafter missionierten. Es gab keine klare Strategie für diese Aufgabe und Bonifatius beklagt das schlechte Niveau der Priester und den immer wieder anzutreffenden Hang zum Synkretismus.
b) Das Auftreten des Angelsachsens Bonifatius markiert die Wende zur gezielten Mission und Reformation der fränkischen Kirche. Nur unter dem Schutz der karolingischen Hausmeister, die die wahre Macht im Reich besitzen kann er das Reformwerk angehen. Es ist im Wesentlichen seine Leistung mit der bisherigen halbherzigen Christianisierung zu brechen und eine nachhaltige Mission unter bewusster Abgrenzung zur heidnischen Überlieferung zu initiieren. Dabei stützt er sich auf die Autorität des Papstes in Rom und die karolingischen Hausmeister. Nur so ist es ihm möglich Deutschland mit einem Netz von Klöstern zu überziehen die nach den Regeln Benedikts von Nursia geführt werden. Sie werden zur Kaderschmiede für den Klerus, Zentren der Mission und Basis nachhaltiger Seelsorge. Die alten Wandermönche waren gekommen, hatten getauft und anschließend die Konvertiten weitgehend alleine gelassen.
Das Bündnis von Klostergründung und karolingischer Macht lässt die Klöster nicht nur zu religiösen, sondern auch zu politischen Zentren werden die ihrerseits die karolingische Macht stützen und durch Übertragung von weltlichen Aufgaben und Besitz auch erfüllen können. Die wissenschaftsfreundliche Einstellung der damaligen Benediktiner macht die Klöster zu Zentren geistigen Lebens und effektiver Wirtschaftsformen, was nach Außen ausstrahlt und den örtlichen Adel einbindet. In der kurzen Zeit zwischen 748 n. Chr. (Bonifatius) und 1050 (als sich die Benediktiner religiös reformierten) sammeln die deutschen Klöster rund 80 % des gesamten überlieferten Wissens der Antike in ihren Mauern in Form von Handschriften. Dieses Wissen war in Germanien damals unbekannt was den Benediktinern ein Bildungsmonopol verschaffte, die bei Null angefangen hatten! Nur bei ihnen konnte man Lesen und Schreiben lernen, sich mit Philosophie und Wissenschaft befassen. Das war aber keine Folge von Ausgrenzung oder Kampf gegen andere Bildungsträger, sondern weil keine andere Organisation willig oder in der Lage war sich mit klassischer Bildung zu befassen. Eine kulturelle Leistung die nicht hoch genug eingeschätzt werden kann! Die Mönche befassten sich auch mit Philosophie und der um das Jahr 1000 geborene Mönch Herrmann von Reichenau versuchte gar den Umfang der Erdkugel zu berechnen…
c) Karl d. Gr. baute auf dem Gerüst des Bonifatius weiter auf. Er verband noch weiter die Ziele der Kirche mit seinem Reichsgedanken. Die unterworfenen Sachsen waren keineswegs alle Heiden gewesen, doch das fränkische Vordringen hatten alle bekämpft. Die Sachsen kämpften weniger gegen das Christentum als gegen das fränkische Reich dessen Verbündeter die starke Kirche und ihre christliche Mission war. Sachsens Niederlage war verbunden mit einer radikalen, auch durch das Schwert des Kaisers verordneten Christianisierung. Karl spannte die Kirche direkt für seine Eroberungen ein und belohnte sie durch großzügige Schenkungen und indem er als ihr Förderer auftrat. Bonifatius hatte noch gefordert, das kein Kleriker mit der Waffe in der Hand in den Krieg ziehen solle, da es sich nicht zieme das Kleriker Blut vergießen. In Karls Heerbann aber ritten hohe kirchliche Würdenträger mit in die Schlacht. Vielleicht kam damals schon die Sitte auf, dass die Kleriker nicht mit dem Schwert (offene Wunden bluten…), sondern mit dem Streitkolben (innere Verletzungen) kämpften. Karls Sieg war auch der Triumph der von Bonifatius vorher reformierten Kirche die es binnen kürzester Zeit schaffe die Sachsen zu missionieren und ihren Adel fest einzubinden. So fest, das nach Aussterben der Karolinger im östlichen Frankenreich ( = Deutschland) fast unmittelbar eine sächsische Dynastie die Herrschaft übernehmen konnte. Sachsen wurde in sehr kurzer Zeit umgewandelt in ein Land das die städtische Zivilisation und all die anderen kulturellen Fortschritte mit übernahm und zum Blühen bringen sollte. Manches davon mag im Rückblick weniger wünschenswert gewesen sein, doch ist es die Folge der ungeheuren Kraftentfaltung einer erneuerten Kirche im Bündnis mit den fränkischen Königen und Kaisern für die Karl d. Gr. der auffälligste Repräsentant ist indem er gezielt das Heidentum bekämpft wie die vermutlich aus dem Jahre 782 stammende Capitulatio de partibus Saxoniae eindrucksvoll belegt.

Das halte ich für die wichtigsten Punkte zur Christianisierung. Die Geschwindigkeit der Christianisierung hatte seit dem Reformwerk des Bonifatius erheblich zugenommen, Freilich waren es weiterhin meist zuerst die Adeligen die sich taufen ließen und ihren Anhang nachzogen. Die Kirche versuchte ihr Bestes die Spuren des Heidentums zu beseitigen und sie nicht durch die Hintertüre im christlichen Gewand wieder einzulassen. Bei der Christianisierung slawischer Völker ging man später ähnlich vor und griff auf die bewährten Mönche zur Festigung zurück. Kyrill & Method, waren die Antwort der Ostkirche auf das enge Bündnis der katholischen Reichskirche mit den fränkischen Heeren und zeigten bei der Slawenmission eine neue Herangehensweise. Erst seit den Ottonen hat später die absolute Gleichstellung von katholischer Kirche mit fränkisch/deutschem Reich einen neuen Anfang gewagt. Die Christianisierung, besser die Katholisierung der Polen und Ungarn hat nun aber höchstens noch als Ausblick mit unserem Thema zu tun: Der Christianisierung Germaniens und deren Vorteile für die dort lebenden Menschen.
Der christliche Glaube und seine Interpretation wurden nie auf die leichte Schulter genommen, wie die Vielzahl von Sekten, theologischen Disputen und schlimmeres beweisen. Die Blüte der Philosophie in den benediktinischen Klöstern wurde hinterfragt durch die Reform aus Cluny… Schini hat heute auf eine Sendung aufmerksam gemacht die genau nach der von mir beschriebenen Zeit einsetzt. Ob die Sendung etwas taugt weis ich nicht:
http://www.geschichtsforum.de/showthread.php?p=187945
Die Christianisierung Germaniens war zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen, aber die Dynamik des Christentums zeigt sich weiterhin als gestaltende Kraft.

PS: Verdammt lange, sorry
 
Zuletzt bearbeitet:
neuer thread

hyokkose schrieb:
Eine weitere Frage hätte ich in diesem Zusammenhang noch: Aus welchen Quellen ist denn etwas über die Symbolik des Sonnwendfeuers vor der Christianisierung und dessen Wandlung zum christlichen Johannisfest zu erfahren, und was genau?

Zur Frage der Sonnwendfeuer und ihrer vorchristlichen Symbolik habe ich einen eigenen Thread eröffnet.
:rechts: http://www.geschichtsforum.de/showthread.php?p=188071#post188071
 
gewalttätig? und städtisch?

tejason schrieb:
Karl d. Gr. baute auf dem Gerüst des Bonifatius weiter auf. Er verband noch weiter die Ziele der Kirche mit seinem Reichsgedanken. Die unterworfenen Sachsen waren keineswegs alle Heiden gewesen, doch das fränkische Vordringen hatten alle bekämpft. Die Sachsen kämpften weniger gegen das Christentum als gegen das fränkische Reich dessen Verbündeter die starke Kirche und ihre christliche Mission war. Sachsens Niederlage war verbunden mit einer radikalen, auch durch das Schwert des Kaisers verordneten Christianisierung. Karl spannte die Kirche direkt für seine Eroberungen ein und belohnte sie durch großzügige Schenkungen und indem er als ihr Förderer auftrat. Bonifatius hatte noch gefordert, das kein Kleriker mit der Waffe in der Hand in den Krieg ziehen solle, da es sich nicht zieme das Kleriker Blut vergießen. In Karls Heerbann aber ritten hohe kirchliche Würdenträger mit in die Schlacht. Vielleicht kam damals schon die Sitte auf, dass die Kleriker nicht mit dem Schwert (offene Wunden bluten…), sondern mit dem Streitkolben (innere Verletzungen) kämpften.

In einem der vorgegangenen Artikel stellte ich die Frage ob ein gesteigerter weltlicher Anteil an der Christianisierung erhöhte Gewalttätigkeiten erzeugt haben könnte. Deine Ausführungen zur Missionierung würden diese These ja unterstützen. Als Karl zusammen mit den kirchlichen Würdenträgern (anmaschierend?) für klare Verhältnisse sorgt erhält die Mission für die Christianisierten auch ein anderes Gesicht. Soweit ich Deine Ausführungen verstehe zieht erst mit Karls Heer der Herrschaftswechsel ins Land. Die Rolle der kirchlichen Kräfte wäre dementsprechend auch zu unterscheiden in die "edlen", Fortschritt und Wissen verbreitende Missionare (mit irischem Beginn). Und die nachfolgenden gewaltbereiten Würdenträger, inwiefern unterschieden sich ihre Motive von denen der Missionare. Oder sehe ich das zu eindimensional. Nochmal zur Gewalt: hatten die Sachsen einfach "Pech" weil Karl schnell und sprichwörtlich mit aller Gewalt diesen Erfolg begehrte? Welch entscheidender Vorteil/Gewinn trug er damit fort.


tejason schrieb:
Karls Sieg war auch der Triumph der von Bonifatius vorher reformierten Kirche die es binnen kürzester Zeit schaffe die Sachsen zu missionieren und ihren Adel fest einzubinden. So fest, das nach Aussterben der Karolinger im östlichen Frankenreich ( = Deutschland) fast unmittelbar eine sächsische Dynastie die Herrschaft übernehmen konnte. Sachsen wurde in sehr kurzer Zeit umgewandelt in ein Land das die städtische Zivilisation und all die anderen kulturellen Fortschritte mit übernahm und zum Blühen bringen sollte.

Nach Deinen Worten wäre ein wesentliches zivilisatorisches Kriterium von Christianisierung der Beginn von städtischen Kultur. Bisher lag (mein) Schwerpunkt auf einer agrartechnischen Entwicklung und einem mehr oder weniger damit verbundenem missionars/klösterlichem Know How. Dem entsprächen auch die vielen Klostergründungen im frühen Mittelalter. Eine typische Häufung von Stadtgründungen wäre für das frühe Mittelalter /Christianisierung noch eine interessante Sichtweise. Nun lässt sich trefflich streiten ab wann man eine größere Siedlung als "Stadt" bezeichnen will. Die Ausdifferenzierung von Arbeitsrollen und Märkte mit mindestens regionaler Wirkung will ich einmal als Charakteristika annehmen. In gewisser Hinsicht könnte man aber gerade mit dieser Entwicklung zur städtischen Kulturform (nicht flächendeckend, aber in der Fläche ein Land entschieden mitprägend) das Ende der Christianisierungsphase ausmachen. Das "Hoch-Mittelalter" beginnt da, wo Stadt ein Land mitprägt und mitleitet?! Wo die gröbsten Verwerfungen der Christianisierung in eine homogenere, für das gerade christianisierte Mitteleuropa in eine neue Lebensform übergegangen sind. Eine Gesellschaft mit in der Fläche ländlich dominierenden Agrar/+ Klosterstrukturen von städtischen "Keimen" geprägt. Und - Religion geklärt, Herrschaftsform geklärt, endlich nicht mehr Heide ...

(Na - bei soviel "Fortschritt" ist`s doch kein Wunder, dass im 12. Jhd alle damit beginnen Frohfeuer zu entzünden ... :devil: )

tejason schrieb:
PS: Verdammt lange, sorry

Aber verdammt gut, sorry. :winke:

Herzlicher Gruß, Martin
 
Quelle zu 'Kirche Florenberg'

Auf den Bergheiligtümern wurden Kirchen errichtet, zahlreich in Osthessen anzutreffen. Heidnische 'Gemeinden' hatten auch nicht in jedem Dorf ein Heiligtum, sondern zentrale Heiligtümer für mehrere Niederlassungen, die nun durch Kirchen ersetzt wurden. Beispiele sind Kirchen auf der Milseburg, Florenberg oder Volkersberg. In die Kirche auf den Florenberg wurde ein Stein eingearbeitet der inzwischen im Museum steht Er zeigt nach Ansicht einiger Forscher eine heidnische Darstellung, womit er genau in den von mir vertretenen Vorgang passt.

Hallo, gibt es zu dem erwähnten Stein in Florenberg weitere Quellen?
Danke für jede weiter Info zu dem Thema.
 
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