Weltliche Heilsbringer?

In einem Posting, das nicht mehr existiert, hatte ich Patrice E. Lumumba ? Wikipedia verworfen; er gilt bei mir als Märtyrer, nicht als erfolgreicher Staatsmann. Da kann er nichts für. Wenn man jemanden ermordet, dann ist es eben vorbei...

Ich habe dann Kwame Nkrumah ? Wikipedia gewählt... Ich weiß aber bei beiden nicht sehr genau, wie sie heute in Afrika ganz allgemein bzw. in "ihren" Staaten (Kongo, Ghana) gesehen werden...

Ich weiß es auch nicht genau, eine posthume Verehrung wie bei Atatürk würde ich für Nkrumah eher verneinen und längerfristige praktische Wirkung auch. Das Martyrertum des Lumumba ist vielleicht eher mit Che Guevara vergleichbar, dabei müßte man untersuchen, ob die Wirkung bei der westlichen 68er-Generation nicht größer war als im eigenen Land.
Man darf nicht vergessen, dass bes. Nkrumah in den USA + England, also von den von ihm bekämpften Kolonialherren ausgebildet wurde, was wieder Analogien zu unserem Arminius/Hermann nahelegt und vielleicht eine der Ursachen für seine zwiespältige Haltung ist.

Im Sinne einiger Defintionen dieses Threads hatten auch Mussolini und Adolf H. eine Vision und gemacht haben sie auf jeden Fall beide........:devil:
 
Bei Nkrumah bin ich mir nicht sicher, ob er nicht eher der theoretische Vordenker war, der an der praktischen Politik scheiterte oder den man scheitern ließ. Seine Verehrung in Ghana selbst hielt sich in Grenzen, im Vergleich zu Atatürk.

Zur Verehrung: Vielleicht wäre ein interessanter Aspekt, zwischen der Verehrung zu Lebzeiten (oder zur Zeit des aktiven politischen Handelns der betr. Person) und der "geschichtlichen" Verehrung zu unterscheiden.

Nkrumah mag vielleicht zu Lebzeiten nicht dauerhaft verehrt worden sein, im Verlauf der Geschichte nahm die Verehrung seiner Person dann aber einen bedeutenden Stellenwert in der ghanaischen Gesellschaft ein. Als ich vor einigen Jahren in Ghana war, schien er mir DIE Referenzperson zu sein, wenn es ums ghanaische Geschichts- und Nationalbewusstsein ging.

Analoges ließe sich sicher auch von anderen historischen Personen behaupten.
 
Zur Verehrung: Vielleicht wäre ein interessanter Aspekt, zwischen der Verehrung zu Lebzeiten (oder zur Zeit des aktiven politischen Handelns der betr. Person) und der "geschichtlichen" Verehrung zu unterscheiden.

Nkrumah mag vielleicht zu Lebzeiten nicht dauerhaft verehrt worden sein, im Verlauf der Geschichte nahm die Verehrung seiner Person dann aber einen bedeutenden Stellenwert in der ghanaischen Gesellschaft ein. Als ich vor einigen Jahren in Ghana war, schien er mir DIE Referenzperson zu sein, wenn es ums ghanaische Geschichts- und Nationalbewusstsein ging.

Analoges ließe sich sicher auch von anderen historischen Personen behaupten.

Vielleicht auch weil er die Geschichte von Gold-Coast an das historische Reich Ghana viel weiter im Norden durch Namensübernahme anlehnte in der guten Absicht die unterschiedlichen Volksgruppen der Gegenwart durch die Geschichte zu einen und so etwas wie einen Nationalstaat nach europäischen Muster zu formen.
 
Ich würde das mit der "Langzeitwirkung" auch so sehen. Das ist auch mein einziges wirkliches Argument gegen Mussolini, Hitler, Chomeini,.... Im Posting #1 habe ich die Problematik ja angerissen.
Es sei denn, wir wollen nur über die wirklich "Guten" reden, also "Heilsbringer" im engeren Sinne...

Ich suche gerade noch in Erinnerungen aus meiner Schulzeit.... Das Foto oben: Nehru, Nkrumah, Sukarno, Nasser. Rätselhafte Gestalten, aber vielleicht die Propheten der neuen, dritten, blockfreien, der "besseren" Welt? Die Sowjetunion waren eindeutig die Bösen, die USA war kaum besser. Um sich mit Mao zu identifizieren, musste man schon ein bisschen abgedreht sein. Verschiedene meiner Schulfreunde wollten "Entwicklungshelfer" werden.....

Noch zu Nkrumah: Er war die treibende Kraft des Pan-Afrikanismus; etwas, was sich bisher noch nicht richtig hat fassen lassen (Nein, dies ist kein Hinweis auf die Tagespolitik")
 
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In einem Posting, das nicht mehr existiert, hatte ich Patrice E. Lumumba ? Wikipedia verworfen; er gilt bei mir als Märtyrer, nicht als erfolgreicher Staatsmann. Da kann er nichts für. Wenn man jemanden ermordet, dann ist es eben vorbei...

Gandhi wurde allerdings auch ermordet:


Beide Politiker kurz nach der Unabhängigkeit, für die sie zuvor gekämpft hatten. Nur war Lumumba eben wesentlich jünger...
 
Ich bin auch nicht ganz glücklich mit der Nennung von Gandhi; wie ich oben schrieb gibt es hier aber die glückliche Paarung Gandhi - Nehru. Sagen wir mal so: Diese Kombination hat das moderne (=nachkoloniale) Indien definiert.

Eine offene Frage für mich ist immer gewesen, ob Indien nicht vielleicht besser "Kronkolonie" geblieben wäre.. Oder ob es dies nicht OHNE Gandhi wirklich geblieben wäre. Oder - und das war neulich nun mein Kriterium - ob es nicht OHNE Gandhi in ein revolutionäres Chaos versunken wäre. Andeuten tat sich dies dann in der Trennung Indiens von Pakistan. Also doch ein Heilsbringer in einem sich abzeichnenden Chaos. Nehru hatte zwar eine schwere Zeit, aber nun doch nicht soooo schwer. Jeder indische Regierungschef hat es seither schwer gehabt.....

Merkwürdigerweise habe ich Gandhi niemals als Märtyrer empfunden.. Er war so unglaublich erfolgreich gewesen...

Lumumba war gerade erst angefangen. Ich kann nicht erkennen, das sein richtiges und aufrichtiges Bemühen irgendetwas für das Kongogebiet bewirkt hat. Das Chaos wurde nicht geheilt!

Ich gebe zu, dass dies keine harten Kriterien sind...
 
Für Afrika ist auch Jomo Kenyatta zu nennen, der Kenia in die Unabhängigkeit führte und dann eine tragende Rolle in ganz Afrika innehatte.
 
Gandhi wurde allerdings auch ermordet:

Gibt es überhaupt einen "Heilsbringer", der nicht ermordet wurde?

Ich bin nach wie vor mit der Überschrift nicht zufrieden.

Um es mal sarkastisch auszudrücken, ermordet zu werden gehört zum guten Ton, wenn man Märtyrer sein will oder soll.
Man kann sich dann immer gut vorstellen, was der oder diejenige, dann noch hätte tun können.
 
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Gibt es überhaupt einen "Heilsbringer", der nicht ermordet wurde?

Ich bin nach wie vor mit der Überschrift nicht zufrieden.

Um es mal sarkastisch auszudrücken, ermordet zu werden gehört zum guten Ton, wenn man Märtyrer sein will oder soll.
Naja, ob die Leute nun ermordet wurden oder nicht ist ja zweitrangig. Es trifft ja immer nur ein Teil der Kriterien von deSilva zu. Bei Gandhi haben wir ja wohl kaum eine Situation des Chaos als er auftrat. Er löste ja sozusagen zu einem guten Teil die Probleme für die Kolonialherrschaft selber aus.

Bei Lumumba, wenn ich bis jetzt alles richtig verstanden habe, ist das ja auch eher unerheblich für die Einschätzung, ob er nun ein "Heilsbringer" nach deSilvascher Definition war oder nicht, ob er nun ermordet wurde oder nicht. Man kann ihn ja auch als kurzzeitig erfolgreich bezeichnen. Ob er einen Staat im Chaos vorfand und ob er die Leute hinter sich bringen konnte, das wäre doch eher naheliegend zu untersuchen.

Als Märtyrer kann man viele Staatsmänner bezeichnen, wenn man will. Viele haben sich selbst auch dazu gemacht, selber an ihrer Legende gewirkt. Das träfe ja auch auf Napoleon zu.

Grundsätzlich finde ich die Diskussion schon interessant. Wäre ja auch nicht schlimm, wenn man nach Abklopfen von bestimmten Namen am Ende darauf kommt, dass es "Heilsbringer" in der gesuchten Form überhaupt nie gab. Das wäre ja auch EIN denkbares Ergebnis der Betrachtung.
 
Naja, ob die Leute nun ermordet wurden oder nicht ist ja zweitrangig.

Das sehe ich anders.
Caesar ist nicht durch seine Kriege berühmt geworden, sondern durch den Mord im Senat.
Es wird doch nur über Leute gesprochen. Wer nicht ermordet wurde, ist nicht wichtig.
Es gibt ein Paar, nicht viele, römische Kaiser, die nicht eines natürlichen todes gestorben sind. Kennt ihr die?
 
Das sehe ich anders.
Caesar ist nicht durch seine Kriege berühmt geworden, sondern durch den Mord im Senat.
Es wird doch nur über Leute gesprochen. Wer nicht ermordet wurde, ist nicht wichtig.
Es gibt ein Paar, nicht viele, römische Kaiser, die nicht eines natürlichen todes gestorben sind. Kennt ihr die?
Ich würde sagen, über Caesar wird v.a. wegen seines Schaffens als Autor, wenn man so will, und wegen seiner Rolle am Ende der Republik gesprochen. Dass er ermordet wurde ist ein Ausschnitt aus seinem Leben, welcher wohl zu seiner Berühmtheit beitrug und z.B. im Theater besonderen Widerhall fand. Aber es fänden sich zuviele Beispiele auch antiker Heroen, welche ohne Mord auskamen, um unsterblich zu werden.

Also Augustus kenne ich, Vespasian auch... :pfeif:
 
Ich würde sagen, über Caesar wird v.a. wegen seines Schaffens als Autor, wenn man so will, und wegen seiner Rolle am Ende der Republik gesprochen. Dass er ermordet wurde ist ein Ausschnitt aus seinem Leben, welcher wohl zu seiner Berühmtheit beitrug und z.B. im Theater besonderen Widerhall fand. Aber es fänden sich zuviele Beispiele auch antiker Heroen, welche ohne Mord auskamen, um unsterblich zu werden.

Also Augustus kenne ich, Vespasian auch... :pfeif:

Und Trajan, Hadrian, Antoninus Pius und Marc Aurel. Nach Commodus verstarben dann aber nur noch wenige Caesaren eines natürlichen Todes mit Ausnahme von Septimius Severus. Fast alle anderen soldatenkaiser wurden ermordet, etliche erreichten niemals die Hauptstadt. Decius starb auf dem Schlachtfeld, Claudius Gothicus an einer "pestilencia" und Valerian in Gefangenschaft der Perser.

Am besten sah die Bilanz zur Zeit der humanitären Kaiser, die alle natürlich starben. Unter der julisch- claudischen Dynastie verstarben wohl augustus und Tiberius natürlich, obwohl Gerüchte laut wurden, dass Livia, bzw. Caligula die Hand im Spiel hatten. Caligula und Claudius wurden ermordet, während Nero, der letzte dieser netten Familie durch Suizid endete, allerdings wurde er entmachtet und ihm drohte die Strafe des Säckens. Von den Flaviern starb Vespasian natürlich, bei Titus wurde gemunkelt, dass Domitian die Hand im Spiel hatte, und der letzte Flavier fiel einer Palastverschwörung zum Opfer, ebenso wie Commodus. Von den Severern wurden Caracalla, Elagabal und Severus Alexander ermordet, Caracalla erdolchten die eigenen Landser beim privatesten aller Geschäfte.

Der einzige Kaiser, der im Bett starb und zu Lebzeiten freiwillig abdankte, war Diocletian, der sich in Split eine Residenz erbauen ließ.
 
Grundsätzlich finde ich die Diskussion schon interessant. Wäre ja auch nicht schlimm, wenn man nach Abklopfen von bestimmten Namen am Ende darauf kommt, dass es "Heilsbringer" in der gesuchten Form überhaupt nie gab. Das wäre ja auch EIN denkbares Ergebnis der Betrachtung.

Ja, dem kann ich nur zustimmen.
Im Moment klopfen wir die Nominierten nur ab und den richtigen Top-Kandidaten sehe ich noch nicht.
Außerdem habe ich den Überblick verloren, wie ist denn der Listenstand @deSilva.

Atatürk war doch der Aufhänger und bisher mein Favorit neben Nyerere.
Da sollte man schon die Frage stellen dürfen, ob es sich mit dem Etikett Heilsbringer verträgt sich "zu Tode saufen".:weinen:
 
Da sollte man schon die Frage stellen dürfen, ob es sich mit dem Etikett Heilsbringer verträgt sich "zu Tode saufen".:weinen:

Viele "Berühmtheiten" werden ja auch deshalb verehrt, weil sie "menschliche" Schwächen zeig(t)en und so evtl. eher zur Identifikation einladen. Ob das bei Atatürk entscheidend war, ist sicher zu bezweifeln. Im Übrigen finde ich auch im Netz so schnell keine Informationen zur Todesursache Atatürks. Aber lynxxx oder die anderen Füchse hier werden sicher etwas liefern können?
 
Update der Liste

Ich habe bei einigen die Anzahl Gogel-Treffer (mit Vor-und Zunahmen) angegeben. Das ist problematisch, weil hier nicht nur die Zeitgeschichte verzerrend mit hineinspielt, sondern auch die Bevölkerungszugehörigkeit der Internetanbieter...
Folgende Personen werden als problematisch angesehen (zu undemokratisch, zu gewaltbereit)
- Napoleon I.
- Lenin (13,4 Mio)
- Fidel Castro (5,5Mio)
- Mao Zedong
- Josip Broz Tito

Schwarz-afrikanische Politiker, etwas unentschieden diskutiert
- Kwame Nkruma (507.000)
- Julius Nyerere (153.000)
- Patrice Lumumba (73.000)
- Nelson Mandela (8,36 Mio)

noch keine harte Kritik
- Mustafa Kemal (15,4 Mio)
- Mahatma Gandhi (4,9 Mio)
- Ben Gurion
- Gamal Abdel Nasser
- Salvador Allende
- Michail Gorbatschow
- Willy Brandt (1,8 Mio)
- Juan Carlos I.
- Lech Walesa
- Bismarck
- Friedrich Ebert (3,6 Mio)
- Franklin D. Roosevelt
- Winston Churchill
- Charles de Gaulle
- Jawarhalal "Pandit" Nehru
- Juan (und Evita) Peron
- Abraham Lincoln (9,86 Mio)

ausgeschieden, weil vom Format ("Heil") oder von der Ausgangslage ("Chaos") nicht spektakulär genug
- Konrad Adenauer
 
Wobei ich jetzt, zu undemokratisch oder zu gewaltbereit nicht als Kriterien Deines Eingangsbeitrages erkennen kann. Natürlich sind das moralische Größen, aber die ändern kaum etwas daran, dass man dennoch jemanden als "Heilsbringer" in Deinen Absteckungen, deSilva, ansehen kann.

Bei Gorbatschow und Lincoln, die fielen mir auf Anhieb ein, würden mir auch die in ihrer Regierungszeit überwältigen Begeisterungen für die beiden fehlen. Mag sein, dass Lincoln postum zu einem Heroen gemacht wurde, aber in seiner Präsidentschaft wurde seine eigene politische Richtung sicherlich nicht zuletzt durch die Leistungen der Feldherren überstrahlt. Im Nachhinein, wie gesagt, könnte Lincoln aber auf manch einen wie ein "Heilsbringer" gewirkt haben.
Bei Gorbatschow ist es ähnlich. In Deutschland mag man ihn damals für seinen Weg gefeiert haben. Aber wie sah das in der Sowjetunion aus? Der Abgang Gorbatschows und die Zeit von 1990/91 scheint mir nicht gerade dafür zu sprechen, dass man ihn in Russland selbst als den "Heilsbringer" sah, statt dessen wurde Jelzin die politische Führungsfigur Russlands.
 
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