Weltstädte im Mittelalter

B

bender

Gast
Welche Städte kann man im Mittelalter (insbesondere im 10.-12. Jahrhundert) als Weltstädte bezeichnen? China sei dabei mal ausgegrenzt.
Nur eine kenne ich mit Sicherheit, nämlich Konstantinopel. Weitere "Kandidaten" wären meiner Meinung nach die muslimischen Metropolen Cordoba, Kairo, Damaskus und Bagdad, die Rus-Städte Kiew und Nowgorod, sowie die westeuropäischen Städte Paris, Venedig und Gent. Weiß jemand wieviele Einwohner diese Städte in der besagten Zeit hatten, und ob sie wirklich als "Weltstädte" zu bezeichnen sind?
 
Definition von Weltstadt?!

Vorschläge:

1. (demographisch) Eine Stadt, die damals mehr als z.B. 50.000 Einwohner besaß.
2. (ökonomisch) Eine Stadt, die interkontinentale Handelsverbindungen pflegte.
3. (politisch) Hauptstadt eines mächtigen Reiches.
4. (Prominenz) Eine Stätte, die einen gewissen "Weltbekanntheitsgrad" besaß.
5. (Fortschritt) Herkunfts- oder Studienort berühmter Denker/Künstler/usw..
6. ...
7. (all of the above)

Also, ich glaube je konkreter und enger man den Begriff hält, umso fruchtbarer die Diskussion.

Viel Spass!
 
Eigentlich ist diese Frage aus meiner Sicht fast sinnfrei denn:

1. Ist unter "Mittelalter" Europa sowie vielleicht noch Teile des Mittelmeerraumes zu fassen. Somit sind Städte wie Bagdad auszuschliessen. In diesem Kulturraum gab es kein Mittelalter, so wie wir es verstehen. In der arabischen Geschichtsschreibung ist sicherlich eine andere Periodisierung sinnvoller.

2. Was kann man überhaupt als Weltstadt definieren? Richten wir uns hier nur nach Statistiken oder nehmen wir politische Gewichtungen als Kriterium?

3. Werden selbst verschiedene Personenkreise des Mittelalters auch verschiedene Örtlichkeiten als "Weltstädte", so es denn diesen Begriff überhaupt in der Vorstellungswelt der mittelalterlichen Menschen gab, gekannt haben.
 
@Pope

Ich dachte in erster Linie an #1 und #2.

@YpY

Die arabischen Kalifate umfassten einen großen Teil des Mittelmeers, insofern denke ich schon das Städte aus ihrem Kulturkreis zu diesem Thema dazugezählt werden können.
 
So, ich will mal kurz zusammenfassen was ich weiß.

Konstantinopel hatte im 11. Jhdt. (also in seiner zweiten Blüte) etwa 500'000 Einwohner, und war damit die mit Abstand größte Stadt im christlichen Raum. Paris hatte zu dieser Zeit etwa 50'000 Einwohner, und war größte (christliche) Stadt Westeuropas, Kiew mit genauso viel Einwohnern war die Megacity in Osteuropa. Cordoba, die Hauptstadt des gleichnamigen Kalifats in Spanien, hatte in etwa 300'000 Einwohner, wenn nicht gar 400'000. Von Kairo weiß ich nichts genaues, und von Bagdad nur die Fläche, nämlich 1'500 ha (in etwa so viel wie Konstantinopel plus Pera).

Um mehr Information zu bekommen, dachte ich, wäre das hier der geeignetste Ort. :)
 
Wenn man sich die Dimensionen anschaut, sind mitteleuropäische Städte wohl eher zu vernachlässigen:

Im deutschsprachigen Raum beispielsweise hatten im von Bender genannten Zeitraum gut 95 % aller "Städte" unter 2000 Einwohner. Selbst am Ende des Mittelalters wiesen gerade mal 25 mehr als 10.000 Einwohner aus.....der Städtebau fängt im 12. JH erst so richtig an.


Wenn es so etwas wie eine mittelalterliche Megalopolis (China ja bewußt ausgenommen) gibt, dann Bagdad. Zu Zeiten Harun-al-Raschids (und damit bereits zur Zeit Karls des Großen) etwa 1 Million Einwohner. Das dürften später nicht weniger gewesen sein. Angeblich seien allein beim Mongolensturm 500.000 Einwohner getötet worden.
 
bender schrieb:
@Pope

Ich dachte in erster Linie an #1 und #2.

@YpY

Die arabischen Kalifate umfassten einen großen Teil des Mittelmeers, insofern denke ich schon das Städte aus ihrem Kulturkreis zu diesem Thema dazugezählt werden können.

ja entschuldigung aber dann können wir auch anfangen über mögliche städte/siedlungen in afrika zu dieser zeit zu spekulieren - und wenn wir ganz kess sind doch noch die im fernen osten dazuzählen - china ist ausgeschlossen aber wie sieht es denn mit japanischen und vieleicht den südamerikanischen städten aus ?

also bitte es gibt in der wissenschaft eine - wenn auch nur ungefähre - definition von mittelalter und nur weil vielleicht ein teil eines arabischen reiches zu einer zeit im mittelalter an das mittelmeer grenzte, können wir nicht anfangen diese reiche mit in die mittelalterliche geschichte zu packen
irgendwo sollten, auch wenn in diesem forum augenscheinlich mehr hobbygeschichtsbegeisterte verkehren, die grenzen der wissenschaft eingehalten werden
:teach:

Manchmal geht mir bei sowas einfach der Hut hoch - nicht persönlich nehmen.
Zu dem sind meine Kritikpunkte 2. und 3. noch nicht geklärt
Wir können die Städte der Welt im 12.-15. Jh. christlicher Zeitrechnung gern nach Einwohnerzahlen sortieren aber den Begriff der "Weltstadt" auf eine mittelalterliche Stadt - im Sinne der Wissenschaft - zu Packen finde ich etwas gewagt.
 
Nicht so streng Ypy. Bender hätte es auch "die Zeit, die wir hierzulande Mittelalter nennen" formulieren können (worauf vielleicht irgendeiner angelaufen gekommen wäre und sich beschwert hätte, weshalb er so komisch daherredet). Zumindest hat er einen konkreten Zeitraum definiert (10.-12. JH) und damit m.E. seiner "Pflicht" genüge getan.
Ich will nicht zuviel interpretieren, aber er hat nichts ausgeschlossen, China abgesehen (wahrscheinlich weils dort ohnehin schon genug Riesenstädte gegeben hat). Daher wäre wohl auch Südamerika oder Afrika "erlaubt".
 
"Gegen Ende der Regierung des Kalifen Abd ar-Rahmans III., um 961, war Córdoba die bevölkerungsreichste und wohlhabendste Stadt Europas. Spanien galt als Heimat des feinen Lebensgenusses und hoher wissenschaftlicher und künstlerischer Tätigkeit. Das Kalifat von Córdoba war gewissermaßen der Inbegriff des irdischen Paradieses.

Nach arabischen Quellen soll die Stadt um das Jahr 1000 eine halbe Million Einwohner gehabt haben. Keine Stadt Europas, außer Konstantinopel, zählte zu dieser Zeit mehr als
30 000 Einwohner. Allein die Zahl der Gebäude und Einrichtungen Córdobas ist bis zum heutigen Tag beeindruckend. Überliefert sind die folgenden Zahlen: 113 000 Häuser, 80 455 Läden, 600 Moscheen, 50 Hospitäler, 300 öffentliche Bäder, 80 öffentliche Schulen, 17 höhere Lehranstalten und Hochschulen und 20 öffentliche Bibliotheken. Europäische Reisende berichteten zu Hause von dem sagenhaften Komfort und Luxus Córdobas. Sie erzählten von gepflasterten Straßen, die des Nachts beleuchtet wären, von Wohnhäusern, die mit fließendem Wasser ausgestattet seien und von Kristallglas, das die Gold- und Silberbecher als Trinkgefäße verdrängt habe..."

alles zu lesen im araber/islam forum!
 
Wunderbare Informationen, danke. Gibt's dazu auch eine Literatur-Angabe, wo man noch mehr dazu lesen kann?
 
Ich habs aus: Gerhard Schweizer: Iran - Drehscheibe zwischen Ost und West. Erschienen bei Klett Cotta. Allerdings gehts darin (wie schon der Titel sagt) nicht in erster Linie um die Weltstadt Bagdad (nur im Sinne der Geschichte des Abbasidenkalifats)
 
Leopold Bloom schrieb:
Wenn man sich die Dimensionen anschaut, sind mitteleuropäische Städte wohl eher zu vernachlässigen:

Im deutschsprachigen Raum beispielsweise hatten im von Bender genannten Zeitraum gut 95 % aller "Städte" unter 2000 Einwohner. Selbst am Ende des Mittelalters wiesen gerade mal 25 mehr als 10.000 Einwohner aus.....der Städtebau fängt im 12. JH erst so richtig an.


Wenn es so etwas wie eine mittelalterliche Megalopolis (China ja bewußt ausgenommen) gibt, dann Bagdad. Zu Zeiten Harun-al-Raschids (und damit bereits zur Zeit Karls des Großen) etwa 1 Million Einwohner. Das dürften später nicht weniger gewesen sein. Angeblich seien allein beim Mongolensturm 500.000 Einwohner getötet worden.
von den 90 % der Städte in Mitteleuropa, die weniger als 2000 Einwohner hatten, ist noch hinzuzufügen, daß davon 75% weniger als 500 Einwohner hatten. Sogar heute haben wir in Deutschland noch sehr viele Städte die so zwischen 500 und 2000 Einwohnern liegen (trotz Eingemeindung von umliegenden Dörfern).
 
Zitat aus "Geschichte der arabischen Welt", Ulrich Haarmann, 2001, S. 281
«Nichtsdestoweniger war und blieb Córdoba einer der drei größten Städte der damaligen Oikumene nach Konstantinopel und Bagdad. Die Zahl von einundeinhalb Millionen Einwohnern ist allerdings zweifellos übertrieben. [...] Die Stadt dürfte sich über eine Fläche von fünftausend Hektar erstrekt haben.»

confused.gif


Die Stadt ist kleiner als Konstantinopel und Bagdad, hat also 300.000 bis 400.000 Einwohner. Gleichzeitig ist sie von der Fläche mehr als viermal so groß wie Konstantinopel (12 ha). Wie zum Geier passt das?
 
Vieleicht hat Córdoba mehr Plätze/öffentliche Gebäude/Parks, nierigere Häuser oder größere , kleinere Familien(daher weniger Leute pro Haus), eine umfangreiche Palastanlage, leerstehende Häuser, usw. Ich glaube da gibt es viele Erklärungen. Wobei das Verhältnis wirklich etwas krass ist.

Eine Frage 5000 ha zu 12 ha ist nicht ganz 4:1. Muss die Angabe zu Konstantinopel vielleicht 1200 ha heißen?
 
Vielleicht waren die Gärten etwas größer :rofl:

Wobei: 12 ha wären extrem weniger für soviel Einwohner. Da hätte es ganzer Hochhausarreale im Manhattanstil bedarft....Es muss sicher 12000 heißen, oder? Hätte eine gewisse Logik
 
Themistokles schrieb:
Eine Frage 5000 ha zu 12 ha ist nicht ganz 4:1. Muss die Angabe zu Konstantinopel vielleicht 1200 ha heißen?
Klar, 1200 ha bzw. 12 km². Kleiner Schreibfehler.

Themistokles schrieb:
Vieleicht hat Córdoba mehr Plätze/öffentliche Gebäude/Parks, nierigere Häuser oder größere , kleinere Familien(daher weniger Leute pro Haus), eine umfangreiche Palastanlage, leerstehende Häuser, usw. Ich glaube da gibt es viele Erklärungen. Wobei das Verhältnis wirklich etwas krass ist.
Ich finde es aber unlogisch, eine Stadt so flächig zu machen. Letztlich muss um das ganze ja noch eine Mauer gezogen werden, und eine Mauer um 5000 ha zu ziehen ist weit aufwendiger und teurer als eine um 1000 ha. Denk ich mir zumindest...

Leopold Bloom schrieb:
Wobei: 12 ha wären extrem weniger für soviel Einwohner. Da hätte es ganzer Hochhausarreale im Manhattanstil bedarft....Es muss sicher 12000 heißen, oder? Hätte eine gewisse Logik
Nein, 1'200 ha. Nicht 12'000. 12 km² also.
 
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