Wer das Schwert nimmt... - ein kryptochristlicher Subtext in der Hervara Saga?

El Quijote

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Im Zuge Jesu Verhaftung durch die Tempelwache in der Nacht vom Donnerstag auf den Freitag, holt Petrus sein Schwert hervor, um Jesus zu verteidigen und schlägt dem Malchus (Joh. 18, 10) ein Ohr ab, Jesus ermahnt Petrus daraufhin und sagt: Steck dein Schwert wieder ein, denn wer das Schwert nimmt, der wird auch durch das Schwert umkommen. (Mt. 26, 52)
(Überlieferung harmonisiert.)

In der Hervara Saga wird eine Geschichte erzählt, die auf verschiedene Erzähltraditionen zurückgreift, im Prinzip wird hier eine von den Konflikten der Ost- und Westgoten und Hunnen bis ins hohe skandinavische Mittelalter ein roter Faden gesponnen, wenn man so will über die Völkerwanderungszeit über die Vendelzeit bis in die Wikingerzeit.
Verbindendes Element all der Elemente der Erzählung ist das magische Schwert Tyrfing (worin die Terwingen, aus denen später die Visi/Westgoten wurden wiederzuerkennen sind, in der Person Greutung die Greutungen).
Die Magie des Schwertes Tyrfing besteht darin, dass es wann immer es gezogen wird, einen Tod verursacht. Es macht seinen Träger im Kampf unbesiegbar, aber wehe man zieht es ohne Tötungsabsicht! Denn wenn man niemanden töten möchte, dann sollte man das Schwert auch nicht ziehen, denn irgendwer stirbt immer, im Zweifel der Besitzer des Schwertes selbst.
Irgendwann gerät das Schwert zu Heiðrek, der es von seiner Mutter erbt. Heiðrek, der sich im Rätselwettstreit mit Gestumblindi befindet, bemerkt irgendwann, dass sich unter der Maske des Gestumblindi tatsächlich Oðin steckt und zieht erbost sein Schwert, um nach Oðin zu schlagen. Dieser aber kann sich in einen Falken verwandeln und kommt davon, was gewissermaßen Heiðreks Todesurteil ist.

Meine zur Diskussion gestellte Hypothese dürfte an dieser Stelle offensichtlich sein: Haben wir es hier, im Gewand einer heidnischen Sage mit einer kryptochristlichen Botschaft ("wer das Schwert nimmt, wird durch das Schwert umkommen") zu tun? Oder ist die Hypothese zu steil?
 
Ich würde das als zu weit hergeholt ansehen. Eher ist es so, das er seinen Tod durch den Regelverstoß auf sich zieht.
Denn eine Tötungsabsicht gegenüber Odin bestand ja, er wollte den Gegner töten, weil er den Wettstreit nicht gewinnen konnte. Was aber nun gegen die Regeln ist und den Gott beleidigt. Denn einen Geisteswettstreit mit dem Schwert zu beenden, weil man nicht verlieren kann, ist grob unehrenhaft. Da hilft dann auch keine noch so mächtige Waffe
 
Es ist aber nicht Heiðrek, der den Regelbruch begeht, sondern es sind Gestumblindi und Oðin, welche diesen begehen. Gestumblindi, indem er, um seinen Hals zu retten Oðin in seiner Gestalt ins Rennen schickt, und Oðin, nachdem Heiðrek alle seine Rätsel löst, indem er Heiðrek eine Frage stellt, die eben kein Rätsel ist, sondern eine Wissensfrage, die nur Oðin selbst beantworten kann.
Du hast aber in dem Punkt recht, dass Oðin dem Heiðrek den Tod voraussagt, weil dieser mit dem Schwert nach ihm geschlagen habe. Hier ist die Geschichte ein wenig unlogisch, Heiðrek muss sterben, da Tyrfing einen Tod verlangt und es Oðin gelang zu entkommen. Auf der anderen Seite ist die Geschichte so überliefert, als sei der Tod Heiðreks ein Urteil Oðins nach dem Angriff.
 
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Ich glaube auch nicht an einen Zusammenhang, das ist mir zu weit hergeholt.

Übrigens ist das Schwert, das, wenn es gezogen wurde, töten muss, topisch: Dieselbe Eigenschaft hat das Schwert Dainsleif von König Högni in der Sage um Hedin und Hild. Hedin entführte Hild in der Abwesenheit ihres Vaters Högni, der sie verfolgte und einholte. Während Hedins Heer lagerte, ging Hild ihrem Vater entgegen und bot ihm in Hedins Namen Frieden und einen Halsring als Versöhnung an, fügte aber hinzu, dass Hedin auch zum Kampf bereit sei. Högni lehnte schroff ab. Beide Seiten stellten ihre Heere auf. Hedin, der friedfertiger war, bot seinem Schwiegervater viel Gold als Buße, um den Kampf zu vermeiden, doch Högni erwiderte, dass es zu spät sei, denn er habe sein Schwert Dainsleif bereits gezogen, und es ließe sich nicht eher wieder in die Scheide stecken, als bis es einen Menschen getötet habe, außerdem seien die Wunden, die es schlage, unheilbar.

Ich bezweifle, dass all diese Schwerter auf die eine Stelle bei Matthäus zurückzuführen sind. Eher wird es sich wohl um einen nordischen Topos handeln.
Ich frage mich auch, ob ausgerechnet die von Dir zitierte Stelle den Nordmännern in dieser Prägnanz überhaupt vermittelt wurde und zu Bewusstsein gelangte. Eigentlich besagt die Stelle ja nur, dass, wer Gewalt anwendet, durch Gewalt umkommen wird. Zum Vergleich: Im "Heliand" wird die Stelle in ihrer sinngemäßen Bedeutung wiedergegeben. Die Sachsen haben also kapiert, worum es ging. Wieso sollten da die Nordgermanen die Stelle so missverstehen, dass es um das Ziehen des Schwertes aus der Scheide geht? Natürlich kann man es nicht ausschließen, aber mir sind das zu viele Wenns: Die Nordgermanen müssten ausgerechnet das Matthäusevangelium vermittelt bekommen haben, die Stelle missverstehen und dann, dadurch inspiriert, in ihre eigenen Sagen derartige Schwerter einbauen.
 
Dass es sich um einen Topos der skandinavischen Literatur handelt, halte ich für plausibel. Dáinsleif und Týrfing haben tatsächlich dieselben magischen Eigenschaften.
Allerdings bin ich - Hypothese hin oder her - gar nicht von einem Miss- oder Unverständnis des Matthäus-Evangeliums ausgegangen, dass es notwendig gemacht hätte, diesen Satz in eine eigene Geschichte zu kleiden, um den Skandinaviern ihn begreiflich zu machen. Ihn begreiflich zu machen, das halte ich in der Tat für nicht notwendig. Nichtsdestotrotz wird Moral immer wieder in Geschichten gekleidet, ja die meisten Geschichten - selbst wenn dies unbewusst geschieht - haben im Kern eine Moral und sei diese noch so versteckt. Ein Anliegen, welches der Verfasser mit der Geschichte hat.
Wenn wir selbst unsere eigenen Erlebnisse für berichtenswert halten, dann sind es ganz häufig Geschichten, die von Verhaltensweisen - positiv oder negativ berichten.
 
Dass Waffen übernatürliche Eigenschaften zugeschrieben werden, ist natürlich auch nicht auf die nordische Literatur beschränkt, sondern kommt in den Mythologien verschiedener Völker vor. Ich verweise z. B. auf den Speer des Achilleus, mit dem er den Telephos verwundete. Telephos' Wunde konnte nur durch eben diesen Speer wieder geheilt werden, indem mit ihm die Wunde berührt oder von ihm stammender Rost in die Wunde gestreut wurde.
 
Das Schwert des Petrus wurde im Mittelalter zumeist nicht als Schwert verstanden.

Vom Gladius zum Beil
In der lateinischen Tatian ist zwar von einem gladius die Rede, aber in der althochdeutschen Übersetzung wird daraus ein Beil. Das Wort gladius wurde vom frühmittelalterlichen Übersetzer anscheinend nicht mehr verstanden.

Malchus als eigene Waffengattung
In der Malerei kommt die Szene, in der Petrus dem Malchus das Ohr abhaut, häufiger vor. Hier bekommt Petrus aber kein herkömmliches Schwert in die Hand gedrückt, sondern ein langes Messer oder Krummschwert. Die gleiche Waffe taucht auf.
Eine hoch- und spätmittelalterliche einschneidige Waffe ist deswegen heute auch unter dem Namen Malchus bekannt. Sie ist mit dem Falchion identisch.
Im polnischen Pozna (Posen) wird eine derartige Waffe als Reliquie des Apostel Petrus verehrt.
Der gleiche Waffentyp ist auch das Erkennungszeichen des mittelalterlichen Märtyrers Petrus von Verona bzw. Mailand. Er ist zwar nicht mit dem Apostel Petrus identisch, sein Schädel wird jedoch durch mit einem Malchus-Schwert gespalten.

Das "Schwert" des Petrus bringt niemanden den Tod.
Anders als das Zauberschwert Tyrfing bringt die Waffe des Apostel Petrus niemanden den Tod.
Malchus verliert nur für kurze Zeit ein Ohr. Laut dem Evangelisten Lukas heilt Jesus das Ohr dieses Schergen durch Handauflegen. Das weitere Schicksal des Malchus wird in der Bibel nicht berichtet. Später vermischt sich die Geschichte des Malchus mit der mittelalterlichen Legende vom "ewigen Juden" Ahasver und er dadurch auf verfluchte Weise unsterblich.
Der Apostel Petrus stirbt nach der Heiligenlegende nicht durch das Schwert, sondern durch Kreuzigung - aus Respekt vor Christus jedoch am umgekehrten Kreuz (Petruskreuz).
Die Prophezeiung Jesu in Matthäus 26, 52 bleibt somit in allen christlichen Legenden unerfüllt.

Trotzdem gehe ich davon aus, dass diejenigen, die die Sage im fernen Island aufgeschrieben haben, dass Matthäus-Evangelium kannten. Das trifft sicherlich auch auf die Dichter des zuerst mündlich überlieferten Liedes zu. Die Protagonisten der Sage sind Goten und die historischen Goten wurden bereits im 4. Jahrhundert christianisiert. Die Sage über die Auseinandersetzung von Goten und Hunnen wird daher zuerst unter christianisierten Germanen in Mitteleuropa entstanden und erst später ins heidnische Skandinavien gelangt sein, wo sie aber auch erst in christlicher Zeit aufgeschrieben.
 
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Das Schwert des Petrus wurde im Mittelalter zumeist nicht als Schwert verstanden.

Im Heliand schon, dort wird 5x Schwert verwendet und einmal des Beiles Biss, was aber dem Faible unserer germanischen und althochdeutschen Vorfahren für Stabreime (Alliterationen) geschuldet sein dürfte:

Thô gibolgan uuar{d}
snel suerdthegan,| Sîmon Petrus,
uuell imu innan hugi,| that he ni mahte ênig uuord sprekan:
sô harm uuar{d} imu an is hertan,| that man is hêrron thar
binden [uuelde.]| Thô he gibolgan geng,

4870
suî{d}o thrîstmôd thegan| for is thiodan [standen,]
hard for is hêrron:| ni uuas imu is hugi tuîfli,
[blôth] an is breostun,| ac he is bil atôh,
suerd bi sîdu,| [slôg] imu tegegnes
an thene [furiston] fîund| folmo crafto,

4875
that thô Malchus uuar{d}| mâkeas eggiun,
an thea suî{d}aron half| suerdu gimâlod:
thiu hlust uuar{d} imu farhauuan,| he uuar{d} an that hô{b}id uund,
that imu herudrôrag| hlear endi ôre
beniuundun brast:| blôd aftar sprang,

4880
uuell fan uundun.| Thô uuas an is uuangun scard
the furisto thero fîundo.| Thô stôd that folc an rûm:
andrêdun im thes billes biti.| Thô sprak that barn godes
sel{b}o te Sîmon Petruse,| hêt that he is suerd [dedi]
skarp an skê{d}ia:| «ef ik uui{d} thesa scola uueldi», qua{d} he,

4885
«uui{d} theses uuerodes geuuin| uuîgsaca frummien,
than manodi ik thene mâreon| mahtigne god,
hêlagne fader| an himilrîkea,
that he mi sô managan engil herod| o{b}ana sandi
uuîges sô uuîsen,| sô ni [mahtin] iro uuâpanthreki

4890
man adôgen:| iro ni stôdi gio sulic megin samad,
folkes gifastnod,| that im iro ferh aftar thiu
uuer{d}en [mahti].| Ac it ha{b}ad uualdand god,
alomahtig fader| an ô{d}ar gimarkot,
that uui githoloian sculun,| sô huat sô ûs [thius thioda] tô

4895
bittres brengit:| ni sculun ûs belgan uuiht,
uurê{d}ean uui{d} iro geuuinne;| huand sô hue sô uuâpno nî{d},
grimman [gêrheti| uuili] gerno frummien,
he suiltit imu [eft]| suerdes eggiun,
[dôit] im [bidrôregan]:| uui mid ûsun dâdiun ni sculun

4900
uuiht auuerdian.»|


Vom Gladius zum Beil
In der lateinischen Tatian ist zwar von einem gladius die Rede, aber in der althochdeutschen Übersetzung wird daraus ein Beil. Das Wort gladius wurde vom frühmittelalterlichen Übersetzer anscheinend nicht mehr verstanden.
Auch im Tatian finde ich eindeutig das Schwert (leider ist die html-Version ein großes Durcheinander):

Simon ergo Pe-ss
trus habens gladium eduxit 2. Simon Petrus habenti
eum et percussit pontificis ser- suert nam iz uz inti sluoc the&
vum et amputavit auriculam bisgoffes scalc inti abahio sin
eins dextram; erat antem no- ora thaz zeseuua; uuas namo
men servo Malchns. « thes scalkes Malchns.
11. (298) Tunc ait Ihesus 3. (298) Tho quad ther heilant
Petro: calicem quem dedit mihi Petro: then kelih then mir gab
pater non bibam illum? mitte 308 ther fater ni fcrinku iaan? senti
gladium tuum1 in vaginam. thin suert in sceidun.1
Mt. 26, 52. Omnis enim qui 4. Alle thie dar intrfahent
acceperint gladium gladio suert foruuerdent in suerte.2
peribunt. 5
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Das "Schwert" des Petrus bringt niemanden den Tod.
Anders als das Zauberschwert Tyrfing bringt die Waffe des Apostel Petrus niemanden den Tod.
Malchus verliert nur für kurze Zeit ein Ohr.

Sagt auch niemand, dass Malchus stürbe. Aber auch Heidrek in der Hervara Saga stirbt nicht unmittelbar, als er den als Falken davonfliegenden Odin mit dem Schwert verfehlt.


Die Prophezeiung Jesu in Matthäus 26, 52 bleibt somit in allen christlichen Legenden unerfüllt.
Petrus' Tod kommt in der Bibel (Apg.) ja nicht vor.
 
Fazit: Im Zusammenhang mit dem Schwert des Petrus sagen sowohl Tatian als auch Heliand hochdeutsch suert bzw. niederdeutsch suerd, lediglich einmal sagt der Heliand, der aber in diesem Zusammenhang fünf Mal die Vokabel suerd verwendet billes biti 'des Beiles Biss', wobei Biss deutlich eine Metapher ist und hier der Stabreim wohl Grundlage dafür dass das sonst als Schwert bezeichnete Gerät plötzlich als 'Beil' bezeichnet wird. Im Tatian, aber vielleicht habe ich es überlesen, finde ich das 'Beil' nicht.
 
Vielen dank für die Richtigstellung, tatsächlich hatte ich Heliand und Tatian verwechselt, obwohl bereits Ravenik die richtige Quelle genannt hat.
Der Heliand zeigt, dass das "Schwert" des Malchus oder Petrus schon früh Thema in der volkssprachlichen Dichtung war. Der Heliand selbst ist ein Beispiel für die Aufnahme biblischer Stoffe in die germanische Dichtung.

Trotzdem ist es bemerkenswert, dass man sich mindestens seit dem 9. Jahrhundert die Waffe in der Hand des Simon Petrus und am Ohr des Malchus eher nicht als zweischneidiges Schwert sondern als eine Art langes Messer oder gar als Säbel vorstellte.
Bereits im Suttgarter Psalter (9. Jahrhundert) trägt Malchus bei der Verhaftung Christi eine einschneidige Hiebwaffe, den Langsax. Petrus ist auf dieser Buchseite gar nicht abgebildet, sondern nur Jesus, Malchus und Judas. Langsaxe sind in karolingischen Bilderhandschrift sehr selten abgebildet.

Das Schwert des Mars bzw. Attilas als Vorbild Tyrfings

Als Kandidaten für das Vorbild Tyrfings möchte ich aber das Schwert des Mars ins Spiel bringen. Dieses Zauberschwert wird zuerst in der Gotengeschichte des Jordanes erwähnt. Laut dieser Legende findet ein hunnischer Hirte bzw. eine Kuh diese Waffe. Das Schwert liegt in einem Erdloch. Die Färse tritt ins Loch und verletzt sich an der Klinge, wodurch der Hirte das Schwert findet und es zu Attila bringt. Mit diesem Zauberschwert baut Attila sein Weltreich auf.
Attila stirbt laut Jordanes an einem Blutsturz in seiner Hochzeitsnacht, die als Orgie beschrieben wird. Anschließend wird er mit allen Schätzen an einem geheimen Ort begraben. Es wäre logisch, dass Attila das Schwert des Mars mit ins Grab gegeben wurde, denn bekanntlich geht das Hunnenreich nach Attilas Tod unter. Jordanes berichtet aber nicht über den Verbleib des Zauberschwerts.

Erst ca. 500 Jahre später erzählt Lambert von Fulda eine Fortsetzung. Laut dem mittelalterlichen Chronisten ging das Schwert Attilas in den Besitz der ungarische Könige über. Die ungarische Königin Anastasia schenkt es Herzog Otto von Bayern usw. und irgendwann besitzt König Heinrich IV. das Schwert des Mars und übergibt es seinem Gefolgsmann Luitpold von Meersburg. Diesem Luitpold wird im Jahr 1071 angeblich das Zauberschwert zum Verhängnis. Luitpold stürzt bei Udenhausen vom Pferd, fällt in das von ihm getragene Schwert des Mars und stirbt daran. Das beim Sturz aus der Scheide gerutschte Schwert bringt Luitpold laut dieser Legende den Tod.

In der Hervara-Sage kommen ebenfalls Hunnen und Goten vor. Das Zauberschwert Tyrfing wird von den beiden Zwergen Durin und Dwalin für den König von Gardarike geschmiedet. Die Schildmaid Hervör raubt dieses Zauberschwert jedoch aus dem Grab ihres Vaters Angantyr auf der dänischen Insel Samsø.
Die Zwerge kommen bei Jordanes und Lambert nicht vor. Das Sagenland Garderike gilt als Entsprechung der Kiewer Rus, liegt also in Osteuropa.

Der Name Tyrfing könnte sogar mit dem Schwert des Mars zusammenhängen, da der nordische Kriegsgott Tyr die Entsprechung des Mars in der Interpretatio Romana und in den germanischen Wochentagsnamen ist.

Attila ist das historische Vorbild verschiedener, anderer Figuren der germanischen Heldendichtung. Ein Zusammenhang Attilas mit der Hervara-Saga wäre keine Überraschung. Hunnen, Schildmaiden und Zauberschwerter gehören in der germanischen Sagenwelt irgendwie zusammen.

Lambert von Fulda schreibt im 11. Jahrhundert. Sein Werk ist älter als die isländischen Handschriften.

Fantasy-Exkurs: Laut J.R.R. Tolkien taucht das Motiv des treulosen Zauberschwerts jedoch bereits in der Altvorderzeit im Lied Narn i Hin Húrin des Dichters Dírhavel auf. Der Dunkelelb Eol schmiedet das schwarze Zauberschwert Anglachel. Dieses Schwert bringt seinen Besitzern Beleg Langbogen und Túrin Turambar den Tod.
 
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Trotzdem ist es bemerkenswert, dass man sich mindestens seit dem 9. Jahrhundert die Waffe in der Hand des Simon Petrus und am Ohr des Malchus eher nicht als zweischneidiges Schwert sondern als eine Art langes Messer oder gar als Säbel vorstellte.
Ich habe gerade noch mal bei Widukind nachgesehen, der ja die Saxones/Sachsen von dem einschneidigen sahs/Sachs ableitet, der aber spricht in Bezug zum Sachs nicht von gladius oder spatha (das Wort benutzt er zumindest im ersten Buch gar nicht), sondern von cultellus:

Fuerunt autem et qui hoc facinore nomen illis inditum tradant. Cultelli enim nostra lingua «sahs» dicuntur, ideoque Saxones nuncupatos, quia cultellis tantam multitudinem fudissent.
Denn ich würde mich sonst fragen, ob zwischen ein- und zweischneidigem Schwert überhaupt derart unterschieden wurde.

Das Schwert des Mars bzw. Attilas als Vorbild Tyrfings

Als Kandidaten für das Vorbild Tyrfings möchte ich aber das Schwert des Mars ins Spiel bringen. Dieses Zauberschwert wird zuerst in der Gotengeschichte des Jordanes erwähnt. […] Jordanes berichtet aber nicht über den Verbleib des Zauberschwerts.
Erst ca. 500 Jahre später erzählt Lambert von Fulda eine Fortsetzung. […] Das beim Sturz aus der Scheide gerutschte Schwert bringt Luitpold laut dieser Legende den Tod.

In der Hervara-Sage kommen ebenfalls Hunnen und Goten vor. Das Zauberschwert Tyrfing wird von den beiden Zwergen Durin und Dwalin für den König von Gardarike geschmiedet.
Hier sehe ich durchaus ein Problem: Die Greutungen wurden Teil der Attila-Koalition, die Terwingen hingegen flohen über die Domau ins römische Reich und wurden nach Irrungen und Wirrungen foederati der Römer und nahmen bei Schlacht auf den katalaunischen Feldern auf römischer Seite unter der Führung des römischen Generals Aetius teil. Insofern, dass Tyrfing auf das Schwert Attilas zurückgehen soll, erscheint mir eher unplausibel.
 
Während das Schwert als edle, ritterliche Waffe galt, hatte das Sax einen durchweg schlechten Ruf in der Literatur. In den Geschichtswerken und Liedern führen nur Gangster derartige Waffen. (Die Archäologie zeigt jedoch, dass der Sax ein relativ häufige Waffe war und auch Könige wie Childerich zusätzlich zum Schwert einschneidige Kampfmesser besaßen - nur eben in einer Prunkversion.)

"reden mir von Koks und Messersteicherei'n...":D

Gregor von Tours erwähnt das
scramasax nur als Waffe von Attentätern. König Sigibert I. sei im Auftrag Fredegundes hinterrücks mit einer solchen Waffe abgestochen worden. Die Saxe der Attentätern waren laut Gregor sogar vergiftet. (Vermutlich handelt bei diesem Mordfall um eines der historischen Vorbilder der Nibelunensage.)

cultellus
ist ein Diminutiv, d.h. Widukind von Corvey meint ein Messerchen. Der Kontext ist hier eine unfaire Messerstecherei.

Im mittelhochdeutschen Eckenlied gibt es ein "Schwert" Eckesahs. Das Lied gehört zum Sagenkreis um Dietich von Bern. Eckesahs ist die Waffe des mordlustigen Riesen Ecke wurde des Riesen Ecke und wurde vom Zwerg Alberich geschmiedet. Ecke zieht von Hof zu Hof um kühne Recken zu töten - einfach so, weil Riesen das so machen. Dietrich von Bern besieht Ecke jedoch.

Im Nibelunglied kommt jedoch kein Sax vor. Hier macht aber das Schwert Balmung ähnlich wie Tyrfind unbesiegbar. Zuerst gehörte der Balmung zu Nibelungenhort und daher den Riesenkönigen Nibelung oder Schilbung. Siegfried tötete beide Riesen mit dem gemieteten Schwert Balmung. Als nächstes besiegt Siegfried den Zwerg Alberich, der in dieser Sage nur der Vermögensverwalter ist und nicht als Waffenschmied benannt wird.
Anders als bei Gregor von Tours wird ist im Nibelungenlied nicht der vergiftete Sax die Mordwaffe sondern ein namenloser Speer. Hagen ermordet Siegfried hinterrücks und b
ei der Gelegenheit raubt Hagen den Balmung, den er später auch während der Schlacht gegen die Hunnen. Aus Rache wird der gefesselte Hagen von Kriemhild mit dem Balmung, d.h. dem eigenen Schwert geköpft. (Man beachte hier Parallele zu Hervör. Auch Tyrfing wird von einer Frau geführt um die Blutrache zu vollenden.)

Nur Riesen und Mörder haben also einen Sax - außer im Nibelungenlied. Doch dann gibt es noch diesen sächsischen Gott Saxnot, der etymologisch mit dem Stamm der Sachsen und dem gleichnamigen Kampfmesser zu tun hat.
Saxnot ist wohl die sächsische Variante des nordischen Tyr. Der Tyr ist in den isländischen Sagen für seine Treulosigkeit bekannt. Die Sage wie Tyrs Hand vom Wolf abgebissen wird, ist wahrscheinlich schon auf völkerwanderungszeitlichen Goldbrakteaten (Trollhättan, Skrydstrup, Hamburg, Ravlunda) abgebildet.


Der sogenannte "Säbel Karls des Großen" ist eine der wenigen einschneidigen Waffen, die positiv besetzt sind. Es handelt sich um ein Reichskleinod der römisch-deutschen Kaiser. Der Legende nach entdeckte König Otto III. den Säbel bei Öffnung von Karls Sarg in Aachen. (Auch Hervör nimmt das Schwert Tyrfing aus dem Grab Angantyrs.)
Kaiser Ferdinand I, der erste Habsburger auf dem ungarischen Thron, behauptete der sogenannte Säbel Karls des Großen sei ein ungarischer Säbel. Nach ungarischer Sage handelt es sich bei dem Reichskleinod um das Schwert des Kriegsgottes (ars isten kardja), also Schwert des Mars und Attilas. Das Schwert Attilas wäre dann wieder von den ungarischen Königen geführt wurden und dann auf die Habsburger übergegangen. Die Ungarn wurden im Mittelalter in den Regel mit den Hunnen gleichgesetzt, deshalb ist der Hunnenhof im Nibelungenlied auch in Ungarn.

Hunnen, Goten, Franken, Zwerge, Zauberschwerter, Grabräuber, "
Messerstecherei'n ... aber Apache bleibt gleich.";)
Es gibt da vielleicht einen kryptonibelungischen Subtext in der Hervara Saga.

Warum Petrus jedoch auf mittelalterlichen Gemälden ab ca. dem 13. Jahrhundert mit einem einschneidigen oder sogar krummen Hiebmesser (Falchion bzw. Malchus) auf Malchus Ohr einhaut, ist jedoch wirklich erklärungsbedürftig. Die Posener Reliquie, die als "Schwert" des heiligen Peter verehrt wird, ist auch ein solches Hiebmesser. Bei diesem fiesen Hiebmesser soll es sich um das Eigentum eines Apostels handeln!
Das μάχαιρα ist mehr ein großes Messer, als eigentlich ein Schwert. Die ÜS mit Schwert dürfte wohl auf Hieronymus zurückgehen, der es mit gladius übersetzt. Interessant wäre zu wissen, was die wirklich vulgärlateinischen* Übersetzungen vor Hieronymus, die Afra und die Itala da setzen.
Man könnte einen Zusammenhang mit den Sikariern vermuten, zu denen ja auch Judas gehörte (Ischariot/Iskariot).

*Hieronymus' Fassung ist zwar als Vulgata, also als in volkssprachlichem Latein verfasste Bibel benannt, aber tatsächlich verwendet sie einen relativ gehobenen Stil.
Demnach ist das "Schwert" des Petrus im griechischen Original der Bibel noch eine "Machaira", d.h. ein einschneidiges Hiebmesser persischen Ursprungs.
Laut englischer Wikipedia wird im griechischen Neuen Testament jedes Schwert als "Machaira" benannt. Zwischen dem römischen Gladius und einheimischen Waffen wird nicht unterschieden.
 
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Ich möchte den gelehrten Diskurs nicht unterbrechen, nur kurz auf den Ausgangstext zurückkommen.
Ich habe die Matthäus-Stelle immer generisch verstanden: nicht das Schwert, das man zieht, bringt einen um, sondern ein Schwert, nämlich das des Gegners: in Anlehnung an die berühmte Exodus-Stelle "Auge um Auge, Zahn um Zahn" etc. So auch in der Bergpredigt, wo dieses Prinzip noch einmal verwendet wird (Mt 5.38).
Zwar weiß ich nicht, wie die Isländer das verstanden haben. Aber eine generische Interpretation kommt mir näherliegend vor als eine "reflexive" (= das Schwert, das man zieht, bringt einen selbst um).
 
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Als direktes Vorbild der neutestamentarischen Formulierung gilt: "Wer Menschenblut vergossen hat, dessen Blut soll auch selbst durch Menschen vergossen werden." 1. Moses 9.6
Dieses Zitat gehört zum Bund Gottes mit Noah und bezieht sich auf die Zeit nach der Sintflut.

Das alttestamentarische Prinzip "Auge um Auge, Zahn um Zahn" wird in der Bergpredikt verworfen und durch "andere Wange auch noch hinhalten" ersetzt.
 
Es ist klar, dass das Schwert-Zitat keine Erweiterung der Exodus-Regel ist, denn die Reihe "X um X" ist eine Vergeltungs-Norm (ein X um ein gleiches X vergelten), das Schwert-Zitat aber stammt aus der Erfahrung: "Ziehst du das Schwert, wird ein anderer seines ziehen". Man kann - pragmatisch, nicht logisch, und auch nur unter gewissen Voraussetzungen - daraus eine Handlungsnorm ableiten: "Also ziehe kein Schwert". Damit aber steht diese Regel nur in Zusammenhang mit (in Anlehnung an) der Exodus-Regel und ist keine Erweiterung, etwa dergestalt: "Schwert um Schwert", sondern eher das Gegenteil. Das habe ich auch nicht geschrieben.

Der Witz meines Arguments liegt aber nicht in Jesu vermutlichen Handlungsnormen. Sondern darin, dass das Schwert, durch das man umkommt, nicht identisch ist mit dem Schwert, das man nimmt. Das ist aber bei diesem Schwert Tyrfing offenbar der Fall. Daher ist die Frage von El Q zu verneinen.
 
Das ist aber bei diesem Schwert Tyrfing offenbar der Fall. Daher ist die Frage von El Q zu verneinen.
Das ist mir zu einfach. Jesus sagt (soll gesagt haben): "Wer das Schwert nimmt, wird durch das Schwert umkommen."
Ἀπόστρεψον τὴν μάχαιράν σου εἰς τὸν τόπον αὐτῆς· πάντες γὰρ οἱ λαβόντες μάχαιραν ἐν μαχαίρῃ ἀπολοῦνται.
Natürlich heißt das nicht, dass man durch dieselbe Waffe stirbt, die man gezogen hat, sondern ist eher allgemein-moralischer Natur.
Das ist auch nicht der Fall bei Tyrfing. Tyrfing tötet, wenn man das Schwert aus der Scheide zieht. In der Regel einen Anwesenden - also einen Gegner oder eine Person, die zufälligerweise gerade vor Ort ist. Nur dann, wenn es keine andere (menschliche) Seele gibt, die zugegen ist, wendet sich das Schwert gegen seinen Besitzer, da es eben nur zum Zwecke des Tötens gezogen werden kann. Einen Rückzieher "Och ne, doch nich, ich hab's mir anders überlegt" gibt es bei Tyrfing nicht. Im Prinzip ist das die nordisch-heidnische Vorbeiinterpretation an der von Jesus bzw. vom Evangelisten gemeinten Aussage.
 
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