Wer fackelte Moskau ab?

psbvbn1

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Hallo, Forianer!

Ich dachte immer, dass 1813 die Russen selbst Moskau angezündet hatten, um Napoleon einen schmerzhaften Einzug in die Stadt zu bereiten. So wurden seine geschwächten Soldaten nicht gut mit Lebensmitteln versorgt und hiesige Waffenvorräte waren ebenfalls vernichtet worden, die Stadt stand fast leer!

Nun habe ich aber das Buch "Napoleon" von Franz Herre zu Ende gelesen. Dort stand drin: "...am 14 September zog er [Napoleon] in Moskau ein. [...] Kaum hatten sich die Franzosen eingerichtet, begann Moskau zu brennen.
Das Feuer soll auf Befehl des russischen Militärgouverneurs Rostoptschin gelegt worden sein, der jedenfalls sein eigenes Haus anzündete.
Auch wenn der Brand mehr oder weniger durch Zufall entstanden sein soll oder plündernde Soldaten ihn mitverursacht hätten:..." (S.244)
Hervorhebungen sind von mir.

Der Autor sagt nicht direkt, dass die Russen das Feuer nicht selbst gelegt haben, aber er zweifelt, ob sie es waren. Es ist nur reine Spekulation, eine solche These wie ich sie vorher gehört hatte. Es könnte auch der Zufall gewesen sein oder gar die französischen Soldaten.
Was meint ihr dazu? Ist die Schulbuchmeinung zu halten, dass es unbedingt die Russen gewesen sind, die Moskau haben brennen lassen?
 
Napoleon selbst schreibt (wir müssen ihm aber nicht unbedingt glauben, denn wer könnte hier parteiischer sein als er selbst?):

Napoleon schrieb:
Die Stadt Moskau war keine Schlacht wert! Die Russen verloren sie und Moskau fiel. Hätten sie sie genommen, so wäre die Stadt gerettet gewesen. 100.000 Russen, Männer, Frauen, Kinder, wären nicht in den Wäldern in Eis und Elend umgekommen. Russlands prächtige Hauptstadt, das Werk von Jahrhunderten, wäre nicht in Asche verwandelt worden! Russland hätte nicht Millionen verloren, die unter Moskaus Trümmern begraben wurden. Ohne den Brand von Moskau, ein in der Geschichte einzig dastehendes Ereignis, wäre Kaiser Alexander zum Frieden gezwungen worden.

Ein anderer Text:

Napoleon schrieb:
Die Franzosen rückten in Moskau ein. 48 Stunden waren sie die Herren der Stadt. Die vorgefundenen Reichtümer waren unermeßlich. [...] Alles war noch da, man hatte kaum etwas mitgenommen. [...] Erst jetzt geschah es, dass etwa 8 oder 900 Polizeibeamte den heftigen Wind benutzten und die ganze Stadt auf einmal in Brand setzten. Die meisten Häuser Moskaus waren Holzhäuser und enthielten ein große Menge Branntwein und Ölniederlagen, auch anderes brennbares Material. Sämtliche Feuerspritzen waren weg, obwohl Moskau deren einige hunderte gut organisierte besaß. Nur eine einzige war zu finden. Einige Tage lang kämpften die Truppen vergebens gegen den ungeheuren Brand. Alles wurde ein Raub der Flammen.

Napoleon schreibt im Übrigen, wohl wie sein Vorbild Cäsar, von sich selbst in der dritten Person.
Beide Texte aus: Paul/Gertrude Aretz (Hg., 1936). Napoleon I. Mein Leben und Werk.
 
Ich denke, dass es schon die Russen selbst waren, denn damit haben sie ja Napoleon die Grundlage für eine "Überwinterung" in Moskau genommen... .

Abgesehen davon habe ich bisher in verschiedenen Quellen noch nichts davon gehört, die Franzosen hätten das Feuer selbst gelegt, was allerdings ziemlich dämlich gewesen wäre... .

Denn damit hätten sie ja den Grundstein für ihren eigenen Untergang gelegt.

Grüße,

Fritz
 

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Nuja... dieses Bild mit Napoleon hoch zu Ross beim Rückzug beschönigt die Sache ja ganz schön: überliefert ist, dass er in einer Kutsche mit abgedunkelten Fenstern weitvor den Truppen durchs Land eilte...
 
Ja, dass er mit einem Wagen reiste, dies stimmte, doch wenn es zu einer Schlacht kam heldenmütige Auftritte angebracht waren, stieg der Napoleon eben aufs Pferd um, ein guter Propaganda-Trick.

Die Franzosen könnten ja Moskau unabsichtlich beim Plündern (sie waren immerhin ausgezerrt und hungerten zum großen Teil) angezündet haben. Wenn dies stimmen sollte, wäre es natürlich von den Franzosen und ihren Führern nicht so dargestellt worden, weil diese Sache ja beschämend fürs Ansehen gewesen wäre. So konnte man es besser auf die Feinde, die bösen Russen schieben.

@ El Quijote: Die Zitate von Napoleon, stammen die etwa aus seinen "Erinnerungen" aus St. Helena? Wenn ja, dann sollte man denen kaum Glauben schenken, da sie ja für Geschichtsverklärung zugunsten Napoleons stehen. Dass Napoleon das Brennen von Moskau als Desaster bezeichnete, kann man sich denken. Aber dass deswegen 100.000 Russen in Elend umkamen, obwohl erwiesenermaßen aus der Stadt viele evakuiert wurden, also planmäßig umquartiert wurden, zeigt doch wieder diese propagandistische Verklärung der Geschichte Napoleons auf St. Helena.
 
Deshalb fragte ich auch, wer in dieser Sache parteiischer als Nappi selbst sein könnte.
Zumindest ähnlich vorsichtig kann man möglicherweise russischen Aussagen gegenüberstehen, vor allem, da ja die Stadt von den Einwohnern weitesgehend geräumt wurde.
Die Aussagen von Napoleon auf Sankt Helena sind ja davon bestimmt, seine eigene Legende noch zu Lebzeiten zu stricken, um so erstaunlicher, dass diese Legendenbildung noch bis heute Ressonanz und Glauben findet und zumindest die französische Geschichtsbetrachtung natürlich maßgeblich beeinflusst. Klar ist auch, dass Napoleon nunmal Augenzeuge war und sicherlich besser als alle seine Befehlshaber über das Große und Ganze im Bilde.

Zu dem Bild, auch nach dem Rückzug aus Mosaku gab es einige Schlachten zu schlagen, vor allem gegen die nachrückenden Russen. Erst nach dem Übergang über die Beresina begab sich Napoleon auf schnellstem Wege nach Paris, wo es zu einem Umsturzversuch des Generals Malet gekommen war.
 
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