Lies mal Dieter Flach, Römische Geschichtsschreibung. Da wird erklärt, wie man z.B. Cassius Dio oder Tacitus beurteilen kann. Bezüglich Dios ist das im Forum schon recht ausführlich erklärt. Weil es eine ausschmückende Einzelheit ist, brauchen wir nicht diskutieren, ob Bäume fliegen, wegen des Sturms umfallen, oder wie auch immer: Da erstellt Dio ein Gemälde, wie ein Historienmaler malt, als ob er vorher Zeit gehabt hätte, jede Pose genau zu korrigieren. Beim Wetter kann man diskutieren, ob es dem Topos des unwirtlichen Germanien entspringt oder es tatsächlich regnerisch bis stürmisch war. Dass hingegen die Marschkolonne nicht schnell geordnet werden konnte, dürfte zuverlässig sein. Dass die Truppen in einem dreitägigen Marsch unter andauernden Nadelstichen dezimiert wurden u.s.w. gehört ganz klar zum groben Ablauf, wie ich es nannte. Die Beschreibung der Landschaft ist oft zu Argumentationen herangezogen worden. Aber im Mittelgebirgsraum sind alle aufgelisteten Bestandteile überall zu finden, was auch für viele Stellen der Westfälischen Bucht gilt: Hier brauchen wir gar nicht zu diskutieren, wieviel davon als bare Münze genommen werden kann.
Wenn man erst einmal gelernt hat, mit welchen Mitteln die Geschichtsschreiber eine Schlacht darstellen, sieht man, dass Dio dies hier auf die Besonderheiten der Varusschlacht angewandt hat. Ein 'Marschgefecht' ist eben keine Feldschlacht.
Jeder Geschichtsschreiber hat dazu seine eigenen Eigenheiten und Interessen. Auch das ist vielfach herausgearbeitet.
Es war eben nicht jeder Geschichtsschreiber ein Thukydides, der seine Methoden darlegt, in einer beneidenswerten Position war, die handelnden Personen beider Seiten befragen zu können und seine übergeordnete Sicht der Dinge in einem einzigen Dialog unterbringen kann.
Wenn ich auf das genannte Werk verweise, tue ich das also nicht so nebenbei. Dort wird eben vorgeführt, wie man solchen Quellen erfolgreich zu Leibe rückt. Es wird ja bei Weitem nicht einfach alles verworfen. Ich verstehe durchaus, dass manchmal der Eindruck entsteht, dass das ein recht willkürlicher Vorgang ist oder alles verworfen wird, da ja die Diskussion oft eine Aneinanderreihung von entsprechenden Aussagen zeigt.
Daher ist es dann eben grundlegend, sich auch einmal im Zusammenhang damit zu beschäftigen. Und da kenne ich nichts Geeigneteres zur Einführung für diesen Zeitraum als das angegebene Buch, auch wenn es trocken geschrieben ist. Für den Historiker ist es unerlässlich, seine Quellen zu kennen, zu wissen, was bei einem Text zu beachten ist. Das lernt er vom Beginn des Studiums an. Er sieht hier keinen Widerspruch, einiges zu verwerfen und anderes derselben Quelle zu akzeptieren. Das Nachzuvollziehen, reicht es nicht ein paar Beispiele aufzuzählen. El Quijote hat es zig mal für Tacitus beschrieben. Ich habe es ein paar Mal für Cassius Dio erläutert. Dennoch gibt es immer wieder dieselben Fragen und Diskussionen.
Problematisch ist, wenn etwas nicht beurteilt werden kann, wie die sogenannte Historia Augusta. Da hängt man zum Teil in der Luft. Und so gab es dann die Überraschung mit dem Harzhornereignis. (Gut, da kam hinzu, dass der 'gesunde Menschenverstand' in Anspruch genommen wurde, um zu sagen, dass die Römer sich keine 10 Tagereisen von ihrer Grenze entfernen konnten und einige andere Dinge. Aber wir haben für viele Informationen dabei, keinen wirklichen Anhalt, wie wir sie einordnen sollen.)
(Und nicht alle Schriftquellen sind Geschichtswerke.)