Werbeverbot für die Auswanderung

Repo

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Ich lese gerade in einem Aufsatz zum Dampfschiffbau im Jahr 1854, dass im Deutschen Bund die Werbung für die Auswanderung verboten gewesen sei.
Da in den Bundesländern befürchtet worden wäre, dass insbesondere die militärpflichtigen Jahrgänge auswandern würden.

Nun habe ich Primärquellen (Original-Zeitungen) aus den 1840er Jahren, die das Gegenteil belegen. Allerdings nur für Württemberg.
Auch aus verschiedenen anderen Gründen will mir das Vorhandensein eines solchen Werbeverbots nicht einleuchten.

Andererseits ist der Autor ansonsten schon ernstzunehmen.

Deshalb meine Frage, hat einer hier Infos zu einem solchen "Werbeverbot" in irgendeinem Bundesstaat in den 1850er Jahren?
 
Deshalb meine Frage, hat einer hier Infos zu einem solchen "Werbeverbot" in irgendeinem Bundesstaat in den 1850er Jahren?


Bernd Brunner erwähnt nichts von einem Werbungsverbot, schildert jedoch, dass es mit zunehmender Auswanderung zu einem immer stärkeren Eingreifen der Behörden kam. So wurde etwa zwischen 1846 und 1853 in "mehreren deutschen Staaten eine Konzessionspflicht" für die Vermittlungsagenturen eingeführt.


Nach Amerika: die Geschichte der ... - Google Bücher
 
Bernd Brunner erwähnt nichts von einem Werbungsverbot, schildert jedoch, dass es mit zunehmender Auswanderung zu einem immer stärkeren Eingreifen der Behörden kam. So wurde etwa zwischen 1846 und 1853 in "mehreren deutschen Staaten eine Konzessionspflicht" für die Vermittlungsagenturen eingeführt.


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Ich nehme an, dass das den teilweise überaus bedenklichen Zuständen auf den Auswanderer-Schiffen geschuldet ist.
In manchen Jahren sind tatsächlich 10% der Eingeschifften ums Lebben gekommen. Was ja heißen muss, auf manchem Seelenverkäufer diente jeder 3. oder 4. als Fischfutter.
 
Deshalb meine Frage, hat einer hier Infos zu einem solchen "Werbeverbot" in irgendeinem Bundesstaat in den 1850er Jahren?
Ich glaube die Verkennst hier die damalige Situation. Die Reedereien mussten wohl kaum Werbung betreiben, sondern die Auswanderer waren billiger Ballast der zusätzlich noch Geld abwarf, für eine stabile Lage der Schiffsrümpfe in der rauen See des Atlantik.
Menschen waren zu dieser Zeit noch Schiffsfracht!
Immerhin traten Bremen, Hamburg und Lübeck erst 1837 den britischen-französischen Traktaten gegen den Sklavenhandel von 1831 und 1833 bei, obwohl auch noch 1841 eigens für schneller Fahrten gebaute Schiffe in den Hansestädten nicht zwangsläufig allein in Auswandererfahrten tätig waren.
So wurden die Verfahren der Sklavenfahrt für den Transport der Auswanderer auf den Schiffen übernommen.
Bremen stellt eine Ausnahme dar, denn das Ansehen der bremischen Auswanderung wurde von der Stadt gefördert, durch Vorschriften, die der Sicherheit der Passagiere zugute kamen, ebenso durch Aufsicht und Förderung der Betreuungseinrichtungen an Land. 1832 schon machte eine Verordnung verbindlich, dass die Eignung und Seetüchtigkeit der Schiffe nachzuweisen sei, wie auch die Mitnahme von Proviant für mindestens 90ig Tage.


Somit orientierte sich der verstärkte rheinische und württembergische Auswandererstrom auf Bremen und zwischen 1846 und 1855 wurden jährlich ca. 40.000 Auswanderer abgefertigt. Als Vergleich, in Hamburg waren ist in diesen Zeitraum nichtmal halb soviele.


Das zeigt doch eindeutig auf, daß eine Werbung nicht notwendig war, die Mundpropaganda und die äußeren Umstände trugen zum Schritt der Auswanderung bei. Wenn der Ruf der Überfahrten schlecht war, wie das z.B. in Hamburg, die Kurztransporte zu billigen englischen Überfahrten durchführten und von diesen Transporten eine hohe Sterberate nachgesagt wurde, sprach sich so etwas schnell herum.


Quelle:Übersee - Seefahrt und Seemacht im deutschen Kaiserreich von V. Plagemann
 
Viele Auswanderer stammten auch gar nicht aus Deutschland, sondern aus Skandinavien oder Osteuropa. Die kamen von ganz allein nach Hamburg oder Bremen und wurden von den Reedereien vermutlich noch einmal gründlich übers Ohr gehauen, weil sie kein Deutsch sprachen.
 
Ich glaube die Verkennst hier die damalige Situation. Die Reedereien mussten wohl kaum Werbung betreiben, sondern die Auswanderer waren billiger Ballast der zusätzlich noch Geld abwarf, für eine stabile Lage der Schiffsrümpfe in der rauen See des Atlantik.
Menschen waren zu dieser Zeit noch Schiffsfracht!n

Nö Köbis,
ich habe wie gesagt Primärquellen, ein paar Zeitungsjahrgänge aus den 1840er Jahren.
In faktisch jeder Ausgabe ist eine Anzeige drin. Aber in den genannten vierzigern Cherbourg, Rotterdam, Liverpool. Noch nix mit Hamburg und Bremen.
 
Nö Köbis,
ich habe wie gesagt Primärquellen, ein paar Zeitungsjahrgänge aus den 1840er Jahren.
In faktisch jeder Ausgabe ist eine Anzeige drin. Aber in den genannten vierzigern Cherbourg, Rotterdam, Liverpool. Noch nix mit Hamburg und Bremen.

Also kein deutscher Hafen wird als Brücke in die neue Welt genannt?
Was steht denn so in den Anzeigen drin(Werbeslogan)? Sind die in deutscher Sprache abgedruckt?
 
Viele Auswanderer stammten auch gar nicht aus Deutschland, sondern aus Skandinavien oder Osteuropa. Die kamen von ganz allein nach Hamburg oder Bremen und wurden von den Reedereien vermutlich noch einmal gründlich übers Ohr gehauen, weil sie kein Deutsch sprachen.

Das ist die Frage.
Denn, wenn ich das richtig im Kopf habe, fuhren die von den Ostseehäfen nach Rotterdam, Cherbourg und Liverpool. Als Zubringer.
Erst als es einerseits Eisenbahnlinien gab, und andererseits Dampfer hat sich das geändert.
 
Zuletzt bearbeitet:
@Repo: Denn, wenn ich das richtig im Kopf habe, fuhren die von den Ostseehäfen nach Rotterdam, Cherbourg und Liverpool.
Eisenbahn schon gebaut, Nord-Ostsee-Kanal noch nicht existent. Da hätte ich mir mit einem Segelschiff jedenfalls nicht die berüchtigte Route um Skagen (Jütland) antun wollen.
 
Wäre wohl eine Frage des Preises gewesen und nicht der Komfortabilität des Transportmittels.

M. :winke:

Die Reeder in Hamburg und Bremen haben erst so um 1850 herum sich um das Geschäft mit der Auswanderung begonnen zu kümmern.

Und für Süddeutschland ist Rotterdam (Rhein!) und mit der Eisenbahn dann auch verstärkt Cherbourg mehr als eine Alternaive gewesen.
OT: Meine Schwester ist 1955 auch über Cherbourg in die USA.
 
Ich nehme an, dass das den teilweise überaus bedenklichen Zuständen auf den Auswanderer-Schiffen geschuldet ist.
In manchen Jahren sind tatsächlich 10% der Eingeschifften ums Lebben gekommen. Was ja heißen muss, auf manchem Seelenverkäufer diente jeder 3. oder 4. als Fischfutter.

Hier muss man den Hintergrund sehen, dass Auswanderungspolitik auch die Förderung der Auswanderung einschloss, dass sogar über Reisekostenzuschüsse und anderweitige Subventionierungen heftig gestritten wurde. Die Auswanderung war in den Jahren mit Armut verknüpft, somit ging es um die Entschärfung von sozialem Sprengstoff. Ein Werbeverbot bei gleichzeitigen Zuschüssen kann ich mir nicht recht vorstellen, das kann aber lokale Hintergründe haben. Solche "Zustände" auf den Reisen waren ebenfalls kontraproduktiv.

Eine alte, umfangreiche Ausarbeitung mit vielen Details (auch zum Behördenstreit um die Registrierung und Kontrolle des Ausreiseagenturen etc) und mit Unterschieden zwischen den Ländern Bayern, Baden, Württemberg, Preußen:
Auswanderung und Auswanderungspoltik, hrsg. vom Verein für Socialpolitik Schrift LII, aus 1892.
Auswanderung und Auswanderungspolitik in Deutschland: Berichte über die Entwicklung und den ... : Eugen von Philippovich : Free Download & Streaming : Internet Archive
 
Ich denke, daß die Mobilität vieler Menschen eingeschränkt war, eine Auswanderung vor den 1850'er Jahren gar nicht in Frage kam; Stichwort: "Ablösegesetze".

Damit beschränkt sich m.E. die Zielgruppe der "Auswanderungswilligen" auf eine pauperistische städtische Sozialschicht, zumindest vor den 1850'er Jahren.

M.
 
Damit beschränkt sich m.E. die Zielgruppe der "Auswanderungswilligen" auf eine pauperistische städtische Sozialschicht, zumindest vor den 1850'er Jahren.

Das mag für die Gegenden im Binnenland gelten, nicht aber für die Küstenregionen. Auch die ganz und gar nicht urban verwurzelten Mennoniten, Amish und andere streng evangikale Gruppen kamen schon entschieden früher als 1850 nach Amerika.
 
Was die Amishen angeht, "rutschen" wir aber aus den Uz "1850"'er Jahre, ansonsten d'accord.

Im übrigen, die "Ablösegesetze" gab es auch in Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz*, in Preußen sowieso, Kgr. Hannover auch, bliebe Oldenburg, da bin ich unsicher und muß nachschauen.

Damit wäre die "Küstenregion" dicht.

P.S.:

Eine Anregung, ohne genau zu wissen, wo man relativ einfach recherchieren kann, ich fürchte, da muß man tief in die Gesetzeslage der Bundesstaaten einsteigen, die Militärpässe (?), ohne den hätte kaum ein junger Mann auswandern können.

M.

*Mecklenburg-Strelitz war kein Anrainerstaat, aber dicht dran. ;) HH, HL, HB waren sowieso klassisches städtisches Reservoir.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich denke, daß die Mobilität vieler Menschen eingeschränkt war, eine Auswanderung vor den 1850'er Jahren gar nicht in Frage kam; Stichwort: "Ablösegesetze".

Damit beschränkt sich m.E. die Zielgruppe der "Auswanderungswilligen" auf eine pauperistische städtische Sozialschicht, zumindest vor den 1850'er Jahren.

M.

Jetzt kommen wir der Sache langsam näher.
In Württemberg galt seit dem 16. Jahrhundert, Stichwort "Tübinger Vertrag" (nix euphemistisch:D) die Freizügigkeit als garantiertes Grundrecht selbst für Leibeigene.
Von hier wurde seit Jahrhunderten ausgewandert. Stichworte "Ulmer Schachtel", "Banater Schwaben", "schwäbische Türkei".
Da haben sich lediglich die Ziele geändert.

Meine Vermutung:
In anderen Bundesländern konnte man es Mitte des 19. Jahrhunderts nicht mehr direkt verbieten, hat man zumindest die Werbung dafür verboten.
 
Entschuldigung, ich weiß, ich bin Off Topic: zwischen 1845 und ca. 1850/51 gab es ja die Hungersnöte in Irland, wo auch sehr viele ausgewandert sind (so sie noch konnten)

Nun meine Frage: hat der schlechte Ruf der Auswanderer allgemein mit den Massen von ausgewanderten Iren zu tun? So weit ich gehört habe, hatten lange Zeit Deutsche in den USA einen ähnlich schlechten Ruf wie die Iren. Gibt es da vielleicht einen Zusammenhang, dass die Auswanderung nicht beworben wurde??
 
Entschuldigung, ich weiß, ich bin Off Topic: zwischen 1845 und ca. 1850/51 gab es ja die Hungersnöte in Irland, wo auch sehr viele ausgewandert sind (so sie noch konnten)

Nun meine Frage: hat der schlechte Ruf der Auswanderer allgemein mit den Massen von ausgewanderten Iren zu tun? So weit ich gehört habe, hatten lange Zeit Deutsche in den USA einen ähnlich schlechten Ruf wie die Iren. Gibt es da vielleicht einen Zusammenhang, dass die Auswanderung nicht beworben wurde??

Einwanderer in größerer Zahl (in 1. und 2. Generation) werden von den meisten Einheimischen eigentlich nie gern gesehen, egal wo das auf der Welt ist. In den USA des 19. Jahrhundert traf es vor allem die Deutschen, Iren und Italiener (die größten Immigrantengruppen) und heute eben die Mexikaner und anderen Latinos. Lediglich als billige Arbeitskräfte waren sie akzeptiert.
 
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