Oder habt Ihr alternative Vorschläge, wonach zu bemessen ist, wer eine historische Persönlichkeit war?
Ja. (s.u.)
Darum ging es mir aber nicht. So wenig wie elysian. Und genausowenig wie dem ursprünglichen Fragesteller, dem ich mich im Rahmen meiner Argumentation immer noch verbunden fühle.
a)Finde Sie heraus ob der Verlauf der Geschichte von wichtigen Persönlichkeiten geformt oder ist sie eine Wirkung aus den allgemeinen Ursachen heraus? Geben Sie für beide Seiten Argumente an!
Diese Verbundenheit gepaart mit meinem Advocatus-Diaboli-Gen
devil
führt dazu, dass ich gerne relativiere, sobald ich die Gelegenheit dazu sehe.
Denn, wie gesagt, m.E. ist unsere Geschichtsschreibung zu sehr auf die "großen Persönlichkeiten" fixiert (ich erinnere an Cäsar, der in bester Rambo-Manier ganz allein die Helvetier besiegt hat), wodurch quasi eine Rückkopplung stattfindet: Sie wirken noch bedeutender. Mit jedem Buch, in dem steht, dass sie bedeutend sind.
Bleiben wir mal kurz bei Cäsar: Wer hat eigentlich geschrieben, "Cäsar" habe die Helvetier, die Gallier, die Belgier usw besiegt? Er selber! Nett von der Nachwelt, seine Selbstbeweihräucherung als Beweis für seine großen Taten herzunehmen...
Spaß beiseite. Natürlich ist der olle Julius eine bedeutende Persönlichkeit. Wir brauchen dafür auch keine Haare zu spalten, wie fähig seine Soldaten nun waren und ob andere Heerführer das eventuell auch geschafft hätten.
Er war nun mal derjenige, der
hat. Dass es andere, potentiell bedeutende Persönlichkeiten gegeben haben mag, die bei einem Fehlen Cäsars ähnlich ins Rampenlicht der Geschichte getreten wären, sei dahingestellt. Denn die Geschichte kennt sie nicht und damit sind sie eben nicht bedeutend, im Sinne von "auf ewig unvergessen".
Man sieht an Cäsar, dass nicht nur große Taten einen zur bedeutenden Persönlichkeit machen, sondern auch ein gerüttelt Maß an populistischem Auftreten. Ordentliche Propaganda, und sei sie in eigener Sache.
Wir kennen Helmut Kohl als den Kanzler der Einheit. Aber wer kennt etwa den Chef das DDR-Luftsturmregiments "Willi Sänger", der sich mit seinen Männern geweigert hat, gewaltsam gegen die Demonstranten vorzugehen? Kein Schwein. Dabei war er für die Ereignisse bedeutender als Kohl, der bloß publikumswirksam in die Kamera winken musste, als alles vorbei war.
So sind viele Persönlichkeiten in der Geschichte zu "bedeutenden" Persönlichkeiten geworden - auf Kosten derer, die eigentlich die Ereignisse vorangebracht haben.
Cheops ist in meinen Augen schon auch eine bedeutende Persönlichkeit.
Aber nicht etwa, weil er sich eine dicke Pyramide bauen hat lassen. Denn selbst dass er die Idee dazu hatte, ist nicht beweisbar. Wieder eine Rückkopplung: Wir kennen in dem Zusammenhang mit der gleichnamigen Pyramide nur Herrn Cheops, also wird er ja wohl die Idee dazu gehabt haben. Und - bumms- wird das als Tatsache verkauft.
Wissen wir's?
Vielleicht saß er ja gelangweilt auf seinem Thron, spielte mit der Doppelkrone und war neidisch auf Papa, als ein namenloser Berater ihm vorschlug, man könne doch so ein Riesending in die Wüste stellen, viel größer als das von Cheops Senior (Snofru hieß der alte Herr).
Er hat die Pyramide weder geplant, noch organisiert, noch finanziert, noch gebaut. Er liegt ja noch nicht mal drin. Wir klammern uns an den letzten Strohhalm und erklären: "dann hatte er halt wenigstens die Idee dazu". Naheliegende These, aber nicht beweisbar, sorry.
Ob die Pyramide ohne ihn gebaut worden wäre, kann ich tatsächlich nicht mit einem klaren "ja" beantworten. Aber kann jemand sie im Gegenzug mit einem klaren "nein" beantworten? Jemand anderes hätte vielleicht etwas völlig anderes an einem anderen Ort gebaut und wir kämen gar nicht auf die Idee, eine Pyramide zu vermissen. Vielleicht hat gar der doofe Cheops weit größere Wunder weit bedeutenderer Persönlichkeiten verhindert, indem er alle Kapazitäten mit dem Bau der Pyramide belegt hat. Kann er ja, er ist ja der König.
Cheops ist für mich nicht wegen der ollen Pyramide eine bedeutende Persönlichkeit, sondern allein deswegen, weil ich außer ihm kaum einen seiner Zeitgenossen kenne. Weil
sein Name überliefert wurde, nicht der des namenlosen Beraters, der die tollen Ideen hatte. Weil er halt der König war - bestimmt kein schlechter - und die anderen schlauen Köpfe, von denen er garantiert eine Menge haben musste, bloß die Schergen. Aber ich weiß nicht, weshalb er bedeutend war. Seine Zeitgenossen haben ihn bedeutend gemacht, die werden schon ihre Gründe gehabt haben. Ich bin ihnen ausgeliefert, sie haben entscheiden, man müsse Cheops für alle Zeiten kennen, also tue ich das. Kann ja gar nicht anders. Meine Bücher, meine Lehrer, das Fernsehen, meine Diskussionspartner im Forum - alle erzählen mir, Cheops hat die Pyramide gebaut. Na gut, ist recht, ich glaub's. Deshalb ist der Herr bedeutend.
So wie Geld bekanntermaßen Geld nach sich zieht, zieht Ruhm auch Ruhm nach sich. Wir koppeln wieder...
Wonach zu bemessen ist,
wer eine historische Persönlichkeit ist, ist leicht. Denn diese Bemaßung haben uns andere abgenommen. Auch wenn wir hier zu dem Schluss kämen, Cheops wäre keine historische Persönlichkeit, ändert das was an der Tatsache, dass er nun mal eine ist?
Das Kriterium ist die Bekanntheit in der Geschichtsschreibung, so einfach ist das. Wir haben da nichts mehr zu entscheiden.
Richard Löwenherz ist bekannt als mutiger Gegner Saladins. Er ist bedeutend. Vielleicht hätte sein Pferdeknecht aber den ewigen Frieden zwischen Muslimen und Christen gestiftet, wenn man ihn mit Saladin hätte reden lassen? Wer weiß? Sinnlos, darüber nachzudenken, denn Richard war nun mal der Chef. Er
musste in dieser Situation eine historische Persönlichkeit werden, ob er nun den Kreuzzug mit einem totalen Sieg beendet oder gnadenlos verbockt hätte. Egal.
Deshalb ist für mich eine Diskussion um die Bemaßung, wer eine historische Persönlichkeit sei und wer nicht, müßig. Dass sich die Diskussion irgendwie entgegen dem Willen aller Beteiligten dahingehend entwickelt hat, ist interessant zu beobachten. Denn die ursprüngliche Frage war es, wie elysian ja auch angemerkt hat, nicht. Es ging darum, wer oder was den Lauf der Geschichte formt. Persönlichkeiten oder allgemeine Ursachen?
Und da bleibe ich dabei: Das eine kann ohne das andere nichts bewirken.
Gruß,
Panzerreiter