Wie die SA zu den braunen Hemden kam...

Arne

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...oder "urban legends of history".

Seit Jahren kursieren Gerüchte und Halbwahrheiten durch das Internet, die ich bisher auch geglaubt habe. Es geht darum, unter welchen Umständen die frühe SA zu ihren braunen Hemden kam.

Wer etwas googelt findet Aussagen, die auf folgende, nur teilweise wahre Geschichte hinauslaufen:

Der Freikorpsführer Gerhard Rossbach hatte bei der Verwertung der Materialbestände des Reichskolonialamtes eine Charge brauner Offiziershemden gekauft, die ursprünglich als Nachschub zur Schutztruppe Deutsch-Ostafrika gehen sollten, was aber nicht gelang. Nach dem Verlust der Kolonien und Auflösung der Schutztruppe waren die nutzlos, wurden also verkauft.
Dieser Rossbach war Mitstreiter Adolf Hitlers und flüchtete nach dem Hitler-Putsch nach Österreich. Bei einer Besprechung 1924 in Salzburg erklärte er sich bereit die Hemden zur Ausstattung der SA zu spenden - was auch geschah.


Soweit die Geschichte, wie sie immer wieder erzählt wird. Ich wollte genauer wissen, was der Herr Rossbach mit der Abwicklung der Bestände des Reichskolonialamtes zu tun hatte und besorgte mir seine Memoiren ( "Mein Weg durch die Zeit" Weilburg-Lahn, 1950).

Erstaunlicherweise findet sich in dem Büchlein ein eigenes Kapitel zu dem Thema: "Meine Beziehung zu den Braunhemden". Er berichtet dort von einem Gespräch mit Winifred Wagner in Bayreuth, wo Hitler als Reichskanzler anwesend war. Dazu ist zu bemerken, daß zu diesem Zeitpunkt Hitler und Rossbach längst zerstritten waren, weil Rossbach 1926 nicht in die NSDAP eintreten wollte, sondern sich in seiner Schill-Jugend engagieren wollte.
Frau Wagner sagte Rossbach, daß sie sich bei Hitler für eine Versöhnung mit Rossbach eingesetzt hätte, weil doch "vieles, was heute von ihm als gut und richtig angesehen werde, in Wirklichkeit von mir stamme und teilweise sogar gegen seinen Willen durchgesetzt worden sei, zum Beispiel das braune Hemd."

Rossbach machte sich nach dieser Eröffnung sofort auf die Abreise. Hätte Hitler ihn gesehen "hätte auch der heilige Gral keinen Schutz mehr bieten" können. Hintergrund ist nicht nur, daß Hitler zornig war, weil Frau Wagner ihm mehr oder weniger gesagt hatte, daß er Rossbachs Ideen übernommen hatte, sondern auch, daß da Sachen zur Sprache kamen, die gar nicht Rossbach´s "Verdienst" waren!

Denn Roßbach führt in seinem Memoiren weiter aus: "Zum Braunhemd möchte ich bemerken, daß das von mir eingeführte Lettow-Hemd weder in der Farbe noch im Schnitt dem späteren Hitlerhemd gleich war.
Im Jahre 1921 hatte ich mit einigen Leuten der Arbeitsgemeinschaft Rossbach eine Radfahrt nach Ostpreußen unternommen. Um für diese Fahrt einheitlich ausgerüstet zu sein, wurde ein Restposten ostafrikanischer Lettow-Hemden, wie sie zuletzt die Offiziere der Schutztruppe getragen hatten, käuflich erworben und an die Radfahrer verteilt. Diese Hemden waren beige-braun, also viel heller als die späteren Hitler-Hemden und mit weißen Perlmuttknöpfen besetzt. Später habe ich diese Hemden als Gemeinschaftskleidung in meiner Organisation und 1924 auch in der Salzburger Schill-Jugend eingeführt. Durch Edmund Heines wurden sie dann für die SA übernommen und auch vertrieben. Ihre Farbe wurde von Monat zu Monat dunkler. So bin ich zwar der Liquidator des Lettow-Hemdes, nicht aber der Erfinder des "Original"-Braunhemdes gewesen, wie später oft behauptet wurde.


Rossbach hat also nie die Hemden der früheren kaiserlichen Schutztruppe bei der SA eingeführt, sondern Edmund Heines. Aber dieses Gerücht besteht schon seit den 30er Jahren und hat sich bis heute gehalten, obwohl bereits 1950 eine Klarstellung dazu erfolgte. :autsch:

Manchmal muß man einfach Sachen anzweifeln, die im Internet x-fach verbreitet werden und sich Primärquellen ansehen. Aus hundertfach, jahrelang erzähltem Blödsinn wird nur eine scheinbare Wahrheit. :S


-->Heines, Edmund 21.7.1897 - 30.6.1934, SA-Obergruppenführer (1933); Offizier im 1.Weltkrieg, danach Freikorpstätigkeit (u.a. bei Rossbach), NSDAP und SA-Beitritt. Der hübsche H. gehörte bald zur Kamarilla um Röhm, wurde 1927 vorübergehend aus der Partei ausgeschlossen und 1929 wegen Beteiligung an einem Fememord verurteilt, aber bald amnestiert. Nach der Machtergreifung zum Plozeipräsidenten von Breslau ernannt, fiel H. , in Bad Wiesse verhaftet, Hitlers Säuberungen während der Röhm-Affäre zum Opfer.
Quelle: "Das Große Lexikon des Dritten Reiches" Zentner/Bedürftig Südwest-Verlag, München 1985.
 
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