Wie haben sich die Sachsen während der Völkerschlacht verhalten?

Darüber habe ich noch etwas nachgedacht.
Und sehe doch entscheidende Unterschiede.

Einmal in der Vorgeschichte: Preußen war die meiste Zeit bei den Gegnern Napoleons gewesen, und hatte sich ihm nur für wenige Jahre und widerwillig unterworfen. Da lag es nahe, bei erstbester Gelegenheit das Zwangsbündnis wieder zu verlassen.
Die Rheinbundstaaten dagegen waren durchaus freiwillig und mit Gewinn mit Frankreich verbündet, hatten teilweise auch dessen Reformen und Denkweise übernommen und an dessen Kriegen teilgenommen. Da war ein Frontwechsel schon ein recht deutlicher Schritt.

Zum Anderen die Situation des konkreten Wechsels: Yorck hatte Zeit, er konnte über die Bedingungen des Wechsels verhandeln, und als Ergebnis zog er sich lediglich aus den Kämpfen zurück.
Sachsen und Würtemberger dagegen wechselten mitten in der Schlacht die Fronten - da müssen sich Offiziere und Mannschaften schon sicher sein, daß alle mitziehen. Schließlich hatten sie gemeinsam das ganze Jahr schon mit den Franzosen gegen genau die Leute kämpft, zu denen sie jetzt übergingen.

Badener und Hessen haben in Leipzig bis zum Schluß für Napoleon gekämpft.
Umgekehrt waren schon bei Hagelberg sächsische Einheiten zu den Preußen übergelaufen.


Die Rheinbundstaaten haben auch eine durchaus differenzierende Geschichte. Der Zugewinn Württembergs bis 1805 war die Folge linksrheinischer Verluste, die man durchaus als gleichwertig ansehen kann.
Napoleon "besuchte" an der Spitze seiner Armee Kurfürst Friedrich in Ludwigsburg. Die angebotene Neutralität wischte Bonaparte vom Tisch, "wer nicht für mich ist, ist gegen mich", (stand früher in jedem württ. Lesebuch)Friedrich zierte sich noch ein paar Tage, aber nach der Schlacht bei Ulm blieb ihm nicht anderes mehr übrig. Seit 1796 hatten ständig 2 württ. Delegationen in Paris verhandelt, die eine vom Herzog, die andere von der "Landschaft" delegiert. Die Neutralität hat dem Land aber überhaupt nichts gebracht, es blieb die ganzen Koalitionskriege Aufmarsch- und Kriegsgebiet für beide Seiten.

Die Preußen die meiste Zeit bei den Gegnern? Waren die nicht seit 1799 oder schon vorher neutral?
Wobei die Preußen durchaus auch provitiert haben, ein Drittel Polens und dann mal kurz Hannover eingesackt, "halb zog er sie, halb sank sie hin"...

Aber klar, jeder Vergleich hinkt.
Bei York kann man heute noch spekulieren, wusste es der König? wusste er es nicht?
Bei Normann ist es klar, er wusste es nicht. Wobei die Erbitterung über den Angriffsbefehl auf die Lützower durchaus mitgespielt hat.
Die Mannschaften waren z.T. über die Art und Weise des Übergangs empört, während die Offiziere und Unteroffiziere wohl allesamt eingeweiht waren.
 
1. Die Preußen die meiste Zeit bei den Gegnern? Waren die nicht seit 1799 oder schon vorher neutral?
Wobei die Preußen durchaus auch provitiert haben, ein Drittel Polens und dann mal kurz Hannover eingesackt, "halb zog er sie, halb sank sie hin"...



2. Aber klar, jeder Vergleich hinkt.
Bei York kann man heute noch spekulieren, wusste es der König? wusste er es nicht?
Bei Normann ist es klar, er wusste es nicht. Wobei die Erbitterung über den Angriffsbefehl auf die Lützower durchaus mitgespielt hat.
Die Mannschaften waren z.T. über die Art und Weise des Übergangs empört, während die Offiziere und Unteroffiziere wohl allesamt eingeweiht waren.
1. 1795 gab es den Frieden von Basel, dem selbst einer der Hauptinitiatoren der Deklaration von Pillnitz (1791) zugestimmt hatte, nämlich Friedrich Wilhelm II.. Gut als eine Ursache für das Einlenken wird der Wunsch Preußens angesehen, die Truppen für die Besetzung der Teile Restpolens frei zu bekommen. Die Österreicher, obwohl sie diesmal wieder mit von der Partie waren, hatten aber dennoch nicht in einen Frieden gewilligt, also so ganz stichhaltig ist dieses Argument nicht.
1805/06 kam es zu verschiedenen Manövern zwischen Frankreich und Preußen, wobei wohl das wunderlichste die Verträge über den Anfall Hannovers, besser gesagt des Kurfüstentums Braunschweig-Lüneburg, an Preußen waren. Minister Haugwitz hatte die Verträge ausgemacht, welche darauf hinausliefen, dass Preußen die wichtige Festung Wesel am Rhein aufgab und die dortige Garnison nach Hamm wechselte. (War mal Gegenstand einer Ausstellung in Wesel.) Für Murat wurde damit ein ansehnliches Großherzogtum gebastelt.

2. Damit kann ich nicht soviel anfangen. Welcher Angriffsbefehl auf die Lützower? Im Februar 1813 bildete sich dieses Freikorps ja und bestand vor allem aus Untertanen von einigen Rheinbundstaaten, wohl auch aus Sachsen.
 
1.
2. Damit kann ich nicht soviel anfangen. Welcher Angriffsbefehl auf die Lützower? Im Februar 1813 bildete sich dieses Freikorps ja und bestand vor allem aus Untertanen von einigen Rheinbundstaaten, wohl auch aus Sachsen.


Sehr verkürzt: (Darüber gibt es ein paar kg Literatur, allerdings allesamt aus dem 19. Jahrhundert)
Während des Waffenstillstands, der wohl unterschiedlich interpretiert wurde, wurde ein Teil des Freikorps am 17. Juni 1813 von württembergischer Kavallerie auf französischen Befehl hin angegriffen und so ziemlich vernichtet. Die Württemberger, insbesondere die Offziere, haben dies als Beschmutzung ihrer Ehre angesehen. Als sie die Gelegenheit zur Rache sahen, haben sie sie genutzt.

OT: ab 1807 gab es erstmals in größerer Zahl einheimische Offiziere bei den württ. Truppen. Zuvor waren es überwiegend geborene Preußen und Mecklenburger gewesen, die 1806 dann zum großen Teil den Dienst quittierten. Damit die Armee nicht zusammenbrach, erhielten sehr viele Unteroffiziere die Chance Offizier zu werden.
 
Sehr verkürzt: (Darüber gibt es ein paar kg Literatur, allerdings allesamt aus dem 19. Jahrhundert)
Während des Waffenstillstands, der wohl unterschiedlich interpretiert wurde, wurde ein Teil des Freikorps am 17. Juni 1813 von württembergischer Kavallerie auf französischen Befehl hin angegriffen und so ziemlich vernichtet. Die Württemberger, insbesondere die Offziere, haben dies als Beschmutzung ihrer Ehre angesehen. Als sie die Gelegenheit zur Rache sahen, haben sie sie genutzt.
Das Scharmützel von Kitzen ist mir ein Begriff und ich habe auch schon in Literatur zu den Lützowern, war in der DDR ja ein beliebtes Thema, dazu ein bisschen gelesen. Der Chef von der Bagage ist ja auch schließlich entkommen. So ganz genau wird sich die Schuld der Lützower od. vielmehr des Majors von Lützow nicht klären lassen, wenngleich recht präzise der Marschweg des Freikorps nachvollziehbar ist.

Die Einstellung der sächsischen Soldaten selbst dürfte nicht ganz unerheblich bei der Bewertung der Ereignisse sein. Bei Großbeeren bspw. hatten die Sachsen einen Hauptteil der Kämpfe zu tragen. Zu Hagelberg bin ich momentan nicht ganz im Bilde, aber ich glaube, dass das Zwischenkorps Girard grundsätzlich überfordert war, den Abschnitt zwischen Oudinots Berlinarmee und den Truppen vom erfahrenen Davout rund um Hamburg zu halten. Die Lage der Truppen Girards war wohl katastrophal und das Überlaufen eher ein Zeichen von gesundem Menschenverstand, zumal ich eher den Eindruck bisweilen einer Überrumpelung als eines richtigen Gefechts im Falle von Hagelberg habe.
 
Die Rheinbundstaaten haben auch eine durchaus differenzierende Geschichte.
Sicher. Und dennoch waren sie halt über eine durchaus ansehnliche Zeit mit Frankreich verbündet, und haben in vielen Schlachten Seite an Seite mit den Franzosen gekämpft.
Es ist normalerweise dann nicht so leicht, auf eben diese Leute plötzlich zu schießen.

Preußen fühlte sich dagegen trotz aller diplomatischen Wackeleien nie wirklich als Verbündeter der Franzosen, die Beteiligung am Rußlandfeldzug blieb eine Episode und sie verhielten sich auch dabei recht distanziert.

Der Zugewinn Württembergs bis 1805 war die Folge linksrheinischer Verluste, die man durchaus als gleichwertig ansehen kann.
Wirklich?
Ich weiß jetzt nicht, wieviel Mömpelgard an Einwohnern und Steuerkraft zu bieten hatte - mir scheinen aber doch die Erwerbungen in Oberschwaben deutlich interessanter.

Aber klar, jeder Vergleich hinkt.
Aber ein interessanter Vergleich wie hier regt zum Nachdenken an, das zählt ;-)

Wobei die Erbitterung über den Angriffsbefehl auf die Lützower durchaus mitgespielt hat.
Das habe ich nicht so ganz begriffen (auch nicht in Deinem zweiten Beitrag dazu).
Wenn denn nun die Würtemberger generell bereit sind, für die Franzosen und gegen deren Feinde zu kämpfen - wieso soll dann ausgerechnet ein Angriff auf die Lützower ehrenrührig sein?

Die Mannschaften waren z.T. über die Art und Weise des Übergangs empört
Das würde mich näher interessieren.
Grundsätzlich würde man ja eher annehmen, daß eher die Offiziere mit Formalia "Art und Weise" Wesens treiben würden.
Was genau hat die Mannschaften hier gestört?
Oder wollten sie grundsätzlich weiter für Napoleon kämpfen?
 
Das habe ich nicht so ganz begriffen (auch nicht in Deinem zweiten Beitrag dazu).
Wenn denn nun die Würtemberger generell bereit sind, für die Franzosen und gegen deren Feinde zu kämpfen - wieso soll dann ausgerechnet ein Angriff auf die Lützower ehrenrührig sein?

Die Lützower befanden sich während des Waffenstillstandes auf der geographisch falschen Seite, einer Linie welche die Gebiete trennte, wo sich vertraglich abgemacht die Parteien aufhalten durften. Gewissermaßen war die Problematik für ein Freikorps, dessen Aufgabe es war, hinter den Linien und gegen die Nachschübe eines Feindes zu opperieren, ganz logisch. Es wurde lange darüber spekuliert, ob der Marsch der Lützower durch die Gebiete des Gegners ein Fehler war od. ob sie nicht auch, was von der Wegstrecke kürzer gewesen wäre, ins neutrale Österreich (Böhmen) hätten wechseln können. Auf dem Marsch jedenfalls versuchte sich Adolph von Lützow eines Nichtangriffes der Rheinbund- und französischen Truppen zu versichern, setzte sich also diesbezüglich durchaus mit der Gegenseite in Verbindung, welche somit die scheinbar arglosen, da auf den Erfolg der versuchten Abmachungen hoffenden, Truppen des Freikorps angriffen. Mancher spricht von einem Überfall auf die Lützower, mancher von einem gewöhnlichen Scharmützel, eine gewisse Hinterlist auf der Seite der Angreifer, also der Württemberger, wird gemunkelt. Summa die Meinungen sind geteilt und eigentlich ist die Sache auch hier ein bisschen OT.
 
Es war nicht "nur" Mömpelgard, auch Gebiete im Elsaß, Riquewihr DER Fremdenverkehrsort des Elsaß z. b. war württ..

Der Angriff auf die Lützower geschah während des Waffenstillstands, und war ein klarer Bruch desselben. Ich kann mich im Moment nicht an den franz. Standpunkt dazu erinnern, den es natürlich auch gab. Die Württemberger jedenfalls empfanden dies als Bruch des Waffenstillstands.

Auch die Zeit, wenn ich das richtig sehe, haben die württ. bis 1799 gegen Frankreich "gekriegt" die Preußen bloß bis 1795, wäre vier Jahre mehr, die Preußen seit 1795 neutral, dann die Württ. 1805 bis Herbst 1813 mit den Franz. die Preußen 1807 bis Ende 1812, also so unterschiedliche Zeiträume sind da nicht zu entdecken.

Aber das wird mir jetzt etwas zu umfangreich, wenn gewünscht heute Abend mehr.
 
scheinbar arglosen, da auf den Erfolg der versuchten Abmachungen hoffenden, Truppen des Freikorps angriffen. Mancher spricht von einem Überfall auf die Lützower, mancher von einem gewöhnlichen Scharmützel, eine gewisse Hinterlist auf der Seite der Angreifer, also der Württemberger, wird gemunkelt. Summa die Meinungen sind geteilt und eigentlich ist die Sache auch hier ein bisschen OT.

Dann eben doch.
Die Württemberger hatten unter anderem wohl Zusagen gegeben, die Franzosen (Ney?) zwangen sie, diese zu brechen.
Es wurde noch ein württ. Offizier zu den Lützowern geschickt um sie zu warnen, was diese aber anscheinend nicht/nicht rechtzeitig zur Kenntnis nahmen. Evt. war die Befehlskette zu lang?

Aber, wie gesagt, ich kann bei Bedarf gerne einiges heraussuchen.
 
Aber das wird mir jetzt etwas zu umfangreich, wenn gewünscht heute Abend mehr.
Nicht schlimm, das läuft ohnehin in das OT, hier soll es primär um die Sachsen und ihre Motivation zum Überlaufen gehen. Manchmal grüble ich eh, im Sinne des Reiches war der Krieg doch 1792 logisch. Ein Reichsstand wurde angegriffen, damit war der Fall des Eingreifens der Reichstruppen, also der Aufbietung der Truppen aller Reichskreise gegeben. Die Speratfrieden von Basel etc. waren mehr als fragwürdig.:fs:
 
Riquewihr DER Fremdenverkehrsort des Elsaß z. b. war württ..
Wir sind uns aber wohl einig, daß die damaligen Tourismus-Einnahmen marginal waren ;-)

Der Angriff auf die Lützower geschah während des Waffenstillstands
Verstehe.
Danke auch an Brissotin für seine Erläuterungen dazu.

Kannst Du noch etwas dazu sagen, wie das beim Überlaufen mit der unterschiedlichen Motivation von Mannschaften und Offizieren war?

also so unterschiedliche Zeiträume sind da nicht zu entdecken.
Alleine an den Jahren kann man das aber nicht festmachen, das war doch eine ganz andere Qualität der Zusammenarbeit!
Die Würtemberger waren Verbündete, die von Napoleon profitiert haben (ok, abzüglich Mömpelgard und Reichenweiher), die nach dem Vorbild Frankreichs ihren Staat und teilweise ihre Gesellschaft reformiert haben, und die auch wirklich in verschiedenen Kriegen und Schlachten an der Seite der Franzosen kämpften.
Schon 1803 im dritten Koalitionskrieg, 1806 gegen Preußen und Russen, dann 1809 gegen Österreich, 1812 in Rußland.
Und eben auch konkret die Truppen in Leipzig, die wohl schon die ganze Kampagne 1813 mit den Franzosen und gegen die Preußen Kampferlebnisse hatten (bei den Sachsen war das jedenfalls so, die übrigen Rheinbundstaaten sind oft nicht detailliert aufgeführt).

Die Preußen dagegen waren erst Gegner Frankreichs, dann neutral, dann wieder Gegner und wurden 1806 vernichtend geschlagen, gedemütigt und heftigst reduziert - da gab es nie eine Basis für irgendein Gefühl der Verbundenheit.
Und der m. W. einzige "gemeinsame" Kampf war der Rußland-Feldzug, wo sie aber von der eigentlichen "Grande Armee" die Ostsee entlang marschierten um dann schon bald wieder neutral zu werden.


Insofern haben die Preußen eben nur die kurzzeitig aufgezwungene Dienstverpflichtung abgeschüttelt - die Würtemberger mußten sich wirklich mit ihren Loyalitäten völlig neu orientieren.
 
Die Speratfrieden von Basel etc. waren mehr als fragwürdig.:fs:
Absolut.
Für das Reich und alle reichstreuen Stände war die Weiterführung des Krieges selbstverständlich.

Aber Preußen kann man wohl seit Friedrich dem Großen nur noch eingeschränkt als reichstreu bezeichnen und fühlte sich noch mehr als andere Reichsstände (z. B. Bayern) als eigenständige europäische Macht.

Und für den Baseler Seperatfrieden galt wohl recht deutlich der Spruch von Talleyrand: "Das ist schlimmer als ein Verbrechen, es ist ein Fehler".
 
Nun habe ich doch noch im Bücherschrank bei den Büchern meines Großvaters eines gefunden, was hier ein bißchen paßt.

Es sind die Memoiren des deutschen Offiziers J.K.Friedrich in französischen Diensten, erschienen etwa 1840.
Er beschreibt, wie er in Napoleons Armee in Italien, Spanien und Illyrien eingesetzt wird, wie die Kriegsführung gerade im Guerillakrieg lief, sehr interessante Einblicke auch in die politischen Verhältnisse dieser Länder.

Und er beschreibt auch einige nette Begegnungen mit den Schönen seiner Garnisonsorte.
Deswegen hat ein pfiffiger Verleger den wenig verkaufsfördernden Originaltitel "Vierzig Jahre aus dem Leben eines Toten" geändert in "Der deutsche Casanova" und in den 1920er Jahren eine Neuauflage herausgebracht.

Der hier interessierende Aspekt ist, daß der Autor in seiner Heimatstadt Frankfurt als französischer Offizier ein geachteter Mann ist, und alle finden das Empire und den Kaiser und die Verhältnisse im Rheinbund ganz in Ordnung.

In den entscheidenden Jahren 1812/1813 ist er aber in Illyrien fast abgeschnitten von der Kommunikation mit Deutschland.

Und muß dann nach seiner Rückkehr voll Überraschung feststellen, wie sehr sich die Stimmung geändert hat.

"Es war der erste Jahrestag der Schlacht von Leipzig, als ich in den Nachmittagsstunden in meiner Vaterstadt eintraf, wo es fast schien, als wäre die ganze Stadt von der Tarantel gestochen. Auf den Straßen, Plätzen und aus vielen Häusern wurde fortwährend geschossen, sogar Frauen und Mädchen drückten Pistolen ab, man schimpfte und verwünschte auf gut frankfurtisch die Franzosen, denn die guten Frankfurter waren sämtlich gewaltige Franzosenfresser geworden, sobald jene weg waren. Auf dem Römerberg und dem Roßmarkt waren Altäre errichtet, an denen die liebe Schuljugend Dank- und Lobgesänge für die glückliche Befreiung von der Regierung des Fürsten Primas plärrte."

"Das Unangenehmste bei diesen ... Einladungen war, daß ich die ewigen Schimpfereien auf die Franzosen und den menschenfreundlichen Fürsten Primas wiederkäuen hören mußte."

"Man suchte damals auch in Frankfurt seinen Patriotismus und Franzosenhaß durch altdeutsche Tracht der Welt kundzutun."

"Am besten standen sich die Wirte dabei, bei denen jetzt gar mancher Schoppen auf das Wohl des Vaterlandes und pereat den Franzosen mehr geleert wurden. Die altdeutschen Kleider, Röcke, Barette, silbernen Hosenketten waren die Abzeichen des neuen Germanentums."

Des weiteren beschreibt er, daß seine Familie ihm sehr davon abrät, in seiner französischen Uniform (er stand jetzt im königlichen Dienst) durch Frankfurt zu reden - und daß die Preußen das alles viel zurückhaltender sehen würden, obwohl "denen doch fast allein Deutschland seine Befreiung von fremden Joch zu verdanken hatte, die gleich Helden und Löwen gestritten und unsägliche Opfer gebracht hatten, und denen das französische Raubgesindel am ärgsten mitspielte."

Man merkt an der letzten Formulierung, wie der immer noch französische Offizier schon langsam die Sichtweise ändert.

Denn:
"Doch wurde ich im Innern erbittert, als ich nach und nach die Unbilden erfuhr, die sich die Franzosen in Deutschland und namentlich in Preußen, aller Rechtlichkeit und Menschenwürde Hohn sprechend, erlaubt hatten."

Das muß damals schon in relativ kurzer Zeit ein gewaltiger Meinungsumschwung in Deutschland gewesen sein - und das führt dann wieder zurück zu unserem Thema.
 
Bezüglich der Sachsen geht es ja vor allem um die Division Zeschau, welche überlief. Sie sollte auf Reynier warten und stand bei Paunsdorf. Dazu muss erwähnt werden, dass vom ganzen Korps von Reynier nur noch diese Division und die Division Durutte übrig waren. Den Marsch nach Torgau, der Planung blieb und wegen Feindnähe aufgegeben wurde, kann man auch unter dem Aspekt betrachten, dass Napoleon selbst am 18. Oktober kaum noch mit einem Sieg rechnen konnte, da sowohl im Süden, wo sich die Massen der Gegner durch Frontverkürzung der "Franzosen" uneffektiv zusammen drängten, als auch auf allen anderen Positionen die Verbündeten weitaus überlegen waren. Scheinbar hatte Reynier nicht damit gerechnet, dass die Teile der Nordarmee und weitere Verstärkunge, die über den 17. Oktober eintrafen, die Einkesselung der "Franzosen" vollständig machen würden, dass eigentlich wirklich nur noch das Entweichen über die westlichen Elsterübergänge blieben.

Zuerst lief die leichte Kavalleriebrigade der Sachsen über, welche ohne gezogenen Säbel auf die Kosaken zuritten, es folgte das Bataillon Sahr, welche gemeinsam vorsichtshalber eigentlich nur den Auftrag erhalten hatten, von der Parthe aus den Gegner zu überwachen. Schon im Vorhinein war wohl die Stimmung bei der leichten Reiterei der Sachsen klar und man wollte auch dort, dass die Infanterie ebenso überliefe, aber Zeschau selbst, wollte nichts davon wissen, so gingen, wie gesagt, die Kavalleristen "selbstständig" über.
Gegen 13 Uhr wusste Zeschau vom Überlaufen der leichten Kavallerie und beobachtete auch bei seinen Mannschaften Unruhe, gegen 14 Uhr kam die abschlägige Antwort des Königs auf die Anfrage Zeschaus an, welcher wissen wollte, ob man übergehen dürfe.

"General Ryssel war gewillt, mit seiner Infanterie überzugehen und Raabe mit seiner Artillerie dann auch. Gegen 15 Uhr wurde die Lage dann akut und zur Tat geschritten. Die Gegner waren vom Übergang informiert, aber eine ziemliche Entfernung zurück zu legen, bis man in Sicherheit war. Die sächsische Artillerie ging in Sektionskolonne gegen den Feind, was die dabei stehenden Franzosen für ein bravouröses Vorgehen hielten und mit einem "Vive l'Empereur!" bedachten.
Die Infanterie folgte in Kolonnen. Ihre französischen Kameraden werden vom Übergang der anderen am Morgen wahrscheinlich noch nichts gewusst haben, und so waren sie nicht wenig erstaunt und empört, als ihnen klar wurde, was hier wirklich vorging. Zeschau selbst sah das ganze auch und ging von einer Fehlinterpretation der von ihm erteilten Befehle aus. Er ritt dorthin und traf Ryssel, von dem er erfuhr, dass man nun überging. Er enthob ihn des Befehls und versuchte die Truppen noch aufzuhalten. Reynier, von Zeschau über die Lage informiert, versuchte auch die Sachsen aufzuhalten, bekam aber nicht einmal eine Antwort auf seine Frage, was denn vorgehe. Die kurz inne haltenden Sachsen der 2. Brigade erhielten jetzt noch einige Verluste durch englische Raketen und Artillerie."

Derweil war das Bataillon Prinz Friedrich bei Paunsdorf in einem Kampfgetümmel und Rückzugsgewühl gefangen genommen worden und somit von dem formellen Übergehen erleichtert worden. Reynier konnte bloß 593 Sachsen bei sich halten, während 3.000 überliefen.

Quelle:
Hans Pohle: "Oktober 1813 - Die Völkerschlacht bei Leipzig" - Verlag editions d'histoire Hans Pohle - Leipzig - 2003
(Übrigens mit recht vielen Augenzeugenberichten und Fotos von Originalausrüstungsstücken aus Paris, Leipzig, Kaub und Rastatt.)
 
Insofern haben die Preußen eben nur die kurzzeitig aufgezwungene Dienstverpflichtung abgeschüttelt - die Würtemberger mußten sich wirklich mit ihren Loyalitäten völlig neu orientieren.

Es handelt sich wie gesagt um das Jahr 1806, zeitlich um sonst nichts.
Napoleon hatte ein paar Bajonette dabei, als er Friedrich in Ludwigsburg zum bündniss nötigte.

Die Loyalitäten, ich habe es schon weiter oben anklingen lassen, der Württemberger, nicht des Königs!, waren überwiegend nicht auf Seiten der Franzosen.
Als Uraltdemokrraten brauchten sie auch kein Plazet ihres Königs, (wie die Preussen) als sie die Seiten wechselten. Württemberg hatte seit der frühen Neuzeit eine ständische Verfassung, die Landschaft (die "Volksvertretung") war überaus selbstbewußt, als Abkömmlinge dieser Familien ins württ. Heer eintraten, war es vorbei mit Kadavergehorsam. Die haben ihren Verstand nicht in der Bekleidungskammer abgegeben.

Ich will da jetzt nicht weiter drauf eingehen, wäre zu OT
 
Beim Fall des Übergehens der Kavallerie unter General von Normann bei Leipzig sollte man nicht vergessen, wir sprechen hier von ganzen 550 Mann, also keine große Truppe und auch das ganze Manöver erscheint mir mehr als gewagt.

Wie schon der Beschuss durch die englischen Raketen andeutet, ein Übergehen während einer Schlacht (!) ist nicht von Pappe, da Feuer von vorn und von hinten zu befürchten ist, v.a. da die Nachrichtenübermittlung bis nach vorn zum einfachen Mann des künftigen "Freundes" nicht unbedingt reibungslos ablaufen muss.
 
Beim Fall des Übergehens der Kavallerie unter General von Normann bei Leipzig sollte man nicht vergessen, wir sprechen hier von ganzen 550 Mann, also keine große Truppe und auch das ganze Manöver erscheint mir mehr als gewagt.
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Ich habe die Normann/Lützow Affaire nochmals nachgelesen. Die Lützower haben anscheinend abwechselnd mit 2 Abteilungen Württemberger verhandelt, ohne dies zu schnallen. Einmal mit dem General Normann und zum zweiten mit einer kleineren Streifschar eines anderen Regiments unter Hauptmann Kechler. Normann fühlte sich schließlich, da die Lützower ganz andere, wie die vereinbarten Bewegungen ausführten, (die widerum mit Kechler vereinbart waren) hinters Licht geführt, ließ den Lützowern den bevorstehenden Beginn der Feindseligkeiten verkünden, und griff dann tatsächlich an. Die Warnung Normanns ist bei den Lützowern anscheinend "auf dem Dienstweg" hängen geblieben, hat Lützow nicht erreicht.
Zu beachten ist noch, dass die Lützower deutlich stärker waren als Normanns Truppe, und die ganzen Verhandlungen in der Abenddämmerung stattfanden.

Die württ. Generale hatten von König Friedrich umfangreiche Verhaltensregeln mitbekommen, Verhandlungen mit den Preußen und Russen waren definitiv untersagt. Sollte der Feldzug unglücklich verlaufen, hatten sie sich, wenn möglich, auf die württ. Grenze zurückzuziehen, auf keinen Fall den Rhein zu überschreiten. sollte der Rheinübergang unumgänglich sein, hatten sie sich "linksrheinisch" sofort den Franzosen gegenüber als kriegsgefangen zu bezeichnen, und keine weiteren kriegshandlungen mehr durchzuführen.

Von daher ist die Reaktion König Friedrichs zu verstehen. War ja auch schon etliche Monate nach Tauroggen.
 
Von daher ist die Reaktion König Friedrichs zu verstehen. War ja auch schon etliche Monate nach Tauroggen.
Du meinst das Übergehen bei Leipzig?

Dabei darf man natürlich nicht vernachlässigen, dass die Sachsen übergingen, als der Abzug der Franzosen am 18. Oktober nach Westen immer deutlicher wurde, wenngleich über den tatsächlichen Weg wohl Unklarheit existierte, machte Napoleon erhebliche Anstrengungen den Rückzug frei zu halten, welche Gyulai aus unerfindlichen Gründen nicht wirklich störte. Bei den Sachsen war also die Lage eine völlig andere als bei den Württembergern, solange die Franzosen nicht linksrheinisch waren, war von denen gegen Württemberg noch eine ernsthafte Aktion zu erwarten. Daher ist die Einstellung des Königs von Württemberg verständlich.
 
Du meinst das Übergehen bei Leipzig?

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Die Befehle erhielten die Generale als die neu aufgestellten württ. Truppen zur Armee Napoleons abrückten.
Kommandeur der württ. Division war General v. Fraquemont, als illegitimer Sohn Herzog Carl Eugens ein Vetter des Königs. Er war als Leutnant beim Kapregiment, einer der ca. 100 Überlebenden.
 
Du meinst, einer der Überlebenden des Russlandfeldzuges?
Das ist allerdings eine stattliche Leistung.

Ja, den hat er auch überlebt. Die Offziersverluste in Russland waren 1812 eh viel geringer als die der Mannschaften. Ich glaube so Faktor 100.

Er hat das Kapregiment überlebt. Als sein erlauchter Papa meinte den Holländern Soldaten verkaufen zu müssen, und sich dabei auch noch ganz böse uber den Tisch ziehen ließ. Irgendwo so zwischen 50 und 100 haben Europa wiedergesehen.
 
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