Wie hätte die Auslegung des NT durch Luther im frühen Mittelalter gewirkt?

nun, die Auslegung wie Luther ist ja mit dem "Heliand" sehr grob versucht worden, nur fehlten eben Leser und vorallem Druckerpressen
 
Hätte es viele Skandale nicht gegeben?
Skandale entstehen in erster Linie nicht durch Auslegungsfragen, sondern durch menschliche Schwächen. Wer sein kirchliches Amt nutzen will, um sich und seine Verwandtschaft zu bereichern oder beinharte weltliche Machtpolitik zu betreiben, kann das, egal ob er Katholik oder Lutheraner ist.

Wäre mehr wissen frei zugänglich gewesen?
Wie Wilfried schon gesagt hat, wäre das vor allem an praktischen Details gescheitert. Die meisten Menschen, die im Mittelalter in Deutschland lesen konnten, konnten vermutlich auch leidlich Latein, zumindest genug, um die sehr simpel geschriebene Vulgata einigermaßen lesen zu können. Aber solange Bücher handschriftlich vervielfältigt werden mussten und Pergament teuer war, waren Bücher Mangelware und kostspielig. Die Masse der Menschen wäre also trotzdem darauf angewiesen geblieben, dass ihnen die Inhalte der Bibel von Geistlichen mitgeteilt werden.

Im Übrigen ist es ein Irrtum, dass es vor Luther keine deutschsprachigen Bibelübersetzungen gegeben habe. Von freien Bearbeitungen der Evangelien wie dem Heliand einmal abgesehen gab es auch schon früh deutschsprachige Übersetzungen. Erhalten ist z. B. ein althochdeutsches Matthäusevangelium aus dem 9. Jhdt. Aber ohne Druckerpresse war die Verbreitung dieser Übersetzungen begrenzt.
 
naja, es ist an praktischen Details gescheitert, denn das Wissen um die Evangelien und auch die Gedanken dazu war ja allen im Prinzip zugänglich. Man mußte weder Priester noch Mönch sein. Meines Wissens nach wurde Lesen sogar anhand der Bibel geschult. Allerdings in Klosterschulen, wodurch dann Interessierte eben Mönche wurden, denn nur die hatten ja die Zeit und den örtlichen Zugang zu den Büchern. Es gab ja keine "öffentlichen Bibliotheken", in denen man sich die Handschriften ausleihen und mit nach Hause nehmen konnte. Und der Buchhandel war auch wohl sehr beschränkt.

Der "Heliand" zeigt aber, das es des Lesens Kundige sächsische Adlige gegeben haben muß (oder welche mit Vorleser) und auch, das es wohl noch mehr "weltliche Literatur" gegeben hat. Sonst hätte sich das Lesen lernen ja nicht gelohnt.

Aber es war nun mal defacto eine Kunst höchstprivilegierter, kostete es doch 3 sehr seltene Dinge, Zeit, Geld und Licht. Mit nem Herdfeuer als Lichtquelle ist schlecht lesen, selbst wenn man ein Buch und die Zeit hat.

Von daher war das Wissen zwar frei zugänglich, nur es fehlten den allermeisten die Mittel zur Reise (um mal im Bild des Zugangs zu bleiben)
 
Hätte es viele Skandale nicht gegeben?
Wäre mehr wissen frei zugänglich gewesen?

Nun, ich denke, dass viele Skandale wirklich nicht aufgekommen wären - allerdings aus anderen Gründen:

- Zum Einen sind viele Punkte, die Luther kritisierte, Lehren des späten Mittelalters gewesen (Verbot des Laienkelchs, Fronleichnamsprozession, Marienverehrung, Zölibat, Ablasshandel). Er hätte darüber deutlich weniger zu sagen gehabt als im 16. Jahrhundert.
- Zum Zweiten stand das Papsttum im frühen Mittelalter auf einer anderen Basis, war doch noch eher glaubensorientiert als die Borgias oder die Avignonesen.
- Zum Dritten war der größte Teil seiner NT-Auslegung und seiner Lehren identisch mit der Lehre der Kirchenväter.
 
Nun ,Skandale gab es auch schon im frühen Mittelalter-lest Euch nur mal die Papstgeschichte durch, da findet sich genug,angefangen vom Kampf zwischen Damasus und Ursinus im 4Jahrhundert über Benedikt V im 1o Jhdt. und die Kadaversynode Stephans VII , die vatikanische Pornokratie der Marozia und ihren Sohn Johannes XII ,dem Kindpapst BenediktIX bis zum Amtskauf Gregors VI im 11.Jhdt.

Die Frage ist eher, ob Luther im Frühmittelalter die gleiche Wirkung gehabt hätte.
Und da wurde ja bereits die Erfindung des Buchdrucks als wesentliche Voraussetzung der Reformation genannt.
Dem will ich allerdings doch etwas widersprechen.
Auch vor der Erfindung des Buchdrucks gab es Bewegungen die konträr zur Amtskirche waren und sich flächendeckend ausbreiteten und durchaus Erfolge hatten- z.B. die Katharer, Paulikaner ,Waldenser. um nur mal die spektakulärsten antirömischen Bewegungen im Mittelalter zu nennen.
Insofern hätte Luther m.E. auch im Früh- und Hochmittelalter Erfolg haben können, wenn er sich z.B. mit der kaiserlichen Partei gegen Rom verbündet hätte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Warum hätte sich die kaiserliche Partei mit Luther gegen den Papst verbünden sollen? Karl V. hatte auch viel Ärger mit dem Papst, trotzdem verbündete er sich nicht mit Luther.

Die kaiserliche Partei in den Auseinandersetzungen des Mittelalters bekämpfte nur die jeweiligen Amtsinhaber des Stuhls Petri und deren Anhänger, stellte aber nicht das Papsttum an sich infrage. Stattdessen versuchte sie normalerweise, den Papst willfährig zu machen bzw. einen genehmen eigenen Papst einzusetzen. Die Abschaffung des Papsttums hingegen hätte an den Grundfesten des Kaisertums gekratzt, da der Kaiser die Krönung durch den Papst für seine Legitimation brauchte. Überlegungen, auch ohne Papst Kaiser werden zu können, gewannen erst im 14. Jhdt. an Raum. Davor hätte ein deutscher Herrscher, der den Papst abschaffte bzw. ihm die Anerkennung verweigerte, sich seinen eigenen Ast abgesägt.
Mit Ausnahme der Katharer, die auch von regionalen Machthabern unterstützt wurden, waren die häretischen Bewegungen des Mittelalters fast immer auf das einfache Volk und maximal noch den niederen Adel beschränkt.

Ich glaube auch nicht, dass man den Lutheranismus mit den häretischen Bewegungen des Mittelalters vergleichen kann. Diese verdankten ihren zeitweisen Erfolg oft nicht nur abweichenden theologischen Interpretationen und Kritik an Eigenheiten der katholischen Kirche, sondern verfolgten oft auch ein mehr oder minder ausgeprägtes sozialrevolutionäres Programm, das die Massen ansprechen konnte. Das fehlte Luther aber, der das Bündnis mit den Machthabern suchte und sich dezidiert gegen die aufständischen Bauern stellte. Andererseits waren die Erfolge von Luthers Bewegung auch darauf zurückzuführen, dass er von verschiedenen Landesfürsten geduldet oder sogar begünstigt wurde, weil seine Forderungen auch für sie Vorteile boten. Das war bei den meisten früheren häretischen Bewegungen nicht der Fall, die waren eher eine Bedrohung für die Obrigkeit gewesen.

Natürlich hätte Luther auch im Mittelalter versuchen können, deutsche Fürsten für sich zu gewinnen, allerdings stellt sich die Frage, ob er in den Zeiten, in denen der Streit zwischen kaiserlicher und päpstlicher Partei tobte, eine genügend große "Marktlücke" gefunden hätte. Ohne sozialrevolutionäres Programm und ohne Buchdruck hätte er es schwer gehabt, seine Ideen ausreichend publik zu machen, und wäre wohl eher als sonderbarer Einzelgänger ignoriert worden.
 
nun ja,die Reformation war ja anfänglich durchaus eine Volksbewegung mit einem gewissen sozialrevolutionären Anspruch. Nicht umsonst beriefen sich die Bauern auf Luther.,der erst daraufhin die Kehrtwende vollzog.
Die kaiserliche Partei , jedenfalls Salier und Staufer hätten durchaus Gründe gehabt ,sich diese Bewegung zu nutze zu machen und sich mit der Reformation zu verbünden,schon alleine um das Papsttum zu schwächen.Eine solche Schwächung oder Relativierung der Stellung des Papstes hätte den Kirchenbann obsolet werden lassen und die geistlichen Würdenträger innerhalb des Reichskirchensystems enger an das Kaisertum gebunden.Und Überlegungen, ein vom Papst unabhängiges Kaisertum schaffen zu können hätten m.E mit der lutherischen Dogmatik wesentlich früher Früchte getragen.
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Wenn die Salier und Staufer das Papsttum stürzen wollen hätten, hätten sie dafür keinen Luther gebraucht. Ein paar Theologen, die ihnen die Rechtfertigung dafür liefern, hätten sie schon aufgetrieben, vermutlich sogar prominentere Namen als einen unbekannten Mönch. Aber diese Auftragsprotestanten und Luther hätten im Mittelalter das gleiche Problem gehabt: Wie ihre Botschaft verbreiten? Ohne Buchdruck und ohne sozialrevolutionäres Engagement (das sicher nicht im Interesse der Salier und Staufer gewesen wäre) schwierig.

Aber wenn Luther im Mittelalter doch Erfolg gehabt hätte, dann wäre das Reichskirchensystem im Gegenteil gefährdet gewesen, weil diverse geistliche Würdenträger - wie später auch in der realen Reformation - versucht hätten, ihre geistlichen Territorien in weltliche Herrschaften umzuwandeln und Dynastien zu gründen, bzw. die protestantischen weltlichen Fürsten versucht hätten, geistliche Territorien zu säkularisieren und somit ihre Macht zu vergrößern. Damit wären die Salier, wenn sie Luther unterstützt hätten, in eine schlechtere Position geraten als im Zuge des Investiturstreits, weil die Besetzung der geistlichen Stellen und die zugehörigen Territorien somit nicht nur dem Papst, sondern auch ihnen komplett entglitten wären. Die Salier hätten dann also die Wahl gehabt, zwar den Papst loszuwerden, gleichzeitig aber auch jeglichen Einfluss in den geistlichen Territorien zu verlieren und eine Stärkung der Fürsten hinzunehmen, oder aber sich mit dem Papst zu verbünden und diese Entwicklung gewaltsam zu stoppen ...
 
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