Wie kam es dazu dass der Mauerfall so friedlich verlief?

Es war eine Entscheidung der SED-Führung. Diese hätte die Möglichkeit gehabt, die gleichen Methoden anzuwenden wie die KP Chinas im Juni/Juli 1989, also die Panzer rollen lassen, wie es auch in Rumänien geschah; oder sie konnte auf die absolute Macht freiwillig verzichten, um in demokratischen Wahlen zu retten, was sich (aus SED-Sicht) retten ließ. Im Gegensatz zu den Jahrzehnten davor wurden die Politiker der SED nicht von der sowjetischen KPdSU zu einem bestimmten Verhalten gedrängt bzw dieses oktroyiert. Dies war bei den Protestbewegungen 1953 in der DDR, 1956 in Ungarn und 1968 in der CSSR noch geschehen, 1989 mussten Honnecker und Co. selbst sehen, wie sie klar kamen.

Dass sich die Herren im Politbüro dann gegen die gewaltsame Lösung entschieden, kann man mit der Einsicht auf die eigene verlorene Position begründen, oder mit der humanistischen Position der Arbeiterbewegung; ich bin dem DDR-Regime bei aller sonstigen Kritik zutiefst dankbar, dass es sich nicht an der "anderen deutschen Diktatur" (NS) orientierte und den Kampf bis 5 Stunden nach 12 fortsetzte, zum Schaden aller...
 
Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben

Honecker hatte Jahre in seinen politischen Reden davon gesprochen, dass alles "zum Wohle des deutschen Volkes" sei. Nun, Ende 1989, gingen die Bürger der DDR in Massen auf die Strasse, mit dem Slogan "Wir sind das Volk"! Das sollte der DDR-Führung verinnerlichen, dass da keine Konterrevolutionäre, Aufständische oder DDR-Feinde demonstrierten, sondern eben das Volk.
Ich denke, genau das hat Honnecker moralisch quasie entwaffnet. Er und die übrige Führung der DDR war dann nicht so skrupellos, das eigene Volk zusammen schiessen zu lassen - wie gerade ein paar Monate zuvor in China geschehen.

Kurzes Resümee: "Wer zu spät kommt den bestraft das Leben" - Vor 20 Jahren sagte Gorbatschow das Ende der | Kalenderblatt | Deutschlandfunk


Saludos!
 
Und wieso wünschen sich einige die mauer zurück?

Ich möchte Dir auf zwei Ebenen antworten.

1. Die RGW-Staaten bzw. Staaten des Warschauer-Paktes waren wirtschlaftlich am Ende. Eine sog. "chinesische Lösung" hätte es in den europäischen sozialistischen Staaten nur geben können, wenn die UdSSR diese jeweils mitgetragen hätte. Die UdSSR hat die "Breschnew-Doktrin" aber in den 1980'er Jahren aufgegeben.

Breschnew-Doktrin ? Wikipedia

DER SPIEGEL*26/1969 - Bombe entschärft

Sinatra-Doktrin ? Wikipedia

Politik und Zeitgeschichte - Hintergrund-Goethe-Institut

Für die DDR konkret, wenn die GSSD eingegriffen hätte:

Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland ? Wikipedia

Standortdatenbank | Militärgeschichtliches Forschungsamt

Hätte sie aber 1989 nicht mehr.

2. Eine eher persönliche Ebene.

Ich wurde Ende Mai 1989 als Reserveoffizier in die NVA eingezogen. Natürlich verfolgten wie am Fernseher die Ereignisse in China und in Polen (erste freie Wahlen). Selbstverständlich haben meine Kameraden und ich nicht über die alles entscheidende Frage gesprochen: "Was machst Du?" und "wie erklärst Du das den Soldis deines Zuges?" Ein übler Konflikt, der durch die politisch rasante Entwicklung obsolet wurde.

Nun zur "Mauer". Die Mauer war prima facie kein Bauwerk, sondern das Symbol der deutschen und europäischen Teilung. Wie kommst Du zu der These, daß sich "einige Menschen" sie sich wieder wünschen würden?


M.
 
Honeckers Problem war , daß das Regime zum einen die Unterstützung Russlands und der umliegenden "Bruderländer" nicht mehr hatte und zum anderen ,wie die Massendemonstrationen zeigten,auch innerhalb des eigenen Staates zunehmend die Machtbasis verloren ging. M.E war bereits klar,daß die regierende Altherrenriege ,die mehr als nur den Realitätssinn verloren hatte, sich auch mit Gewalt nicht würde halten können und nur ein Putsch innerhalb der SED dieser möglicherweise noch eine gewisse Machtbasis würde retten können, als die FdJ auf der Parade zum 40.Jahrestag "Perestroika" und "Gorbatschow" skandierte. Es war nach meinem Empfinden daher bereits im September 89 keine Frage mehr,ob das Regime sich halten würde sondern nur noch,wie lange . Und in dieser Gemengelage und Verwirrung innerhalb der Regierung kam es dann zum folgenreichen Versprecher Schabowskis.
Daß hier die ganze Sache ohne Gewalt der Staatsorgane ablief lag sicherlich auch daran,daß die Konfusion und Agonie innerhalb des ZK die Befehlsstrukturen und Befehlsketten längst hatte zusammenbrechen lassen.
Zum anderen war auch klar,daß eine "chinesische Lösung" das SED-System nach allen Richtungen so weitgehend isoliert hätte,daß ein Zusammenbruch dann erst recht nicht mehr zu verhindern gewesen wäre. Es hätte im Gegenteil,die SED unmittelbar zerlegt und wäre für deren Repräsentanten wohl dann auch mit persönlicher Gefahr verbunden gewesen.Auch das war wohl einer der Gründe,warum keiner der Protagonisten hierfür die Verantwortung übernehmen wollte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Nun, ich bin ganz ehrlich, ich war völlig überrascht "vom Versprecher" Schabowskis!! Und wohl jeder, der dies im Fernsehen sah, wohl auch.
Ich weiß nicht, ob es geplant war, egal, dieser Versprecher war im Grunde die beste, eigentlich schon geniale, weil friedliche Lösung!

Grüße
excideuil
 
...Es war nach meinem Empfinden daher bereits im September 89 keine Frage mehr,ob das Regime sich halten würde sondern nur noch,wie lange . Und in dieser Gemengelage und Verwirrung innerhalb der Regierung kam es dann zum folgenreichen Versprecher Schabowskis.
Daß hier die ganze Sache ohne Gewalt der Staatsorgane ablief lag sicherlich auch daran,daß die Konfusion und Agonie innerhalb des ZK die Befehlsstrukturen und Befehlsketten längst hatte zusammenbrechen lassen.
Zum anderen war auch klar,daß eine "chinesische Lösung" das SED-System nach allen Richtungen so weitgehend isoliert hätte,daß ein Zusammenbruch dann erst recht nicht mehr zu verhindern gewesen wäre. Es hätte im Gegenteil,die SED unmittelbar zerlegt und wäre für deren Repräsentanten wohl dann auch mit persönlicher Gefahr verbunden gewesen.Auch das war wohl einer der Gründe,warum keiner der Protagonisten hierfür die Verantwortung übernehmen wollte.
Ich habe das damals - wie auch heute noch - etwas anders eingeschätzt. Ich hatte durchaus die Befürchtung, daß es auch zum Gebrauch von Schußwaffen hätte kommen können. Wenn es nach Honecker gegangen wäre, wäre auch geschossen worden, das ist inzwischen anhand eines inzwischen veröffentlichten Honecker-Tagebuches belegt: Er hätte keine Skrupel gehabt. Andere im Politbüro hatten jedoch Skrupel - allen voran Egon Krenz, der Honecker dann auch nachfolgte. Auch noch weiter "unten" war die Bereitschaft nicht mehr hoch, die "chinesische Lösung" anzuwenden. Aber es klar gesagt werden, daß es auch Elite-Einheiten gab, mit denen eine solche "Lösung" zu machen gewesen wäre.
Und dann wären wir in der DDR ungfähr auf dem Niveau wie Nord-Korea...
:hmpf:
 
Barbarossa,

dass mit dem Dokument von Honecker würde mich wirklich interessieren.

Honecker hat nach den Dokumenten die ich habe,nie einen Schusswaffeneinsatz vorgesehen.

Ich schreibe mal, wie ich den Ablauf kenne.

Krenz, Streletz ( NVA ) und Mittig ( MfS ) waren am 13. Oktober 1989 in Leipzig um dort alles für die Demo am kommenden Montag anzusprechen.

Nach der Beratung flogen Krenz und Co von Leipzig wieder nach Berlin zurück. Im Flugzeug arbeitete Streletz ( als Sekretär des Nationalen Verteidigungsrates der DDR ) den Befehl 9/89 aus.

Krenz und Streletz suchten anschließend Honecker auf. Honecker hatte noch einige Fragen. So fragte er bei Streletz an, ob es nicht möglich wäre, dass einige Panzer zur Machtdemonstration über den Leipziger Ring fahren könnten. Streletz legte Honecker dar, dass viele männliche Bürger aus Leipzig bei der NVA eine Ausbildung in der Panzerbekämpfung erhalten hatten. Allen wäre bekannt, dass man nur ein entsprechendes Tuch über die Sehschlitze des Fahreres legen müsste und schon wäre dieser nicht mehr kontrollierbar. Dies wurde von Honecker akzeptiert und die Sache war vom Tisch.

Nach der Unterzeichnung des Befehles 9/89 . Dieser Befehl hatte u.a. den Wortlaut : „Der aktive Einsatz polizeilicher Kräfte und Mittel erfolgt nur bei Gewaltanwendung der Demonstranten gegenüber den eingesetzten Sicherheitskräften bzw. bei Gewaltanwendung gegenüber Objekten auf Befehl des Vorsitzenden der BEL Leipzig. Der Einsatz der Schusswaffe im Zusammenhang mit möglichen Demonstraionen ist grundsätzlich verboten“.

Streletz informierte E. Honecker anschließend, dass der Minister für Nationale Verteidigung befohlen hat,in der gegenwärtigen politischen Situation keine größeren Truppenbewegungen der NVA durchzuführen.

Die sow. Streitkräfte in der DDR führt aber ihre Übungen mit größeren Truppenbewegungen durch.


Wenn die Truppenteile der Gruppe ihre Kasernen, vor allen Dingen in den Räumen Leipzig/ Dresden/ Potsdam/ Berlin verlassen, kann das zu falschen Schlussfolgerungen führen. Es wäre zweckmäßig, wenn auch die Gruppe in dieser Periode keine größeren Truppenbewegungen durchführt.

Erich Honecker beauftragte daraufhin Streletz, den Oberkommandierenden der Gruppe, Armeegeneral Snedkow, zu bitten, nach Möglichkeit in den kommenden Tagen und Wochen keine größeren Truppenübungen durchzuführen.

Am 14. Oktober 1989 hat Streletz diese Bitte Armeegeneral Snedkow vorgetragen, der für dieses Anliegen volles Verständnis zeigte und versicherte, den Nachgeordneten die erforderlichen Weisungen zu geben.
Gleichzeitig brachte er zum Ausdruck, dass die Gruppe immer bereit ist, bei Notwendigkeit den Waffenbrüdern der Nationalen Volksarmee die erforderliche Hilfe und Unterstützung zu gewähren.
 
Ich habe das damals - wie auch heute noch - etwas anders eingeschätzt. Ich hatte durchaus die Befürchtung, daß es auch zum Gebrauch von Schußwaffen hätte kommen können. Wenn es nach Honecker gegangen wäre, wäre auch geschossen worden, das ist inzwischen anhand eines inzwischen veröffentlichten Honecker-Tagebuches belegt: Er hätte keine Skrupel gehabt. Andere im Politbüro hatten jedoch Skrupel - allen voran Egon Krenz, der Honecker dann auch nachfolgte. Auch noch weiter "unten" war die Bereitschaft nicht mehr hoch, die "chinesische Lösung" anzuwenden. Aber es muss klar gesagt werden, daß es auch Elite-Einheiten gab, mit denen eine solche "Lösung" zu machen gewesen wäre.
Und dann wären wir in der DDR ungefähr auf dem Niveau wie Nord-Korea...
:hmpf:

Ich komme auf das Thema zurück, weil ich das Hervorgehobene nicht nachvollziehen kann.
NVA heißt Nationale Volksarmee. Diese Armee bestand zum überwiegenden Teil aus Wehrpflichtigten, nicht aus Berufssoldaten (Söldnern).
Man kann davon ausgehen, dass man eine Armee, die aus Berufssoldaten - Söldnern - besteht, gegen das eigene Volk einsetzen kann. Aber gilt das für eine Truppe, die Wehrpflichtige unter Waffen hält?
Meiner Ansicht nach nicht!
Betrachten wir die aktiven 6 Divisionen der DDR (2 Pz-Divisionen, 4 Mot-Schütz. Divisionen) dann fallen die als Elite-Einheiten schon mal weg, da überwiegend aus Wehrpflichigen bestehend. Die beiden Militärbezirke hatten noch ein paar zusätzliche Regimenter: Pontonregiment, Pionierregiment, Nachrichten, Technik, Nachschub etc, auch hier von Elite keine Spur.
Bleibt im Grunde das berühmte Fallschirmjägerregiment, die, die damals mit ihren Baretten auffielen, allerdings stellt sich auch hier die Frage, waren deren Soldaten Berufssoldaten; oder doch Wehrpflichtige oder 3-jährig Dienende, die ich dann auch nicht zu denen zähle, die man gegen das eigene Volk stellen könnte.

Noch etwas anderes läßt mich zweifeln. Die Situation entstand nicht plötzlich, Wochen Monate gingen ins Land. Eine "Das Vaterland ist in Gefahr" Nummer war daher nicht transportierbar, zumal es im Grunde ja auch nur um Verbesserungen des Sozialismus, um Reisefreiheit etc. ging.
Zudem kann man Gorbatschow und die Entwicklung in der Sowjetunion nicht außer Acht lassen.

Ich kann mir daher nicht vorstellen, dass sich ein Regimentskommandeur fand, der mit seiner Truppe auf das Volk geschossen hätte.

Grüße
excideuil
 
Das finde ich einerseits auch sehr erstaunlich, aber es zeigt einen Fall von Diktatur, wo sich auf Dauer nicht gegen den mehrheitlichen Willen der Bevölkerung regieren lässt. Wobei meiner Meinung weniger der hoch gepriesene Freiheitsdrang die Menschen antrieb, sondern die DDR durch Jahrelange Misswirtschaft so mürbe gemacht wurde, dass alle wussten, so geht es nicht weiter.
 
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