Wie kann man sich den Marsch einer röm. Legion vorstellen ?

Silli

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Ausgehend von der Theorie, daß Varus in 3 Tagen von seinem Lager bis Kalkriese ca. 60 km zurückgelegt haben soll, stellt sich mir eine generelle Frage: Wie so ein Marsch abgelaufen sein könnte ?
Man vermutet etwa 20 km am Tag überbrückbare Entfernungen. Andere meinen, das wäre nur auf ausgebauten römischen Straßen möglich gewesen und nicht im "wilden" Germanien. Hinzu kommt, daß der Zug des Varus während des Marsches etwa 3 Tage lang angegriffen worden sein soll, woraus sich die Marschleistung noch einmal verringert haben müßte. Und am letzten Tag der Schlacht dürfte man wohl kaum noch eine merkliche Enfernung zurückgelegt haben. Wenn man eine Marschleistung über den Daumen gepeilt (1. Tag = 20 km, 2. Tag = 15 km, 3. Tag = 10 km) demnach für etwa 45 km ermittelt, hätte Kalkriese doch auch in dieser Rechnung ein Identifikationsproblem. Nun könnte man meinen, die Differenz liegt dann vielleicht an einer Verlagerung eines ungenauen Marschausgangspunktes. Ich selber gehe davon aus, daß unter den übermittelten Umständen die Marschleistung für diese 3 Tage allerdings bei nur 30 km gelegen haben kann.
Mich irritieren auch solche Aussagen, daß der Zug des Varus zwischen 15 und 20 km lang gewesen sein könnte. So wären ja die ersten am Ziel einer Etappe, bevor die anderen losgelaufen wären ? Wie löste man da die Kommunikation?
Also gibt es Überlieferungen, Thesen oder Erkenntnisse, wie so ein Marsch inkl. Bauleistungen für Lager/Essenspausen/Packen/Wecken u.s.w. vor sich ging ? Könnte jemand einen Tagesablauf/Zeitplan erstellen ?
 
Ausgehend von der Theorie, daß Varus in 3 Tagen von seinem Lager bis Kalkriese ca. 60 km zurückgelegt haben soll, stellt sich mir eine generelle Frage: Wie so ein Marsch abgelaufen sein könnte ?
Man vermutet etwa 20 km am Tag überbrückbare Entfernungen. Andere meinen, das wäre nur auf ausgebauten römischen Straßen möglich gewesen und nicht im "wilden" Germanien.

Auch in Germanien gab es Wege. die waren zwar nicht ausgebaut, aber i.d.R. gangbar.


Hinzu kommt, daß der Zug des Varus während des Marsches etwa 3 Tage lang angegriffen worden sein soll, woraus sich die Marschleistung noch einmal verringert haben müßte. Und am letzten Tag der Schlacht dürfte man wohl kaum noch eine merkliche Entfernung zurückgelegt haben. Wenn man eine Marschleistung über den Daumen gepeilt (1. Tag = 20 km, 2. Tag = 15 km, 3. Tag = 10 km) demnach für etwa 45 km ermittelt, hätte Kalkriese doch auch in dieser Rechnung ein Identifikationsproblem.

Gehen wir davon aus, das die Rechnung so korrekt ist. Wieso hast Du deswegen ein Identifikationsproblem mit Kalkriese? Kennst Du etwa Varus' letztes Lager?
Minden-Barkhausen, ein häufig aber jeweils nur kurzzeitig verwendeter Lagerplatz, liegt im Übrigen 60 km von Kalkriese entfernt. Wenn Du annähmest, dass Barkhausen Varus letzte Station gewesen sei, und vier Tage veranschlagst, die Cassius Dio der Marschschlacht gibt, dann liegen die sechzig km durchaus im Bereich des Möglichen.



Mich irritieren auch solche Aussagen, daß der Zug des Varus zwischen 15 und 20 km lang gewesen sein könnte. So wären ja die ersten am Ziel einer Etappe, bevor die anderen losgelaufen wären?
Das sind so Fragen, die absolut nicht abschließend geklärt sind.

Wie löste man da die Kommunikation?
Meldereiter.
 

Jut, das wußte ich. Aber gab es noch andere Varianten etwa dressierte Tiere (Hunde) oder Feuerzeichen? Oder gar Staffelläufer ?

War nur nicht so glücklich von mir mit dem erneuten Beispiel Kalkriese. Wollte es an einem Beispiel verdeutlichen. Mir geht es wirklich nur um den Ablauf eines solchen Marsches.
 
Recht aufschluß reich ist das Buch "Die Legionen des Augustus" von Marcus Junkelmann darin wird der Marsch, in kompletter Ausrüstung eines römischen Legionärs zur Zeit des Kaiser Augustus, von Verona nach Augsburg dokumentiert. Man darf auch nicht vergessen diese Leute waren trainiert für solche Strecken, nicht wie ein heutiger Hobby-Wanderer der mal am Wochenende ein paar Kilometer läuft.
 
@Silli:

Ich glaube, daß Deine Theorie einen grundsätzlichen Fehler beinhaltet. Überliefert ist aus den Quellen, daß die Schlacht sich über drei Tage hinzog. Aber wer sagt uns denn, daß die Schlacht sofort nach dem Auszug aus dem Sommerlager begann? Denn das unterstellst Du offensichtlich. Viel wahrscheinlicher ist doch, daß der ganze Troß ersteinmal 1-2 Tage (evt. auch länger) unterwegs war, bevor die ersten Angriffe getätigt wurden. Schließlich mußte der geamte Troß ersteinmal in schwieriges Gelände gelockt werden. Wenn man dies berücksichtigt, dann bekommen mögliche Entfernungen und auch der mögliche Schlachtort Kalkriese eine andere (wahrscheinlichere?)Bedeutung.
 
Zuletzt bearbeitet:
Man vermutet etwa 20 km am Tag überbrückbare Entfernungen. Andere meinen, das wäre nur auf ausgebauten römischen Straßen möglich gewesen und nicht im "wilden" Germanien.
20 km pro Tag ist durchaus machbar. Neben der Fitness der marschierenden Truppen und der Größe und Zusammensetzung des Trosses ist die Beschaffenheit des Untergrundes, die Breite des Weges und das Geländeprofil, sowie die Bedrohungssituation ("Friedensmarschordnung" oder Marsch in Gefechtsordnung) maßgeblich. Insbesondere eine ungleichmäßige Strecke - bergauf-bergab oder Engstellen im Weg sorgen dafür, dass sich die marschierende Truppe wie eine Zieharmonika zusammenstaucht und wieder auseinanderzieht. Ebene Strecke und trockener, breiter Weg, wenig Bäume drumrum, angenehmes Maienwetter und tiefster Frieden erlauben durchaus 20 km und mehr.[/quote]


Mich irritieren auch solche Aussagen, daß der Zug des Varus zwischen 15 und 20 km lang gewesen sein könnte. So wären ja die ersten am Ziel einer Etappe, bevor die anderen losgelaufen wären ? Wie löste man da die Kommunikation?
Neben den besagten Meldereitern für komplexere Info für "Standardkommandos" Schallsignale - dafür schleppten die ja ihr ganzes Instrumentarium mit. Ohne es zu wissen, vermute ich, dass es auch einfache Signale mit Feldzeichen gab, zumindest "Halt!", "Vorwärts Marsch!" und ähnliches. Es liegt einfach auf der Hand und ja nach Gelände hat man auch hunderte von Metern Reichweite damit.
Die Geschichte mit dem "die einen sind schon angekommen, bevor die anderen bereits losgelaufen sind", ist bereits über das Heer Alexanders in Kleinasien überliefert. Ist aber auch kein Problem. Die Römer bauten ihre Marschlager in der Regel immer zurück (Wälle einebnen, Gräben zuschütten) - das konnte eine Nachhut machen, während die übrigen schon unterwegs waren. Andersherum musste für das nächste Marschlager ein geeigneter Ort gefunden werden, einheitsweise die Lagerplätze zugewiesen, geschanzt, Feuerholz gesammelt und Wasser besorgt werden - das erledigten die zuerst angekommenen. Delbrück hat damit die Illusion der gigantischen Zahlen des Perserheeres auf dem Weg nach Griechenland zu erklären versucht. Selbst bei einem relativ kleinen Heer konnten die Anwohner drei Tage lang ganztägig Truppen auf der Straße vorbeiziehen sehen - das wirkt natürlich.
Du kannst das für das Varusheer leicht selbst errechnen - musst allerdings Annahmen für die Marschordnung treffen. Ca. 12000 Legionäre in Viererrotten, die je einen Meter Weglänge (dürfte eher eng sein) benötigten, macht schon mal drei Kilometer. Dazu die Kavallerie [mindestens 3,5 - 4 m pro Rotte], die übrigen Hilfstruppen, der riesige Tross, und natürlich die freien Intervalle, die zwischen den einzelnen Elementen der Abteilung notwendig waren um die Marschordnung nicht bei jeder kleinen Störung ins Chaos zu stürzen - da sammeln sich schon mal etliche Kilometer.
 
Zuletzt bearbeitet:
@Silli:

Ich glaube, daß Deine Theorie einen grundsätzlichen Fehler beinhaltet. Überliefert ist aus den Quellen, daß die Schlacht sich über drei Tage hinzog. Aber wer sagt uns denn, daß die Sclacht sofort nach dem Auszug aus dem Sommerlager begann? Denn das unterstellst Du offensichtlich. Viel wahrscheinlicher ist doch, daß der ganze Troß ersteinmal 1-2 Tage (evt. auch länger) unterwegs war, bevor die ersten Angriffe getätigt wurden. ...

Erstmal Danke für die ersten Beiträge.

Ich dachte eben, daß es aus meiner einfachen Rechnung doch hervorgeht, daß ich den römischen Truppen einen ganzen 1. Tag "in Ruhe" zubilligte. ;)

@ Tiberio - Junkelmann ist der, der den Marsch selber nachvollzogen hat ? Hab ich leider noch nicht lesen können.

Gab es für gewisse Dinge Standartzeiten z.B. zum Wecken. Und wie lange dauerte es dann bis zum Marsch ?
 
Erstmal Danke für die ersten Beiträge.

Ich dachte eben, daß es aus meiner einfachen Rechnung doch hervorgeht, daß ich den römischen Truppen einen ganzen 1. Tag "in Ruhe" zubilligte. ;)

Wir bewegen uns hier auf ganz dünnem Eis. Reicht ein Tag in "Ruhe"? Oder waren es doch 2 Tage, oder vieleicht 3 Tage?

Ja, und welche Route hat Varus genommen? Ist er vieleicht sofort am Rand des Wiehengebirges (Richtung Kalkriese) gegangen, um einen nördlichen Aufstand, von dem er gehört hat niederzuschlagen?

Oder ist er erst in Richtung Lippe gegangen (wohl die wichtigste Verkehrsader Richtung Rhein) und ist dann "abgelenkt" worden und vom rechten Weg abgekommen?

Wie gesagt: Wir bewegen uns auf ganz dünnem Eis.:D
 
Um eure Diskussion mit noch etwas mehr Literatur zu unterlegen, verweise ich mal auf Kate Gillivers Buch "Auf dem Weg zum Imperium. Eine Geschichte der römischen Armee", dass 2003 erschienen ist. Darin schildert die Autorin in einem eigenem Kapitel auf Grundlage von römischen Quellen die Marschordnung römischer Legionen mit Fokus auf die späte Republik und die claudisch-julische Zeit.
Neben Skizzen aus der Vogelperspektive gibt es zahlreiche Fallbeispiele, wo mit konkreten Zahlen gerechnet wird. Ich erinnere mich, dass das Buch vor allem in englischen Fachkreisen hervorragende Kritiken bekommen hat.

Ich hab das Buch leider momentan nicht zur Hand aber wenn Interesse besteht, kann ich demnächst daraus mal spezieller zitieren.

MfG

Ajax
 
In dem Buch "Auf dem Weg zum Imperium. Eine Geschichte der römischen Armee" wird sogar von einer Marschleistung von 32 Kg bei vollem Marschgepäck ausgegangen. In Caesa's "vom Gallischen Krieg" wurde von Eilmärschen mit einer deutlich höheren Marschleistung berichtet, allerdings mit "leichtem" Gepäck, was man sich darunter auch vorstellen mag.

Bis Neulich

Apvar
 
Bei den Varuslegionen kann man nicht von Standardmarschleistungen ausgehen die im Rahmen eines Heerzugs auftraten. Es wurde in lockerem Verband marschiert und weiterhin hatten wir einen Tross mit vielen Zivilisten dabei. Wenn da ein Wagen ausfiehl kam alles ins stocken. Wege waren zwar vorhanden, aber wohl kaum für Heerverbände geeignet.
Grundsätzlich muss man davon ausgehen, je länger der Zug desto geringer die Marschleistung. Ich gehe kaum von 20 km pr Tag aus.
Gruß Jörg
 
Es ist ja auch einleuchtend, dass die Marschformation von Gelände, Größe des Verbandes, militärischer Situation (Friedenssituation, leichte/schwere Bedrohungssituation, Feindesnähe, Tross/Zivilisten) und ähnlichen Komponenten abhängt. Das Buch von Kate Gilliver geht auch auf diese Aspekte mit ein und sucht nach Quellen. Was den Zug des Varus in seinen Untergang betrifft, so hat man sich in Kalkriese sehr viel Mühe gegeben die Folgen der Marschordnung für die Kämpfe möglichst plastisch werden zu lassen... Zinnfiguren und "Kugelmodell" inklusive. Die Darstellung zeigt deutlich die Schwäche der schweren Legionsinfanterie auf dem Marsch in schwerem Gelände und ihre Abhängigkeit von leichteren Auxiliarverbänden - besonders auch der Kavallerie zur Absicherung!

Das Einzige was mich in diesem Zusammenhang stört ist, dass man aus dem Mittelalter und der frühen Neuzeit her gewohnt ist Fernwege und "Heerstraßen" selten in Niederungen und Flußtälern verlaufen, sondern Höhenwege sind um genau solche Szenarien zu vermeiden! Wenn ich nicht irre, verlaufen dagegen Römerstraßen eher entlang der Täler, also nicht auf den Höhen. Im Falle der Varusschlacht kann natürlich nicht von Römerstraßen ausgegangen werden. Es wird ja explizit beschrieben, dass sein Heer in unwegsames Gelände gelockt von einem Hinterhalt überrascht wurde. Die einheimischen Führer werden das Heer dann wohl entsprechend in das Schlamassel geleitet haben...
 
Du kannst das für das Varusheer leicht selbst errechnen - musst allerdings Annahmen für die Marschordnung treffen. Ca. 12000 Legionäre in Viererrotten, die je einen Meter Weglänge (dürfte eher eng sein) benötigten, macht schon mal drei Kilometer. Dazu die Kavallerie [mindestens 3,5 - 4 m pro Rotte], die übrigen Hilfstruppen, der riesige Tross, und natürlich die freien Intervalle, die zwischen den einzelnen Elementen der Abteilung notwendig waren um die Marschordnung nicht bei jeder kleinen Störung ins Chaos zu stürzen - da sammeln sich schon mal etliche Kilometer.

Ich beschäftige mich erst seit kurzem aktiv mit dem Römischen Reich...aber solche Dimension hatte ich mir konkret gar nicht ausgemalt. Das ist wirklich höchst faszinierend. Danke für diesen Einblick!
 
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