Wie lange gab es den Senat

BigBen

Mitglied
Hallo an alle

Ich lese schon längere Zeit bei euch mit und bin teilweise positiv überrascht über das Fachwissen, welches man hier versammelt findet. Auch ich bin sehr an Geschichte, insbesondere an der römischen, interessiert und habe mich jetzt angemeldet, da ich 1. ganz gerne einmal mitdiskutiere und 2. eine konkrete Frage habe, für die ich bislang noch keine Antwort gefunden habe:

Wie lange hat der altrömische Senat denn nach dem Untergang des weströmischen Reiches noch existiert? Die letzte vage Information, welche ich habe, ist, daß um das Jahr 600 der Senat beschloß, zu Ehren des byzantinischen Kaisers Phokas (aus dem Gedächtnis heraus genannt, könnte auch ein anderer gewesen sein) auf dem Forum eine Säule aufzustellen. Diese Säule steht übrigens heute noch.

Würde mich freuen, wenn sich hier der eine oder andere Experte äußern könnte.

Gruß aus dem Schwabenländle
 
Nach den vorliegenden Quellen (lauter rummelige Bücher) ist die Phokas-Säule so ziemlich das letzte Lebenszeichen des Senats (AD 603). In den Gotenkriegen muss der Senat wohl mehr oder minder aufgelöst worden sein (inwieweit das wörtlich zu verstehen ist, steht dahin); die dem Phokas huldigende Körperschaft war eine Instituition Justinians.

Interessanterweise ist die Phokas-Säule ein kleiner Prüfnagel für die Korrektheit von Rekonstruktionszeichnungen und -renderings des Forum Romanum; fast alle beinhalten sie (so auch das Riesenmodell im römischen Museo della Civilta Romana).
 
Richtig aufgelöst wurde der Senat nicht von den Ostgoten-Königen. Verständlicherweise hatte er in den Kriegen nichts mehr „zu melden“. Und Totila ließ die Senatoren nach der ersten Einnahme Roms 546 n. Chr. nach Kampanien schaffen. Insofern existierte die Körperschaft in seiner eigentlichen Funktionalität vorübergehend absolut nicht mehr. Nach der zweiten Einnahme Roms 550 n. Chr. holte er sie nach Rom zurück. Er hatte während seiner Regierungszeit ein gespanntes Verhältnis zu den Senatoren.

Justinian soll den Senat wiederhergestellt haben. In welchem Umfang wissen wir nicht. Er ließ die Senatoren entscheiden, ob sie gehen, wo sie sich aufhalten wollten. Manche sollen auch nach Byzanz übergesiedelt sein. (F. Gregorovius)
 
Ein Problem ist ja auch die Verwendung des Wortes "senatus" an sich. Damit wurde ja nicht nur der römische Senat bezeichnet, sondern auch andere Ratsversammlungen, z. B. Gemeinderäte und sonstige Ältestenversammlungen. (Das Wort "senatus" leitet sich ja auch von "senex"="Greis" ab, bedeutet also tatsächlich so viel wie Ältestenversammlung.) In der Spätantike verkam der römische Senat dann ohnehin zu einer Art Gemeinderat von Rom.
Wenn daher in späteren Quellen in Rom von einem "Senat" die Rede ist, lässt sich rückblickend unmöglich beurteilen, ob es sich dabei noch um ein Relikt des antiken Senats oder eine sonstige Versammlung handelte.
Definitiv nichts mehr mit dem antiken Senat hatten die "Senatoren" (und "Senatorinnen"!) des 10. Jhdts. zu tun, z. B. Theophylactus, seine Gattin Theodora und ihre Tochter Marozia, das waren einfach Titel ohne Zugehörigkeit zu einem Senatskollegium.
 
So wirklich vergleichen kann man das nicht: Der altrömische Senat war für den ganzen Staat zuständig - bloß dass der halt anfangs nur ein Stadtstaat war. Trotzdem war er etwas anderes als ein Gemeinderat. Der Senat hatte z. B. auch in der Außenpolitik und bei Krieg und Frieden viel mitzureden - das tut ein Gemeinderat nicht und taten natürlich auch die Gemeinderäte der Munizipialstädte nicht.
 
Nach dem Untergang des weströmischen Reiches mischte sich der Senat intensiv in die Kirchenpolitik ein. So hatte er maßgeblichen Einfluss auf die Ernennung Papst Gregor I., der auch selbst dem Senat angehörte und dort hohe Würden erlangte. Wahrscheinlich boten die Kirchenämter der römischen Oberschicht damals einen Ersatz für den Verlust der politischen Macht in Italien.

Ein Grund für das allmähliche Verschwinden des Senats könnte auch der Machtzuwachs der Kirche und insbesondere der des Papstes in der Stadt sein, wodurch der "Stadtrat" letzendlich überflüssig wurde.

Gruß Cato
 
Da hast Du schon recht, allerdings wurde die Papstbestellung damals in erster Linie noch als eine stadtrömische Angelegenheit gesehen. Indem sich der Senat in die Kirchenpolitik einmischte, betrieb er also letztlich auch nur Lokalpolitik.
 
also vereinfacht gesagt, gab es den senat bis zum untergang der römischen republik. seit den gracchen wurde die damals bestehende verfassung immer wieder mit füßen getreten, bis sie dann unter caesar eigentlich nicht mehr wirklich wirksam war und er die gründung des kaiserreichs vorantrieb, in dem es formal zwar noch den senat gab, dieser aber nicht mehr die selbe funktion hatte wie noch während der republik.
 
Also so würde ich das nicht sagen. Nur weil sich die Aufgaben des Senats änderten, änderte sich doch nichts an seinem Bestehen. Im Gegenteil: Während in der Republik Gesetze von den Volksversammlungen beschlossen wurden, machte das in der Kaiserzeit der Senat. Außerdem entsandte er die Statthalter der sogenannten senatorischen Provinzen. Im 3. Jhdt. ersuchten dann die Soldatenkaiser den Senat um seine Bestätigung - auch wenn die rein deklarativer Natur war und praktisch kaum etwas brachte. Ein paar Kaiser - Nerva, Balbinus, Pupienus und Tacitus - wurden sogar vom Senat eingesetzt.
 
@ravenik

Also so würde ich das nicht sagen. Nur weil sich die Aufgaben des Senats änderten, änderte sich doch nichts an seinem Bestehen.

Doch das würde ich schon: Der Senat bestand, wie gesagt, formal weiter, wurde aber in der Spätphase der Republik übergangen, missachtet und entpolitisiert. Es begann bei den Gracchen, die das erste Mal seit Bestehen der Republik mit der Reform der Agrarpolitik eine Politik gegen den Senat betrieben, dann ging es mit Gaius Marius weiter, der seine Heeresreform gegen den Willen des Senats durchsetzte, was gegen die Tradition der römischen Republik verstieß. Dann gab es unter Sulla eine kurze Phase der Konsolidierung der Senatsherrschaft, aber das Sullanische System wurde bereits kurz danach wieder ausgehöhlt. Caesar treib es dann auf die Spitze, als er gegen den Senat, Pompeius und die römische Republik vorging. Die Begründung des Prinzipats bedeutete dann die endgültige Entpolitisierung des Senats und es kam zu einer Machtkonzentration des "princeps".

Ja, den Senat gab es auch in der Kaiserzeit. Doch auch wenn der Senat weiterhin die von dir erwähnten Aufgaben behielt, so lässt sich dennoch sagen, dass der Senat seit dem Ende der Republik und der Begründung des Prinzipats am 13. Januar 27 v.Chr. nicht mehr die Herrschaft ausübte, wie es indirekt zuvor der Fall war, sondern der Kaiser.
 
Gut, dann formuliere ich es einmal so: Die späte Republik war geprägt von einem Kampf Senatsherrschaft vs. direktdemokratische Herrschaft durch die Volksversammlungen. Der Senat erlitt viele Rückschläge, erzielte aber auch Erfolge (erfolgreiche Bekämpfung der beiden Gracchen und des Saturninus, Sieg des Sulla). Allerdings begann das nicht erst in der späten Republik, sondern seit es das Volkstribunat gab: Man denke nur an die Bestrebungen der Volkstribunen im frühen 4. Jhdt., das Konsulat den Plebejern zugänglich zu machen oder eine Bodenreform durchzuführen - alles gegen den Willen des Senats, der letztlich öfters nachgeben musste. Auch dann kam es immer wieder vor, dass z. B. der Senat einen bestimmten Krieg führen wollte, die Volkstribunen aber die Werbungen blockierten - oder aber auch umgekehrt: Der Senat war mehrheitlich gegen einen Krieg, aber die Kriegstreiber setzten ihn qua Volksversammlungen doch durch, wie das z. B. der Fall war, als über das Hilfsgesuch der Mamertiner entschieden wurde, was dann zum 1. Punischen Krieg führte.

In der Kaiserzeit hing die Macht des Senats dann vor allem auch vom Kaiser ab. Ich habe jetzt die genauen Hintergründe nicht im Kopf, aber als Augustus einmal in den Provinzen war und es in Rom zu irgendwelchen Unruhen kam, konnte es der Senat sogar noch wagen, ein Senatus Consultum Ultimum zu erlassen.
 
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