Wie soll man sich die "Seeräuber" vorstellen?

balkanese

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Bekanntlich hat Pompeius magnus die "Seeräuber" besiegt; bei Plutarch hab ich jetzt gelesen dass diese "Seeräuber" ua. 400 Städte eingenommen haben; in Kreta hat Pompeius eine Seeräuberstadt, die von den Römern belagert worden ist, mit römischen Truppen verteidigen lassen, wenn auch erfolglos.
Mir ist sehr allgemein bekannt dass die Seeräuber aus Kilikien kamen und auf Seite von Mithridates VI gegen Rom gekämpft hatten, aber warum konnten sie das ganze Mittelmeer beherrschen und ausgedehnte Gebiete erobern und warum diese Eierei von Pompeius in Kreta?
 
Mir ist sehr allgemein bekannt dass die Seeräuber aus Kilikien kamen und auf Seite von Mithridates VI gegen Rom gekämpft hatten, aber warum konnten sie das ganze Mittelmeer beherrschen und ausgedehnte Gebiete erobern
Prinzipiell war in der Antike der Seeraub ein ganz normaler Broterwerb von Bewohnern aller Küsten. Schon bei den Hellenen galt der Seeraub nicht als unehrenhaft. Die Argonautensage schildert schon einen reinen Raubzug mit dem Ziel das goldene Vlies zu stehlen ,also nichts anderes als privat betriebenen Seeraub.
Die römische Republik hatte nach der Zerstörung der Seemacht Karthago seine kostenaufwendige Flotte verfallen lassen, da man der Meinung war, dass es keine ernstzunehmenden Gegner zur See mehr gäbe. Eine Fehleinschätzung ,denn man bedachte nicht, dass die aus den eroberten Gebieten nach Italien transportierten Reichtümer, Piraten auf den Plan riefen, die sich über die ungeschützten Handelsschiffe hermachten. Auch waren vermögende reisende Römer ein lohnendes Ziel ,um Lösegeld zu erpressen. Der junge Julius Caesar wurde selbst einmal, auf einer Reise nach Rhodos Opfer von Piraten. Es waren nicht nur Kilikier, auch wenn sie unter diesem Sammelbegriff bezeichnet wurden, sondern auch Griechen, Dalmatier, geflohene Sklaven und wohl auch heimatlos gewordene Karthager ,die die Handelswege der Römer derart störten, dass es zu Hungersnöten und einer Explosion der Getreidepreise in der Hauptstadt kam. Mithritates hatte verschiedene Piratengruppen in seine Dienste genommen um seine eigene Kriegsflotte zu verstärken . Damit störte er massiv die Handelswege der Römer. Indem Rom die Dienste der Rhodier in Anspruch nahm, konnte Mithritades zurückgedrängt werden.
Damit war das Piratenproblem aber keineswegs gelöst. Diese arbeiteten wieder auf eigene Gefahr, ohne den König weiter.
Mit den großen Kampfschiffen, die in den punischen Kriegen erfolgreich waren, war den Seeräubern, mit deren kleinen, schnellen und wendigen Fahrzeugen nicht beizukommen. Erst Pompejus war erfolgreich, indem er sie mit ihren eigenen Waffen schlug und den gleichen Schiffstyp, den die Piraten verwendeten, die Liburne einsetzte.
 
Dann musst du konkreter fragen. Es hatte in vorrömischer Zeit bereits ein Piratenproblem vor Italien gegeben. Die Phokäer, die von den Persern aus ihrer Heimat vertrieben wurden, gründeten Marseille und betrieben neben Handel auch ausgiebig Piraterie und kamen damit sowohl den Karthagern als auch den Etruskern in die Quere . Vor Korsika kam es 536 zu einer Schlacht zwischen 60 phoäkischen Schiffen und einer zahlenmäßig größeren vereinten etruskisch/ karthagischen Flotte. 40 Schiffe der Phoäker gerieten in die Hände ihrer Gegner, welche die Mannschaften an der etruskischen Küste steinigten. Viel änderte das Gefecht aber nicht. Sowohl Phoäker als auch Etrusker und Karthager räuberten weiterhin um die Wette.
Immer wenn es keine dominierende Großmacht im Mittelmeer gab, nahm die Seeräuberei der zahlreichen Küstenvölker zu. Das setzte sich bis in die Neuzeit fort. Auch dass Piraten für politische Zwecke eingespannt wurden.
 
Dann musst du konkreter fragen. Es hatte in vorrömischer Zeit bereits ein Piratenproblem vor Italien gegeben. Die Phokäer, die von den Persern aus ihrer Heimat vertrieben wurden, gründeten Marseille und betrieben neben Handel auch ausgiebig Piraterie und kamen damit sowohl den Karthagern als auch den Etruskern in die Quere . Vor Korsika kam es 536 zu einer Schlacht zwischen 60 phoäkischen Schiffen und einer zahlenmäßig größeren vereinten etruskisch/ karthagischen Flotte. 40 Schiffe der Phoäker gerieten in die Hände ihrer Gegner, welche die Mannschaften an der etruskischen Küste steinigten. Viel änderte das Gefecht aber nicht. Sowohl Phoäker als auch Etrusker und Karthager räuberten weiterhin um die Wette.
Immer wenn es keine dominierende Großmacht im Mittelmeer gab, nahm die Seeräuberei der zahlreichen Küstenvölker zu. Das setzte sich bis in die Neuzeit fort. Auch dass Piraten für politische Zwecke eingespannt wurden.

Die Piraterie gibt es, seit es Schiffahrt gibt. Mitunter waren die Grenzen zwischen Handelsschiffahrt und Piraterie fließend, und "Nebenerwerbspiraterie" galt durchaus nicht als ehrenrührig.

In der Odyssee begibt sich Telemachos auf die Suche nach seinem verschollenen Vater Odysseus und besucht dabei Nestor in Pylos und Menelaos und Helena in Sparta, um herauszufinden, ob sie mehr über Odysseus wissen. Nestor, der König von Pylos begrüßt Telemachos mit den Worten:

Wer seid ihr, Fremde und woher kommt ihr,
Die Pfade, die feuchten, gefahren? Und in welchen Geschäften?
Treibt Ihr ziellos euch über das salzige Meer wie Räuber,
Welche ihr Leben riskieren, den fremden Böses bereitend? Odyssee, 3. Gesang 69-74)

Odysseus selbst, der bei Eumaios, dem Vormann der Sauhirten, gastfreundlich empfangen wird, erzählt diesem eine erfundene abenteuerliche Vita,dass er geborener Kreter sei, am Trojanischen Krieg teilnahm und danach eine wechselvolle Karriere als Kaperkapitän aufnahm und vor den Küsten Ägyptens, Lybiens und Phönikiens ein Vermögen erbeutete, bis er selbst von thespotischen Schiffern, die ihn nach Dulichion übersetzen sollten, ausgeraubt wurde und als Sklave verkauft werden sollte, doch gelang ihm sich schwimmend nach Ithaka zu retten, wo er sich im gestrüpp verbarg, bis die Thesproten die Suche nach ihm aufgaben.

Odyssee, 14. Gesang, 198-350ff D

Der Sauhirte Eumaios ist der Geburt nach ein Prinz, den sein phönikisches Kindermädchen entführte, um ihn an Landsleute zu verkaufen, die den Hof von Eumaios Vater besuchten. Das Kindermädchen wollte mit Eumaios die Passage in die Heimat bezahlen, starb aber während der Überfahrt. (Odyssee, 15. Gesang, 413-480)
 
Ich danke für die Bemühungen, aber so Sachen sind mir eh bekannt, ich kenn auch noch den ägyptischen Priester, den Piraten beim Holz einkaufen beraubt haben; meine Frage war eher dahingehend gemeint, ob das einfach kriminelle Seeräuber sind oder ob da nicht irgendeine politische Struktur dahintersteht, "Seeräuber" als Sammelbegriff wie heute "Terrorist" oder ähnliches, die Sache mit der kretischen Stadt ist ja auch recht eigenartig wenns um normale Kriminelle geht.
 
meine Frage war eher dahingehend gemeint, ob das einfach kriminelle Seeräuber sind oder ob da nicht irgendeine politische Struktur dahintersteht, "Seeräuber" als Sammelbegriff wie heute "Terrorist" oder ähnliches, die Sache mit der kretischen Stadt ist ja auch recht eigenartig wenns um normale Kriminelle geht.
Für die Beraubten waren sie Räuber, für sich selbst gingen sie einer Arbeit nach. Es gab natürlich Verschiedenes, kleine Gruppen, die allein agierten aber auch solche, die im Auftrag von Regierungen ihrem Gewerbe nachgingen um deren Gegnern zu schaden. Der Tyrann von Samos Polykrates hatte 100 Piratenschiffe unter sein Kommando vereinigt und beherrschte mit ihrer Hilfe die Ägäis und die kleinasiatischen Küsten. Auch ein pharonisches Schiff mit Geschenken an den König von Lydien wurde sein Opfer. Nachdem er Herrscher von Samos wurde beendete er sein Piratendasein, ließ aber mit der Piratenflotte Tribute von, seinen Bereich durchfahrenden Schiffen eintreiben.
 
aber warum konnten sie das ganze Mittelmeer beherrschen
Zu dem schon Vorgebrachten möchte ich ergänzen, dass den Piraten eine Art Machtvakuum im Mittelmeer zugute kam. Frühere Seemächte waren ausgeschaltet oder geschwächt, Rom hingegen war lange Zeit nicht gewillt, selbst eine große stehende Flotte zu unterhalten.

warum diese Eierei von Pompeius in Kreta
Das hatte mit innerrömischen Rivalitäten zu tun. Auf Kreta war seit einiger Zeit der Prokonsul Metellus mit der Unterwerfung der Insel beschäftigt. Als Pompeius sein umfassendes imperium für den Krieg gegen die Seeräuber erhielt, kam es zum Kompetenzkonflikt zwischen den beiden. Nach der Lex Gabinia, die die Grundlage für Pompeius' Kommando bildete, hatte er den Oberbefehl über alle Küsten des Mittelmeeres. Da Kreta zwar lang, aber schmal ist, fiel die gesamte Insel nunmehr in Pompeius' Zuständigkeit. Umstritten war, ob somit auch der Prokonsul Metellus, der ja selbst ein imperium hatte, sich dem Pompeius unterzuordnen hatte, ob also das imperium des Pompeius über dem des Metellus stand. Die noch Widerstand leistenden kretischen Städte wollten sich lieber dem als milde bekannten Pompeius ergeben als dem harten Metellus. Pompeius akzeptierte ihre Unterwerfung durch Gesandte, befahl dem Metellus, die Kampfhandlungen einzustellen, und schickte seinen Legaten Octavius nach Kreta, um die vereinbarte Unterwerfung zu vollziehen. Das passte dem Metellus, der sich um die Früchte seiner Mühen betrogen sah, natürlich überhaupt nicht, und er ignorierte die Unterwerfungsverträge einfach und setzte seinen Krieg fort. Octavius konnte zunächst mangels eigener Truppen nicht viel unternehmen, unterstützte aber trotzdem die Kreter. Cornelius Sisenna, der Statthalter von Griechenland, kam auch nach Kreta und riet dem Metellus, es gut sein zu lassen, unternahm aber nichts, als Metellus ihn ignorierte. Als Sisenna an einer Krankheit starb, übernahm Octavius dessen Truppen und ging nunmehr aktiv auf Seiten der Kreter gegen Metellus vor. Metellus, der später "Creticus" genannt wurde, konnte die Unterwerfung der Insel letztlich trotzdem abschließen.

die Sache mit der kretischen Stadt ist ja auch recht eigenartig wenns um normale Kriminelle geht.
Kretische Städte unterstützten die Piraten bzw. ihre Bewohner betrieben auch selbst Piraterie. Dass daraus ein echter Krieg mit Rom entstand, kam eher ungeplant. Der mit der Piratenbekämpfung betraute römische Feldherr Antonius wollte sie eigentlich nur zur Räson bringen, erlitt in einer Seeschlacht aber ein blamables Debakel. Daraufhin schickten die Römer den Metellus mit einem starken Landheer.
 
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Die Frage ist sicher nicht so eindeutig zu beantworten. Es gab sicher sehr unterschiedliche Erscheinungen. Von Räuberbanden bis hin zu ganzen Völkern. In Kilikien z.B. verlegten sich die Isaurier auf den Straßenraub, nachdem der Seeraub unterbunden wurde. Ganz haben die Römer sie wohl nie unter Kontrolle bekommen. In der Spätantike versuchte man sie dadurch zu kontrollieren, dass sie Hilfstruppen stellen mussten.

Und am Horn von Afrika hat man ja gesehen, wie schnell sich Piraten organisieren, wenn niemand eingreift. Und dieser Zustand hielt im Mittelmeer ja schon sehr lange an.

Schließlich dürfen wir die Aussage des Augustinus zum Unterschied zwischen Staaten und Räuberbanden nicht vergessen.
 
Die Piraten waren zu ihrer Blütezeit nicht mehr irgendwelche herumstreifenden Seefahrer, sondern sie gingen organisiert vor; es gab Ansätze eines mittelmeerumspannenden Systems. Die Piraten hielten untereinander eng zusammen, sie leisteten einander Beistand und rächten einander.
Zentrum der Piraterie war Kilikien, das seit dem Verfall des Seleukidenreiches faktisch herrenlos war und durch seine unzugängliche Topographie viel Raum für Schlupfwinkel bot. Nominell war Kilikien seit 102 zwar römisch, aber eben nur nominell. Später war es unter die Herrschaft von Tigranes dem Großen gekommen, der das Land aber vernachlässigte. In Kilikien unterhielten die Piraten Festungen, in denen sie ihre Familien und Schätze unterbrachten, außerdem war das Land dicht bewaldet und wurde daher zum Schiffbau genutzt. Die Piraten waren aber nicht nur Kilikier, sondern Gescheiterte aus aller Herren Länder, auch Römer, die in den Bürgerkriegen auf der Verliererseite gestanden hatten. Die drückende Last der römischen Steuerpächter ließ auch manch verzweifelten Provinzialen sein Glück im Piratenleben suchen. Auch Kreta war für die Piraten wichtig; die dortigen Stadtstaaten kooperierten mit ihnen. Weitere Schlupfwinkel waren die Küsten Lykiens (wo der Lykische Bund sich ihnen wohl oder übel fügen musste), Pamphyliens, Dalmatiens und Mauretaniens.

Zu den Isauriern:
Der Praetor Marcus Antonius „Orator“ intervenierte 102 in Kilikien und eroberte die Küste, aber ohne bleibenden Erfolg. Die Römer kontrollierten nicht einmal die Küste wirklich, geschweige denn das Binnenland. 79 wurde der Konsul Publius Servilius Vatia mit einer Flotte nach Kilikien geschickt. Er besiegte die Piraten in einer Seeschlacht, dann zerstörte er zahlreiche ihrer Stützpunkte an der Südküste Kleinasiens. Nun zog er gegen die Isaurier. Jahrelang führte er im unwegsamen Bergland Krieg gegen sie und zerstörte ihre Hauptfestungen Isaura (das aber bald wiederaufgebaut wurde) und Oroanda. Diese Erfolge brachten ihm den Siegernamen „Isauricus“ ein. Erst 75 wurde der Feldzug abgeschlossen. Die Piraten operierten in der Folgezeit hauptsächlich von Kreta aus. Die Isaurier verhielten sich in den folgenden Jahrhunderten offenbar weitgehend ruhig.
In den Wirren des 3. Jhdts. verlor die römische Zentralmacht die Kontrolle über ihr Gebiet, und sie begannen wieder mit ihren Raubzügen in der Umgegend. Sie riefen zur Zeit des Kaisers Gallienus sogar ihren Anführer Trebellianus zum Kaiser aus. Schließlich wurde er aber von Causisoleus, einem Feldherrn des Gallienus, besiegt und getötet. Unter Kaiser Claudius Gothicus wurden sie erneut geschlagen. Zur Zeit des Kaisers Probus dehnten sie ihre Raubzüge unter ihrem Anführer Lydius bis nach Lykien und Pamphylien aus, außerdem machten sie aus Kremna in Pisidien ihren schwer befestigten Hauptstützpunkt. Die Stadt wurde von den Römern belagert, und als Lydius fiel, kapitulierte sie.
Man versuchte in der Folgezeit aber nicht mehr, ihr unzugängliches, zum Guerillakrieg geeignetes, Gebiet zu erobern, sondern umgab es mit einem Gürtel aus Stützpunkten, um Raubzüge zu verhindern. Zeitweise brachten die Isaurier trotzdem auch die kilikische Küste unter Kontrolle und begannen Seeräuberei zu treiben.

Dass sie in der Spätantike Hilfstruppen stellen mussten, war weniger eine Art Beschäftigungstherapie sondern wohl eher der Politik geschuldet. (Zur Truppenstellung zwingen können hätte man sie wohl ohnehin kaum.) Kaiser Leon I. wollte lieber nicht mehr auf germanische Heerführer und Truppen setzen, deren problematische Macht er im Westen beobachten konnte. Auch seinen alanischen Söldnern und seinem alanischen Heermeister Aspar misstraute er. Daher heuerte er als Ersatz die Isaurier an, die immer noch als Barbaren galten. Besonders ihren Häuptling Tarasicodissa Rusumbladeotes (der später den Namen Zenon annahm) protegierte er und verheiratete ihn sogar mit seiner Tochter Ariadne. Ihr gemeinsamer Sohn wurde als Leon II. Kaiser, dann folgte Zenon selbst. Nach seinem Tod heiratete seine Witwe den Beamten Anastasios, der Kaiser wurde. Zenons Bruder Longinus wollte das nicht akzeptieren, und es kam zum Bürgerkrieg, den Anastasios gewann. Die Macht der Isaurier war damit gebrochen. Anastasios ließ einen Großteil von ihnen nach Thrakien umsiedeln. Die im 8. Jhdt. regierende fälschlich mitunter so bezeichnete „Isaurische“ Dynastie hatte nichts mit den Isauriern zu tun; richtiger wird sie daher „Syrische“ Dynastie genannt.
 
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