Meine Frage war in erster Linie:
War VOR der Varusschlacht - im vorangehenden Sommer, in den vorangehenden Jahren - eine Unruhe unter den nicht zu Arminius gehörenden Germanen spürbar, oder verhielt sich alles bis zum großen Knall komplett ruhig?
Es gab um die Zeitenwende den immensum bellum vereinzelter Stämme. Der wurde innerhalb eines Zeitraums von 2Jahren von Tiberius niedergeschlagen. Die Cherusker wurden nicht angegriffen, sondern als Verbündete gewonnen. 6n.Chr. versuchte Tiberius die Markomannen unter der Herrschaft von Marbod anzugreifen, was aus bekannten Gründen mißlang.
Cassius Dio schreibt, daß nach Tiberius die Lage friedlich war und es wird so ausgedrückt: die Schwerter wurden rostig und die Gäule lahm.
Selbst das Wetter soll besser geworden sein....und das heißt schon was. Größere Unruhen waren somit nicht zu erwarten. Die Verwaltung Germaniens wurde 5n.Chr. vom Statthalter Caius Sentius Saturnius übernommen, der sie wiederum 7n.Chr. an Varus übergab.
Jetzt etwas Grundsätzliches über die Germanen. Die Germanen waren ein Kriegervolk und keine Bauern! Diese Ansicht, die Tacitus in seiner Germania beschreibt, wird durch die heutige Archäologie wieder unterstützt. So waren die Germanen in der Landwirtschaft ziemlich unfähig. Aus den vorhandenen Mitteln holten sie nicht den maximalen Erfolg heraus, sondern eher das Minimum. Vorratshaltung im größeren Stil war ihnen unbekannt. So kam es zu häufigeren Hungersnöten und Mangelerscheinungen. Die Versorgung bestand größtenteils aus einem Brei aus Gerste, Hafer und Unkrautsamen (bis zu 40%!). Fleisch und Brot waren eher selten und die Jagd aufgrund der fehlenden Vorratshaltung ebenfalls. Wichtig war nur eine Viehherde, die man notfalls auch in die Wälder treiben konnte. Diese Viecher wurden aber nicht geschlachtet, sondern dienten zur Milchproduktion und als Statussymbole.
Man fand sogar Eicheln als Nahrungsmittel (z.B. geröstet Eichelhälften) und nicht die genießbaren Bucheckern! Schlechtweg ungenießbar und ein richtiger Fraß! (Quelle Prof. Dr. Ebel-Zepezauer)
Warum schreibe ich das hier.....es waren harte Zeiten mit viel Gewalt! Die Germanen scherten sich nicht um die Landwirtschaft, sondern vertraten die Ansicht: was ich nicht mit Handel erwerben kann, das hole ich mir!
Gegenseitige Streitigkeiten unter den verfeindeten Stämmen waren an der Tagesordnung. Jeder wehrfähige Germane war ein Krieger und es wurde mit Mißachtung gestraft, wenn man aus der Schlacht ohne Schild zurückkehrte bzw. Feigheit vor dem Feind zeigte. Man brauchte keine Truppen auszuheben, sondern die Krieger waren da und konnten kurzfristig mobilisiert werden (siehe auch DELBRÜCK).
Diese Welt ist uns heutzutage recht schwer vorstellbar, aber wenn damals irgendwo ein Streit ausbrach (und das ging anscheinend schnell), dann hieß es ja nicht diesen zu vermeiden!
TIMPE schreibt hierzu: "Römische Legionäre gingen zwar nicht im Wald spazieren, aber sie brauchten sich auch nicht als mögliche Opfer einer terroristischen Untergrundorganisation zu betrachten."
Aber so richtig ruhig war es in Germanien nie! Die Römer betrachteten es nur als Ruhe, wenn sie nicht selbst angegriffen worden sind. Die Streitereien innerhalb der germanischen Stämme waren ihnen weitestgehend egal, z.B. 59n.Chr. werden die romfreundlichen Ampsivarier von den Cheruskern vollständig vernichtet.
Einen freien germanischen Stamm konnte man aufgrund seiner Gebräuche und Handlungsweisen nicht zur Ruhe erziehen. Irgendwann hat es dann gekracht. Ein Appell an die Vernunft bewirkte gar nichts.