Wie und wann wurden viele Germanenvölker zu arianischen Christen?

Und das Christentum war ja als Glaube für die unteren Schichten nicht ganz unattraktiv, gerade in hierarchischen Gesellschaften.

Ich kann das für die Germanen zugegebenerweise nicht sagen, aber für die spätere Ausdehnung nach Osten lässt sich klar erkennen, dass es gerade die oberen Gesellschaftschichten der Slawen waren, die von der Christianisierung (und den damit einhergehenden Hierarchisierungen) profitierten. In Skandinavien lässt sich ähnliches beobachten. Die Christianisierung geht einher mit der Durchsetzung des Königtums und einer Stabilisierung hierarchischer Machtverhältnisse.

Aber ein Gott, der sich - zumindest nach katholischer/rechtgläubiger Lehre, in der arianischen Christologie ist das ja dann nicht der Fall - ohne sich zu wehren ans Kreuz schlagen lässt, um zu sterben, das ist zunächst ein Schwächling, der in einer Kriegergesellschaft keinen Platz hat.

Insofern ist die angebotene Erklärung, warum die Germanen (aber genauso auch die Bewohner des römischen Reiches) nach und nach zum Christentum kamen, eher unbefriedigend.

Die Frage ist ja auch, ob man von unten oder von oben christianisierte. Für das römische Reich gibt es z.B. die Annahme, dass die Christianisierung zunächst die unteren Schichten erfasste, es gibt aber - bei genauerer Betrachtung der Sachlage - auch Gegenargumente dazu.

Es mag eine sehr allgemein klingende These sein, aber ich halte folgende "historische Vorteile" des Christentums für die entscheidenden:

1.) Es war kompatibel mit einer hierarchischen Staatsverfassung, dafür hatten die Kirchenväter gesorgt. Damit stabilisierte es die gesellschaftlichen Verhältnisse zugunsten einer zentralen Machtinstitution. Das zeigt sich an der Entwicklung im römischen Reich ab Konstantin, und das wiederholt sich mWn in Skandinavien und bei der Erweitreung des HRR jenseits der Elbe.

2.) Durch die friedliche Botschaft Jesu und durch die reale Zentralisierung der "staatlichen" Gewalt kann diese Entwicklung für viele Menschen Vorteile geboten haben, die bisher unter dem faktisch vorhandenen Recht des Stärkeren leiden mussten. Auch die wirtschaftliche Entwicklung, die eine ideologische Verbindung mit der "christlichen Welt" und die Durchsetzung eines gewissen Landfriedens bot, sind hier erwähnenswert.
 
Naja... wenn man sich die bekannten Jenseitsvorstellungen anschaut wie Walhalla, die sind auch - zumindest aus Perspektive der Kriegernobilität nicht schlecht. Was das Opfern angeht, so steht dahinter doch die Sichtweise, dass man für eine Gegenleistung auch etwas bekommt, im Sinne eines reziproken Tausches.



Das ist leicht dahingeschrieben. Dabei ist die christliche Theologie in ihrem Gottesbild alles andere, als in sich logisch. Da ist einerseits ein Gott, der - im Gegensatz zu den heidnischen Göttern, die den Naturgesetzen wenigstens teilweise unterworfen sind - allmächtig sein soll. Das ist sicher faszinierender, als die begrenzten Mächte der heidnischen Götter, wenn diese auch tolle Gimmicks haben.
Aber ein Gott, der sich - zumindest nach katholischer/rechtgläubiger Lehre, in der arianischen Christologie ist das ja dann nicht der Fall - ohne sich zu wehren ans Kreuz schlagen lässt, um zu sterben, das ist zunächst ein Schwächling, der in einer Kriegergesellschaft keinen Platz hat.

Insofern ist die angebotene Erklärung, warum die Germanen (aber genauso auch die Bewohner des römischen Reiches) nach und nach zum Christentum kamen, eher unbefriedigend.

Die Frage ist ja auch, ob man von unten oder von oben christianisierte. Für das römische Reich gibt es z.B. die Annahme, dass die Christianisierung zunächst die unteren Schichten erfasste, es gibt aber - bei genauerer Betrachtung der Sachlage - auch Gegenargumente dazu.

Naja, ob die germanische Kriegergesellschaft in allen Gliedern wirklich sooo kriegerisch war?? Und mit dem Opfern und was dafür erhalten ist ja auch so eine Sache, wenn der Nachbar mehr "bezahlt", man einen Gott vergessen hat usw.

Weiterhin ist Religion nicht logisch, wenn man sich ansieht, an was Menschen alles glauben/glaubten ......, es kommt ja immer auf den Eifer und die Redegewandtheit des "Missionars" an.

Zur Christianisierung von oben bzw unten:

Muß denn alles nur immer aus einer Richtung kommen? Es werden immer alle möglichen Gründe für die Christianisierung angführt, wirtschaftliche, politische, irgendwelche Gesellschaftliche .....

Das postuliert aber doch ein Konstrukt einer Staatsreligion, aus der jemand Nutzen ziehen will/soll. Dabei werden Dinge wie Spiritualität und religiöser Eifer/Überzeugung nicht betrachtet.

Gut, wir wissen jetzt nicht, wie z.B. Bonifatius oder Wulfila auf andere gewirkt hat, aber es hat sich ja nun damals niemand eine Strategie zu recht gelegt, was erzählen wir denen , was nicht, was bieten wir, was haben wir davon. Bei dem einen oder anderen mag so etwas mit reingespielt haben, aber als alleiniger Grund .....
 
Weiterhin ist Religion nicht logisch, wenn man sich ansieht, an was Menschen alles glauben/glaubten ......, es kommt ja immer auf den Eifer und die Redegewandtheit des "Missionars" an.

Du vergisst, dass mit der Christianisierung ein religiöses System durch ein völlig anderes ersetzt wurde, mit völlig anderen Vorstellungen, die erst mal ungewohnt waren. Die polytheistischen Religionen sind flexibler, man kann fremde Götter mit den eigenen identifizieren (Interpretatio Romana, Interpretatio Gallica, Interpretatio Germanica), die Kulte integrieren. Das funktioniert aber mit monotheistischen Religionen nicht. Man hat auf Naturgewalten/Naturphänomene eine direkte Antwort.

Zur Christianisierung von oben bzw unten:

Muß denn alles nur immer aus einer Richtung kommen? Es werden immer alle möglichen Gründe für die Christianisierung angführt, wirtschaftliche, politische, irgendwelche Gesellschaftliche .....
Das hängt von den Gesellschaftssystemen ab. Es gab in vormoderenen Gesellschaften keinen Individualismus, wie wir ihn heute kennen. Man befand sich in Personenverbänden, in Klientelverhältnissen. Das gilt für Römer und Gallier in stärkerem Maße als für Germanen (was im Übrigen gerne als ein struktureller Grund dafür angeführt wird, dass die Romanisierung Galliens innerhalb kurzer Zeit von Statten ging, in Germanien aber scheiterte). Glauben war keine Einzelentscheidung (naja, ist es heute auch erst ab einem bestimmten Moment), sondern geschah in einem sozialen Gefüge.
In der Vergangenheit hat man angenommen, dass die Durchsetzung des Christentums im römischen Reich damit zusammenhing, dass das Christentum für die Sklaven und Armen eine besondere Anziehungskraft hatte, man weiß heute aber, dass es sehr früh schon Christen gab, die wohlhabend waren und das latinische oder römische Bürgerrecht hatten.
Um zum Personenverband zurückzukommen: Wenn man als Missionar die Führungspersönlichkeiten eines Personenverbandes vom Christentum überzeugt hatte, dann waren die Klienten/Gefolgsleute quasi automatisch mitmissioniert.

Hinzu kommt dann noch, dass das Christentum eine städtische Religionsgemeinschaft war, was sich bis heute in dem Wort für die Polytheisten widerspiegelt: pagani/Heiden - sprich: 'Landbewohner'.
Auch hier wiederum: Die Germanen hatten keine Städte, selbst die, welche im römischen Reich föderative Königreiche errichteten lebten vorwiegend auf dem Land. Insofern ist die Erklärung, warum die Germanen zu Christen wurden - egal ob Arianer oder Katholiken - nicht ganz einfach. Da liegt der Kasus Knacktus.
 
Naja... wenn man sich die bekannten Jenseitsvorstellungen anschaut wie Walhalla, die sind auch - zumindest aus Perspektive der Kriegernobilität nicht schlecht. Was das Opfern angeht, so steht dahinter doch die Sichtweise, dass man für eine Gegenleistung auch etwas bekommt, im Sinne eines reziproken Tausches.
ist das rustikale Wikingerparadies mit Odin und Walküren nicht eine viel spätere "Erfindung"? Zwar lässt Felix Dahn den "heidnischen" Hildebrand in seinem geschichtsklitternden Roman "Kampf um Rom" von Odin reden, aber Herwig Wolfram bemerkt zur Religion der Goten, dass sie keinen Odin/Wotan kannten.
Ich weiß nicht, ob gelegentliche Erwähnungen des Götternamens Wodan (Nordendorfer Spange, altengl. und ahd. Zaubersprüche) auch die Vorstellung von besagtem Germanenparadies erlauben - eher scheint mir, dass man von den Jenseitsvorstellungen der germanischen Heiden der Völerwanderungszeit so gut wie nichts weiß.
 
Und war die Gefolgschaft absolut gegen die Neuerung oder der Anführer nicht sooooo anerkannt, war er den Anführerposten los.
Das die Erklärung des "warum" nicht ganz so einfach ist, ist das , was ich zeigen wollte.

Abgesehen davon, das es zwischen Allemannen und Goten ja auch Unterschiede gibt, die man nicht von der Hand weisen kann.

Die einen waren auf der "Wanderung" während der Missionierung, die anderen hatten ein "teilchristianisiertes " Gebiet erobert als Heiden. Von der vorchristlichen Glaubenswelt beider wissen wir nichts.
 
Um zum Personenverband zurückzukommen: Wenn man als Missionar die Führungspersönlichkeiten eines Personenverbandes vom Christentum überzeugt hatte, dann waren die Klienten/Gefolgsleute quasi automatisch mitmissioniert.

Und die meisten der germanischen Führungspersönlichkeiten strebten nach einer Karriere im römischen Reich, am besten als magister militum oder etwas ähnlichem. Dies dürfte bei den meisten der Hauptgrund der Konvertierung gewesen sein, das Gefolge hatte dann keine andere Wahl.
 
Und die meisten der germanischen Führungspersönlichkeiten strebten nach einer Karriere im römischen Reich, am besten als magister militum oder etwas ähnlichem. Dies dürfte bei den meisten der Hauptgrund der Konvertierung gewesen sein, das Gefolge hatte dann keine andere Wahl.
Wie? Sieht man auf Hessen - Thüringen - Sachsen, waren die Römer schon lange weg.
Bonifatius - Amöneburg, die beiden Brüder hier, könnten dem arianischen Glauben zugewandt sein.

en hesse
 
Ja, die Herren, aber das ist doch eine kleine Minderheit oder? Sieht man die Arbeit von Bonifatuis gerade in Hessen und Thüringen waren um einige wenige Insel/Stützpunkte herum, nur die sogenannten "Heiden" vorhanden.

en hesse

Es handelt sich aber nicht um freiwillig konvertierte, sondern die Franken setzten mit militärischen Mitteln das Christentum durch, wobei Bonifatius die Kirchenorganisation aufbaute. In diesem Fall braucht man nicht über die Gründe zu diskutieren, warum Chatten oder Thüringer das Christentum annahmen.
 
Es handelt sich aber nicht um freiwillig konvertierte, sondern die Franken setzten mit militärischen Mitteln das Christentum durch, wobei Bonifatius die Kirchenorganisation aufbaute. In diesem Fall braucht man nicht über die Gründe zu diskutieren, warum Chatten oder Thüringer das Christentum annahmen.

Bitte wo ist nachgewiesen, für diesen Bereich, dass die Franken das Christentum mit militärischen Mitteln durchsetzten?
Sie sehe es ein wenig anders, Bonifatius missionierte und baute gleichzeitig eine Kirchenorganisation auf. Der größte Teil der Bevölkerung bestand aus Heiden. Möglich das der Eine oder Andere mit dem Christentum in Berührung kam, aber der große Tross hatte den heidnischen Glauben, trotz einer christlich fränkischen Oberschicht. In wieweit diese in Hessen vorhanden war, ist eine andere Frage.

en hesse
 
Bitte wo ist nachgewiesen, für diesen Bereich, dass die Franken das Christentum mit militärischen Mitteln durchsetzten?

Die Hessen von Geismar stehen also ehrfürchtig dabei, wie Bonifats die Eiche fällt und warten gemeinsam, ob sie jetzt alle vom Blitz erschlagen werden?
Oder war die Ehrfurcht doch mehr der fränkischen Garnison von Büraburg geschuldet?
 
Es handelt sich aber nicht um freiwillig konvertierte, sondern die Franken setzten mit militärischen Mitteln das Christentum durch, wobei Bonifatius die Kirchenorganisation aufbaute. In diesem Fall braucht man nicht über die Gründe zu diskutieren, warum Chatten oder Thüringer das Christentum annahmen.

Es verkürzt das Wirken des Bonifatius, wenn man ihn auf den bürokratischen Aufbau einer kirchlichen Organisation reduziert,

Selbstverständlich unternahm Bonifatius auch zahlreiche Missionsreisen und zog viele Jahre durch Hessen, Thüringen und Bayern. Mission und die Gründung von Klöstern gingen Hand in Hand und bezeichnenderweise wurde Bonifatius anlässlich einer Missionsfahrt in Friesland erschlagen.

Dass ein solches Missiosnwerk staatlicher Unterstützung bedarf, versteht sich von selbst. Insofern deckte sich der Missionswunsch von Mönchen und anderen Kirchenleuten mit den Interessen fränkischer Herrscher, die in einer christlichen Reichskirche eine starke Klammer für den Zusammenhalt des Frabkenreichs sahen. Klostergründungen wurden daher unterstützt und die reisenden Missionare erhielten Schutzbriefe - dass das nicht immer nützte, zeigt die Ermordung des Bonifatius in Friesland.
 
Wobei sich ja Bonifatius bitter über die "Christen" beschwerte, die munter dem alten Glauben ganz oder teilweise huldigte .....
 
Wobei sich ja Bonifatius bitter über die "Christen" beschwerte, die munter dem alten Glauben ganz oder teilweise huldigte .....

Als katholischer Mönch und Priester sei ihm das gestattet.

Dass Menschen, die ihr ganzes Leben Wotan, Freia und Donar verehrten, nicht von heute auf morgen katholische Christen bis ins Mark werden, ist verständlich. Ein solcher Prozess braucht seine Zeit und der heidnische Glaube hielt sich in der Bevölkerung Deutschlands und Skandinaviens noch lange Zeit - oft parallel zueinander.

Wer sich die heidnischen Zeremonien der indigenen Bevölkerung Südamerikas anschaut, der sieht, wie heidnischer und christlicher Glaube sich bruchlos vermengen.
 
Es spricht einiges dafür - zumindest gemäß der Willibald-Vita - dass Bonifatius in Hessen und Thüringen vielfach auf "nominelle" Christen traf, die aber den Glauben ganz und gar nicht nach den Vorstellungen der Kirche pflegten.
In der Tat käme es zu kurz, Bonifatius nur als Kirchenadministrator zu sehen. Die kaum ausgebaute Kirchenstruktur in Hessen und Thüringen bot ihm vielmehr die Möglichkeit, dort mehr eine Kirche nach seinen Vorstellungen zu formen, wobei er wohl eine enge Unterstützung durch den dortigen Hausmeier Karlmann erhielt. Sie sollte auch ein deutliches Gegenwicht zu den bereits fränkisch besetzten Bistümern am Rhein bilden, denn Bonifatius lehnte die verweltlichte Amtsführung der dortigen Bischöfe - die etwa persönlich an Kriegszügen teilnahmen - schärfstens ab. In gewisser Weise war er auch ein Reformchrist. Er bemängelte den Aberglauben auch in den bereits konsolidierten Gebieten des Frankenreichens und sogar in Rom, dass er als junger Mann persönlich besuchte.
 
Ja, Ashigaru, er traf auf "nominelle" Christen, aber traf das nicht vielleicht nur einen fränkisch geprägten oder aus Franken kommenden Personenkreis an.
Der große Rest hing dem alten Glauben an. Das er dann mit Unterstützung, fränkischer Seite, seine Glaubenlehre umzusetzen und eine Kirchenstruktur nach seinen Vorstellungen aufzubauen begann ist voll nachvollziehbar. Es gab Christen schon in seiner Zeit, nur welche Art und wie viele? Deshalb meine ich, man kann nicht von einem missionierten Hessen/Thüringen vor seiner Zeit reden. Er begann erst damit das Christentum dort, mit Unterstützung, einzuführen.
 
Das Bonifatius nur Nominalchristen etc. traf ....
Sicher ist, das er eine Art Amtskirche etablierte, denn vor ihm waren ja andere Missionare da, die auch nicht erfolglos waren. Und es gab ja in der Allemannia wohl noch ein paar "eroberte" Christen.

Dann darf man den Zeitraum nicht vergessen, Bonifatius missionierte ja fast 40 Jahre
und er traf auf schon z.T. missionierte (Hlg. Wilfried und andere) Christen.

Also gut 100 Jahre Missionsarbeit, das sieht mehr nach Überzeugungsarbeit denn gewaltsame Bekehrung aus. Obwohl die dann wohl den Schlußpunkt setzte
 
Heidentum und Hausherr, eine Perspektive

Ob "verderbte", weitgehend "heidnische", oder vielleicht gar "versprengte arianische" Christen im späteren Missionsgebiet des Bonifatius nun erwähnt werden oder nicht. So fand er durchaus auch schon die Spuren früherer Missionare vor. Aber sicherlich kein einheitlich christliches Bild in diesem bereits seit längerer Zeit den offiziell katholischen Franken unterstehenden Gebieten. Er hat nicht nur reformiert, sondern auch missioniert...

Ich möchte noch einmal Zeitlich sehr weit zurückgehen um den Übergang von den alten religiösen Vorstellungen zu dem neuen christlichen Glauben verständlicher zu machen. Die alten Vorstellungen sind uns Heutigen eigentlich völlig fremd geworden. Für uns ist Glaube immer etwas Persönliches: Etwas zwischen Gott und einer Einzelperson. Dieses Verhältnis wird (je nach christlicher Konfession) durch Gottesdienst und Kulthandlungen der christlichen Gemeinde nur ergänzt und unterstützt. Was aber fanden die christlichen Missionare vor? Ich versuche nun etwas Holzschnitthaft-Grob den Unterschied aufzuzeigen und greife dabei auf den besser dokumentierten, römische Polytheismus der Antike zurück.

Bekanntlich attestierten die frühesten römischen Autoren, welche die Religiosität der Germanen behandeln, dass deren Religion weitgehend eine Naturreligion sei und sie keine Tempel gekannt hätten... Der altrömischen Religion attestiert Altmeister Jochen Bleicken beiläufig in seinem schönen Werk „Augustus, Eine Biographie“ (ebenfalls) eine recht naturnahe Religiosität, deren Götterwelt erst mit ihrem Kontakt zur griechischen Religiosität stärker persönliche Eigenheiten der Götter entwickelt habe. Ich will einmal von diesem Zitat ausgehend, weiter skizzieren:
Bleicken schrieb:
Die altrömische Religion war von ihrem Wesen her eine Naturreligion; die Beziehungen des Menschen zu den Kräften der Natur war durch magische Abwehr, Tabuisierung und rituelle Entsühnung geprägt, nicht durch die Herstellung persönlicher Nähe. Zwar unterschieden auch die Römer eine Mehrzahl von Göttern, aber der personale Charakter einer Gottheit trat vor ihrer besonderen Wirkungsweise (numen) zurück. Von dieser Vorstellungswelt führte kein Weg zu einer Identifikation von Mensch und Gott. Erst durch die Rezeption griechischer Religiosität wandelte sich ganz allmählich auch die römische Ansicht vom Göttlichen, gewann der persönliche Charakter der Gottheit stärkere Konturen. Vor allem in den Häusern der Vornehmen, etwa der Julier und Antonier, wurde nun durch die Adaption von Mythen gar eine göttliche Herkunft konstruiert.
Religion war also auch bei den Römern Ausdruck gemeinsamen Handelns einer Gruppe gegenüber den Göttern. Für den Staat bestellte man Priester oder Magistrate (=Anführer!), die im Namen der Gemeinschaft in öffentlichem Kult mit den Göttlichen kommunizierten. Auf kleinerer Ebene galt das Gleiche im Rahmen der familia: Anstelle öffentlich bestellter Priester übernahm hier der Hausherr diese Aufgabe: Er opferte den Göttern, den Ahnen, den Laren des Hauses… etc.
Das hängt von den Gesellschaftssystemen ab. Es gab in vormoderenen Gesellschaften keinen Individualismus, wie wir ihn heute kennen. Man befand sich in Personenverbänden, in Klientelverhältnissen.

Ich halte fest, dass diese Art religiöser Praktiken nichts mit einer persönlichen Bindung zwischen Gläubigem und Gott zu tun hat, wie es im Christentum oder den anderen monotheistischen Religionen erforderlich ist. Es war Aufgabe der jeweiligen Gemeinschaft in Kontakt mit den Höchsten zu treten – und der jeweilige „Anführer“ übernahm dies (oder delegierte es)! Der „Rest der Gruppe“ machte dann mit.
Dies vorab zum Verständnis und zurück zu den Germanen, bei denen man sicher davon ausgehen kann, das ihre Religion ebenfalls ein Wechselspiel von Opfer, „Abwehr, Tabuisierung und ritueller Entsühnung“ kannte, bei dem eine Führungsperson als Ausführender und Mittler zu den göttlichen Mächten auftrat. Klar wird also, wie wichtig diese Person des Anführers/Hausvaters etc. für derartige religiöse Handlungen war!
Nehmen wir nun an, dass ein erfolgreicher Missionar einen höheren Germanenführer für seinen christlichen Glauben gewann: Der „Hausherr“ praktizierte nun anstelle der bisherigen Riten für die alten Götter einen christlichen Gottesdienst – durchgeführt durch einen von ihm beauftragen Priester. Gemäß der alten Tradition konnte er davon ausgehen, dass wie bisher die Leute seines erweiterten Hausstandes ebenfalls an diesen Feiern teilnehmen würden, wenn er es verlangte. In äußerster Konsequenz würde sich sein „Hausstand“/Gefolgschaft mit ihm taufen lassen.


Natürlich kann diese Ableitung nicht alleine stehen, aber sie hilft die Vorgänge bei Massentaufen unter Germanen etwas besser zu verstehen. Allerdings hatte in dem alten, polytheistischen Religionssystem jeder Mensch die theoretische Möglichkeit, neben den offiziell/öffentlichen Kulten seine private Hilfe bei einer beliebigen Gottheit zu suchen. Er konnte durchaus öffentlich dem Jupiter (oder später dem Christengott) huldigen, privat aber den Gott/ die Götter seiner Wahl mit seinen persönlichen Befindlichkeiten ansprechen. Diese Freiheit war aber für einmal getaufte Christen per Definition nicht mehr möglich. Es war an der Kirche dies dann auch durchzusetzen. Bonifatius jedenfalls hat an dieser Aufgabe schwer gearbeitet indem er Kirchenpersonal, Kirchenorganisation und Gläubige auf die christliche Lehre festgelegt hat...
 
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Klar wird also, wie wichtig diese Person des Anführers/Hausvaters etc. für derartige religiöse Handlungen war!
In den Quellen ist jedoch meist die Hausmutter. Etliche germanische Könige heirateten erst christliche Prinzessinnen, nahmen anschließend selbst diese Religion an und drängten sie anschließend Hausstand und Gefolge auf. Der Trick mit der christlichen Prinzessin funktionierte bei beiden Konfessionen.

Zumindest für Thüringen gibt es mit dem Opfermoor Oberdorla eine archäologische Quelle.
Im 6. Jahrhundert wird der letzte umhegte (daher auch oberflächlich sichtbare) Opferplatz am Moor durch Brand zerstört. Die seit der Eisenzeit stets vorhandene Opfertätigkeit geht stark zurück, hält sich aber bis ins hohe Mittelalter auf niedrigem Niveau.
Mit dem "Priestergrab" von Schlotheim liegt eine eindeutig christliche Bestattung aus der gleichen Zeit vor - auch wenn es sich eher nicht um einen Priester sondern um eine Krieger mit christlich verzierter Prunklanze handelt.
Die Region war also um 600 deutlich bereits oberflächlich christlich und heidnische Riten wurden wenn überhaupt nur geheim praktiziert.
Ein Beleg für eine weitgehende Christianisierung vor Bonifatius ist das sicherlich, sie fällt jedoch bereits in die Zeit fränkischer Herrschaft.

Eine frühere Christianisierung der thüringischen Könige wird vor allem aufgrund der Einheiratung der ostgermanischen und arianisch-christlichen Prinzessin Amalaberga nahelegt. Echte Hinweise für die missionierende Wirkung dieser Ehe analog zu Chlodwigs Ehe mit der katholischen Burgunden-Prinzessin gibt es allerdings nicht.
Arianisches Christentum in Mittel-, Süd- oder Norddeutschland bleibt Spekulation.

Zur Bekehrung der spanischen Sueben gibt es noch Input.
Die Sueben wurden im Auftrag der Westgoten von dem wohl nicht germanischen Kleriker Ajax bekehrt. Die Heirat des Sueben-Königs mit einer gotischen Prinzessin ging voraus.
Zuvor waren die Sueben keine Arianer trotz des gemeinsamen Zuges mit den Vandalen keine Arianer gewesen. Zumindest Teile der Sueben waren bereits Anhänger des römischen Christentums.
Auffällig ist, dass die germanischen Könige von Anfang an auf einen Konflikt der Konfessionen setzten. Anders als der heute populäre und in buntesten Farben ausgemalte Konflikt zwischen Heiden und Christen ist der zwischen Arianern und Trinitariern gut überliefert, lang andauernd und vor allem kompromisslos.

Es scheint sich hierbei um eine langobardische Sitte zu handeln. Und die Langobarden waren Arianer. Für Süddeutschland ist der älteste Fund von Blattgoldkreuzen auf 620 uZ datiert.
Dass diese Kreuze aus Blattgold der langobardischen Mode entsprechen, ist nicht zu leugnen. Zu beachten ist jedoch, dass die Langobarden zur Zeit der Entstehung der Grabsitte zur Römische Kirche tendierten. Bereits um 600 war der Arianismus bei den Langobarden auf dem Rückzug. König Agilulf tolerierte bereits das römische Christentum, blieb aber Arianer, sein Sohn wurde bereits römisch getauft. Die Kreuzbeigabe kann daher aufgrund der schriftlichen Überlieferung sowohl arianisch als auch trinitarisch sein, auf jeden Fall war sie aber germanisch.
Das Verschwinden der Kreuze im 8. Jahrhundert lässt sich leucht mit dem allgemeinen Ende der Beigabensitte bei Allamannen, Franken und Co erklären, vielleicht ausgelöst durch die karolingische Kirchenreform, Bonifatius usw.
 
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