Wie verhielt sich eigentlich das Volk während der Restauration?

Beatchen

Neues Mitglied
Hi,

nach meiner vergeigten Klausur bin ich nur noch am Geschichte pauken und wie das so ist bin ich hier und da auf einige - für mich - Ungereimtheiten gestoßen ...

Zwar habe ich mich in mehreren Büchern und Internetseiten belesen, doch nur wenig über die sozialen Folgen des Wiener Kongresses gefunden - klar, es gab haufenweise territoriale "Umstrukturierungen" und hier und da auch kleine Aufstände - bis 1830, doch was war mit dem Volk???

Was geschah mit den Bürgern, deren Heimatland plötzlich Rußland und nicht mehr Polen hieß, mußten die russisch lernen, wurden die integriert oder eher ignoriert?

Wie fanden es die Sachsen, daß die plötzlich zu Preußen oder Thüringen gehörten obwohl die doch gar nichts mit der Entscheidung des Königs zu tun hatten, bis zuletzt loyal gegenüber Napoleon zu bleiben?

Wie reagierten die Fürsten deren Ländereien, im Zuge des Zusammenlegens mehrerer Kleinstaaten, einfach "einverleibt" wurden?
Gab es im Zuge der Legitimität auch Fürsten, die irgendwie davon provitierten, zwar ihren Besitz behalten zu dürfen aber dafür in einen anderen Bundesstaat eingefügt zu werden?
Die haben doch dann auch ihren Titel verloren, oder? Ich kann doch kein "Fürst von Soundso" sein, wenn es mein Fürstentum schon gar nicht mehr gibt, oder :grübel: ?

Und wie kann es sein, daß sich das gebildete Bürgertum über 10 Jahre lang zurückhält und die Errungenschaften der Revolution, die neuen nationalen und liberalen Werte und Bewegungen, soz. "auf Eis legt" ... oder wie muß ich das verstehen?

Vielleicht kann mir da ja eine/r von Euch Schlaufüchsen ein paar Denkanstöße geben??? Vielen lieben Dank, das Beatchen :winke: !
 
Beatchen schrieb:
Gab es im Zuge der Legitimität auch Fürsten, die irgendwie davon provitierten, zwar ihren Besitz behalten zu dürfen aber dafür in einen anderen Bundesstaat eingefügt zu werden?
Die haben doch dann auch ihren Titel verloren, oder? Ich kann doch kein "Fürst von Soundso" sein, wenn es mein Fürstentum schon gar nicht mehr gibt, oder :grübel: ?

Doch, geht schon.
Die Welfen haben es vorgemacht.
Ernst August müsste man heissen.

Stell dir mal vor, es würde wieder Monarchie eingefürt. Einen Kaiser hätten wir dann schon, wegen den Genen. Ich bitte den Absatz zu beachten. Kann mir schon vorstellen, was da noch kommt.
 
Zuletzt bearbeitet:
florian17160 schrieb:
Doch, geht schon.
Die Welfen haben es vorgemacht.
Ernst August müsste man heissen.

Stell dir mal vor, es würde wieder Monarchie eingefürt. Einen Kaiser hätten wir dann schon, wegen den Genen. Ich bitte den Absatz zu beachten. Kann mir schon vorstellen, was da noch kommt.

Schlaf brauchst Du wohl keinen?

Es geht heute den Fürstenhäusern, die um 1805 ihre Souveränität einbüßten deutlich besser, als denen, die sie erst 1918 verloren. Ich erinnere nur mal an die Häuser Fürstenberg oder Waldburg, die Liste ist beliebig verlängerbar.
Auch die Sigmaringer Hohenzollern haben deutlich mehr im "Kreuz" als die Berliner Linie.
Die Fürstenrechte waren vielschichtig, und den "mediatisierten" ging ja nur die oberste Schicht, der selbständige Reichsfürst, verloren. Den "Rest" behielten sie ja.
Aber dazu gibt es hier profundere Kenner.

Grüße Repo
 
hallo -
was die fürsten angeht, die ihre eigenständige herrschaft verloren haben, und ihre titel ja dennoch weiterführten (dann später als namensbestandteile) gibt es eine systhematik: aus den königen von bayern u. württemberg wurden wieder herzöge, aus den großherzögen von baden wieder markgrafen. was sie als regierende fürsten waren, verschwindet aus dem namen u. die jeweils zuvor geführte bezeichnung dürfen sie behalten. auch schön. zu den welfen möchte ich noch sagen - die sich immer als älteste deutsche dynastie bezeichnen - daß die echten, alten fränkisch-schwäbisch-sächsischen welfen irgendwann im mittelalter im mannesstamm ausgestorben sind. die 'welfen' heute stammen von den italienischen este ab. welche dynastie ist denn also heute die älteste im MANNESSTAMM: wettiner, wittelsbacher, zähringer...???
 
rinaldo schrieb:
hallo -
was die fürsten angeht, die ihre eigenständige herrschaft verloren haben, und ihre titel ja dennoch weiterführten (dann später als namensbestandteile) gibt es eine systhematik: aus den königen von bayern u. württemberg wurden wieder herzöge, aus den großherzögen von baden wieder markgrafen. was sie als regierende fürsten waren, verschwindet aus dem namen u. die jeweils zuvor geführte bezeichnung dürfen sie behalten. auch schön. zu den welfen möchte ich noch sagen - die sich immer als älteste deutsche dynastie bezeichnen - daß die echten, alten fränkisch-schwäbisch-sächsischen welfen irgendwann im mittelalter im mannesstamm ausgestorben sind. die 'welfen' heute stammen von den italienischen este ab. welche dynastie ist denn also heute die älteste im MANNESSTAMM: wettiner, wittelsbacher, zähringer...???

Zu den Königen usw. beschreibst Du die Situation der 1918 abgedankten. Das hat aber mit den 1804-1807 mediatisierten nichts zu tun.

Grüße Repo
 
Hi Ihr Lieben ...

ich habe heute noch etwas in Erfahrung bringen können :yes: ...

Und zwar gab es, trotz Souveränitätsverlust einiger Fürsten, nicht viele Adlige, die die "neuen" Zustände kritisierten, denn Ziel der Restauration und der Heiligen Allianz war es ja, die Zustände, wie sie vor der Revolution herrschten, wieder herzustellen - Konervatismus ebend, d.h. daß die den Großteil ihrer Rechte zurückerhielten, ihre Ländereien wieder von Arbeitern bewirtschaften lassen konnten etc. ...

Doch was ich mich nun frage ist, wie die es schafften die im Volk, logischer Weise, laut werdenden Stimmen gegen diese Veränderungen, zu unterdrücken bzw. völlig auszuschalten?

Zar Alexander, das weiß ich, tat dies durch eine Art Geheimpolizei, die jeden "Querschläger" wegrationalisierte - war das damals, zwischen 1815 und 1830 auch im Deutschen Bund der Fall :grübel: ? So 'ne Art Schreckensherrschaft im Verborgenen?

Und wer regierte in dieser Zeit? Gab es einen König? Der Kaiser hatte ja bereits 1806 sein Amt aufgegeben ...

Liebe Grüße, Beatchen!!!
 
Beatchen schrieb:
Und wer regierte in dieser Zeit? Gab es einen König?

Nicht nur einen, sondern gleich mehrere: Den König von Preußen, den König von Hannover, den König von Bayern und den König von Württemberg. Und daneben diverse souveräne Großherzöge und sonstige Fürsten, deren Staaten nicht mediatisiert worden sind.

Beatchen schrieb:
Der Kaiser hatte ja bereits 1806 sein Amt aufgegeben ...
Dafür hatte er sich die österreichische Kaiserkrone zugelegt, so daß er auch nicht ganz arbeitslos war.
 
hyokkose schrieb:
Nicht nur einen, sondern gleich mehrere: Den König von Preußen, den König von Hannover, den König von Bayern und den König von Württemberg...

... sowie der Vollständigkeit halber der König von Sachsen noch zu nennen ist :fs:
Gerade bei diesem Souverän zeigte sich übrigens nicht erst zu dieser Zeit, welch eigenständige (Macht-)Politik die früheren Reichsfürsten mitunter führten, denn seit Friedrich August II. (August dem Starken - Anm. d. Verf.) hatten die sächsischen Wettiner immerhin (zumindest nominell) auch die direkte Anwartschaft auf die polnische Krone - und das bis 1918!
 
Beatchen schrieb:
Doch was ich mich nun frage ist, wie die es schafften die im Volk, logischer Weise, laut werdenden Stimmen gegen diese Veränderungen, zu unterdrücken bzw. völlig auszuschalten?

Zar Alexander, das weiß ich, tat dies durch eine Art Geheimpolizei, die jeden "Querschläger" wegrationalisierte - war das damals, zwischen 1815 und 1830 auch im Deutschen Bund der Fall :grübel: ? So 'ne Art Schreckensherrschaft im Verborgenen?

Das regelte jeder König, jeder Großherzog etc. auf seine Weise. Je nach Bedarf wurden Zeitungen verboten oder zensiert, Oppositionelle verhaftet etc.

Es gab allerdings auch gemeinsame Aktionen, vor allem wären die Karlsbader Beschlüsse von 1819 zu nennen, die allerdings nicht von allen Staaten gleichermaßen ausgeführt wurden:

http://de.wikipedia.org/wiki/Karlsbader_Beschlüsse
 
BeatchenDoch was ich mich [B schrieb:
nun[/B] frage ist, wie die es schafften die im Volk, logischer Weise, laut werdenden Stimmen gegen diese Veränderungen, zu unterdrücken bzw. völlig auszuschalten?

Indem die meisten Staaten dem Beispiel von Clemens Fürst Metternich (österr. Staatskanzler) folgten und einen Überwachungsapparat (Polizei- und Spitzel-un-wesen) errichteten:

"Innenpolitisch war die Ära nach den Napoleonischen Kriegen durch ein hartes Polizeiregime geprägt, das liberale Regungen unterdrückte, ausländische Literatur von der Monarchie fernhielt und dadurch unter anderem den Rückzug des immer stärker werdenden Bürgertums in private Interessensphären begünstigte. Diese Kultur des Biedermeier erreichte im städtischen Bereich..."

mehr findest du zB. hier: http://www.aeiou.at/aeiou.encyclop.v/v956989.htm
 
dazu ein Beispiel: du schreibst ein Gedicht eine Novelle oder ein Theaterstück oder malst ein Bild einen Person der polit. Öffentlichkeit. Das muss zuerst der Zensurbehörde vorgelegt werden (und zwar jedes! Werk, das einem, wenn auch noch so kleinen Publikum vorgeführt werden könnte) und der Beamte streicht dann zeilenweise durch, was der Staatslinie nicht genehm ist oder verbietet überhaupt das Werk.
Gerade deshalb fand künstlerischer Austausch meist in den privaten Salons von "Herrn oder Frau von Biedermeier" statt.
;-)
 
.. was ihm so ne "verstockte Note" gab... soweit ich mich erinnere, war Jahn bis lange nach der Revolution unter Polizeiaufsicht gestellt (?)...

... oder: Preussen ließ Heinrich Heine, welcher gerade auf Parisbesuch weilte, nicht mehr einreisen, verbot den Nachdruck seiner Werke usw.

... oder: Österreichs Geheimdienste waren im Ausland nicht weniger aktiv als im Inland und dies nicht einmal geheim, sie ko/operierten höchst offensiv und bestens mit allen benachbarten Autokratien.
Und so schürten sie hervorragend das Freiheits- und Unabhängigkeitsstreben. (zB. via Frankreich bzgl. Lombardei, Venetien)
 
ning schrieb:
.. was ihm so ne "verstockte Note" gab... soweit ich mich erinnere, war Jahn bis lange nach der Revolution unter Polizeiaufsicht gestellt (?)...

E. T. A. Hoffmann hatte übrigens ein recht zwiespältiges Verhältnis zu Jahn. Einerseits schrieb er eine recht bissige Anekdote über den "berühmten Hüpf-, Schwung- und Springmeister", in der er in einer Menagerie mit einem Affen verwechselt wird, andererseits verfaßte er (damals Richter am Kammergericht) eine Verteidigungsschrift, in der er sich gegen Maßnahmen gegen Jahn aussprach. Bemerkenswert, wie so ziemlich alles, was mit Hoffmann zusammenhängt.
 
Tannhaeuser schrieb:
E. T. A. Hoffmann hatte übrigens ein recht zwiespältiges Verhältnis zu Jahn. Einerseits schrieb er eine recht bissige Anekdote über den "berühmten Hüpf-, Schwung- und Springmeister", in der er in einer Menagerie mit einem Affen verwechselt wird, andererseits verfaßte er (damals Richter am Kammergericht) eine Verteidigungsschrift, in der er sich gegen Maßnahmen gegen Jahn aussprach. Bemerkenswert, wie so ziemlich alles, was mit Hoffmann zusammenhängt.


da sprichst Du ein wahres Wort ! Der Geister-und Märchenerzähler Hoffmann
war ein unbestechlicher Jurist und beugte sich nicht dem Vorgesetzten - Polizeipräsidenten Kamptz .....:hoch:

"Jahns Wunschtraum war stets die Rückkehr zu germanischen Tugenden: für ihn persönlich hieß dies, dass er sich Haare und Bart wachsen ließ, das Waschen als zivilisatorische Schwäche ansah und deshalb unterließ und die Franzosen gerade so sehr hasste wie der ordentliche Germane einstmals die Römer. Aus dieser Gesinnung machte er keinen Hehl, doch resultierten aus ihr auch keine strafbaren Handlungen, so dass Hoffmann keine juristische Handhabe gegen Jahn sah. Er veranlasste dessen Freilassung, von Kamptz verfügte die erneute Inhaftierung und weitere Untersuchungen. Tagebücher und Briefe der Inhaftierten wurden untersucht, aus fadenscheinigen Formulierungen Anklagen gebastelt.
In seinem Roman "Lebens-Ansichten des Katers Murr" griff Hoffmann erstmals diese Praktiken an."

der ganze hochinteressante Vorgang, der die zeitumstände prima beleuchtet :
http://www.tour-literatur.de/Autoren_texte/hoffmann_eta.htm
 
Wow, Danke, das war echt interessant ... meine Frage wurde auf jeden Fall zu 100 % beantwortet :rofl:

Danke, Danke, Danke, und liebe Grüße, Beatchen :winke:
 
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