Wie verstanden sich die Indoeuropäer untereinander?

elde

Neues Mitglied
Hallo,
die nach Europa eingewanderten Träger der indoeuropäischen Sprachen (Kelten, Italiker, Griechen, Germanen, Slawen ...) müssten sich in ihrem historischen Ursprungsgebiet wohl noch einigermaßen verstanden haben (sprachlich).
Wie haben sich dann in der Antike die Kelten z. B. mit den Germanen verständigen können? Oder die Griechen mit den Germanen, Kelten oder Slawen?? War damals schon jeweils ein Dolmetscher nötig? Oder wie kann man sich das vorstellen?
Etwa zwischen den Keltem und Germanen so wie wir Deutsche und die Holländer?
 
Hallo,
die nach Europa eingewanderten Träger der indoeuropäischen Sprachen (Kelten, Italiker, Griechen, Germanen, Slawen ...) müssten sich in ihrem historischen Ursprungsgebiet wohl noch einigermaßen verstanden haben (

Da es nachweislich keine eingewanderten Träger der idg. Sprache gab und ebenso auch kein Ursprungsgebiet der Idg. gab, ist die Frage so nicht zu beantworten.
Schau doch mal hier rein:
http://www.geschichtsforum.de/f22/indogermanen-konstrukt-oder-wirklichkeit-21353/

Wie haben sich dann in der Antike die Kelten z. B. mit den Germanen verständigen können? Oder die Griechen mit den Germanen, Kelten oder Slawen?? War damals schon jeweils ein Dolmetscher nötig?
Schwierige Frage, die Römer benutzten auf jeden Fall "Dolmetscher", wie es sich bei der Verständigung von "Kelten" und "Germanen" verhält ist sehr schwierig zu beantworten....., da fehlen uns einfach die Schriftquellen die es uns erlauben würden m.E. auf die gesprochene Sprache der jeweiligen Zeit zurück zuschließen.
 
Die Sache ist nur die: Wenn man von einem Ursprungsgebiet der Indoeuropäer ausgeht - dem überstrapazierten Begriff der "Urheimat" - dann kann man noch nicht von Kelten, Germanen, Italikern, etc. sprechen.
Wann auch immer einzelne Gruppen sich vom Rest der indoeuropäischen Sprachgemeinschaft gelöst haben, ab diesem Zeitpunkt ist die eigenständige Entwicklung des gruppenintern gesprochenen Dialektes anzusetzen, auch dann, wenn es Beeinflussungen von außen gab. Kann sein, dass der Protokelte und der Protoitaliker und der Protogermane sich untereinander noch verstanden, doch der Italiker, der Germane und der Kelte, die verstanden einander nur, wenn sie die jeweils andere Sprache beherrschten.
 
Es kommt sicher auch auf den Zeitpunkt an. Vor der ersten deutschen Lautverschiebung, welche ca. 500 v.Christus bis 100 v. Christus abgeschlossen wurde, dürfte eine Verständigung noch verhältnissmässig machbar gewesen sein.

Im Sinne von "machbar" so wie heute der Niederländer den Schweizer noch halbwegs verstehen kann wenn man langsam spricht und sich an gelegentlichen unverständlichen Wörtern nicht stört.

Man kann dies zumindest teilweise nachstellen wenn man lateinische Worte die entsprechenden Lautverschiebungen machen lässt, also eine (natürlich anachronistische) Entwicklung des Latein ähnlich dem Deutschem spekuliert:

Pater noster, qui es in caelis
Vater noster, wi es in helis

Man beachte mein Laienwissen über die Lautverschiebungen, ich bin mir sicher jemand der dies studiert hat vermag dies genauer darzustellen. Das klingt nun immer noch recht unverständlich. Tauscht man bei noster die zwei ersten Buchstaben dann erhält man onster, was schon recht nah an unserem "unser" dran ist. Helis ist bereits recht nah an "hel"dran, und wäre wohl durchaus für einen Germanen verständlich als eine Totenwelt gewesen.

"Vater onser wi es in hel" klingt schon deutlich näher.

Das soll nun nicht heissen dass alle sich problemlos verständigen konnten. Aber die Sprachen waren sich seinerzeit fraglos noch ähnlicher.
 
Händler waren sicher auch damals mehrsprachig. Die Gallier/Kelten verständigten sich mit den griechischen Kolonisten in Massalia bestimmt nicht nur "mit Händen und Füßen". Soweit diese Kelten schrieben, was sie nicht gerade ausgiebig taten, verwendeten sie ja auch griechische Buchstaben.
 
Kann sein, dass der Protokelte und der Protoitaliker und der Protogermane sich untereinander noch verstanden, doch der Italiker, der Germane und der Kelte, die verstanden einander nur, wenn sie die jeweils andere Sprache beherrschten.

Vorbemerkung: die Verwendung des Konjuktivs ist hier sicher vernünftig.

Es stellt sich aber die Frage, ob es jemals so etwas wie eine annähernd einheitliche indoeuropäische Sprache gegeben hat. Möglicherweise hat es zu jedem Zeitpunkt eigene Dialekte/Sprachen gegeben, die parallel nebeneinander existiert haben, ggf. sich gegenseitig beeinflusst haben (etwa durch gegenseitigen Handel).

Wenn man von einem Zeitpunkt von sagen wir ca. 600 v. Chr. ausgehen, war es quasi noch möglich, aus jeder vorhandenen Wurzel Verben, Substantive, Adjektive etc. zu formen. (Anmerkung: das ist heute noch möglich, aber nicht üblich, da sich die Sprache einigermassen gefestigt hat. Zusatzanmerkung: die Sprache verändert sich heute noch, siehe Anglizismen, Jugendslang etc., aber das ist wieder ein anderes Thema).

Es ist anzufügen, dass sich die Sprachen laufend erweitert haben, d.h. von einem Wortschatz von null Wörtern (da müsste man wohl extrem weit in die Evolutionsschublade zurückgreifen) bishin zu einer hochentwickelten Sprache wie z.B. etwa Latein, Keltisch oder Germanisch. Bei diesem Prozess ging es um die Beschreibung der Natur (Tiere, Pflanzen, Fluren etc.), von Gefühlen, Tätigkeiten, Eigenschaften usw.. Der Mensch hat jeweils versucht, das Entdeckte zu beschreiben. In einigen Fällen hat man sich lautmalerisch ausgedrückt (z.B. Kuckuck, Zilpzalp, Krähe).
 
Alkohol überwindet alle Sprachbarrieren. Wer es studieren möchte, kann zum Oktoberfest fahren. Wie sich dort Deutsche und Franzosen stundenlang und problemlos auf englisch verständigen, obwohl beide überhaupt kein englisch können, ist einfach faszinierend.
 
Vorbemerkung: die Verwendung des Konjuktivs ist hier sicher vernünftig.

Es stellt sich aber die Frage, ob es jemals so etwas wie eine annähernd einheitliche indoeuropäische Sprache gegeben hat. Möglicherweise hat es zu jedem Zeitpunkt eigene Dialekte/Sprachen gegeben, die parallel nebeneinander existiert haben, ggf. sich gegenseitig beeinflusst haben (etwa durch gegenseitigen Handel).

Zwar spricht jeder Mensch eine eigene Sprache (den sogenannten Idiolekt), aber dieser eigene Ausdruck steht doch immer in einem System. Es ist nicht anzunehmen, dass die hypothetische indoeuropäische Ursprache sich parallel in mehreren Sprachgemeinschaften entwickelte, sondern in einer wie auch immer gearteten Gruppe. Grundvroaussetzung für das Entstehen von Sprache ist Gemeinschaft, paradoxerweise ist aber auch die Grundvoraussetzung für eine Gemeinschaft eine gemeinsame Sprache. Das wusste schon Rousseau und seine Paradoxa ist bis heute nicht zufriedenstellend gelöst.
 
Grundvroaussetzung für das Entstehen von Sprache ist Gemeinschaft, paradoxerweise ist aber auch die Grundvoraussetzung für eine Gemeinschaft eine gemeinsame Sprache. Das wusste schon Rousseau und seine Paradoxa ist bis heute nicht zufriedenstellend gelöst.
Dabei ist es offensichtlich. Eine Sprache ist niemals starr, sondern entwickelt sich permanent weiter. Wenn sich eine Gemeinschaft teilt und die beiden neu entstandenen Gemeinschaften keinen engen Kontakt zueinander haben, verläuft die weitere Entwicklung der bis dato gemeinsamen Sprache nicht mehr synchron. Eine Verstärkung erfährt dieser Mechanismus durch Prozesse der kulturellen Abgrenzung und der kulturellen Identifikation. Ein paar alte Begriffe verwenden wir nur deshalb nicht, weil die anderen sie verwenden. Und ein paar neue Begriffe führen wir ein, damit wir etwas haben, das nur uns gehört. Solche Abgrenzungsprozesse kann man live bei jeder neuen Jugendgeneration beobachten. Bei räumlicher Isolation braucht es nur ein paar wenige Generationen, bis man sich kaum noch oder gar nicht mehr versteht.
 
Dabei ist es offensichtlich. Eine Sprache ist niemals starr, sondern entwickelt sich permanent weiter. Wenn sich eine Gemeinschaft teilt und die beiden neu entstandenen Gemeinschaften keinen engen Kontakt zueinander haben, verläuft die weitere Entwicklung der bis dato gemeinsamen Sprache nicht mehr synchron. Eine Verstärkung erfährt dieser Mechanismus durch Prozesse der kulturellen Abgrenzung und der kulturellen Identifikation. Ein paar alte Begriffe verwenden wir nur deshalb nicht, weil die anderen sie verwenden. Und ein paar neue Begriffe führen wir ein, damit wir etwas haben, das nur uns gehört. Solche Abgrenzungsprozesse kann man live bei jeder neuen Jugendgeneration beobachten. Bei räumlicher Isolation braucht es nur ein paar wenige Generationen, bis man sich kaum noch oder gar nicht mehr versteht.

Ja und nein. Jugendsprachliche Abgrenzung ist meist zeitlich begrenzt, sie endet mit dem Erwachsenwerden der Jugendlichen. Die Worte der Jugendsprache werden dann meist nicht weiterverwendet. Ansonsten stimme ich dir voll zu.
 
Es ist nicht anzunehmen, dass die hypothetische indoeuropäische Ursprache sich parallel in mehreren Sprachgemeinschaften entwickelte, sondern in einer wie auch immer gearteten Gruppe.

Die Indoeuropäer - bevor sie in Europa sesshaft wurden - waren Nomaden. Ich vermute mal, dass es da viel Bewegung gab und dass man vielleicht von einem grossen Schmelztiegel sprechen kann, in dem sich die indoeuropäischen Nomaden umherbewegten.

Es ist dann davon auszugehen, dass es (lokale, völkertypische, ...) "Spezialitäten" gab, die sich verbreiteten, aber wohl kaum in einer homogenen Art und Weise.

Ein treffendes Beispiel ist hier Bezeichnung von Jauche: in Deutschland Jauche, in der Schweiz Gülle, im Kanton Bern "Bschütti" (was von be-schütten kommt). Neue Sachen (nehmen wir z.B. Eisen) wurden in vielen Fällen lokal benannt (deutsch Eisen, englisch Iron, keltisch Isarnon etc.). In vielen Fällen hat man das neue beschrieben, bzw. mit dem alten verglichen: z.B. lateinisch Argentum (Silber), wo die Wortwurzel arg dahinter steckt (im Sinne von das arg glänzende Metall).

Ein weiteres Beispiel: die Kartoffel wurde quasi nach der Trüffel benannt (Tartuffel -> Kartoffel).

Grundvoraussetzung für das Entstehen von Sprache ist Gemeinschaft, paradoxerweise ist aber auch die Grundvoraussetzung für eine Gemeinschaft eine gemeinsame Sprache. Das wusste schon Rousseau und seine Paradoxa ist bis heute nicht zufriedenstellend gelöst.

Das stimmt in etwa schon, aber Sprache lässt sich erlernen. Ein Beispiel hierzu: im zu Italien gehörenden Aostatal sprachen die Leute früher (und teils sogar noch heute) französisch. Dies ist darauf zurückzuführen, dass das Aostatal früher zum Savoyischen Reich gehörte, wo man eben französisch sprach. In anderen Fällen hat die vorhandene, massive natürliche Grenze in Form von so hohen Bergen wie der Alpen dazu geführt, dass die massive Bergkette zur Sprachgrenze wurde.
Wäre die savoyische Herrschaft nicht gewesen, würden die Leute im Aostatal heute wohl alle italienisch sprechen. Es wäre noch interessant zu wissen, wie dies seinerzeit im Detail ablief.
 
Bisher ging ich davon aus, dass man nicht genau weiß, ob und wo es ein Ursprungsgebiet der indogermanischen Sprachen gibt.

Da gebe ich Dir recht: es gibt etliche Theorien. Aber keine "allgemein anerkannte".

Und woher weiß man, dass sie Nomaden und nicht seßhafte Bauern waren?

Ich dachte, das sei Allgemeinwissen:
Reitervölker ? Wikipedia
Europas erste Bauern
Skythen - Wikipedia
Gerade bei den Skythen kann man den Uebergang vom Nomadentum zur Sesshaftigkeit gut nachvollziehen.

Desweiteren spricht der Umstand, dass die Indoeuropäer sehr weit wanderten (bis nach Westeuropa) für den Umstand, dass es ursprünglich Nomaden waren. Als Sesshafte wären solche immense Wanderungen schwer erklärbar, ja ein Widerspruch.
 
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Ich dachte, das sei Allgemeinwissen:
Reitervölker ? Wikipedia
Europas erste Bauern
Skythen - Wikipedia
Gerade bei den Skythen kann man den Uebergang vom Nomadentum zur Sesshaftigkeit gut nachvollziehen.

Desweiteren spricht der Umstand, dass die Indoeuropäer sehr weit wanderten (bis nach Westeuropa) für den Umstand, dass es ursprünglich Nomaden waren. Als Sesshafte wären solche immense Wanderungen schwer erklärbar, ja ein Widerspruch.

Die Skythen lebten doch um die Zeitenwende und sprachen eine iranische Sprache, folglich konnten sie sich mit den Leuten ihrer Umgebung wahrscheinlich verständigen.
Oder meinst du, dass sie sich mit ihren keltischen, germanischen oder griechischen Zeitgenossen unterhalten konnten?

Über die Entwicklung zum Hirtennomadismus haben wir an anderen Stellen schon diskutiert.
 
Die Skythen lebten doch um die Zeitenwende

Die ursprünge der skythischen Kultur sind deutlich älter, siehe den von mir vorgängig verlinkten Wikipedia-Artikel

und sprachen eine iranische Sprache, folglich konnten sie sich mit den Leuten ihrer Umgebung wahrscheinlich verständigen.

Die iranische Sprache ist eine indoeuropäische Sprache.

Oder meinst du, dass sie sich mit ihren keltischen, germanischen oder griechischen Zeitgenossen unterhalten konnten?

Gute Frage! Ich habe die Skythen insbesondere hier erwähnt, weil sich hier der Uebergang vom nomadischen Reitervolk zum sesshaften Herrschervolk besonders gut nachvollziehen lässt.
Interessant auch, dass es Parallelen zwischen keltischem Schmuck und skythischem Schmuck gibt, ebenfalls bei den Opferritualen gibt es Aehnlichkeiten.

Über die Entwicklung zum Hirtennomadismus haben wir an anderen Stellen schon diskutiert.

Ich weiss, aber ich wollten den bzw. die betreffenden Threads nicht extra hervorkramen. Interessant ist aber, dass der Beginn einer indoeuropäischen Kultur in etwa mit dem Beginn der landwirtschaftlichen Sesshaftigkeit (Getreideanbau) zusammenfällt. Klar hat letztlich jede Kultur eine Vorgängerkultur.
 
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Was wirklich arg ist

In vielen Fällen hat man das neue beschrieben, bzw. mit dem alten verglichen: z.B. lateinisch Argentum (Silber), wo die Wortwurzel arg dahinter steckt (im Sinne von das arg glänzende Metall).

Wirklich arg ist die Erklärung für den lateinischen Namen eines Edelmetalls mit einem deutschen Adjektiv, welches ursprünglich auch noch eine - heute nur teilweise verloren gegangene - pejorative Bedeutuung hat. Arg bedeutet ursprünglich 'schlecht', 'schlimm'.
 
Mit Argusaugen wie A(r)genten bewachten die Argonauten dass argentum-goldene Vlies, denn sie argwöhnten von arglistigen Aargauern Ärger.
 
Das verwirrt mich jetzt, du hast Belege für die Sprache der bandkeramischen Bauern? Bandkeramische Kultur ? Wikipedia

Ja. Es gibt einen Zusammenhang zwischen Genen und Sprache, auch wenn es die eine oder andere Ausnahme gibt, welche aber erklärbar ist (z.B. die Ungaren sprechen eine finnisch-ugrische Sprache, obwohl sie genetisch zu 90 % Indogermanen sind).

Literatur:
Gene, Völker und Sprachen. Die biologischen Grundlagen unserer Zivilisation von Luigi Cavalli-Sforza.

Wirklich arg ist die Erklärung für den lateinischen Namen eines Edelmetalls mit einem deutschen Adjektiv, welches ursprünglich auch noch eine - heute nur teilweise verloren gegangene - pejorative Bedeutuung hat. Arg bedeutet ursprünglich 'schlecht', 'schlimm'.

Die Bedeutung des deutschen Wortes ist mir absolut klar (dass sie einen negativen Charakter hat).

Dann bitte ich um eine Gegen-Etymologie des Wortes Argentum...
 
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